Die Zukunftsformel - Harald Lesch - E-Book

Die Zukunftsformel E-Book

Harald Lesch

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Beschreibung

Was sagen einem Astrophysiker die Sterne über die Welt und das Leben? Kann ein Wirtschaftsprofessor die Entwicklung der Finanzwelt vorhersagen und was bedeutet das für unseren Alltag? Und überhaupt: Gibt es sie, die Formel für die Zukunft? Antworten auf solche Fragen geben Harald Lesch und Thomas Schwartz in ihrem neuen Buch. Sie verbinden Mathematik, Ökologie und vor allem viel Alltagsklugheit zu einem brillanten Blick in das Hier, Jetzt und Morgen. Sie erklären das wichtigste Prinzip der Natur, die Wiederholung, und weshalb nur sie echten Fortschritt garantiert. Fortschritt, der nachhaltig ist und kollektiv nützt. Die beiden Bestsellerautoren verknüpfen scheinbar banale Details mit den großen Zusammenhängen von Natur und Gesellschaft und tauchen so ein in die Grundprinzipien unseres Lebens. Ein Buch, das uns überraschende Fakten und Erklärungen liefert und Vertrauen, das nichts so bleiben muss, wie es ist – und manches so bleiben darf, wie es ist. Unterhaltsam, klug und überaus originell.

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HARALD LESCH | THOMAS SCHWARTZ

DIE ZUKUNFTSFORMEL

HARALD LESCHTHOMAS SCHWARTZ

DIE ZUKUNFTSFORMEL

Echter Fortschritt braucht Wiederholung

Unter Mitarbeit von Simon Biallowons

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2022

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: © majcot / shutterstock

E-Book-Konvertierung: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe

ISBN Print 978-3-451-03241-7

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-82872-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-451-82879-9

INHALT

1. Lob der Wiederholung: Warum das denn?

2. Schlag des Herzens und Tanz der Gestirne: Wiederholung als Prinzip des Lebens

3. Inspiration oder Transpiration: Wie Wissenschaft wirklich funktioniert

4. Und ab geht’s: Auf Zeitreise durch unser Leben

5. Der Recycling-Code: Apokalypse oder Kreislaufgesellschaft?

6. Wer hat’s erfunden? Keine Innovation ohne Wiederholung

7. Was heisst hier echt? Welchen Fortschritt wir für die Zukunftsformel brauchen

Literatur

Endnoten

Über die Autoren

1. LOB DER WIEDERHOLUNG:

WARUM DAS DENN?

Eigentlich sollte es in diesem Buch um etwas völlig anderes gehen. Das mag jetzt vielleicht wie ein Witz klingen oder wie ein kleiner künstlerischer Kniff, der uns dazu dient, gekonnt in dieses Buch einzusteigen und gleich zu Beginn ordentlich Spannung zu erzeugen. Aber es ist ganz ernst gemeint! Als wir uns vor etwas mehr als einem Jahr nach dem wunderbaren Erfolg unseres Buchs Unberechenbar. Das Leben ist mehr als eine Gleichung wieder zusammensetzten, um über ein neues Buch zu reden, ging es zunächst um sehr unterschiedliche Themen, nur nicht um die Wiederholung. Wir sprachen etwa über Fake News und über Faktenchecks, wir diskutierten über die Wahrheit oder den Sinn des Lebens. Und wir sprachen viel über Vertrauen, sehr viel sogar. Wir erinnern uns noch gut an eine Passage aus dem Gespräch, das an manchen Stellen fast schon einem Schlagabtausch glich. Und der ging so:

Thomas: Wenn ich sehe, dass wir in einer Zeit leben, in der uns tatsächlich überall alternative Fakten entgegengeworfen werden – und zwar nicht nur in der Weltpolitik, sondern auch in Gesundheitsfragen, in der Wissenschaft, in unserem ganz konkreten Leben –, dann müssen wir uns doch fragen, ob es überhaupt noch einen Wahrheitsbegriff gibt. Wir müssen analysieren, wie es mit dem Sinnzusammenhang …

Harald: Ach komm, Sinnzusammenhang. Das ist mir jetzt viel zu kompliziert. Sinnzusammenhang …

Thomas: Gut, du hast ja recht. Ich meine, dass wir in der Vorstellung lebten, ein einigermaßen geschlossenes Weltbild zu haben. Dann ergeben sich neue Sinnzusammenhänge …

Harald: Schon wieder!

Thomas: Also ergeben sich neue Konstellationen, Sachverhalte, es tauchen völlig neue Fragen auf. Und damit auch die Frage, ob und inwiefern dieses Bild stimmt, das wir von der Wirklichkeit um uns herum haben. Ob es das Ganze ist oder nur ein Ausschnitt, ob wir es so behalten können oder ergänzen und womöglich sogar komplett austauschen müssen. Das verunsichert.

Harald: Da kann ich mit. Das verunsichert, und das zerstört Vertrauen. Und Vertrauen wiederum, Vertrauen reduziert Komplexität. Wir vertrauen, weil es uns das Leben leichter macht. Wir haben physiologische Verfahren entwickelt, um mit der Fülle der Erscheinungen umzugehen. Wir reduzieren die Fülle um uns herum, damit wir nicht pausenlos denken müssen: Was will der, was will die, was will das? Was bedeutet denn das da? Oder ganz konkret: Hält die Decke über uns?

Thomas: Die hält.

Harald: Das sagst du so einfach. Aber hält sie wirklich? Also in Wahrheit? Ich gehe davon aus, sie muss ja halten, denn das hat ein Statiker so berechnet. Und dem vertraue ich, weil er vom Fach ist. Der hat das gelernt, der hat Verantwortungsbewusstsein und Berufsethos. Das ist der viel zitierte Vertrauensvorschuss, der durch Erfahrung bestätigt und verstetigt wird. Nur: Was passiert, wenn dieser Vorschuss aufgebraucht ist? Dann misstrauen wir irgendwann nicht mehr nur dem Statiker, sondern auch dem Zimmerer und der Dachdeckerin und so fort.

Wir diskutierten noch ein bisschen weiter, wobei es nun weniger über Statiker oder Sinnzusammenhänge ging, auch wenn sich diese Themen immer wieder ins Gespräch einschlichen. Und auch das Vertrauen und die Frage nach dem Vertrauensverlust spielten weiter eine Rolle, allerdings mehr noch die Frage nach dem Vertrauenswiedergewinn – was für ein Wort! Doch so ganz waren wir noch nicht dort, wo wir hingelangen wollten. Wir waren mit unseren Überlegungen noch nicht zufrieden. Irgendwann sagte einer von uns: „Sicher, das ist alles sehr interessant, aber wir kriegen es noch nicht so richtig zu greifen.“ Und der andere: „Lass uns doch schauen, was immer wieder auftaucht. Was uns immer wieder beschäftigt. Wenn wir das zu fassen bekommen und daran schleifen, dann kommen wir allmählich weiter.“

Allmählich! – Das war ein interessantes Stichwort, mit dem vielleicht die Richtung gegeben war, in die wir gehen sollten. Das „Prinzip der Allmählichkeit“, das wäre auch ein toller Titel, dachten wir.

Wir horchten diesem Prinzip noch ein wenig hinterher, als Harald sagte: „Das Allmähliche, das ist schon etwas Tolles. Ich erzähle mal etwas: Ich bin ein passionierter Klavierspieler. Wobei ich ‚passioniert‘ im Sinne von ‚leidenschaftlich‘ verstehe und nicht als Ausweis einer besonderen Meisterschaft. Wer ebenfalls Klavier oder ein anderes Instrument spielt, wer sich überhaupt über einen längeren Zeitraum hinweg einer bestimmten Sache kontinuierlich widmet, der oder dem wird das bekannt vorkommen: Ich setze mich ans Klavier und spiele eine Tonleiter nach der anderen. Immer wieder spiele ich diese Tonleitern. Und es wird immer besser. Ich werde immer besser; und ich merke, dass es mir immer leichter fällt, dass es mir buchstäblich leicht von der Hand geht. Ich komme in einen Flow, den Flow der Wiederholung, der mich persönlich wegreißt und der alles andere als eintönig ist, sondern eine wunderbare Symphonie in meinem Kopf erzeugt, egal, wie es für Außenstehende klingen mag. Objektiv betrachtet spiele ich eine Tonleiter nach der anderen und irgendwann ein Stück, das ich schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten spiele, in meinem Fall zum Beispiel etwas von Frédéric Chopin. Für mich ist diese Wiederholung aber nicht nur das Tor zum Flow, sondern ich entdecke plötzlich ganz neue Nuancen. Dazu muss ich anmerken, dass ich mein Repertoire über die Jahre nicht sonderlich erweitert habe, sondern oft dieselben Stücke spiele – aber eben immer wieder anders. Man könnte ja meinen, Wiederholung schließe Weiterentwicklung, Fortschritt und Varianz aus. Aber das Gegenteil ist richtig! Wiederholung ist oft die Bedingung der Möglichkeit für Fortschritt und Varianz. Und deshalb hat das Lob der Wiederholung gar nichts mit einem tugendhaften oder gar moralischen Appell zutun. Es ist schlichtweg natürlich.“

Thomas kam sofort auf das Buch Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten von Robert M. Pirsig zu sprechen und meinte: „Ich glaube, dass heutzutage wirklich unterschätzt wird, wie viel Gewinn in der Wiederholung stecken kann. Unser gesamtes Leben ist geprägt vom Prinzip der Wiederholung. Wir sind im wahrsten und besten Sinne des Wortes Wiederholungstäter.“

Wir Menschen als Wiederholungstäter und das Leben als eine Abfolge von Wiederholungen? Stimmt das? Und wenn ja, was bedeutet dann Fortschritt, echter Fortschritt, und wie lautet die Zukunftsformel? Das sind die Fragen, denen wir in diesem Buch nachgehen wollen. Wir werden dabei entdecken, dass die Wiederholung tatsächlich eines der entscheidenden Grundprinzipien des Lebens ist, wenn nicht sogar das entscheidende. Von Beginn an, noch vor unserer Geburt schreibt sich die Wiederholung in den Rhythmus unseres Lebens ein. Wobei der Rhythmus eine wichtige Rolle spielen wird, aber dazu später noch mehr.

Wir haben das Buch von einem Ausgang her gedacht, der offen ist. Wenn wir von der Zukunftsformel sprechen, dann heißt das gerade nicht, dass wir damit die Zukunft herbeiorakeln oder heraufbeschwören wollen. Zukunftsformel bedeutet für uns, zu überlegen, worin echter Fortschritt sich vom unechten unterscheidet. Und als dessen tiefste Grundlage meinen wir, das Prinzip der Wiederholung zu finden.

Wir suchen dieses Prinzip daher in der Natur und in der Technik, in der Physik und in der Mathematik, in der Wirtschaft und der Ethik, aber vor allem suchen wir es immer wieder im Menschen und im Alltag. Interessanterweise kommen wir dabei wieder der Statik etwas näher, diesmal aber nicht der Statik der Decke über uns, sondern der Statik des Lebens. Nicht, dass wir die Gesetze dieser Statik komplett entschlüsseln würden oder es gar könnten; es wäre anmaßend, das zu glauben. Doch das Prinzip der Wiederholung, so wie wir es miteinander entdecken, hilft uns dabei, zu verstehen, wie sich Leben verändert, wie es sich verändern kann, und vielleicht auch, wie es sich verändern sollte. Dadurch erklären sich Problemstellungen und eröffnen sich Handlungsoptionen. Dadurch ergeben sich überraschende Zusammenhänge und reizvolle Zukunftsaussichten. Und: Es ergibt sich Vertrauen. Vertrauen, dass nichts so bleiben muss, wie es ist – und manches so bleiben darf, wie es ist.

2. SCHLAG DES HERZENS UND TANZ DER GESTIRNE:

WIEDERHOLUNG ALS PRINZIP DES LEBENS

Wir hatten es ja vorher schon davon: Chopin und das Klavierspielen. Dass wir uns darüber Gedanken gemacht haben, sollte nicht etwa als eine Art Werbeblock für den großen Komponisten aus Polen verstanden werden. Denn selbstverständlich gilt das, was wir hier geschrieben haben, auch für andere Künstler und deren Werke. Zumindest, wenn wir uns in der Welt der Symphonien und Harmonien bewegen. Und das sollten wir immer wieder einmal tun. Denn dort können wir ganz wunderbar das Phänomen der Wiederholung erleben. Wir können uns hineinbewegen in die Welt der Wiederholung und uns darin regelrecht einschwingen. Die meisten werden das Gefühl kennen, dass es allein schon beruhigend auf uns wirkt, wenn wir nur an ein bestimmtes Musikstück denken und uns an seine Melodieführung erinnern. Wenn wir sie im Geiste wiederholen und sie uns damit wiederholen (im Sinne von zurückholen), zeitigt das eine spektakuläre Wirkung. Dieses Sich-Erinnern, dieses Wieder-Holen als Her-Holen (dazu später ausführlicher in einem eigenen Kapitel) eines bestimmten Gefühls, besser noch eines bestimmen Zustands, ermöglicht es uns, erneut an diesen vergangenen Zustand anzuknüpfen. Natürlich nur, wenn die äußeren Umstände passen. Und das wird an einem plätschernden Bach oder in einem vor sich hin wispernden Wald sicherlich einfacher sein als inmitten einer großen Baustelle, in der wir den strammen Symphonien des Presslufthammerorchesters ausgeliefert sind. Zwar gibt es auch dort Wiederholungen, aber ob diese „Rhythmen“ zu einer beruhigenden und uns erfüllenden Harmonie führen, das darf zumindest von uns Baustellenlaien bezweifelt werden.

Aber lassen wir uns von den Presslufthämmern nicht stören. Fest steht, dass wir alle dieses Gefühl kennen, das manche als „Einklang“ bezeichnen. Und dieses Wort sollten wir einen Moment nachklingen lassen, denn es hat es in sich!

Schlägt man nämlich im Duden nach (was wir beide wiederholt und gern tun!), so finden sich dort die beiden folgenden Definitionen für den Begriff „Einklang“:

das Zusammenklingen von zwei oder mehr Tönen auf derselben Tonhöhe oder im Oktavabstand (Gebrauch Musik)

als richtig, angebracht, wohltuend empfundene Übereinstimmung, Harmonie (Gebrauch gehoben)

Um ehrlich zu sein, wir waren überrascht, dass der Duden die Verwendung in der zweiten Bedeutung als „gehoben“ einstuft, aber egal. Wenn sie nicht im musikalischen Kontext verwendet wird, kommt die Formulierung „im Einklang stehen“ oft dort vor, wo es um eine seelische Harmonie geht, eben um das gerade erwähnte Gefühl des Einschwingens in einen wohlgeordneten Kosmos, in eine Ordnung, die allem einen guten Platz zuzuweisen scheint. Wir spüren etwa die Sehnsucht danach, mit der Natur im Einklang zu leben. Oder auch mit den Jahreszeiten. Oder gar mit uns selbst. Und wenn wir kurz darüber nachdenken, müssen wir uns eingestehen, dass wir uns etwas Besseres gar nicht vorstellen können: Im Einklang mit uns selbst zu sein und dann auch noch mit der Natur, mit allen Menschen auf der ganzen Welt. Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, gern auch mit dem lieben Gott – oder zumindest mit der kosmischen Energie!

Zugegeben: Letzteres klingt etwas spöttisch, und ein wenig ist es auch so gemeint, da es viel zu viele selbst ernannte Gurus gibt, die es mit ihren mantramäßigen Aufforderungen, nach diesem Einklang zu streben, schon deutlich übertreiben. – Übrigens ist das Mantra auch eine Form der Wiederholung! – Doch der Grundgedanke einer Harmonie und Übereinstimmung mit anderen Lebewesen oder Gegebenheiten ist wichtig. Das gilt sogar, wenn wir nur auf unsere eigene Person und unsere persönlichen Hoffnungen, Wünsche und Wertvorstellungen blicken. Und es gilt noch viel mehr für unser Thema der Wiederholung, weil bei uns Menschen beide oben angeführten Definitionen – das Zusammenklingen von Tönen und die als wohltuend empfundene Harmonie – zusammenfallen. Das zeigt sich bereits am Anfang unserer Existenz. Wir wollen ihn als unseren ersten Wiederholungsbereich nennen, denn er ist in jedem Fall der erste, den wir zu spüren bekommen, und zwar im Leib unserer Mutter.

Über den Einfluss der Mutter, ihrer Konstitution und ihres Befindens, auf das ungeborene Kind sind zahlreiche Studien veröffentlicht worden. Unter dem Stichwort „fetale Programmierung“ wurde beispielsweise die Auswirkung von Stress auf die Entwicklung des Fötus untersucht. Darum soll es hier allerdings nicht gehen. Ausgangspunkt für uns ist lediglich die Tatsache, dass die Wiederholung bereits vor unserer Geburt zu unserem Lebensprinzip wird. Der Herzschlag der Mutter, ob nun regelmäßig oder unregelmäßig, ob schneller unter Stress oder gleichmäßig bei Entspannung, ist vermutlich die erste Wiederholung, die wir mitbekommen. Und zwar einerseits durch das Erleben des Herzschlags der Mutter und andererseits durch unseren eigenen Herzschlag, der uns freilich noch nicht in dem Sinne bewusst wird, wie wir ihn später, postnatal, erleben. In jedem Fall prägt die Wiederholung noch vor unserer Geburt unser Leben. Und zwar so sehr, dass es manchmal gar zu einer Synchronisation kommen kann, wie eine Studie der Universität Witten/Herdecke aus dem Jahr 2003 unter der titelgebenden Frage „Is there evidence of fetal-maternal heart rate synchronization?“ nahelegt. Die Forscher, darunter auch der deutsche Mediziner Dietrich H. W. Grönemeyer, kamen damals zu folgender Konklusion: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir auf der Grundlage der hier analysierten Daten nicht bedingungslos auf eine Synchronisation der fötalen und mütterlichen Herzfrequenz schließen können. Es gibt jedoch Grund, eine solche Interaktion unter günstigen Bedingungen auf der Grundlage anderer Arbeiten zu erwarten.“1

Dem Herzschlag als physischem Wiederholungsprinzip folgen zahlreiche weitere. Wir wollen hier einige wenige Beispiele anführen, ohne auch nur im Ansatz den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Es geht uns lediglich darum, zu zeigen, wie sehr die Wiederholung unser Leben in seinen unterschiedlichsten Phasen und Bereichen prägt.

Der Schlaf etwa ist ein weiteres für unser Leben entscheidendes Wiederholungsprinzip. So wie es immer wieder hell und dunkel wird und Tag und Nacht einander abwechseln, so sind wir wach oder schlafen. Schlafen wir nicht oder zu wenig oder ist unser Schlaf nicht gut, dann bekommen wir erhebliche Probleme. Unser Schlaf ist, wenn er gesund ist, gekennzeichnet durch die kontinuierliche Abfolge von Zyklen, die sich nur minimal verändern. 2017 erhielten Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young den Nobelpreis in Medizin und Physiologie für ihre Forschungen über die innere Körperuhr – oder, wie es das Nobelpreis-Komitee formuliert: „Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young haben in das Innere unserer biologischen Uhr gespäht und deren Funktionsweise ausgeleuchtet. Ihre Entdeckungen erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen sich an biologische Rhythmen anpassen und so synchron zur Erdrotation leben.“2 Die Ergebnisse der US-Wissenschaftler stützten sich unter anderem auf die Erkenntnis, dass wir Menschen einen „zirkadianen“ Rhythmus haben. Dieser Begriff stammt aus dem Lateinischen und kann mit „ungefähr ein Tag“ übersetzt werden. Die Chronobiologie, also die Wissenschaft, die sich mit der zeitlichen Dimension von physiologischen Prozessen in Organismen befasst, hat Erstaunliches darüber herausgefunden. Forscher wie Gregor Eichele und sein Team vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen konnten den engen Zusammenhang zwischen unserer inneren Körperuhr und unserem Schlaf nachweisen, ein Phänomen, das wir alle schon erlebt haben. Vor allem immer dann, wenn wieder einmal die Uhr von der Winter- auf die Sommerzeit und umgekehrt von der Sommer- auf die Winterzeit umgestellt worden ist. Eichele beschreibt das Phänomen wie folgt: „Durch die Umstellung wird man gezwungen, das Aufwachen um eine Stunde vor oder nach hinten zu verschieben. Deshalb gerät die Harmonie zwischen dem Äußeren und der inneren Uhr durcheinander.“3 Ebenfalls bekannt ist das Phänomen des Jetlags, das wir bei Flugreisen in weiter entfernte Länder erleben. Wir sind müde, haben Kopfschmerzen, fühlen uns gestresst und schlapp: Symptome, die nicht nur mit der Reise an sich, sondern mit der Diskrepanz von äußerer und innerer Uhr zu tun haben. Wir sind, wie man so schön sagt, aus dem Rhythmus geraten.

Im Rhythmus zu bleiben, im eigenen Rhythmus zu bleiben, ist deshalb eine Grundvoraussetzung für gesunden Schlaf und ein entsprechendes Energielevel am Tag. Der Schlafexperte Chris Surel beschreibt das in seinem Buch Die Tiefschlaf-Formel wie folgt: „Dieser Tag-Nacht-Zyklus ist entscheidend für unser gesamtes Befinden und für unser Energielevel … Wir müssen im Rhythmus bleiben. Wie bei einer echten Uhr: … Eine Uhr muss gleichmäßig gehen, und unsere innere Körperuhr macht da keine Ausnahme. Nur dass der Rhythmus ein ganz spezieller ist, der sogenannte zirkadiane Rhythmus.“

Dieser Rhythmus, insofern er nicht gestört ist und man dadurch „aus dem Takt gerät“, basiert darauf, dass sich bestimmte Dinge regelmäßig wiederholen, jeden Morgen und jeden Abend. Dazu gehören – ganz elementar – Einschlafen und Aufwachen. Das mag in manchen Ohren ziemlich banal klingen. Doch vermutlich weiß jede und jeder, dass das in unserer hektischen Welt voller Termine und Ereignisse gar nicht so banal oder simpel ist, wie es sich anhört. Hier noch ein Abendessen, das ein wenig länger dauerte, dort ein zusätzlicher Termin, der dringend früh am Morgen, vor der üblichen Aufstehzeit reingequetscht werden musste. Oder das Buch, das doch eigentlich fast ausgelesen ist, wenige Seiten nur noch – ups, schon so spät? Wir kennen Dutzende und Aberdutzende Gründe, die dafür sorgen, dass wir später zu Bett gehen oder früher aufstehen. Und dabei ist vom Einschlafen und Aufwachen noch gar nicht Rede.

Dass wir wach liegen bleiben oder nachts immer wieder aufschrecken, kommt ebenfalls vor, und auch dafür gibt es verschiedene Gründe, deren häufigster der Stress ist. Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München konstatiert kurz und knapp: „Stress und Anspannung führen oft zu Schlafproblemen.“4 Und Schlafcoach Chris Surel schreibt in dem schon erwähnten SPIEGEL-Bestseller Die Tiefschlaf-Formel: „Die Stress-Rest-Elastizität ist entscheidend, um überhaupt einschlafen zu können und vor allem in den Tiefschlaf zu kommen. Denn selbst wenn wir sehr müde sind und einschlafen, die Gedanken aber noch immer rasen, steht unser autonomes Nervensystem auf dem Gaspedal und nicht auf der Bremse. Viele Menschen denken, wir müssten unser gesamtes Leben ändern und insgesamt weniger Stress haben. Aber darum geht es nicht. Sondern darum, das hohe Stresslevel immer wieder und innerhalb kürzester Zeit (Stichwort kurzer Bremsweg) zu unterbrechen.“