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Die idyllische Insel Milora beheimatet die verschiedensten Kreaturen, die zwischen dem gefährlichen Dschungel und der kargen Ödnis um ihr Überleben kämpfen. Lara, die Klananführerin der Mantikore, wünscht sich für ihr Volk eine friedliche und glorreiche Zukunft, während ihr vergeltungssüchtiger Bruder Arion den Klan für sich beanspruchen will. Zugleich werden die rätselhaften Waldnymphen zu einer wachsenden Bedrohung für das Dorf der Mantikore. Droht ihnen bald die Vernichtung oder kann das bevorstehende Unheil noch rechtzeitig abgewendet werden? Wie sieht die Zukunft der Inselbewohner aus?
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Impressum
Deutsche Erstauflage
Die Zukunft der Mantikore Januar 2024
© Copyright by Lukas Szabo
Lektorat und Korrektorat: Buchfein - https://www.buchfein.at/
Covergestaltung: Sadia Shahid
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung – auch auszugsweise – ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet. Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Werkes, liegen beim Autor.
Auf der wundersamen Welt Aphelisin, weit im Südosten des gewaltigen Kontinents Groncor gelegen, verbarg sich eine kleine, malerische Insel. Sie trug den Namen Milora. Von außen schien sie verlassen, doch wer sich in den Dschungel der Insel begab, erkannte schnell die Gefahren darin. Aber nicht nur die Gefahren, sondern auch ein uraltes Volk. Die Mantikore kämpften im Dickicht des Dschungels um ihr Überleben. Es handelte sich um ein Mischwesen aus Mensch und Löwe mit einem Skorpionsschwanz. Einst lebten sie gemeinsam als Klan Lara, bis dieser durch einen Streit zweier Geschwister entzweit wurde. Seither existierten zwei Klans auf der Insel, zum einen der Laraklan und zum anderen der Arionklan. Die Mantikore des Laraklans schätzten die Natur und die Traditionen ihrer Vorfahren. Obwohl sie mächtige Jäger und Hexenmeister waren, versuchten sie, Probleme bedacht anzugehen, und wendeten nur Gewalt an, wenn es unbedingt nötig war. Die Mantikore des Arionklans waren da anderer Meinung. Für sie waren nur Stärke und Macht von Bedeutung. „Wer nicht stark genug ist, gilt als schwach und wird zurückgelassen.“ Das war das Motto des Arionklans, der weit im Norden einen Rachefeldzug gegen die Zyklopen durchführte, während sich die Mantikore des Laraklans im Süden ein paradiesisches Dorf geschaffen hatten.
Im Süden der Insel mündeten viele Flüsse ins Meer und daher war der Boden auch sehr fruchtbar und die Bäume und Sträucher reichlich mit Früchten gesegnet. Die Fauna gedieh hier am besten und die Mantikore des Südens wussten, dass es ihnen hier an nichts fehlte. Angespannt runzelte Klananführerin Lara die Stirn und fragte angestrengt: „Ist alles für das große Festmahl heute Abend bereit?“
Sie stand leicht gebückt da. Ihr Gesicht war breit und sie hatte große, tiefblaue Augen und ein dunkelbraunes Fell. Sie war 1,90 Meter groß und war fit gebaut, wie die meisten weiblichen Mantikore. Sie trug ein Kleid, das aus Blättern gefertigt war. Ein Skorpionsschwanz, der fast bis zum Boden reichte, ragte hinten aus der Kleidung heraus. Das Auffälligste an ihr war ihre dicke, mit Muscheln verzierte Kette, die ihrer Figur schmeichelte.
„Macht euch keine Sorgen, Klananführerin, es ist beinahe alles fertig für den Jahrestag des Klans“, antwortete eine Mantikorin mit sanfter Stimme.
Sie war circa zehn Zentimeter kleiner als die Mantikor-Anführerin und zierlicher gebaut. Ihr Fell war hellbraun und sie trug ein bauchfreies Kleid, das ebenfalls aus Blättern bestand.
Mit ihren grünen Augen starrte sie die Anführerin groß an und sprach: „Ihr solltet heute zur Abwechslung auch mal mittanzen. Als große Klananführerin Lara und Friedenstifterin gebührt es eigentlich Euch, unseren heiligen Tanz anzukündigen, nicht dem Hexenzirkel.“
Lara schaute sie an und verdrehte ihre tiefblauen Augen. Sie seufzte und entgegnete: „Lyra, du weißt genau, wie gut ich tanzen kann, also erspare ich mir diese Peinlichkeit.“
Sie sah lächelnd zu Boden und schüttelte verständnislos den Kopf. Sie schritten durch ihr Dorf Maroki. Holz- und Lehmhütten mit dicken Blätterdächern zierten die Heimat. Es war ein warmer Tag und die Kinder der Mantikore spielten an einem kleinen Fluss, der quer durch das Dorf verlief, während die Erwachsenen alles für das große Fest vorbereiteten. Riesige Karren mit Früchten, Fischen und Fleisch rollten über den Marktplatz. In der Mitte des Platzes wurde eine gigantische Bühne aufgestellt, auf der sich ein hölzerner Thron befand.
„Boah, Mama, schau mal! Da drüben ist Lara!“, sagte ein Mantikor-Kind, das mit seiner Mutter nach Hause spazierte. Die Klananführerin schenkte den Worten des Jungen Gehör und hielt kurz inne. Sie drehte sich zu ihm hin und winkte ihm freundlich zu. Er schaute sie daraufhin überwältigt an und winkte ihr lachend zurück, während seine Mutter sich zur Begrüßung verbeugte und die beiden anschließend davonspazierten.
Lara und Lyra schritten voran und erreichten nach kurzer Zeit das hölzerne Monument, während die Mitbürger sich immer wieder vor ihr verbeugten. Sie nickte mit einem sanften Lächeln auf den Lippen zurück und schaute dann gedankenversunken ihre Begleiterin ernst an.
„Was ist los, Klananführerin?“, fragte Lyra verwundert.
Sie blieben vor der hölzernen Bühne stehen und sie stellte eine Gegenfrage: „Wie sieht es eigentlich mit unserer Verteidigung aus? Sind noch genug Jäger im Einsatz, während wir das Fest feiern?“
„Seid unbesorgt, die fleischfressenden Riesenspinnen werden uns so schnell nicht noch mal angreifen“, antwortete Lyra gelassen.
Sie seufzte und schaute auf den erdigen Boden. Tausende Gedanken schossen ihr durch den Kopf und sie flüsterte mit rauer Stimme: „Wann wird mein von Rache zerfressener Bruder mit seinen Anhängern endlich zurückkehren? Was meinst du, Lyra, werden wir jemals wieder ein gemeinsamer Klan sein?“
„Nun, wenn Ihr mich so fragt, ich denke, dass Arion und seine Gefolgschaft schon bald ihre missliche Lage einsehen werden und nach Hause kommen“, entgegnete Lyra ihr mit leiser Stimme.
„Das hoffe ich, dieser verdammte Zyklopenansturm hat uns auseinandergerissen!“, murmelte sie.
„Vertraut mir, meine Klananführerin, es wird nie wieder so etwas Grausames in Maroki geschehen“, sagte Lyra und versuchte, ihre Anführerin zu beruhigen.
Während die beiden noch miteinander sprachen, waren um sie herum die Arbeiten im Gange. Gewaltige Tische aus Baumstämmen wurden aufgestellt und vorbereitet für den großen Abend. Weiße Leuchtsteine waren an den umliegenden Häusern und Ästen befestigt worden, um einige Sonnenstrahlen einzufangen, damit sie später als Lichtspender verwendet werden konnten. Lara bedankte sich für Lyras tröstenden Worte und folgte dem erdigen Weg vom Dorfplatz aus zu ihrem Anwesen. Das Anwesen bestand aus Holzstämmen und war von Lianen und riesigen Blättern umschlungen. Eine kleine Steintreppe führte zum hölzernen Tor. Kurz bevor Lara die Tür öffnen wollte, stürmte ein Mantikor-Kind heraus und stürzte sich auf die Klananführerin. „Ha! Ich hab dich erwischt, Mama!“, rief Taro und packte seine Mutter am Bein.
„Hey Taro! Du hast mich dieses Mal wirklich überrascht! Du wirst ja noch zu einem richtig guten Jäger!“, sprach Lara freundlich lächelnd.
Der Junge strahlte und kurz darauf kam ein weiterer Mantikor zur Tür. Er trug als Jägerkommandant einen langen Lendenschurz und einen Brustpanzer aus Leder. Zudem hatte er eine mit Muscheln verzierte Halskette um wie die der Klananführerin. Er war etwas größer und muskulöser als die Mantikorin.
„Taro! Ich hab doch gesagt, du sollst dir dein Gesicht waschen, bevor du raus darfst! Du sollst nicht so dreckig rumlaufen!“, rief er und erstarrte, als er Lara erblickte. Er schlenderte auf sie zu und küsste sie.
Sie erwiderte den Kuss, der kleine Taro ließ seine Mutter los und marschierte missmutig zurück ins Haus.
„Hallo, meine Dschungelrose, wie war es im Dorf? Ist alles schon fertig?“, fragte er und lächelte sie an.
Sie umschlang ihren Geliebten und kicherte nur. Dann sprach sie: „Beinahe, aber bis zum Sonnenuntergang ist sicher alles bereit für das Fest.“
Er nickte und sie spazierten gemeinsam in ihr trautes Heim, während eine kleine Gruppe dunkelgrüner Kolibris durch das Dickicht des Dschungels nach Norden flog.
Es wurde Nachmittag. Die Landschaft im Norden der Insel war geprägt von steinigen Hügeln und schroffen Felsen. Die Umgebung war kahl, es gab nur wenige Bäume. Zwei Berge stachen speziell heraus. Die beiden waren etwas voneinander entfernt und von Höhlen und schmalen Wegen durchzogen. Um diese Gewölbe herum tummelten sich graue, muskulöse Zyklopen, die gerade dabei waren, einen Höhleneingang besser zu gestalten. Plötzlich wurden sie von Mantikoren überrascht und machten sich kampfbereit. Die einäugigen Riesen griffen zu ihren aus massiven Steinen angefertigten Keulen.
„Tötet jeden Zyklopen, den ihr seht!“, brüllte ein muskulöser Mantikor mit tiefer Stimme.
Eine kleine Gruppe aus sechs Mantikoren metzelte sich mühelos durch die überrumpelten Zyklopenkrieger hinweg. Blut tränkte den steinernen Boden und ein Riese nach dem anderen fiel. Das Blutbad endete mit schmerzvollem Geschrei der monströsen Gestalten. Die Angreifer sahen wie gewöhnliche Mantikore aus, jedoch waren sie etwas größer gebaut und trugen einen dunklen, langen Lendenschurz, der aus Tierleder angefertigt war. Einige besaßen einen Brustschutz aus Leder, obwohl das Tragen eines Brustschutzes nur dem Jäger-Kommandanten und dem Klananführer gestattet war. Der Mantikor Arion stach besonders heraus, da er noch etwas größer und kräftiger schien als seine Krieger. Zudem hatte er eine schwarze, zottelige Mähne. „Ich darf berichten, dass der Eingang zur Höhle nun gesichert ist, mein Klananführer“, sprach ein kleinerer Krieger, der gerade dabei war, seine Klinge aus dem Schädel eines Zyklopen zu ziehen. Der größte Mantikor schritt mit erhobenem Haupt zum Höhleneingang.
„Mein Klananführer, dort drin befindet sich der Hexenmeister, da bin ich mir sicher!“, sprach eine kräftige Mantikorin und warf sich vor ihm auf die Knie. Sie trug nicht wie viele andere Mantikorinnen ein Kleid aus Blättern. Die Kriegerin hatte die gleiche Uniform wie ihre Mitstreiter. Sie war das einzige weibliche Mitglied der Gruppe.
„Sehr gut gemacht, meine Vollstrecker“, sprach Arion mit gedämpfter Stimme, während sich fünf Krieger um ihn versammelten und vor ihm auf die Knie fielen.
„Seht auf unseren Weg herauf zurück, diese Riesen waren alle Schwächlinge. Nur wir sechs haben uns mühelos bis zur Spitze hochgekämpft. Ich verstehe bis heute nicht, wie diese erbärmlichen Kreaturen uns damals beinahe auslöschen konnten. Und jetzt werden wir den Hexenmeister der Bergfestung töten und noch dazu eine ihrer heiligen Stätten für uns beanspruchen. Rokan und Leo, ihr sichert den Eingang. Der Rest folgt mir ins Innere! Zeigen wir ihnen den Rachedurst der Mantikore, für den Arionklan!“, brüllte der Anführer und grinste seinen Kriegern siegessicher entgegen.
Alle erhoben sich gleichzeitig und griffen zu den Waffen. Sie hielten in beiden Händen leicht geschwungene Klingen aus Stein, die einen Holzgriff besaßen. Die kleinere Gruppe, bestehend aus Arion und den drei Vollstreckern, setzte sich in Bewegung und rannten wie wilde Tiere in die Höhle.
An den Wänden der großen Höhle befanden sich durchgehend Fackeln, die ihnen den Weg erhellten. Sie schritten weiter voran und gelangten durch eine Öffnung in einen gewaltigen Raum. Ein winziges Lavabecken und massive Steinsäulen zierten die Halle vor ihnen.
Ein grollendes Brummen hallte durch die Gemäuer. „Ihr seid also die Mantikore, die mein geliebtes Volk in Angst und Schrecken versetzen? Ihr werdet hier euer Ende finden!“, brüllte eine raue Stimme und fing dann an, zu lachen.
Die Öffnung, durch die sie in den Raum gelangt waren, wurde von gewaltigen Steinbrocken blockiert.
„Jetzt könnt ihr nicht mehr fliehen, ihr seid mir direkt in die Falle getappt, ihr arroganten Schlammhähnchen!“, fuhr die raue Stimme fort.
„Zeig dich, Feigling!“, rief die Mantikorin zähnefletschend.
„Bleibt ruhig, Tinar, und konzentrier dich“, brummte Arion.
Sie nickte ihrem Anführer zu und mit erhobenen Klingen starrten sie in den großen Raum, um einen Blick auf den Hexenmeister erhaschen zu können. In einer der dunklen Ecken der Halle blitzte ein rot leuchtendes Auge auf. Ein gigantischer Zyklop stapfte mit schweren Schritten nach vorn. Er war riesenhafter als jeder Zyklop, den sie bis jetzt erledigt hatten. Er schaute mit seinem leuchtenden Auge durch die Runde.
„Mmh, ihr seht ja zum Anbeißen aus. Ich habe schon lange kein Mantikor-Fleisch mehr gekostet. Ich freue mich schon darauf, euch alle verspeisen zu können“, sprach der Zyklop. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und brachte seine gelblichen, scharfen Zähne voll zur Geltung.
„Ich habe das Gefühl, dass dieser Kampfeinsatz mir sehr zugutekommen wird, Hexenmeister“, antwortete Arion selbstsicher und verzog keine Miene.
Der große, fette Zyklopen-Hexenmeister trug eine dunkelgraue Toga und eine Kette aus Steinen schmückte seinen Hals. Er war unbewaffnet und nahm dennoch den Kampf auf. Der Riese wusste, dass seine Hexerei ihn beschützen würde. Kurz bevor der Zyklop die Arme heben wollte, sprinteten die vier Mantikore los, um ihm ein schnelles Ende zu bereiten. Schockiert über die Schnelligkeit seiner Gegner beschwor er sofort einen Schildwall aus Steinbrocken herauf.
„Ha! Ihr Schlammhähnchen habt mich mit eurer Geschwindigkeit wirklich überrascht, jedoch ist meine Erdhexerei stärker als ihr und eure Waffen“, lachte der Zyklop.
Jeder Stoß, jeder Hieb und jeder Stich prallte direkt vom Schildwall ab. Er grunzte und lachte vergnügt, während die Mantikore vergeblich versuchten, ihn zu treffen. Nach einigen Minuten langweilte sich der Zyklop langsam. Er ballte seine Hände zu Fäusten und konzentrierte sich auf seinen Schildwall. Dieser zerbarst und Dutzende Steine flogen durch den gesamten Raum. Zwei der vier anwesenden Mantikore fielen dem Steinhagel zum Opfer. Tinar und ihr Anführer Arion konnten sich gerade noch hinter eine massive Steinsäule retten und bei dem Anblick ihrer gefallenen Kameraden schäumte die Mantikorin vor Wut.
Der Steinhagel stoppte und der Zyklop gluckste vergnügt vor sich hin. Arion konnte den Zorn seiner Vollstreckerin spüren. Er packte sie an der Schulter und blickte tief in ihre dunkelbraunen Augen. Sie beruhigte sich langsam wieder und vertraute ihrem Anführer, dass letzten Endes alles gut ausgehen würde. Sie blieben geduckt und warteten auf eine günstige Gelegenheit, um ihn anzugreifen.
„Kommt raus und ich töte euch mit einem schnellen Hieb“, sprach der Hexenmeister und grinste finster.
Arion blieb unbeeindruckt und rührte sich nicht.
„Pah! Dann sterbt eben qualvoll und lasst euch von meinen Steinen verschütten!“, brüllte der Zyklop und hob seine Hände. Er beschwor eine große Menge von Gesteinsbrocken herauf und schleuderte sie durch den Raum. Einige Steinsäulen der Halle zersprangen, doch Arion ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Nach kurzem Warten sprang er von Säule zu Säule und wich jedem heranfliegenden Stein mühelos aus. Der Hexenmeister bemerkte das und konzentrierte sich vollends auf den Klananführer. Er beschwor einen riesigen Steinbrocken herauf und kurz bevor Arion ihn erreichte, warf der Zyklop sein Projektil. Arion sprang pfeilgerade auf den Beschwörer zu. Er konnte nicht mehr ausweichen und der Hexenmeister grinste höhnisch. Das finstere Lächeln verschwand jedoch sofort, als der Klananführer mit seinem Skorpionsstachel den Stein durchbohrte und seine Klingen in dem Schädel des Hexenmeisters versenkte. Er fiel leblos zu Boden und Arion hatte den Kampf gewonnen. Tinar war sprachlos und kniete sich sofort vor ihren Anführer hin.
„Ich gratuliere Euch zu Eurem großartigen Sieg, mein Klananführer!“, huldigte sie ihm.
Er nickte ihr nur zu und schaute zu seinen gefallenen Untergebenen. Danach marschierte er zu Tinar. Sie senkte ihren Kopf und wagte es nicht, ihn anzusehen.
„Weißt du, warum sie gestorben sind?“, fragte er mit ernster Stimme.
Sie schluckte und antwortete: „Weil sie zu langsam und zu schwach waren.“
Er sprach mit trockener Stimme: „Das ist korrekt. Wir bringen sie jetzt nach draußen, um sie so ruhen zu lassen, wie sie gestorben sind. Wir begraben ihre Leichen unter Steinen.“
Langsam wurde es Abend und die letzten Sonnenstrahlen erreichten die Insel. Im Süden wurde es laut. Musik erfüllte das Dorf. Die harmonisch klingenden Töne kamen von einem traditionellen Instrument der Mantikore. Es war das Murikona, ein Blasinstrument aus leichtem Holz. Man spielte es im Sitzen, da es so die perfekte Größe besaß. Am Ende des Instruments befanden sich kleine Löcher, die man mit dem Skorpionsstachel beliebig verschließen konnte, um verschiedene Töne zu erzeugen.
Die Leuchtsteine hingen an den Hauswänden und Bäumen im Dorf. Sie erfüllten langsam ihren Zweck und erhellten das Geschehen auf dem Marktplatz. Es befanden sich viele Mantikore vor der Bühne, die am Morgen aufgestellt worden war. Die Klananführerin Lara erhob sich vom hölzernen Thron und stand vor einem großen Publikum. Sie schaute mit Stolz auf ihr Volk. Sie lächelte, derweil standen ihr Gemahl und ihr Sohn an ihrer Seite. Sie hob die Hand und es wurde still. Gespannt lauschten die versammelten Bürger den Worten ihrer Anführerin.
„Der Laraklan ist stark! Wir haben uns einen Platz auf dieser Insel gesichert und sind zu einem Symbol des Friedens geworden. Alle vierhundert Tage versammeln wir uns hier und feiern die Stärke und den Zusammenhalt unseres Klans. Wir ehren unsere Vorfahren und bitten sie um ihren Segen, sodass sie uns weiterhin vor allem Üblen beschützen. Mein Blut soll als Opfergabe dienen, auf dass wir weiterhin in Frieden leben können“, sprach Lara und lächelte.
Sie stach sich mit ihrem Skorpionsstachel in die Hand und ließ das Blut zu Boden tropfen.
„Vorfahren und mächtige Göttin Aphelia erhöret mich, nehmt mein Blut an Euch. Gewährt uns Euren Segen, auf dass die Mantikore weitere Tage des Friedens genießen dürfen“, fuhr Lara fort und beendete ihre Rede mit einem Händeklatschen.
Das Ritual war vollzogen und die Mantikore jubelten ihrer Anführerin zu. Kurz darauf wurde das Bankett eröffnet. Die erlesensten Speisen wurden den Bürgern vorgesetzt. Dutzende Einwohner platzierten sich an den Tischen und genossen das Festmahl. Hähnchenfleisch, verschiedenste Salate und Früchte wurden serviert. Rosenwasser, das Lieblingsgetränk der Mantikore, durfte bei keiner Feierlichkeit fehlen. Sie lachten und amüsierten sich.
Die Klananführerin stieg von der Bühne herunter und unterhielt sich mit ihrem Volk. Nach einer Weile stolzierte ein großer Mantikor auf sie zu.
„Seid gegrüßt, Jägerkommandant!“, sprach Lara und lächelte.
Der Mantikor war etwas größer als Lara und hatte eine Augenklappe auf seinem rechten Auge. Als er vor Lara stand, senkte er huldvoll den Kopf.
„Meine Klananführerin, Ihr habt wieder einmal eine gute Rede gehalten“, sagte er mit ernster Stimme.
„Vielen Dank, Vyras. Wie steht es um meine Jäger?“, fragte sie besorgt.
Er hob sein Haupt und stand stramm vor seiner Anführerin. „Die Jägerschaft ist jederzeit einsatzbereit, meine Klananführerin!“, antwortete er entschlossen.
„Also nehme ich mal an, dass die morgige Jagd ein voller Erfolg wird, oder?“, fragte der Gemahl der Klananführerin und starrte den Kommandanten erwartungsvoll an.
„Natürlich, Klananführer Natan!“, antwortete Vyras bestimmt und legte seine rechte Hand auf den Griff seines Dolches, der an seinem Ledergürtel befestigt war.
„Ihr werdet uns doch begleiten, Klananführerin, als so eine talentierte Jägerin, wie Ihr es seid, müsst Ihr uns einfach begleiten!“, fuhr Vyras fort und lächelte.
Lara lachte und sagte: „Eine wahre Anführerin ist sich niemals zu schade, um mit den erwählten Jägern auf Jagd zu gehen. Vor allem nicht einen Tag nach dem Ritual.“
Bevor der Kommandant noch etwas sagen konnte, ertönte ein wundersamer Klang. Es war Zeit für den innigen Tanz. Zwei Mantikore stolzierten in die Mitte des Marktplatzes und streckten die Hände in die Luft. Ihre Körper waren von tiefgrünen Blättern verdeckt und kleine Leuchtsteine waren mit Spinnenfäden um ihre Skorpionsschwänze gewickelt. Sie waren vom Hexenzirkel des Laraklans und huldigten das ganze Jahr über den Vorfahren und der Göttin Aphelia.
Die Mantikore machten ihnen Platz und das Hexenmeisterpaar verkündete: „Wie jedes Jahr darf nun der Hexenzirkel zum Tanz bitten. Sucht euch einen Partner und tanzt zur Melodie.“
Die ersten Pärchen trauten sich und gingen nach vorn. Je mehr es wurden, desto mehr freute sich das Hexenmeisterpaar darüber. Es versammelten sich nun viele, ob jung oder alt.
Lara schaute zu ihrem kleinen Sohn und sprach: „Wie wär’s, wenn du kurz bei Vyras bleibst und ihm von deiner heutigen Jagd berichtest? Papa und ich kommen dann gleich wieder.“
Taros Augen wurden groß, als er zu Vyras schaute. Dieser schmunzelte und nickte Lara zu.
„Also, wie lief die Jagd heute?“, fragte der Kommandant den Jungen.
Lara nahm unterdessen die Hand ihres Gemahls und gemeinsam stolzierten sie in die Mitte. Alle Bürger schauten voller Neugier dem Klananführerpärchen zu. Die Musik ertönte und der Tanz konnte beginnen. Die Pärchen stellten sich einander gegenüber auf und Hand in Hand machten sie einige Schritte nach rechts und nach links, während man sich langsam im Kreis drehte. Der Klan genoss die Feierlichkeiten vor der Großwildjagd am nächsten Morgen.