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Das Leben vieler berufstätiger Eltern gleicht einem Wettlauf gegen die Zeit. Die Arbeitgeber erwarten vollen Einsatz, der Haushalt muss erledigt werden und die Kinder dürfen auf keinen Fall zu kurz kommen. Immer alle Erwartungen zu erfüllen, ist schlicht unmöglich. Die ständigen Kompromisse zerren an den Nerven: Nie fertig werden, nicht den eigenen und fremden Ansprüchen genügen, kaum noch Zeit für sich oder den Partner haben, ... Eltern sind gezwungen, ständig kleine und große Entscheidungen zu fällen: Was ist jetzt wichtiger: Das Fußballspiel meines Sohnes oder die Vorbereitung auf den morgigen beruflichen Termin? Zuhause endlich mal aufräumen oder abends mit Kollegen weggehen? Meine oder deine Karriere? Wie organisieren wir eine gute Kinderbetreuung? Soll ein beruflicher Wiedereinstieg nach der Familiengründung in Voll- oder Teilzeit erfolgen? .....und wie bleiben wir beide unter dieser Dauerbelastung selber gesund, zufrieden und ein Paar? Kennen Sie das auch? Dann nutzen Sie mit diesem Buch die Chance, kurz innezuhalten: Analysieren Sie systematisch ihre aktuelle Situation, treffen Sie bewusste Entscheidungen für Ihr individuelles Lebensmodell mit Beruf und Familie, entlasten Sie Ihren Alltag und werden Sie wieder selbstbestimmt "Herr Ihrer eigenen Zeit". Das Buch unterstützt Sie hierbei durch einen breiten Themenüberblick, Übungen zum Selbstcoaching und anschauliche Praxisbeispiele.
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Heike Sauer
Die Zeit im Nacken
Überlebensstrategien für berufstätige Eltern und Anregungen zum Selbst-Coaching
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Einleitung
Anleitung zur zeitsparenden Lektüre
Kapitel 1: Wer oder was setzt uns unter Druck?
Kapitel 2: Was kann uns entlasten?
Kapitel 3: Wie wollen wir als Familie leben?
Kapitel 4: Wie gestalten wir unser Lebensmodell?
Schlusswort
Anhang
Impressum neobooks
Wollen wir uns über die Zeiten beklagen?Nicht die Zeiten sind gut oder schlecht.Wie wir sind, so sind auch die Zeiten.Jeder schafft sich selber seine Zeit!Lebt er gut, so ist auch die Zeit gut, die ihn umgibt!Ringen wir mit der Zeit, gestalten wir sie!Und aus allen Zeiten werden heilige Zeiten.
Augustinus Aurelius(354 - 430)
Es gibt Wichtigeres im Leben,als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.
Mahatma Gandhi(1869 – 1948)
In Deutschland leben acht Millionen Familien mit minderjährigen Kindern und in 52% der Familien sind beide Eltern berufstätig.1 Zeitmangel ist mit 55% das Elternthema Nr. 1!2
Jeder Tag hat nur 24 Stunden und Zeit ist weder dehnbar noch käuflich. Sie vergeht Minute um Minute, Stunde um Stunde, Tag um Tag im gleichen Takt. Und die grauen Herren aus dem Buch „Momo“ von Michael Ende3, die den Menschen die Zeit rauben, scheint es inzwischen tatsächlich zu geben.
Wir berufstätigen Eltern werden permanent vor Entscheidungen gestellt, was wir mit unserer Zeit machen: Vollzeit oder Teilzeit arbeiten? Pünktlich Feierabend und den Sohn noch beim Fußballturnier erleben oder doch lieber den morgigen beruflichen Termin gründlicher vorbereiten? Zuhause endlich mal aufräumen oder abends mit Kollegen weggehen? Am Wochenende mit der Tochter für die nächste Mathearbeit lernen oder die beruflichen Mails checken? Alleine beim Sport entspannen oder mal wieder etwas mit seinem Partner zu zweit unternehmen? Ist mein oder dein beruflicher Termin wichtiger, wenn es darum geht, abends die Kinderfrau abzulösen?
Was ist zu welchem Zeitpunkt wirklich wichtig und sinnvoll?
Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort, kein „Richtig“ oder „Falsch“. Es sind unsere persönlichen Entscheidungen, die wir alleine verantworten – niemand sonst. Das Zusammenspiel all dieser kleinen und großen Entscheidungen prägt unser tägliches Leben und ist ein permanenter Balanceakt zwischen divergierenden Interessen sowohl im beruflichen als auch im familiären Umfeld.
Erlauben Sie sich ein Gedankenspiel: Versetzen Sie sich bitte 30 Jahre in Ihre Zukunft und blicken Sie auf die heutige Zeit zurück: Glauben Sie, dass Sie Ihre getroffenen Entscheidungen zur Priorisierung und Aufteilung Ihrer Zeit wiederholen würden oder macht sich bereits jetzt ein ungutes Bauchgefühl bemerkbar?
Von Zeit zu Zeit innezuhalten und zu reflektieren, hilft uns, auf dem eigenen Weg zu bleiben.
Trotz des Titels ist dies kein Buch über Zeitmanagement! Hier lernen Sie nicht, wie sie noch effizienter mit Ihrer Zeit umgehen, um mehr in Ihr Leben hineinzupacken. Im Gegenteil: Ich möchte Sie mit den Informationen, Fragen, Übungen4 und Praxisbeispielen in diesem Buch anregen, Ihr Leben ab heute so zu gestalten, dass Sie später rückblickend zu sich sagen können:
„Ich stehe zu meinem Lebensentwurf, habe mein Bestes gegeben und es war gut so!“
Ihre Heike Sauer
Die Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Dauerthema in den Medien. Sie wird politisch und ideologisch kontrovers diskutiert, von soziologischen Instituten analysiert und inzwischen auch von Unternehmen verstärkt als interessantes Thema im Personalmarketing entdeckt. Letztere nutzen die Thematik, um sich auf dem Arbeitsmarkt im harten Kampf um qualifizierte Fachkräfte zu positionieren. Das alles ist wichtig und hilft uns mittel- bis langfristig auf dem Weg in eine familienfreundlichere Gesellschaft und Arbeitswelt.
Eines bleibt dabei aber bisher auf der Strecke: Der tagtägliche individuelle Kampf jeder einzelnen Familie um einen einigermaßen organisierten Alltag und um einen dennoch liebevollen Umgang miteinander, in dem jeder wenigstens ansatzweise zu seinem Recht kommt. In der gesellschaftlich akzeptierten und politisch geförderten Illusion, dass Familie und Beruf zu vereinbaren sind, wenn man sich nur genug anstrengt und gut organisiert, fühlen sich viele Eltern mit Ihren alltäglichen Herausforderungen schlicht alleine gelassen.5
Besonders hart trifft das aktuelle Umfeld in Deutschland die 1,6 Millionen alleinerziehenden Mütter und Väter, denen zusätzlich die partielle Entlastung durch den Partner fehlt.
Die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist längst kein Frauenthema mehr. Auch Männer definieren ihre Rolle neu, geprägt von der eigenen Kindheit mit einem meist „abwesenden Vater“, dem Wissen um die Bedeutung der eigenen Person für eine positive Entwicklung der Kinder und dem Verständnis für die Erwartung der Frauen, die aufgrund ihrer inzwischen ebenbürtigen beruflichen Qualifikation nach der Geburt eines Kindes nicht automatisch in die Hausfrauenrolle versetzt werden möchten.6
Jeder Tag hat nur 24 Stunden und die zentrale Herausforderung für Familien liegt darin, diese wertvolle Zeit im Hinblick auf gemeinsame Ziele tagtäglich neu zu verhandeln und zu gestalten. Tun Eltern dies nicht und lassen sich stattdessen von der Vielzahl äußerer Anforderungen wie ein Spielball hin- und hertreiben, führt dies nahezu automatisch zu privaten und beruflichen Krisensituationen, die auf Dauer unzufrieden, traurig und auch krank machen.
Hilfestellungen bei der entscheidenden Frage, wie die knappe Zeit im gemeinsamen Sinne von Familie und Beruf sinnvoll ausgestaltet werden kann, gibt es bisher kaum.
Was also tun?
Einfach wie Don Quijote weiterkämpfen und langsam, aber sicher ausbrennen? Keine schöne Vorstellung!
Oder sich von Freunden beraten lassen? Das können Sie machen, aber bitte vergessen Sie dabei nicht, dass sich die gelebten Werte Ihrer Freunde von den Ihren deutlich unterscheiden können und daher der „gut gemeinte“ Rat nicht zu Ihrem Leben passen muss.
Oder sich einen Coach oder anderen professionellen Berater buchen? Gute Idee, aber das ist hier in Deutschland und erst recht an der Grenze Berufs-/Privatleben (noch) nicht üblich.
Genau hier setzt dieses Buch an. Es wurde für die berufstätigen Eltern geschrieben, die auf Basis einer qualifizierten Ausbildung mit Engagement ihre beruflichen Ziele verfolgen, aber dann an Grenzen stoßen, wenn sie nach der Familiengründung versuchen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Ich werde Ihnen modulare Instrumente an die Hand geben, um die eigene Situation zu analysieren und konkrete Verbesserungsoptionen zu erarbeiten. Die Übungen und Praxisbeispiele sollen Sie dabei unterstützen, ein individuelles Lebensmodell zu entwickeln, dieses aktiv Schritt für Schritt zu gestalten und insbesondere jede mögliche Entlastung in der viel diskutierten Rush Hour des Lebens7 zu erkennen und zu nutzen.
Ich möchte Sie ermutigen, das Steuerrad Ihres Lebens wieder selbst in die Hand zu nehmen und mutig auch unpopuläre Entscheidungen zum Wohle Ihrer eigenen Zukunft zu treffen.
Je mehr von uns Eltern dies tun, desto stärker werden wir auch das gesellschaftliche und wirtschaftliche System in unserem Sinne weiterentwickeln. Eine schöne Vorstellung, von der dann auch unsere Kinder – als die nächste arbeitende Generation – profitieren können.
Sie können das Buch selbstverständlich von vorne bis hinten vollständig lesen, Anmerkungen notieren und alle Übungen zum Selbstcoaching durcharbeiten. So erhalten Sie eine Fülle von Anregungen, Ihr Leben zu beleuchten und zu verbessern. Der ungefähre Zeitbedarf für die einzelnen Übungen ist jeweils angegeben. Falls Sie sich hierfür jetzt aber nicht die Zeit nehmen wollen, suchen Sie sich das Kapitel zu dem Thema heraus, das Sie aktuell am meisten interessiert, und lesen zunächst nur dieses.
Kapitel 1, 2 und 3 sind thematisch relativ unabhängig voneinander. Kapitel 4 baut jedoch in Teilen auf Kapitel 3 auf. Nehmen Sie erste Anregungen auf und probieren Sie diese in Ihrem Alltag aus.
Kapitel 1 beleuchtet die Faktoren, die Ihnen als berufstätige Eltern das Leben schwer machen können. Sie erhalten eine Strukturierungshilfe für Ihre eigene Situation und können am Kapitelende bei Bedarf eine persönliche Stressoren-Analyse durchführen.
Kapitel 2 befasst sich mit der Entlastung Ihres Alltags. Mithilfe verschiedener Übungen können Sie systematisch nach Ansätzen suchen, Ihr Leben mit Beruf und Familie zu erleichtern und die alltäglichen Belastungen zu vermindern. Es ist besonders für die Leser zu empfehlen, die sich bereits sehr ausgebrannt fühlen und hierzu eine Hilfestellung suchen.
Ungeduldige Leser können direkt mit Kapitel 3 starten. Hier geht es um die Frage, wie Sie künftig leben möchten und was die passende Vision für Ihre familiäre und berufliche Zukunft ist.
In Kapitel 4 können Sie Ihre Vision anhand einzelner Themenblöcke noch detaillierter ausgestalten. Je nachdem, in welcher Phase des Familienlebens Sie sich befinden, sind diese für Sie unterschiedlich relevant.
Weitere Lesezeit können Sie sparen, indem Sie die in kursiv gekennzeichneten Praxisbeispiele anderer Elterneinfach überspringen.
Auf ausführliche ergänzende Erläuterungen wird bewusst verzichtet. Hinweise auf vertiefende Literatur finden sich jedoch in den Anmerkungen sowie im Quellenverzeichnis.
Hinweis für Ebook-Leser:
Ich empfehle Ihnen, die für Sie relevanten Übungen des Buches schriftlich zu bearbeiten, damit Sie Ihre eigenen Strategien im Umgang mit den verschiedenen Themen entwickeln und Ihre Gedanken dokumentieren können.
Zur Bearbeitung der Übungen sind im gedruckten Buch entsprechende Felder eingefügt. Beim Ebook macht dies aber wenig Sinn. Ich stelle Ihnen daher auf meiner Homepage die - von mir entwickelten - Übungen (1+2 und 8-12) als pdf-download zur Verfügung, so dass Sie bei Bedarf auch eine schriftliche Arbeitsunterlage haben:
http://coaching-focus.de/die-zeit-im-nacken/
Paßwort: diezeitimnacken
Powermänner und -frauen, die scheinbar alles mühelos hinbekommen, eine glänzende Karriere hinlegen, eine tolle Familie haben, gut aussehen, regelmäßig Sport treiben und auch noch in anspruchsvollen Ehrenämtern brillieren, machen keinen Mut, sondern demotivieren ganz normale Familien, die täglich um die Organisation ihres Alltags ringen. Wo sind die menschlichen Vorbilder, die auch Schwäche zeigen können?
Einen seltenen Einblick gewährte hierzu Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin und siebenfache Mutter, in einem Interview mit dem Spiegel 2012: 8
Frage: »Gab es je einen Punkt, an dem Sie sagten: Ich kann nicht mehr?«
Antwort: »Ja, aber nicht in der Politik. Damals, als unser zweites Kind geboren wurde, habe ich als junge Ärztin in Vollzeit gearbeitet. [...] Ich fühlte mich permanent unter Druck und fremdbestimmt[...]. Ich bekam Asthma-Symptome und eine Rippenfellentzündung. Es war eine Mischung aus Erschöpfung und psychologischen Faktoren. [...] Ein Arzt schickte mich [...] in [...] Kur. [...] Ich musste lernen loszulassen und zu Hause wie in der Klinik mal NEIN zu sagen. Für jemanden, der gern mehr erreichen will, als er muss, ist das die härteste Lektion.«
Die Liste von Themen und auch Personen, die Eltern das Leben mit Kindern und Beruf schwer machen können9, ist leider lang. Im Folgenden werden diese Aspekte ausführlich erläutert und Sie haben nach jedem Unterpunkt die Möglichkeit, Ihre spontanen ersten Gedanken dazu stichpunktartig zu notieren. Ihre Notizen können Sie dann für die ersten Übungen am Kapitelende nutzen. Dort haben Sie die Möglichkeit zu bewerten, welche Punkte für Ihre persönliche Situation besonders relevant sind, und Sie können erste Ansatzpunkte für Optimierungen entwickeln.
Also, wer oder was setzt uns unter Druck?
Nicht böse sein, liebe Eltern, dass ich mit diesem Punkt anfange, aber hier liegt ein mächtiger Hebel zur Verbesserung der persönlichen Situation.
Grundsätzlich entsteht jeder Druck in uns selbst durch den Resonanzboden, den wir äußeren Einflüssen geben. Was für den einen kein Problem ist, ist für den anderen kaum auszuhalten. Die hohen Ansprüche, die wir an uns selbst in unseren unterschiedlichen Rollen stellen, prallen irgendwann auf die eigene Enttäuschung, diesem Idealbild nicht gerecht zu werden. Wir haben doch alle Optionen; warum sind wir dann trotzdem unzufrieden, hadern gerade in der Rush Hour des Lebens mit unserem Schicksal und fühlen uns nahezu permanent müde und überfordert?
Immer wieder werde ich in Gesprächen mit Eltern überrascht, für was sie sich Zeit nehmen, obwohl sie angeblich keine haben:
Sei es die achte Überarbeitung einer beruflichen Präsentation, das ausufernde, schlecht vorbereitete Meeting, das abendliche Treffen mit Kollegen, zu dem man eigentlich weder Lust noch Zeit hat, das wöchentliche Ritual der Autowaschstraße oder des Rasenmähens, das Bügeln von Bettwäsche oder Unterhemden nach 22 Uhr, die perfektionierte außerschulische Förderung von Kindern, Hausaufgabenkontrolle, Musikschule, das Erlernen einer weiteren Fremdsprache, das gesunde, aber aufwändigere Kochen aus der abonnierten Biokiste, das ehrenamtliche Engagement in Vereinen oder der Schule oder vieles anderes mehr.
Für jede dieser Tätigkeiten gibt es immer einen guten und wichtigen Grund aus der Sicht des Handelnden. Aber sie kosten Zeit, die nicht mit anderen, mindestens ebenso wichtigen Dingen verbracht werden kann, und die Uhr ist leider unbestechlich.
Alle diese Tätigkeiten entstehen aus einem gelernten und gelebten Wertemodell, das jeder von uns in sich trägt und das unbewusst unsere Handlungen beeinflusst. Ich möchte Sie ermuntern, sich hiermit zu beschäftigen und zu überlegen, was wirklich wichtig für Sie ist. Wir übernehmen viele Werte von unseren Eltern, die sie aber oftmals schon selbst von ihren Eltern geerbt haben. Viele dieser Wertvorstellungen sind in einer anderen Zeit entstanden, in der sie eventuell auch hilfreich waren, um das Leben zu bewältigen. Aber gilt das auch noch für unser heutiges Leben?
Überlegen Sie doch einmal kurz, welche Sätze oder Sprichworte Ihnen aus Ihrer Kindheit einfallen, hinter denen Werte stecken. Spontan denke ich an: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ oder „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. Es ist hilfreich, alte Werte zu hinterfragen, um zu verstehen, warum Sie in einer bestimmten Weise handeln. Die Entscheidung, ob für alle Zeiten an diesen Werten festgehalten werden muss, liegt danach allein bei Ihnen.
Neben diesen Ansprüchen an uns selbst gibt es zusätzlich gelebte Persönlichkeitsmerkmale, die die eigene Wahrnehmung des Stresslevels deutlich beeinflussen. Diese Merkmale sind aber nicht für alle Zeiten gesetzt, sondern sie sind von Ihnen aktiv beeinflussbar. Das bedingt allerdings eine andere Art der Selbstwahrnehmung. Wenn Sie zum Beispiel über sich sagen, „Ich bin ein Perfektionist“, ist das keine Entschuldigung dafür, dass Sie sich mit Ihren hohen Ansprüchen unter Dauerdruck setzen. Sie verhalten sich aktuell vielleicht wie ein Perfektionist und machen am liebsten alles selbst, aber es ist Ihre Entscheidung, so zu handeln. Sie können sich auch anders verhalten!
Diese Sichtweise ist fundamental anders als sich selbst Eigenschaften zuzuschreiben, die sich anhören, als seien sie gottgegeben. Sie zwingt uns in die Verantwortung für unser Handeln, ist daher unbequemer, aber bietet auch alle Chancen, etwas zu ändern:
Wie empfinden Sie Ihre allgemeine Selbstwirksamkeit?
Sind Sie noch „Herr Ihrer Lebenszeit“ oder reagieren Sie nur noch auf Notwendigkeiten, Zwänge und Verpflichtungen?
Wie effizient gehen Sie mit knapper Zeit um?
Neigen Sie dazu, sich in Details zu verlieren, zu viel Zeit mit Nebensächlichkeiten zu verbringen, ohne ab und zu innezuhalten, und sich die entscheidende Frage „Wofür“ zu stellen?
Setzen Sie sich gut durch, wenn jemand anderes Ihre Prioritäten verschieben möchte?
Das Durchsetzen der eigenen Ansprüche vereinfacht das Leben ungemein, bedingt aber auch eine gewisse innere Unabhängigkeit vom „Gemocht-werden-wollen“.
Gehen Sie pragmatisch mit Herausforderungen um, können Sie auch mal Fünfe gerade sein lassen oder neigen Sie zum Perfektionismus?
Alles geht halt nicht zu 100%, aber 50% oder 80% können auch völlig ausreichend sein. Wer schreibt uns denn vor, dass zum Beispiel zu einem perfekten Weihnachtsmenü der Rotkohl selbst gemacht werden muss, die Tischdekoration selbst gebastelt oder der Nachtisch eines Sternekochs nachgekocht werden muss?
Wie ist Ihre generelle Lebenszufriedenheit?
Bei dieser Frage kommt vieles zusammen (Beruf, Partnerschaft, Familie, soziales Umfeld, Gesundheit, ...) und die Realität prallt auf hohe Ansprüche in allen Bereichen. Gerade wir Deutschen glänzen nicht in der Disziplin, uns mit unserem Leben zu arrangieren und die positiven Aspekte stärker wahrzunehmen als die negativen. Die Menschen in Puerto Rico, Österreich oder Saudi Arabien sind zum Beispiel deutlich zufriedener und glücklicher.10
Wenn Sie generell sehr unzufrieden mit Ihrem Leben sind, empfehle ich einen direkten Sprung zur Übung 3, um zunächst die Quellen Ihrer Unzufriedenheit kennenzulernen.
Wie reagiert Ihr Körper in Stresssituationen?
Fühlen Sie sich schnell unter Druck gesetzt? Haben Sie in Stresssituationen „eine kurze Lunte“? Befinden Sie sich schon lange in einem stressgetriebenen Zustand? Können Sie zwischendurch kaum noch entspannen und Freude an irgendetwas empfinden? Leiden Sie bereits unter stressbedingten körperlichen Beschwerden (zum Beispiel Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Infektanfälligkeit)?
Wenn Sie die letzten Fragen für sich mit Ja beantworten müssen, sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt über dieses Thema. Das kann nicht nur durch das Lesen eines Buches gelöst werden.
Praxisbeispiel (der Autorin):
„Ich habe vor einigen Jahren einen der vielen Online-Tests zum Thema „Burn-Out“ gemacht und erhielt danach Empfehlungen, die sich nach Anweisungen aus dem Spiel Monopoly anhörten „STOPP! Begeben Sie sich direkt zu Ihrem Arzt! (Gehen Sie nicht über Los und ziehen keine 4.000,- € ein.)“ Erst da fing ich an zu realisieren, auf welchem gefährlichen Weg ich mich befand und dass ich dringend einiges ändern musste.“
Der Grad der elterlichen Beanspruchung ist ebenfalls abhängig von den konkreten Rahmenbedingungen in einer Familie:
Wie viele Kinder sind vorhanden, wie alt ist das jüngste?
Praxisbeispiel (aus dem beruflichen Umfeld der Autorin):
„Ein Kollege hatte vier Kinder und beide Eltern arbeiteten in Vollzeit. Es war mir ein Rätsel, wie das funktioniert, da ich soeben aus der Elternzeit mit unserem zweiten Kind in Teilzeit wieder ins Büro kam und ständig übermüdet war. Er lachte und sagte: „Das erste Kind krempelte das Leben total um, das zweite Kind war purer Stress, das dritte Kind schon deutlich weniger anstrengend und das vierte kein Problem, da alle altersgemäß mit anpackten.“ Eine Korrelation zwischen der Anzahl der Kinder und dem Stresslevel scheint es zumindest in dieser Familie nicht zu geben.“
Trotz dieses Beispiels ist es natürlich relevant, wie viele Kinder in welchem Alter zu betreuen sind. Der Aufwand steigt aber nicht linear, sondern hängt stark von den beteiligten Individuen ab.
Praxisbeispiel (der Autorin):
„