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Was wäre, wenn plötzlich dein größter Wunsch in Erfüllung ginge? Diese zwei Geschichten sind voller Wünsche. Die Suche Ninfia ist eine Wassermannprinzessin und lebt im Meer. Sie wünscht sich auf dem Land leben zu können. Leider ist das für sie unmöglich. Da erfährt sie von der Wunschperle, welche einer bösen Muräne gehört. Ninfia macht sich auf die Suche nach ihr. Die Muräne gibt die Perle aber nicht so einfach her, im Gegenteil! Urgroßvaters Geburtstag Ninfias Urgroßvater hat Geburtstag. Die Prinzessin macht sich auf den gefährlichen Weg, um ihm die Perle zu bringen. Sie begegnet den verschiedensten Tieren, gütigen und bösen. Auch die rachsüchtige Muräne taucht wieder auf. Wegen ihr schwebt Ninfia sogar in Lebensgefahr. Vom Urgroßvater erfährt sie mehr über das Geheimnis der Perle.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2017
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für Jürg, Patrick, Nadine und Carmen
Die Suche
Ein unmöglicher Wunsch
Die Idee der Meeresschnecke
Die Entscheidung
Der Seestern
Die Suche geht weiter
Ninfia springt ein
Der dunkle Schatten
Seepferdchen, wo bist du?
Geduld
Der Dank
Das Zusammentreffen
In der Höhle
Die Flucht
Die Überraschung
Kurz vor dem Ziel
Am Ufer
Das Wiedersehen
Urgrossvaters Geburtstag
Einsam
Ein Brief von Urgrossvater
Abreise
Am Sammelplatz
Verfolgt
In der Falle
In den tiefsten Tiefen
Der Schwertwal
Auf, in den Norden!
Es geht zügig voran
Hilfe!
Gute Freunde
Die Wege trennen sich
Die Rettungsaktion
Unverhoffte Begegnung
Der Eiskönig
Geburtstag
Urgrossvaters Wunsch
Neue Freundschaft
Anhang
Meeresschildkröte
Seestern
Seepferdchen
Muräne
Delfin
Riesentintenfisch
Schwertwal
Heute ist ein Freudentag! Im Meeresschloss wird ein grosses Fest vorbereitet. Des Königs jüngste Tochter hat Geburtstag. Viele Gäste werden erwartet. Sie alle wollen der Prinzessin Ninfia gratulieren und ihr Geschenke bringen. Die Vorbereitungen zum Fest dauern schon den ganzen Tag.
Ninfia sitzt mit der Meeresschildkröte Taruga im Palastgarten. Dort lauscht sie den Erzählungen ihrer Freundin. Wann immer sie können, sind sie zusammen. Die Prinzessin hat tausend Fragen und ihre Augen blicken sehnsüchtig nach oben.
Ninfia ist sehr hübsch. Alle bewundern sie dafür. Ihre langen Haare glänzen wie ein Sonnenstrahl, der durchs Wasser gleitet. Ihr Gesicht ist so schön, dass jeder Meeresbewohner sie anstaunt. Aber nicht nur ihr Äusseres erfreut alle. Sie hat auch ein gutes Herz und hilft, wo immer es nötig ist. Heute trägt sie ihr Lieblingskleid, ein schimmerndes Gewand, das ihre eleganten Bewegungen lieblich umspielt.
Jeder Wunsch wird ihr von den Augen abgelesen. Man müsste meinen, sie sei das glücklichste Wesen im grossen weiten Ozean. Aber das ist leider nicht so. Im tiefsten Innern sehnt sich die Prinzessin nach etwas, das ihr nicht erfüllt werden kann.
Von den Nixen hat sie erfahren, dass es ausserhalb des Meeres noch etwas anderes gibt, als nur Wasser. Es wird Land genannt. Und dort möchte sie leben können. Aber dieser Wunsch bleibt den meisten Meeresbewohnern verwehrt. Nur ganz wenige, wie zum Beispiel die Meeresschildkröten, können im Wasser und auf dem Land leben. Die Prinzessin würde dort vertrocknen.
Die Wassermänner, zu denen Ninfia gehört, sehen zwar aus wie Menschen, können aber das Wasser nicht für längere Zeit verlassen. Sie halten es nur ein paar Stunden aus – und auch das nur ab einem bestimmten Alter – dann müssen sie dringend wieder ins kühle Nass zurück, sonst bekommen sie schlimme Krankheiten. Im Allgemeinen zieht es die Wassermänner aber nicht an Land, sondern eher in die Weiten und Tiefen des Ozeans. Deshalb gibt es nur wenige Wassermänner, die schon an Land gewesen sind. Und auch die kennen nur gerade einen schmalen Küstenstreifen.
„Hab doch noch ein wenig Geduld“, tröstet Taruga das Mädchen. „Irgendeinmal wird auch für dich die Zeit kommen, dass du deinen ersten Landausflug machen darfst. Dann kannst du deine Neugierde endlich stillen.“
„Ein wenig, sagst du? Das dauert noch über zehn Jahre! Das ist doch eine Ewigkeit!“
„Auch das geht einmal vorbei.“
„Bei mir nicht! das dauert viel zu lange. Ausserdem möchte ich nicht nur die Küste kennen lernen, sondern auch das Landesinnere und die Lebewesen, die dort wohnen.“
„Diese Teile kenne auch ich nicht. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich wieder im Wasser bin. Hier bewegt es sich viel leichter!“
„Bei mir wäre das sicher ganz anders!“, antwortet Ninfia.
„Aber denk doch daran“, bittet die Schildkröte die Prinzessin. „Du bist wirklich noch zu jung. In deinem Alter könntest du die trockene Luft noch nicht einatmen, ohne Schaden zu nehmen.“
„Das Schlimmste ist, dass mein Wunsch nie ganz erfüllt werden kann. Der grösste Teil des trockenen Landes wird mir verborgen bleiben. Aber du hast recht, lassen wir das jetzt! – Erzähl mir doch noch etwas von deinem letzten Landaufenthalt. Wie waren die Geräusche, die du gehört hast?“
Im Moment bleiben Ninfia nur die Erzählungen ihrer Freundin Taruga und davon kann sie nicht genug bekommen. Immer wieder stellt sie ihr Fragen über die Landschaft, die Lebewesen und die Art des Lichtes dort. Auch kann sie sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nicht von Wasser umspült wird.
Endlich ertönt das Muschelhorn. Es wird Zeit, dass Ninfia hinein ins Schloss geht. Sie setzt sich in eine Muschelschale neben den Thron ihres Vaters und wartet gespannt. Schon werden die ersten Gäste angekündigt.
Sogar Perlmutina, eine Freundin aus dem Volk der Meeresnixen, ist aus dem Nachbarreich gekommen. Sie ist die erste Gratulantin und bringt ihr ein wunderschönes, in allen Farben schillerndes Schneckenhaus. Das hat sie selber gesucht. Weit ist die Nixe dafür im Meer herum geschwommen, bis sie es gefunden hat. Bewundernd und vorsichtig nimmt Ninfia es in ihre Hände.
Von Welle, aus dem Volk der Wassermänner erhält sie eine schön geformte Vase. Die hat er bei einem versunkenen Schiff gefunden. Träumerisch betrachtet Ninfia die feinen Muster, die darauf gezeichnet sind. Dieses Geschenk erinnert sie einmal mehr an ihren grössten Wunsch. Aber den wird ihr niemand erfüllen können.
Auch viele Fische in allen Grössen, Formen und Farben kommen ans Fest. Dazwischen kraxeln Krebse, schleichen Schnecken, gleiten Tintenfische und Quallen an Ninfia vorbei. So bringt jeder der Prinzessin etwas besonders Schönes und Kostbares.
Das wertvollste Geschenk aber bekommt sie ganz zuletzt von ihrem Vater. Es ist eine silbrigweiss schimmernde Perlenkette. Sofort legt sie sich diese um den Hals. Alle staunen, keiner der Gäste hat je so grosse und vollkommene Perlen gesehen.
Ninfia freut sich sehr über alle Geschenke und Glückwünsche. Aber ganz glücklich ist sie trotzdem nicht. Ihr grösster Wunsch ist unerfüllt geblieben. Niemand konnte ihr ermöglichen, die trockene Welt anzuschauen und so lange sie das nicht kann, findet sie keine Ruhe mehr.
Leise schleicht sich Ninfia vom Fest weg in den Garten. Die Prinzessin möchte nicht, dass die andern merken wie enttäuscht und traurig sie ist. Alle haben es so gut mit ihr gemeint.
Natürlich hat sie schon vorher gewusst, wie unmöglich ihr Wunsch zu erfüllen ist. Aber insgeheim hat sie auf ein kleines Wunder gehofft. Nachdenklich lässt sie sich mit einer feinen Strömung durch den Schlossgarten treiben.
Da hört sie hinter sich jemanden rufen.
„Warte Prinzessin, ich möchte dir auch noch gratulieren! Leider habe ich es nicht geschafft, rechtzeitig hier zu sein.“ Ninfia blickt zurück und sieht eine grosse Meeresschnecke.
„Ach du bist es!“, ruft sie ihr entgegen und wartet geduldig, bis die Schnecke bei ihr ist. Diese merkt sofort, dass Ninfia unglücklich ist.
„Was hast du? Was ist los mit dir? Bist du denn an deinem Geburtstag nicht glücklich?“, will die Schnecke wissen.
Nach kurzem Überlegen entschliesst sich Ninfia, der freundlichen Meeresschnecke von ihrem grössten Wunsch zu erzählen. Still hört sie der Prinzessin zu. Danach fällt die Schnecke eine Weile in tiefes Nachdenken, wobei sie immerzu mit ihren Fühlern langsam auf und ab wippt. Ninfia schaut ihr verwundert zu. Endlich beginnt die Schnecke wieder zu sprechen.
„Da kommt mir etwas in den Sinn, das ich vor langer Zeit gehört habe. Vielleicht gibt es doch einen Weg, deinen Wunsch wahr werden zu lassen. Aber es ist nicht einfach, wenn es überhaupt geht.“
Ninfia wird ganz aufgeregt. Sie kann kaum erwarten, dass die Schnecke wieder spricht. Nach einer kurzen Pause berichtet das Tier gemütlich weiter.
„Vor vielen Jahren hat eine Grosstante von mir von einer Zauberperle erzählt. Sie soll jedem, der sie besitzt einen Wunsch erfüllen, auch wenn er noch so unmöglich erscheint. Vielleicht könntest du mit Hilfe dieser Perle einmal das trockene Land anschauen.“
Jetzt ist es mit Ninfias Ruhe vorbei. Sie strahlt übers ganze Gesicht und kann kaum mehr still stehen. Sie will unbedingt alles von dieser Perle erfahren. Deshalb bestürmt sie die Schnecke auch gleich mit Fragen.
„Du meinst, mit dieser Perle würde mein Wunsch wirklich in Erfüllung gehen, ohne noch lange darauf zu warten? Ist das möglich? Wo kann ich diese Perle finden? Wem gehört sie? Was muss ich tun, damit ich sie bekomme?“
Ninfia ist so aufgeregt, dass sie alles auf einmal wissen möchte.
„Langsam, langsam“, meldet sich die Schnecke wieder zu Wort. „Ich weiss nicht einmal, ob es diese Perle wirklich gibt, oder ob es nur eine Erzählung meiner Grosstante ist. Sie hat nämlich oft und gerne Geschichten erzählt. Danach soll die Perle einer bösen, hinterlistigen Muräne gehören. Aber wie du sie bekommen kannst, weiss ich nicht. Diese Muräne gibt nämlich nichts her, was in ihrem Besitz ist. Sie sammelt aussergewöhnliche und schöne Dinge.“
Deutlich kann die Meeresschnecke Ninfias Enttäuschung an den Augen ablesen. Deshalb tut es ihr leid, dass sie überhaupt davon erzählt hat. Um die Prinzessin auf andere Gedanken zu bringen, fordert sie diese auf:
„Komm, wir gehen ins Schloss zu deinen Gästen.“
Miteinander mischen sie sich unter die fröhliche Schar. Das Fest dauert noch bis spät in die Nacht hinein. Weit herum leuchtet das freundliche Licht aus den muschelförmigen Fenstern des Schlosses. Aber ganz dabei sein kann Ninfia nicht mehr. Immer wieder schweifen ihre Gedanken ab, zu dem, was sie von der Schnecke erfahren hat.
Auch noch Tage später muss die Prinzessin immer wieder an diese besondere Zauberperle denken. Gibt es sie, oder gibt es sie nicht? Ninfia getraut sich nicht, zu viele Leute darüber auszufragen. Sie hat Angst, dass sie ausgelacht wird, wenn sie einem Märchen nachjagt. Aber die Meeresschildkröte zieht sie bei ihrem nächsten Besuch ins Vertrauen und erzählt ihr vom neuen Geheimnis. Auch die hat schon von dieser Muräne gehört, weiss aber nichts Gutes von ihr zu berichten.
„Es wird erzählt, dass sie sehr besitzergreifend, hinterlistig und gemein ist. Ihr scheint jeder Trick recht zu sein, um an alle schönen, seltenen Sachen zu kommen, die sie sich in den Kopf gesetzt hat.“
„Kennst du sie denn, dass du das alles weißt?“, interessiert sich die Prinzessin.
„Nein, nicht direkt. Ich habe dir nur erzählt, was man so von ihr hört.“
„Weißt du wenigstens, wo sie wohnt?“
„Nein! – Du willst doch nicht etwa …“
Taruga spricht nicht weiter, schaut Ninfia aber sehr eindringlich in ihre tief blauen Augen. Die Prinzessin zuckt nur mit den Schultern. Aber langsam reift in Ninfias Kopf der Gedanke, und der Wunsch dazu wird täglich stärker, dass sie fort gehen will, um diese Perle zu suchen. Zwar rät ihr die Schildkröte davon dringend ab. Sie findet das Unternehmen zu gefährlich. Aber die Prinzessin ist nicht mehr davon abzubringen.
Einige Tage später geht Ninfia deshalb zu ihrem Vater, erzählt ihm von der Perle und bittet ihn, sie ziehen zu lassen.
„Ich kann dich nicht weg lassen, du bist zu jung dazu“, ist die Meinung des Königs. „Du musst zuerst noch viel lernen und älter werden.“
„Aber Vater, ich kann hier nicht mehr glücklich werden. Immer muss ich ans trockene Land denken. Und seit ich von dieser Wunschperle gehört habe, geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf! Dank ihr würde mein Wunsch endlich wahr.“
„Du weisst doch gar nicht, ob es sie wirklich gibt! Vielleicht ist es nur ein Märchen.“
„Bevor ich das nicht sicher weiss, habe ich keine Ruhe mehr. Du müsstest mich einschliessen, um mich hier behalten zu können.“
„Warum nur muss meine jüngste Tochter ein solcher Dickkopf sein. Du würdest dir besser eine gleichaltrige Freundin suchen und dich mit ihr vergnügen, als unmöglichen Wünschen nachzujagen.“
„Aber hier im Schloss gibt es keine wirklich gute Freundin, wie ich sie suche, sonst hätte ich sie längst gefunden. Hier wohnen keine anderen Wassermänner.“
„Warum muss es denn unbedingt ein Wassermann sein? Du darfst nur nicht so wählerisch sein!“
Der König versucht noch alles Mögliche, um die Prinzessin von ihrer Suche abzubringen. Als er aber merkt, dass alles nichts nützt, gibt er ihr seine Einwilligung. Am liebsten würde er Ninfia eine Begleitung mitgeben, um sie zu beschützen.
„Fiskolus wäre da gerade der Richtige“, findet ihr Vater.
Der König spricht von dem kleinen, silbrigen Fisch mit dem blauen und roten Seitenstrich, der sein engster Vertrauter und Freund ist. Aber die Prinzessin lehnt ab.
„Nein, auf keinen Fall! Erstens kann ich ihn nicht ausstehen, das weisst du genau und zweitens will ich niemanden in mein Abenteuer hineinziehen“, sagt das Mädchen bestimmt.
An diesem Tag noch verabschiedet sich Ninfia von all ihren Freunden und Kollegen. Schon morgen will sie weggehen.
Reisevorbereitungen trifft sie nicht. Sie hat ja keine Ahnung wo sie suchen muss und was sie dazu braucht. Am folgenden Tag, sehr früh, macht sie sich auf den Weg. Ninfia hat ihr Lieblingskleid und die schöne Perlenkette angezogen, die sie von ihrem Vater zum Geburtstag bekommen hat. Diese zwei Dinge sollen sie an ihr Zuhause erinnern. Der König steht vor dem Palast und winkt ihr noch lange und traurig nach. Sein Herz fühlt sich an, wie wenn es ihm bei lebendigem Leib herausgerissen würde.
„Da schwimmt sie weg, meine jüngste Tochter! Wer weiss, ob und wann ich sie wieder sehen werde.“
Ninfia weiss nicht, wo sie ihre Suche beginnen soll. Deshalb schwimmt sie einfach los. Wenn die Prinzessin jemanden trifft, fragt sie ihn nach der Muräne. Aber die lebt sehr zurückgezogen und versteckt. Bis jetzt hat noch niemand der Prinzessin einen brauchbaren Tipp geben können.
Ninfia streift durch grosse Wälder aus Seetang. Sie schwimmt über hohe Gebirge, die sich unter dem Wasser erheben, schaut hinter Steinblöcke und in Höhlen hinein. Überall trifft sie auf freundliche Wesen. Sie geben ihr etwas zu essen oder nehmen sie über Nacht auf. Aber weiter helfen kann ihr bis jetzt noch niemand.
Die letzte Nacht hat Ninfia in einer weichen Mulde auf dem sandigen Meeresboden verbracht. Jetzt steht sie auf und streckt und schüttelt sich. Eine kleine Sandwolke trübt für kurze Zeit das klare Wasser. Ninfia hört in der Nähe jemanden husten. Als sich der Sand wieder gesenkt hat, sieht die Prinzessin zehn Schritte von sich entfernt einen Seestern über eine Muschel gebeugt. Das ist sein Frühstück.
Ninfia geht näher und sie begrüssen sich. Ohne von einander zu wissen, haben sie so nahe beisammen übernachtet. Im Dunkeln hat einer den andern nicht gesehen.
Der Seestern ist ein netter, lustiger Geselle, aber beim Sprechen verzieht er immer wieder schmerzhaft sein Gesicht. Ninfia bemerkt das und möchte wissen, woran es liegt. Da erzählt ihr der Seestern mit kummervoller Miene seine traurige Geschichte.
„Vor ein paar Tagen war ich mit meiner Familie, meiner Frau und unseren fünf Kindern auf dem Meeresgrund unterwegs. Wir waren auf der Suche nach Nahrung. Du musst noch wissen, dass mein jüngstes Kind sehr hübsch ist. Seine Farbe leuchtet weit und das Muster auf seinem Körper ist das schönste und vollkommenste, das es im ganzen grossen Ozean gibt.“
Als er davon berichtet, blitzen seine Augen freudig auf. Aber kurz darauf verdüstert sich sein Blick wieder.
„Wir waren schon einen halben Tag unterwegs, als plötzlich das Wasser um uns herum ganz trüb wurde. Ich wusste zuerst nicht woher das kam. Erst als ich etwas höher schwamm und wieder klares Wasser um mich herum hatte, sah ich eine grosse, dunkle Muräne, die Schlamm aufwirbelte. Mein Schrecken war gross, als ich bemerkte, dass sie in ihrem böse verzogenen Maul mein jüngstes Kind davon trug. Und zwar sah es nicht so aus, wie wenn sie es fressen, sondern eher, wie wenn sie es rauben wollte.“
Der Prinzessin läuft es kalt den Rücken herunter, als sie sich das vorstellt.
„Ich überlegte nicht lange“, fährt der Seestern fort, „sondern ruderte sofort nach, um ihr mein Jüngstes wieder zu entreissen. Sie war nicht auf einen solchen Angriff vorbereitet. Deshalb liess sie meinen kleinen Seestern ziemlich schnell los und verteidigte sich gegen meinen wilden Angriff. Als sie nichts mehr im Mund hatte, konnte ich nicht rasch genug davon schwimmen. Aus Wut über ihre verlorene Beute hat sie mich mit ihren spitzen Zähnen stark in einen meiner Arme gebissen. Danach ist die Muräne wieder in die Tiefe gestochen, hat meinen kleinen Seestern gepackt und ist damit verschwunden. Und seit diesem Moment suche ich mein Kind. Aber die Schmerzen erleichtern mir die Sache nicht gerade.“
Erst jetzt merkt Ninfia, dass ein Arm des Seesterns wirklich sehr schlimm aussieht. Voller Erbarmen untersucht sie die Wunde näher und stellt fest, dass sie unbedingt behandelt werden muss, wenn der Seestern seinen Arm nicht verlieren will.
„Das sieht aber nicht gut aus!“, kommt sie zum Schluss. „Diese Wunde ist entzündet und beginnt bereits zu eitern. Die Muräne, die dich gebissen hat, hat dich nicht nur mit ihren scharfen Zähnen verletzt. Da ist bestimmt noch Gift in der Wunde!“
„O je, dann ist für mich wohl jede Rettung zu spät!“
„Verliere nur nicht den Mut!“, muntert Ninfia den Seestern auf. „Ich kenne das Rezept für einen heilkräftigen Kräuterumschlag, der dir helfen wird. Warte hier auf mich!“
Die Prinzessin macht sich sofort auf die Suche nach den seltenen Blättern. Einen ganzen Tag und eine Nacht sucht sie den Meeresboden ab. Am Morgen des nächsten Tages hat sie alles beisammen. Sie kehrt damit zum Seestern zurück, der geduldig auf sie gewartet hat. Er ist schon ganz schwach geworden. Es ist höchste Zeit, dass ihm geholfen wird.
Während der ganzen Suche hat Ninfia einen Gedanken nicht mehr los werden können.
„Ist diejenige Muräne, die den kleinen Seestern mitnahm die gleiche, die ich suche? Ist es diejenige, die seltene, schöne Dinge sammelt? Aber das Seesternkind ist ja ein Lebewesen und kein Ding! Und etwas Lebendiges kann man doch nicht einfach heim tragen und sammeln!“
Ninfia kann darauf keine Antwort finden. Aber ihre zerstossenen Blätter, die sie dem Seestern auf den Arm gebunden hat, zeigen schon die erste Wirkung. Jeden Morgen und Abend muss der Umschlag erneuert werden. Nach drei Tagen sieht man dem Arm kaum mehr an, dass er einmal verletzt war.
Der Seestern ist überglücklich und bedankt sich bei der Prinzessin. Zum Abschied gibt er ihr ein Bündel mit ganz besonderen Blättern.
„Leider habe ich nichts Grosses, das ich dir zum Dank für deine Hilfe geben könnte, aber dafür etwas Seltenes“, sagt er lächelnd.