Die Zärtlichkeit des Bösen - Ein Romantic-Mystery-Roman: Band 5 - Corina Bomann - E-Book
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Die Zärtlichkeit des Bösen - Ein Romantic-Mystery-Roman: Band 5 E-Book

Corina Bomann

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Beschreibung

Wenn ein Fluch die Zeiten überdauert: Der Mystery-Roman „Die Zärtlichkeit des Bösen“ von Bestsellerautorin Corina Bomann jetzt als eBook bei dotbooks. Er verbreitete Angst und Schrecken … 400 Jahre nach seinem mysteriösen Tod erinnert man sich in Glewenburg noch immer an den Roten Henker und sein blutiges Treiben. Auch Sandra kennt diese Schauergeschichten. Daher erschreckt es sie zutiefst, Zeugin eines Rituals zu werden: Eine Gruppe unheimlicher Männer versucht, den Henker aus dem dunkelsten Abgrund der Hölle ins Leben zurückzurufen! Aber dabei kann es sich nur um verrückten Aberglauben handeln, oder? Noch ahnt Sandra nicht, dass das personifizierte Böse wirklich existiert … und schon bald seine Klauen nach ihr ausstrecken wird! Mit Bestsellern wie „Die Schmetterlingsinsel“ und „Der Mondscheingarten“ hat Corina Bomann die Herzen ihrer Leserinnen erobert – und zeigt mit diesem Mystery-Roman eine ganz andere, unerwartete Seite ihres Talents. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Zärtlichkeit des Bösen“ von Corina Bomann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 161

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Über dieses Buch:

Er verbreitete Angst und Schrecken … 400 Jahre nach seinem mysteriösen Tod erinnert man sich in Glewenburg noch immer an den Roten Henker und sein blutiges Treiben. Auch Sandra kennt diese Schauergeschichten. Daher erschreckt es sie zutiefst, Zeugin eines Rituals zu werden: Eine Gruppe unheimlicher Männer versucht, den Henker aus dem dunkelsten Abgrund der Hölle ins Leben zurückzurufen! Aber dabei kann es sich nur um verrückten Aberglauben handeln, oder? Noch ahnt Sandra nicht, dass das personifizierte Böse wirklich existiert … und schon bald seine Klauen nach ihr ausstrecken wird!

Über die Autorin:

Corina Bomann, geboren 1974, wuchs in Parchim auf, einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern; heute lebt sie in Berlin. Sie schrieb bereits zahlreiche erfolgreich Jugendbücher und historische Romane, bevor ihr mit dem Buch Die Schmetterlingsinsel, das wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand, der ganz große Durchbruch gelang.

Bei dotbooks veröffentlicht Corina Bomann eBooks, die eine ganz andere Seite ihrer Kreativität zeigen – Mystery- und Horror-Romane, die zu Beginn ihrer Karriere entstanden und die sie für die Neuausgabe überarbeitet hat: Der Fluch der Gräfin, Elixier der Nacht, Das Verlangen des Dämons, Die Geliebte des Teufelsritters, Die Zärtlichkeit des Bösen, Das Flüstern der Verdammnis und Die Verlockungen der Dunkelheit.

Die Website der Autorin: www.corina-bomann-buecher.de

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/corina.bomann

***

Überarbeitete eBook-Neuausgabe August 2016

Die ursprüngliche Fassung erschien 2000 unter dem Titel Der Henker von Glewenburg als BASTEI Mitternachts-Roman.

Copyright © der Originalausgabe 2000 Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Copyright © der überarbeiteten und mit einem Nachwort versehenen Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Kate Ignatenko und shutterstock/Polina Katrich

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95520-860-8

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Corina Bomann

Die Zärtlichkeit des Bösen

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Sandra Martin saß auf dem Beifahrersitz des VW-Busses und starrte hinaus auf die nächtliche Straße. Die junge Sängerin und die drei anderen Mitglieder der Gruppe »Abendstern« waren unterwegs zur Glewenburg, wo sie bei einem großen Fest auftreten sollten. Doch je näher sie dem alten Gemäuer kamen, desto stärker wurde das ungute Gefühl, das Sandra heimsuchte. Es lastete wie eine eiskalte Riesenhand auf ihren Schultern. Als die Burg schließlich in Sichtweite kam, glaubte sie plötzlich, eine Warnung zu hören. Geh nicht zur Glewenburg!, flüsterte eine Stimme in ihr. Halte dich fern von der Burg des Roten Henkers, denn dort lauert das Unheil…

Ach, Unsinn!, sagte sich Sandra kopfschüttelnd und atmete tief durch.

Aber es wurde nicht besser. Ein kalter Schauer lief über ihren ganzen Körper und brachte die junge Frau dazu, nervös mit dem Saum ihres lilafarbenen Pullovers zu spielen. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie plötzlich dieses merkwürdige Gefühl hatte. Bisher war doch alles bestens gelaufen. Es hatte keine Anzeichen dafür gegeben, dass etwas nicht in Ordnung war, keine Hinweise, dass sich irgendein Unheil anbahnte.

Vor zwei Wochen hatte Sandra, die Jura studierte und in ihrer Freizeit musizierte, einen Anruf von einem Mann erhalten, der sich als Michael von der Glewen vorstellte. Er hatte nachgefragt, ob ihre Gruppe bei einem großangelegten Burgfest spielen wollte. Das hatte sie zunächst gar nicht fassen können. Sie und ihre Freunde Clara, Olaf und Felix waren nur eine unbekannte Studentenband, die mittelalterliche Musik spielte. Und dann erhielten sie so ein Angebot!

Weil diese Chance sicher so bald nicht mehr wiederkommen würde, hatte Sandra sofort zugesagt. Vielleicht war unter den Gästen ja zufällig auch ein Plattenproduzent. Außerdem hatte der Mann durchaus seriös geklungen. Und das Honorar war großzügig bemessen. Daran konnte es also nicht liegen, dass sie sich gerade fühlte, als hätte sie in Eiswasser gebadet. Aber was war es dann?

Vielleicht war ihr so unwohl zumute, weil sie wusste, was man sich von der Burg erzählte. Da sie selbst aus der kleinen Stadt am Flüsschen Glewe stammte und bis zu ihrem 14. Lebensjahr dort gewohnt hatte, war sie vertraut mit der Burg und all den wüsten und blutrünstigen Geschichten, die sich um die Festung rankten.

Kernfigur dieser Erzählungen war meist der sogenannte »Rote Henker«: Er hatte vor fast 400 Jahren im Namen des Grafen von der Glewen gewütet – einem Vorfahren des Mannes, der sie nun engagiert hatte. Jeder, der ihm im Weg stand, war früher oder später vom Roten Henker hingerichtet worden. So war es auch einer Apothekerin ergangen – sie wurde als angebliche Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt, doch zuvor verfluchte sie den Henker. Der Teufel sollte ihn holen, noch ehe ihre Asche erkaltet war. Darüber lachte der Rote Henker nur, doch die Worte der Frau erfüllten sich. Als ihre Asche ausgeglüht war, wurde der Henker auf dem Rückweg, als er durch die Stadt ging, von einem herabstürzenden Kornsack erschlagen.

Seit der Zeit erzählten sich die Leute, dass der Henker auf der Burg spukte, weil er durch einen Fluch ums Leben gekommen war. Und sollte sich jemand mit den Mächten der Hölle verbünden, könnte es gelingen, ihn wieder zum Leben zu erwecken …

»He, Sandra, träumst du?« Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie schaute zur Seite und sah Olaf Beier, ihren Studienkollegen und Beinahe-Verlobten, lächeln. »Na, mein Schatz, aufgewacht?«

»Ich habe nicht geschlafen, im Gegensatz zu Felix und Clara«, antwortete Sandra und deutete auf die Rückbank. Dort lagen Clara Heinrich und Felix Thorban wie zwei vom Spielen erschöpfte Kinder und schliefen. »Ich hatte gar keine Zeit zum Schlafen. Ich habe nachgedacht.«

»Nachgedacht? Worüber?«, wollte Olaf wissen.

»Über unseren Auftritt – und die Burg.« Sie überlegte, ob sie ihm von ihrem Unwohlsein erzählen sollte. Eigentlich gab es keinen Grund dafür. Nur weil sie auf einer gruseligen Burg spielen sollten? Um die meisten Burgen rankten sich irgendwelche Geschichten, und hatten sie nicht alle irgendetwas Gespenstisches an sich?

»Ist ’ne tolle Sache, was?«, gab der junge Mann mit den hellblond gefärbten, stoppelkurzen Haaren zurück und streckte die Hand aus, um ihr übers Haar zu streichen. »Stell dir vor, wir beide in einem Gemach auf der Burg, in dem schon der Ritter mit seinem Burgfräulein gebum–«

»Ich weiß nicht, ob das der Burgherr erlaubt«, unterbrach Sandra lächelnd. Seine unbeschwerte Art hatte wieder einmal ihre Ängste zerstreut, und jetzt alberte sie mit. »Vielleicht besteht er auf Einzelzimmern, Keuschheitsgürteln oder einer Anstandsdame, die dich kalt duscht, falls du auf dumme Gedanken kommst.«

»Na ja, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, gab er zurück. »Ich schleiche mich einfach zu dir – und wenn ich durchs Fenster klettern muss.«

»Aber Olaf!«, entgegnete sie mit gespielter Entrüstung. »Wir sind als Musiker engagiert worden und nicht als Bettentester.«

»Och schade«, maulte er. »Ich hätte zu gern mal gewusst, wie sich die alten Ritter gefühlt haben, wenn sie …«

»Wenn sie sich in zugigen Räumen dabei einen Schnupfen geholt haben«, beendete Sandra den Satz und zeigte auf die Burg, die nun nur noch einige hundert Meter von ihnen entfernt war. »Fahr dahinten rechts ab. Wenn ich mich nicht irre, müssten wir dann direkt am Burgtor ankommen.«

***

Die Glewenburg erhob sich auf einem kleinen Hügel am Stadtrand, majestätisch und drohend wie einst zu den Zeiten der alten Raubritter. Von einem solchen war sie auch erbaut worden: Heinrich von der Glewen, dem Stammvater der Familie, in deren Besitz die Burg sich auch heute noch befand.

Eigentlich hätte sie Michael von der Glewen bereits erwarten müssen, doch als Sandra und ihre Sangesgenossen aus dem VW-Bus stiegen, standen sie vor einer verdunkelten Burg und einem verschlossenen Fallgitter.

»Hat der Herr Graf etwa vergessen, dass wir kommen?«, moserte Felix mit einem riesigen Gähnen und schwenkte seinen Gitarrenkoffer, als wolle er damit das Eisentor in Stücke schlagen.

»Na, vergessen hat er uns sicher nicht«, meinte Sandra, trat näher ans Tor heran und suchte nach einem Klingelknopf oder etwas Vergleichbarem. »Es ist schon spät. Er wird zu Bett gegangen sein. Er wusste ja nicht, wann wir hier auftauchen würden.«

»Und der Graf wird sich wegen uns nicht aus seinem Sarg erheben«, witzelte Clara Heinrich, die Schlagzeugerin, und parodierte den Grafen Dracula. Sie wedelte mit den Armen, als wolle sie abheben, fletschte die Zähne und rief mit verzerrter Stimme: »Ich weeerrrde dein Blut trrrinken …«

»Das werden wir ja gleich sehen«, sagte Sandra mit einem breiten Grinsen. »Hier ist eine Klingel. Vielleicht vermag sie den Herrn von der Glewen aus seiner Nachtruhe zu schrecken. Oder vom Hals seines Opfers abzubringen.«

Sie drückte dreimal auf den Knopf der Wechselsprechanlage. Es dauerte eine Weile, doch schließlich ertönte ein Knacken, gefolgt von der Stimme eines Mannes.

»Wer ist da?«

»Vier Spielleute stehen vor dem Tor und bitten um Einlass«, antwortete Sandra mit singender Stimme.

»Ah, die Musiker!«, rief der Mann. Es schien ein älterer Herr zu sein, das verriet seine Stimme. Und es war nicht Michael von der Glewen, das hörte Sandra genau. »Einen Moment, bitte, ich bin gleich bei Ihnen«, sagte er. Der Lautsprecher verstummte, und fast zeitgleich ging auf dem Burghof eine Lampe an.

Wenig später erschien am Tor ein Mann im dunklen Morgenmantel. Sein graumeliertes Haar war zerzaust, und sein Blick wirkte müde. Sandra hatte ihn anscheinend aus dem Bett geklingelt.

»Entschuldigen Sie bitte, dass Sie warten mussten«, sagte er, während er eine kleine Tür in dem Fallgitter aufschloss. »Aber Herr von der Glewen hat uns nicht darüber informiert, wann Sie ankommen.«

Mit einem lauten Quietschen öffnete sich die Tür, und der Mann reichte Sandra die Hand. »Mein Name ist Hubert Berger, ich bin der Verwalter der Burg.«

»Angenehm, ich bin Sandra Martin«, antwortete sie und wandte sich zu ihren Freunden um, um sie vorzustellen. »Und das sind Clara Heinrich, Olaf Beier und Felix Thorban.« Sie machte mit dem rechten Arm eine halbkreisförmige Bewegung. »Die Gruppe ›Abendstern‹.«

»Gut, dann werde ich Sie auf Ihre Zimmer führen. Ihren Bus können Sie nachher auf den Burghof stellen.« Der Verwalter ging voran, nachdem er abgeschlossen hatte, und führte die Musiker über den Burghof. Die kleine Lampe neben dem Wirtschaftseingang leuchtete zwar nur schwach, doch in diesem Moment kam der Mond hinter den Wolken hervor und tauchte die Burg in ein unwirkliches, fahles Licht. Ein Licht, das jede Einzelheit sichtbar machte.

Sandra betrachtete die Gebäude, aus denen die Burg bestand. Das Fachwerk war ebenso wie die Fenster originalgetreu restauriert worden, Risse im alles überragenden Burgturm waren sorgsam ausgebessert. Zehn Jahre bin ich nicht hier gewesen, dachte sie und legte den Kopf in den Nacken, um alles genau in Augenschein zu nehmen. Viel ist in den vergangenen Jahren passiert.

Michael von der Glewen hatte die Burg wirklich gut in Schuss gehalten, das musste sie zugeben. Sie wusste aus alten Erzählungen, dass seinen Vorfahren das nötige Geld für eine umfassende Renovierung gefehlt hatte. Das schien sich jetzt geändert zu haben. Die Sanierung musste von der Glewen ein Vermögen gekostet haben.

Beim Blick auf das Torhaus erstarrte sie. Obwohl dieser Gebäudeteil im Dunklen lag, konnte sie hinter einem der Fenster ganz deutlich ein Gesicht erkennen – das Gesicht eines jungen Mädchens. Sie hatte dunkles Haar, war so bleich wie ein Geist und machte auf Sandra einen traurigen Eindruck. Fast wie eine Gefangene. Das Mädchen öffnete den Mund, schien ihr etwas zuzurufen. Ein Hilferuf? Eine Warnung vielleicht? Es wirkte nun beinahe panisch. Sandra schaute genauer hin, spitzte die Ohren, aber sie konnte nichts verstehen. Es lief ihr kalt über den Rücken.

»He, Sandra, wo bleibst du denn?«, rief Olaf. Sandra wirbelte herum und sah, dass die anderen den Haupteingang schon erreicht hatten.

»Ich komme«, rief sie. Bevor sie loslief, wandte sie sich noch einmal um. Doch da war das Gesicht des Mädchens am Fenster verschwunden. Hatte sie etwa einen Geist gesehen? Sandra setzte sich in Bewegung. Man sagte sich nicht umsonst, dass es auf der Glewenburg spukte. Und wenn schon der Rote Henker umging, warum dann nicht auch ein Geistermädchen? Oder sogar die Weiße Frau.

Kapitel 2

»Ach, ähm … sagen Sie bitte«, sprach Sandra den Verwalter an, als der das Licht zum Treppenhaus einschaltete. »Herr von der Glewen, ist er im Haus?«

Der Verwalter schüttelte den Kopf. »Nein, er hatte gestern noch in Hannover zu tun – letzte Vorbereitungen für das Fest. Er wird wahrscheinlich in den Morgenstunden zurückkehren, sich dann noch eine Weile hinlegen, um am Nachmittag das Fest zu eröffnen.«

»Und ist irgendwer aus seiner Familie hier? Seine Frau oder seine Kinder?« Es musste doch eine logische Erklärung für das Gesicht am Fenster geben. Sandra spürte, wie ihr wieder ein kalter Schauer über den Rücken lief. Und das kam bestimmt nicht nur davon, dass es in der Eingangshalle ziemlich kühl war.

»Nein«, antwortete der Verwalter ruhig. »Herr von der Glewen wohnt allein hier. Und soweit ich weiß, hat er außer einer Schwester, die in Australien lebt, keine näheren Verwandten.«

»Sie sind also ganz allein in diesem gruseligen Gemäuer?«

»Nein, allein bin ich nicht«, entgegnete Hubert Berger und stieg voran die Treppe hinauf. »Es gibt noch eine Hausdame, den Gärtner und das Küchenpersonal, das in Anbetracht des Festes aufgestockt wurde.«

»Hat das Personal Zutritt zu allen Räumen?«, erkundigte sich Sandra.

»Natürlich nicht«, antwortete Berger. »Und Herr von der Glewen schätzt es auch nicht, wenn sich Angestellte oder Gäste ohne seine Zustimmung in der Burg umsehen.«

So?, wunderte sich Sandra stirnrunzelnd. Warum das denn? Doch bevor sie nach dem Grund fragen konnte, fügte der Verwalter – so, als könnte er ihre Gedanken lesen – hinzu: »Es wäre zu gefährlich. Einige der Räume sind noch nicht wieder freigegeben. Auch wenn die Burg äußerlich im besten Zustand ist, die Räume, die nicht zum privaten Wohnbereich oder zum Museum gehören, bergen immer noch Gefahrenquellen. Morsche Treppengeländer, brüchige Fußböden, lockere Balken und so weiter. Aber falls Sie es wünschen, kann ich Sie durch die Museumsräume führen.«

»Darauf werden wir sicher zurückkommen«, antwortete sie. Und während sie sich erneut fragte, wer dieses seltsame, geisterhaft wirkende Mädchen gewesen sein könnte, erreichte die Gruppe die erste Etage des Haupthauses.

Ein langer, von altmodisch wirkenden Lampen beleuchteter Korridor breitete sich vor ihnen aus. Die geringe Anzahl an Türen ließ darauf schließen, dass die Räume, die sich dahinter verbargen, ziemlich groß waren. Es waren die Gästezimmer, wie der Verwalter fast schon feierlich erklärte.

»Wir sind bemüht, es unseren Gästen so bequem wie möglich zu machen«, sagte er, kramte einen Schlüsselbund aus seinem Morgenmantel und schloss die erste Zimmertür auf. »Ich würde sagen, die Damen quartieren sich in diesem Raum ein – und die Herren folgen mir bitte zum nächsten.«

Sandra schaute ihren Freund an. Siehst du, was hab ich dir gesagt?, verkündete ihr Blick. Nichts mit wilder Turnerei auf den alten Matratzen.

Olaf zog ein etwas säuerliches Gesicht und fragte: »Gibt es eine Verbindungstür zwischen den Räumen?«

»Nein«, antwortete der Verwalter, als er die zweite Tür aufschloss. An seinem Lächeln erkannte Sandra, dass er wusste, aus welchem Grund Olaf diese Frage gestellt hatte. »Aber wenn die Damen … Hilfe benötigen, sind Sie doch gleich nebenan.«

Heiterkeit machte sich breit, doch Sandra war nicht nach Lachen zumute. Wie ein dunkler Schatten hatte sich der Anblick des Mädchens auf ihre Seele gelegt. Die dunklen Augen waren weit aufgerissen gewesen, das fein geschnittene Gesicht zu einer furchtsamen Maske erstarrt. Sie hatte Angst gehabt, große Angst. Sandra spürte, dass das Frösteln, das sie schon bei der Anreise verspürt hatte, zurückkehrte. Nur war es jetzt noch schlimmer. Was geht hier vor? Sie beobachtete den Verwalter, der den beiden jungen Männern das Zimmer aufschloss und sich dann empfahl.

»Ich hoffe, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit ist. Und ich wünsche Ihnen eine gute Nacht«, sagte er und lächelte die beiden jungen Frauen an, als er an ihnen vorüberging. Sein Gesichtsausdruck wirkte weder falsch noch boshaft, trotzdem gefiel er Sandra nicht. Er verheimlichte ihnen etwas, da war sie sich plötzlich ganz sicher. Und das Mädchen hinterm Fenster stand in direktem Zusammenhang damit.

***

»Wow, das ist ja wie im Märchen!«, rief Clara und ließ sich rücklings auf das breite, von einem roten Baldachin gekrönte Bett fallen.

Das fand auch Sandra, als sie sich umschaute. Die Einrichtung hatte man der einer mittelalterlichen Kemenate nachempfunden. Anstelle von Tapeten hingen riesige Teppiche an den Wänden; auch der Dielenfußboden war mit Teppichen ausgelegt. Die Möblierung war neu, aber man hatte sie originalgetreu nachgebaut, so dass beim Betrachter der Eindruck entstand, tatsächlich in die Zeit der Raubritter zurückversetzt worden zu sein.

Obwohl Sandra das Zimmer gefiel und sie eigentlich schon immer auf einer alten Burg hatte wohnen wollen, konnte sie keine besondere Begeisterung aufbringen. Ohne ein Wort zu sagen, stellte sie sich an das bleiverglaste Fenster und starrte hinunter auf den Schlosshof. Von hier aus konnte sie auch das Torhaus sehen. Vielleicht tauchte ja das Mädchen noch einmal auf. Sie spähte angestrengt in die Dunkelheit.

»Eh, Sandra, was ist plötzlich mit dir?«, wunderte sich Clara. »Gefällt dir das Zimmer nicht? Oder hast du schon Sehnsucht nach deinem Olaf?«

Diese Bemerkung sollte sie aus der Reserve locken, doch sie schüttelte nur den Kopf und antwortete etwas abwesend: »Nein, das ist es nicht.«

»Na, was dann?« Clara erhob sich von dem weichen Bett und trat zu ihr ans Fenster. »Rück schon raus mit der Sprache – so kenne ich dich ja gar nicht.«

Sandra atmete tief durch. Die Erinnerung an den traurigen Blick des Mädchens zerrte wie eine Eisenklaue an ihr. Und das merkwürdige Gefühl von der Anreise verstärkte sich noch.

»Sag mal, Clara, glaubst du an Geister?«, fragte sie schließlich, ohne sich vom Anblick der dunklen Fenster des Torhauses abzuwenden.

»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Clara verwundert zurück.

»Nun, vorhin, als wir über den Hof gingen …«, begann sie, hielt aber sogleich inne. Sie war sich nicht sicher, ob sie jemandem von ihrer Beobachtung erzählen sollte. Clara war ihre Freundin, doch sie würde bestimmt lachen, wenn sie ihr von Geistern erzählte. Sandra wagte es trotzdem.

»Als wir vorhin über den Hof gingen, habe ich mich ein wenig umgeschaut.«

»Ja – und vor lauter Umschauen hast du gar nicht mitbekommen, dass wir schon längst weg waren«, sagte Clara spöttisch. »Wie eine Schlafwandlerin hast du in der Hofmitte gestanden.«

Sandra drehte sich zur Seite und schaute ihrer Freundin direkt in die Augen. »Das hatte auch einen Grund. Ich habe in einem der Fenster ein Gesicht gesehen.«

»Ein Gesicht?«

»Ja«, beharrte Sandra. »Das Gesicht eines Mädchens. Sie hatte dunkles Haar, und ihre Augen … Ja, ihre Augen … wie sie mich angesehen hat! Als wollte sie sagen: ›Holt mich hier raus.‹«

»Und du glaubst, dass es ein Geist war?« Clara schüttelte den Kopf. Die Frage, ob sie noch alle Tassen im Schrank habe, konnte Sandra ihr förmlich von den Augen ablesen.

»Ich weiß nicht«, antwortete sie und schaute zurück auf den Hof. Kurz beleuchtete der Mond noch die von hohen Mauern umgebene Fläche, dann zog er sich endgültig hinter eine Wolkendecke zurück. Es wurde so schwarz draußen, dass Sandra nur noch ihr eigenes, angespannt wirkendes Gesicht in der Fensterscheibe sah.

»Es war bestimmt eines der Mädchen aus der Küche«, mutmaßte Clara. »Der Verwalter hat doch erzählt, dass das Personal für das Fest aufgestockt wurde.«

»Und warum hat sie dann so ein Gesicht gezogen?«

»Nun, vielleicht graut es ihr schon vor dem Abwasch. Bei der Menschenmenge, die morgen die Burg stürmen wird …« Der Spott in Claras Stimme war unüberhörbar.