Die Zeit mit Elischewa - Stephanie Meier - E-Book

Die Zeit mit Elischewa E-Book

Stephanie Meier

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Beschreibung

Zwei Frauen, beide in Erwartung, verbringen Zeit miteinander und freuen sich auf ihre Kinder. Eines davon wird die Weltgeschichte beeinflussen.

Das E-Book Die Zeit mit Elischewa wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Engel, Maria, Heiliger Geist, Advent, Jesus Christus

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Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Dies ist die Geschichte von Mariam und Elischewa und ihren Söhnen, Jeschua und Jochanan. Die Ereignisse habe ich wiedergegeben, wie sie in der Bibel stehen (Matthäus 1, 18ff und Lukas 1), und mit fiktiven Elementen ausgeschmückt. Ich habe gerungen mit der Vorstellung, die Zeugung durch den Heiligen Geist geschehen zu lassen, und mir überlegt, ob ich nicht doch den natürlichen Vorgang ins Spiel bringen wollte. Schliesslich aber blieb ich beim Wunder der jungfräulichen Zeugung, was aber nicht heisst, dass ich fundamental glaube, dass es so geschehen sein muss. Für mich ist es auch eine Möglichkeit, dass die Geschichte symbolisch ist und nicht unbedingt eins zu eins so geschah. Trotzdem, eine gute Geschichte bleibt sie — e se non è vero, è ben trovato!

Stephanie Meier, St. Gallen, 10. Juli 2018

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

I

In der frühmorgendlichen Frische Galiläas schritt Mariam langsam auf dem kleinen Pfad. Sie war eine kräftige junge Frau mit vollem braunem Haar und feurigen Augen. Jetzt gerade fühlte sie sich bereit, mit den Änderungen umzugehen, die in und mit ihr geschahen. Aber sie ahnte, dass dieses positive Gefühl nicht anhalten würde, denn sie hatte in den letzten Tagen schon einige Male erlebt, dass Gefühle wie die Wolken am Himmel wechselten.

Im Augenblick war sie froh, dass Sara und Schimon den Takt ihrer Reise angaben, denn so konnte Mariam am staubigen Weg hinterher schlendern, ihren Gedanken nachhängen und die erschütternden Geschehnisse der letzten Tage in ihrem Herzen bewegen.

War es tatsächlich erst drei Tage her, dass sie diese unbeschreibliche Ekstase erfahren hatte? Sie nannte sie für sich den Besuch des Engels, nur damit sie sie in ihrem Leben irgendwie einordnen konnte. Sie wollte gerade eine Flickarbeit wegräumen, als sie innehielt, verwirrt und erregt zugleich. Was war dieses Geräusch? Es war unmöglich zu orten oder zu verstehen — wie Flügelschlagen, wie Windesrauschen in der Kammer. Sie blieb stocksteif stehen, lauschte in die Stille, die doch überhaupt nicht still war, in die Einsamkeit, die voller Leben war. War sie noch allein? Wer war da?

Ein Kribbeln erfasste ihren ganzen Körper, angefangen von den Fusssohlen durch die Wirbelsäule hindurch bis zum Scheitel. Sie fing an zu zittern und wusste überhaupt nicht, wie ihr geschah. War sie krank? Die Geräusche schienen sich zu verdichten, wurden sichtbar, da – ein Antlitz! Unendlich sanft und liebend. Plötzlich fürchtete sie sich nicht mehr, denn sie wusste: Was auch immer mit ihr geschah, Gott, der Herr, war mit ihr! Sie spürte die Grösse des Herrn förmlich um sich herum und in ihr drin. Es war wundervoll, gnadenvoll. Auf einmal wurde Mariam ruhig und wusste: Ich werde ein Kind in mir tragen.

Dann aber kam die Furcht wieder, denn sie war mit dem Zimmermann Jossef erst verlobt, und es dauerte noch eine Weile bis zur Hochzeit. Was dachte sie sich dabei, bereits schwanger zu werden? War sie verrückt?

«Jeschua!» hörte sie, wie eine leise Flüsterstimme an ihrem Ohr. Sie sah das liebevolle Gesicht und wurde wieder ruhig. Jeschua, warum Jeschua? Fragen schienen aber fehl am Platz, denn sie spürte, dass das Kind Jeschua gross sein würde und wichtig für das Volk Israel, für das Haus Jakob, dem ihr Verlobter angehörte. Da erfasste sie sich in der grossen Geschichte allen Seins und wusste: Das Heilige, das gezeugt werden sollte, würde Sohn Gottes genannt werden.

Beim Gedanken an das noch ungezeugte Kind Jeschua floss ihr Herz vor Liebe über, und sie erfuhr eine tiefe Ekstase, die sie zu Boden warf und das Nähzeug in die Ecke fliegen liess. Wie aber sollte das gehen? Sie hatte noch nicht mit Jossef geschlafen und wollte es auch bis zur Hochzeit nicht tun. Aber sie spürte: Diese Zeugung steht unmittelbar bevor.

Mariam merkte, dass sie das nicht mit dem Verstand erfassen konnte und auch nicht musste. Es wurde ihr gegeben, loszulassen und die Sache mit der Zeugung werden zu lassen. Beim Gedanken an das Kind dachte sie auch an ihre Tante Elischewa, denn Elischewas Nachbarn Sara und Schimon waren von Bethanien nach Saras Heimatdorf Nazareth mit der grossen Nachricht von Elischewas Schwangerschaft gekommen. Elischewa, die drei Jahre jüngere Schwester von Mariams Mutter Hannah, galt schon lange als unfruchtbar. Wenn Gott Elischewa ein Kind in den Schoss legen konnte, würde Er auch für Mariams Schwangerschaft sorgen.

Mariam streckte sich aus auf dem Boden und fuhr sachte mit den Fingern über ihren Bauch. Was für eine Vorstellung: Bald würde sich da neues Leben entwickeln! Sie stand auf, versorgte die Flickarbeit und machte das Feuer bereit für das abendliche Mahl, voll Staunen über das Wunder des Lebens. Als sie sich wieder bewegte und an die Arbeit ging, merkte sie erst, dass die Geräusche von Flügelschlagen und Wind aufgehört hatten. Es war wieder still, im Raum und in ihr selbst.

2

Als Hannah nach Hause kam und ihr mit der Vorbereitung des Linsengerichts half, merkte sie ihrer Tochter nicht sofort an, dass soeben Gewaltiges mit ihr geschehen war. Sie sahen sich an und lächelten; ein heimeliges Glück machte sich im kleinen Raum breit. Sie sprachen wenig an dem Abend, wie wenn Hannah spüren würde, dass Mariam etwas verarbeiten müsste.

Hannah sprach das Gebet; sie teilten ruhig und beseelt das Mahl. Nach dem Essen umarmte sie ihre Tochter, denn sie sah besonders schön aus, und ein Glühen war in ihrem Gesicht, ein grosses Glück, das auch Hannah glücklich machte.

Als es dunkel wurde, gingen die zwei Frauen in ihre Schlafkammern, rollten ihre Matten aus und legten sich zum Schlafen hin. Aber Mariam konnte nicht schlafen. Sie hörte Hannahs regelmässiges, tiefes Atmen, lag auf dem Rücken und schaute in die Dunkelheit.

Auf einmal war die Erregung wieder da. Die Dunkelheit war nicht überall gleich dunkel. Sie verdichtete sich an manchen Stellen zu Schwingen, die über Mariam hinweg schwebten. Flügelschlagen und Windesrauschen waren wieder zu hören. Mariam spürte die gleiche Ekstase wie am Abend vorher, aber jetzt hatte sie keine Angst. Etwas Grosses ging gerade mit ihr vor, und sie musste sich die Hände vor den Mund halten, damit sie nicht herausschrie. Lange hielt diese Ekstase an, oder waren es nur Momente? Nachher konnte es Mariam nicht mehr genau sagen.

Am nächsten Tag schämte sie sich ein wenig für das Erlebte. Was meinte sie eigentlich, wer sie war? Sie war doch nur ein einfaches Mädchen, und wenn sie jetzt schwanger wäre, würde ein grosser Makel auf ihr liegen und ihre Familie mit ihr herunterziehen.

Hannah erkannte die strahlende Tochter vom Vorabend nicht wieder, als Mariam mit mürrischem Gesicht draussen auf dem Hof das Wasser vom grossen Topf holte. Mariam musste an sich halten, damit sie nicht in Tränen ausbrach. Was würde erst ihr Verlobter Jossef dazu sagen?

Vielleicht war es gar nicht wahr; vielleicht würde sie gar nicht schwanger werden. Aber jetzt wäre das noch schlimmer als die Schande der Schwangerschaft, jetzt wo sie von Jeschua wusste und von seiner Bedeutung. War sie verrückt? War das alles nur ein Hirngespinst?

So ging es die nächsten Tage weiter, bis Mariam mit ihren ständigen Stimmungsschwankungen Hannah langsam aber sicher auf die Nerven ging. Als dann Sara und Schimon zu ihnen kamen, um sich für die Rückreise nach Bethanien zu verabschieden, kam Mariam plötzlich die Idee, mit ihnen mitzureisen und eine Zeitlang bei ihrer Tante Elischewa zu bleiben.

Was für eine Idee, so plötzlich aufzubrechen! Das musste vorbereitet werden, Wegzehrung gepackt und die Schlafmatte aufgebunden werden. Aber Mariam blieb fest bei ihrem Entschluss. Hannah sah ein, dass ihre Tochter mit ihrem sehr eigenen Kopf nicht von ihrem Plan abzubringen war, und sie waren nach den letzten gereizten Tagen schliesslich beide froh, als alles gepackt und die Zeit für die Abreise gekommen war.

3

«Komm, Mariam, du bist die reinste Schnecke!» rief die zierliche Sara von einer kleinen Baumgruppe her, wo sie mit Schimon vor der höher steigenden Sonne Schutz suchte.

«Ja, ich komme!» rief Mariam zurück, plötzlich aus ihren Träumen in die Gegenwart zurückgezogen. Sie rannte die ungefähr zweihundert Ellen bis zu Sara und Schimon in kräftigem Laufschritt.

«Nicht so schnell, Mariam, wir haben noch einen langen Weg vor uns!» sagte Sara. «Du machst nie halbe Sachen, entweder Schnecke oder Rennpferd!» Alle lachten. Schimon lehnte sich an ihre Packeselin Tschital, die geduldig neben ihm im Schatten wartete und den Kopf etwas resigniert hängen liess. Die Süsse der geladenen Trockenfeigen vermischte sich mit dem warm-trockenen Geruch der Jute und stieg Schimon angenehm in die Nase.

«So, gehen wir weiter!» entschied er und zog an Tschitals Lederriemen. Die kleine Gruppe setzte sich langsam wieder in Bewegung und stieg weiter den leichten Hangweg hinunter über Gestrüpp und lose Steine, die ihnen vor den Füssen wegkullerten.

***

Nach einem langen Tagesmarsch sahen sie in der Abendröte ihr Ziel vor sich: Die kleine Stadt Nain unten im Tal.

«Das wäre geschafft!» sagte Schimon. «Jetzt müssen wir nur noch eine Bleibe für die Nacht finden.» Er strich seiner Frau liebevoll über die Wange. «Du hast mutig mitgehalten. Ich weiss, der Weg ist für dich beschwerlich. Aber bald sind wir wieder zuhause.»