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Mina hat sich durchgebissen - von den ersten wackeligen Versuchen in der Modewelt bis zur eigenen Kollektion. Mit der Unterstützung ihrer Mentorin Nana stürzt sie sich in Skizzen, Stile und glamouröse Shows, während sie ihre Identität hinter einem Pseudonym verbirgt. Doch als plötzlich Luan, ihre große Liebe von früher, wieder in ihr Leben tritt gerät Minas geordnete Welt ins wanken. Jahre zuvor hat er sie enttäuscht; nun behauptet er, sich verändert zu haben. Zwischen beruflichen Erfolg, aufkeimenden Gefühlen und den Schatten der Vergangenheit muss Mina eine Entscheidung treffen: Gibt es noch einen Platz für Luan in ihrem Leben - oder zerstört sie damit alles, wofür sie so hart gekämpft hat?
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2025
Emilia deLuca
Die zweite Chance trägt deinen Namen
Mina hat sich durchgebissen – von den ersten wackeligen Versuchen in der Modewelt bis zur eigenen Kollektion. Mit Unterstützung ihrer Mentorin Nana stürzt sie sich in Skizzen, Stile und glamouröse Shows, während sie ihre Identität hinter einem Pseudonym verbirgt. Doch als plötzlich Luan, ihre große Liebe von früher, wieder in ihr Leben tritt, gerät Minas geordnete Welt ins Wanken. Jahre zuvor hat er sie enttäuscht; nun behauptet er, sich verändert zu haben. Zwischen beruflichem Erfolg, aufkeimenden Gefühlen und den Schatten der Vergangenheit muss Mina eine Entscheidung treffen: Gibt es noch einen Platz für Luan in ihrem Leben – oder zerstört sie damit alles, wofür sie so hart gekämpft hat?
Emilia deLuca
Die zweite Chance trägt deinen Namen
Welt in Gefahr
Die Legende der 4
Roman
tredition
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.deabrufbar.
© 2025 Emilia deLuca, Website: https://emiliadeluca.de
Lektorat von: Annette Anirathak
Coverdesign von: Canva, https://canva.com
Covergrafik von: Canva
Verlagslabel:
Emilia deLuca, https://emiliadeluca.de
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected] Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH,
Heinz-Beusen-Stieg 5
22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter:
Emilia deLuca
c/o WirFinden.Es,
Naß und Hellie GbR
Kirchgasse 19
65817 Eppstein, Deutschland.
Softcover ISBN: 978-3-384-61978-5
E-Book ISBN: 978-3-384-61979-2
Ich bin angekommen, in meinem Traum und bei dir.
Mina
Auf einmal war er wieder da. Luan.
So plötzlich, wie er damals verschwunden war, tauchte er jetzt wieder auf.
Jahre waren vergangen, seit er von einem Tag auf den anderen die Stadt verlassen hatte, ohne ein Wort des Abschieds, ohne eine Erklärung. Keiner wusste, wo er jetzt wohnte und warum er gegangen war oder wie es ihm erging. Als man ihn schließlich fand, wurde deutlich, dass er großen Problemen gegenüberstand, aber er wollte sich nicht helfen lassen. Seine Schwester Enya hatte gemeinsame Freunde gebeten, nach ihm zu suchen, und mir in einer Textnachricht davon berichtet. Enya hatte gehofft, ihm dadurch helfen zu können, und ich hoffte das auch, obwohl ich wie gelähmt war und selbst untätig. Aber Luan stürzte immer weiter in eine Abwärtsspirale und ich beobachtete das alles aus der Ferne, von München aus, mehr unfreiwillig als gewollt.
Während unserer Beziehung waren wir beide noch sehr jung gewesen. Ich hatte am Anfang meiner Reise in die Modewelt gestanden und mich für ein Praktikum nach München beworben. Für mich war das eine Chance; Luan dagegen sah in meinen Aufbruch eine Bedrohung für unsere Beziehung. Er flehte mich an zu bleiben, während ich bereits mit einem Fuß im Bus saß, der mich aus Berlin fortbringen sollte.
Ich wusste, was ich wollte: Meinen Traum verwirklichen, meinen Platz in der Modebranche finden, selbst wenn das bedeutete, alles hinter mir zu lassen – falls nötig, sogar Luan. Auch wenn es schmerzte.
„Bleib hier“, hatte er an jenen Tag gesagt, „ich brauche dich doch.“
„Ich muss gehen“, hatte ich mit stockender Stimme geantwortet. „Hier kann ich nicht wachsen. Ich habe ein Ziel, Luan.“
Er hatte mich damals lange angesehen, verletzt, wütend und zugleich hilflos. Kurze Zeit später war er verschwunden. Niemand konnte mir sagen, wo er war, nur dass er ganz unten wäre, hörte ich wiederholt. Seine Familie glaubte lange Zeit, ich sei die einzige, die ihn zurückholen könnte. Sie baten mich, mit ihm zu reden, ihm Mut zu machen, doch ich fühlte mich nicht stark genug, einen Menschen zu retten, der nicht gerettet werden wollte.
Kaum in München angekommen, trat Luan in den Hintergrund: Ich tauchte in eine Welt, die mir zwar neu war, in der ich mich aber sofort zu Hause fühlte: Kleine Modelabels, junge Designer, überfüllte Mappen voller Skizzen und ganze Nächte, in denen ich an meiner Nähmaschine saß.
Meine Energie war grenzenlos. Ich lief von einem Vorstellungsgespräch zum nächsten, klapperte unzählige Ateliers ab, zeigte Entwürfe, bat um ein Praktikum – immer in der Hoffnung, endlich eine Zusage zu bekommen. Doch die Konkurrenz war enorm. Alle wollten sie dasselbe: sich in der Modebranche beweisen und ihren Namen bekannt machen.
„Sie haben Talent“, sagte mir einmal eine Designerin, nachdem sie meine Skizzen durchgeblättert hatte, „aber wir sind leider gerade nicht auf der Suche nach Hilfskräften.“
„Vielleicht beim nächsten Mal“, fügte ihre Assistentin halbherzig hinzu, während sie meinen Lebenslauf zur Seite auf einen Ablagestapel legte.
Ich kämpfte und weinte in stillen Momenten. Dabei fragte ich mich, ob ich doch nach Berlin zurückziehen sollte. Doch wie könnte ich das, ohne Erfolg, ohne Job und ohne Perspektive?
Und Luan? Auf der Flucht vor sich selbst?
Während dieser Zeit musste ich immer wieder an Luan denken. Während ich mein wahres Ich zu entfalten versuchte, war er offensichtlich auf der Flucht vor sich selbst – und doch sehnte ich mich nach ihm. Zugleich versuchte ich, diese Gedanken zurückzudrängen, denn ich ahnte: Solange er sich selbst nicht wiederfand, wäre eine erneute Beziehung unmöglich. Egal, wie gut es mir tat, mir das gelegentlich vorzustellen.
Nein, das kam für mich nicht in Frage.
Ich hatte einen Plan, und dieser Plan beinhaltete keinen Rückschritt. Abgesehen davon: Wer so sang- und klanglos verschwand, hatte in meinem Leben keinen Platz mehr. Das war zumindest das, was ich mir abends, alleine in meinem winzigen WG-Zimmer, immer wieder einredete.
Luans Familie hatte irgendwann aufgehört, mich zu kontaktieren. Es kam mir vor, als sei eine Tür für immer zugefallen. Nur seine Schwester Enya meldete sich von Zeit zu Zeit bei mir. Sie erwähnte in Nebensätzen, dass Luan immer wieder nach mir fragte, aber ich wimmelte sie ab. Es tat weh, an ihn zu denken. Er stellte ein Kapitel dar, das ich abgeschlossen hatte – falls so etwas überhaupt möglich war.
Während ich tagsüber vergeblich in den Designstudios vorsprach, arbeitete ich abends in einer Bar, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dort trug ich Tabletts durch schmale Gänge, servierte Drinks an Gäste in Anzügen oder in Sneakers, je nachdem, welches Klientel sich an jenem Abend einfand. Manchmal fragte ich mich, welche Gesellschaft sich morgens oder nachmittags dort einfand, denn tagsüber fungierte der Raum als Café.
Es war eine verhältnismäßig ruhige, nichtssagende Tätigkeit. Eines Tages jedoch sollte diese scheinbar belanglose Nebenbeschäftigung zu einer entscheidenden Wendung in meinem Leben führen.
Es war spät in jener Nacht. Ich war müde und sehnte mich nach meinem Bett, als ich einer Frau und ihren Geschäftspartnern eine Runde Getränke servierte. Auf dem Tisch vor ihr lagen einige Skizzenblätter, die sofort meine Aufmerksamkeit erregten: Sie waren voller kräftiger Farben, origineller Entwürfe und Notizen in einer Handschrift, die ich nicht entziffern konnte. Ich blieb stehen, versunken in den Linien, die sich auftaten. Die Frau hob den Kopf.
„Hallo?“, fragte sie, mit leicht amüsiertem Unterton. „Darf ich fragen, was Sie da machen?“
Ich zuckte erschrocken zusammen.
„Verzeihen Sie“, stammelte ich. „Ich wollte nicht aufdringlich sein, aber… ich bin eine angehende Designerin, habe ein paar Entwürfe und… es ist faszinierend, was Sie da skizziert haben.“
Die Dame lächelte mich an: ein warmes, offenes Lächeln.
„Nana“, stellte sie sich vor und reichte mir ihre Hand.
„Keine Sorge, Sie stören nicht. Ich habe nur bemerkt, wie Sie auf meine Entwürfe gestarrt haben. Aber offensichtlich sind Sie selbst sehr kreativ. Erzählen Sie mir doch ein bisschen mehr von sich.“
Ich zögerte.
„Ich heiße Mina. Ich bin hier eigentlich nur Aushilfe. Seit einem Jahr versuche ich, in der Modewelt Fuß zu fassen… Na ja, bisher erfolglos.“
Sie studierte mich für einen Moment.
„Soso, seit einem Jahr also?“
Dann zeigte sie mit dem Finger auf die Blätter.
„Was würden Sie an diesem Entwurf ändern?“
Mein Herz klopfte wild, doch die Frage weckte meinen Ehrgeiz. Ich trat näher und inspizierte die Linienführung.
„Ich finde, hier könnte man die Silhouette etwas schmaler halten. Die Übergänge sehen zu wuchtig aus, fast maskulin, obwohl es ein sehr feminines Kleid sein soll. Vielleicht würde ich das ein wenig anpassen, die Naht hier verschieben und…“
Ich hielt inne, als ich erkannte, dass sich ein Strahlen auf Nanas Gesicht ausbreitete.
„Interessant“, sagte sie. „Sie haben einen guten Blick. Besser als mancher meiner Design-Assistenten.“ Ich freute mich über ihre Aussage, war aber auch überrascht.
Sie bot mir an, sich nach Schichtende mit ihr zu unterhalten. Ich stimmte sofort zu, stellte die Drinks ab und erledigte meine letzten Aufgaben an diesem Abend.
Als meine Schicht um drei Uhr morgens endete, setzte ich mich zu Nana in eine ruhige Ecke. Sie erzählte mir, dass sie ein eigenes Mode-Label managte und zusätzlich an einer Hochschule Kurse gebe. Sie war Dozentin für Modedesign und Maßschneiderhandwerk.
Ich sprudelte über vor Fragen, erzählte ihr von meinen eigenen Skizzen und meiner unbändigen Leidenschaft für Mode.
„Zeigen Sie mir doch morgen Ihre Entwürfe. Ich bin gespannt“, meinte sie schließlich.
Am nächsten Tag tauchte ich mit meiner Mappe in ihrem Büro auf. Ich war nervös und konnte kaum atmen, als sie durch meine Mappe blätterte.
Ab und zu nickte sie, machte ein zustimmendes Geräusch oder runzelte konzentriert die Stirn. Ich wusste nicht, was das bedeutete – Begeisterung oder Desinteresse?
Als sie endlich den Kopf hob, sah ich in ihre strahlenden Augen.
„Mina, das ist beeindruckend! Sie haben Talent. Und nicht nur das – hier steckt auch jede Menge Fleiß drin. Sie haben ein Händchen für Details, vor allem bei den Kleidern und Mänteln.“
Ich brachte keinen Ton heraus, zumindest für einige Sekunden. Schließlich murmelte ich: „Vielen Dank… Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Ich möchte Ihnen ein Angebot machen“, fuhr Nana fort. „Ein Praktikum, um zu sehen, wie Sie sich im Alltag bewähren. Sie werden hart arbeiten müssen. Sind Sie bereit?“
Mir schossen fast die Tränen in die Augen vor Erleichterung.
„Ich bin bereit! Das ist mein Traum gewesen, solange ich denken kann.“
Die nächsten Monate waren anstrengend. Ich war für alles zuständig, was mir Nana auftrug: Stoffe einkaufen, Knöpfe annähen, an Entwürfen feilen, probenähen und Kunden kontaktieren.
Meine Nächte in der Bar hängte ich für eine Weile an den Nagel, weil ich mich ganz auf meine neue Chance konzentrieren wollte. Die Bezahlung war recht gering, aber Nana nahm mich unter ihre Fittiche und investierte in mich: Auf Firmenkosten konnte ich in einer kleinen Wohnung unterkommen und bald schrieb ich mich in einen Design-Studiengang ein - dank Nana bekam ich ziemlich schnell einen Platz. Nana war nicht nur meine Chefin, sondern auch Dozentin, Mentorin und - wie sich später herausstellte - eine gute Freundin.
Aber es gab auch noch eine andere Seite an mir, die mich mein Leben lang begleitet hatte: das Zeichnen. Seit meiner Kindheit brachte ich Landschaften, Porträts und abstrakte Formen zu Papier. In München wagte ich es zum ersten Mal, meine Bilder auszustellen – wenn auch unter einem Pseudonym. Ich wollte nicht, dass die Öffentlichkeit meine Kunst mit meinen Mode-Entwürfen verknüpfte. Vielleicht lag das an Angst oder Vorsicht, aber ich genoss diese Anonymität.
„Wer steckt hinter diesen Bildern?“, fragten die Galeriebesucher, doch niemand konnte eine Antwort geben und der Galerist, der es wusste, schwieg auf meinen Wunsch hin.
Die Ausstellungen wurden erfolgreicher, eine nach der anderen, was mir finanzielle Polster verschaffte. So hatte ich irgendwann genug Geld, um mich in Ruhe auf mein Studium zu konzentrieren, ohne Angst haben zu müssen, jeden Cent zweimal umdrehen zu müssen.
Nana war begeistert davon, dass ich meine künstlerische Ader auslebte, gleichzeitig aber meine Identität im Dunkeln ließ.
„Das macht dich geheimnisvoll“, meinte sie schmunzelnd. „Und Geheimnisse sind in unserer Branche manchmal Gold wert.“
Nach meinem erfolgreichen Abschluss bot Nana mir eine Position als ihre rechte Hand an. Ihr Label, das das Hauptbüro in München unterhielt, sollte eine Zweigstelle in Berlin eröffnen, und ich würde dabei eine große Rolle spielen.
„Wenn du möchtest, könntest du dort leben und arbeiten. Wir stellen dir ein Atelier und eine Wohnung, damit du dich ganz auf deine Entwürfe konzentrieren kannst. Du hast es dir verdient, Mina.“
Der Gedanke, nach Berlin zurückzukehren, löste ein unerwartetes Ziehen in meiner Magengegend aus. Ich hatte mit dem Kapitel Luan und Berlin abgeschlossen, aber der Gedanke an eine Rückkehr machte mir Angst.
„Warum?“, fragte eine Stimme in meinem Kopf immer und immer wieder, aber ich ließ mich nicht ins Bockshorn jagen.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, verschwand die Panik nach und nach, und ich begriff: Mittlerweile war ich nicht mehr dieselbe Person. Ich war stärker und unabhängiger geworden. Also nahm ich das Angebot an, packte meine Sachen und kehrte in jene Stadt zurück, aus der ich vor Jahren geflohen war, um meinen Traum zu verfolgen.
Die Wohnung mit integriertem Atelier, die Nana mir vermittelte, war klein, aber perfekt für mich. Die hohen Fenster ließen viel Licht herein und ich konnte stundenlang an meinen Skizzen sitzen, ohne gestört zu werden.
Inzwischen hatte ich auch genügend Selbstbewusstsein erlangt, um eigene Ideen laut anzusprechen, bei Meetings mit großen Modehäusern zu verhandeln und selbstbewusst aufzutreten. Nana gab mir dabei all die Freiheit, die ich brauchte, um meine eigene Modelinie zu kreieren.
„Wir nennen sie Mina by Nana“, schlug sie vor, doch ich lehnte entschieden ab.
„Nein, ich möchte eigenständig sein. Lass uns einen neutralen Namen finden, okay?“ Ich war erschrocken, wie selbstbewusst dieser Satz aus meinem Mund gekommen war - war ich zu weit gegangen?
Nana lächelte, sie verstand anscheinend, worum es mir ging. „Natürlich. Deine eigene Handschrift muss erkennbar bleiben.“
Ich war erleichtert. Sie war mir nicht böse; sie wollte mich nur unterstützen und wünschte das Beste für mich.
Und so stand ich schließlich da, in Berlin, nur wenige Jahre, nachdem ich Münchens Straßen nach einer Chance abgesucht hatte: fertig ausgebildet, mit einer eigenen Kollektion in Arbeit und einer kleinen, aber loyalen Fangemeinde, die auf meine nächsten Designs wartete.
Ich durfte bei jedem Meeting, an dem Nana teilnahm, meinen Senf dazugeben und manchmal fragte sie mich sogar als Erste. „Was denkst du, Mina?“
Aber obwohl mich meine Arbeit erfüllte, spürte ich manchmal dasselbe leichte Ziehen in der Magengegend, das mich bei Nanas Umzugsangebot heimgesucht hatte, wenn ich durch Berlins Straßen lief. Erinnerungen an Luan, wie wir zu zweit an der Spree entlang bummelten und Pläne schmiedeten, kehrten zurück.
Ich hatte viel erreicht, war glücklich mit dem, was ich tat. Doch ein Teil von mir fragte sich, was geworden wäre, hätte er damals nicht den Weg des Verschwindens gewählt.
Seit einiger Zeit hatte mich niemand aus seiner Familie mehr kontaktiert, nicht einmal seine Schwester Enya. Vielleicht war es besser so. Ich hatte mich entschlossen, mein Leben nach meinen Vorstellungen zu leben – ohne Luans Schatten. Oder zumindest ohne einen Teil von ihm, der mich immer wieder in Zweifel stürzte.
Doch das Schicksal hatte scheinbar andere Pläne. Denn eines Tages, mitten in diesem idyllischen Chaos meines Designerlebens, als ich glaubte, meine Vergangenheit abschütteln zu können, war er plötzlich wieder da. Ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung: Luan.
So schnell, wie er einst aus meinem Leben verschwunden war, war er nun zurückgekehrt. Und ich, die dachte, all das läge hinter mir, merkte plötzlich, wie mein Herz raste, wie alte Wunden, Gefühle und Sehnsucht sich in mir regten und wie eine leise Stimme in mir sagte: „Vielleicht ist es noch nicht vorbei.“
Dass er zurück in mein Leben treten würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Und es jagte mir Angst ein. Ich hatte schließlich alles erreicht - meine Kollektion nahm Form an, meine Kunst verkaufte sich, ich hatte eine Wohnung, ein Atelier und eine neue Sicherheit in mir, die mich früher nie begleitet hatte. Doch nun drohte alles zu wanken, als ich diesen Namen wieder hörte, der mit einer großen Lebenskrise verbunden und nicht grundlos so lange nicht ausgesprochen worden war: Luan.
Würden wir einander erneut begegnen? Wie würde ich reagieren, wenn er vor mir stünde? Würde ich ihn wegschicken, so wie er es eigentlich verdient hätte, oder gab es noch etwas, das wir zu klären hatten? Eines war jedenfalls klar: Mein Leben hatte gerade erst richtig angefangen. Und egal, was er beabsichtigte – ich würde mir meine Träume nicht nehmen lassen.
Die folgenden Tage verstrichen wie im Flug. Mein Alltag war randvoll mit dem Entwerfen von neuen Skizzen und dem Organisieren verschiedener Besprechungen.
Ich ließ mich völlig in die Arbeit fallen, so als wollte ich mich selbst daran hindern, zu viel über die Vergangenheit nachzudenken. Doch in ruhigen Momenten, spät am Abend, wenn ich alleine in meinem Atelier saß oder kurz bevor ich die Augen schloss, kehrte der Gedanke an ihn zurück. Luan. Ich hatte weder seine Stimme gehört noch ihn gesehen; trotzdem wusste ich, dass er irgendwo hier in Berlin sein musste. Und so sehr ich mir einredete, dass es mich nicht mehr berührte – es berührte mich.
Eines Nachmittags, während ich an einem neuen Kleidungsstück arbeitete – einem Oversized-Mantel mit raffinierten Nähten im Rückenbereich –, klingelte mein Smartphone. Ich seufzte, legte den Stoff vorsichtig beiseite und suchte mein Handy, das irgendwo zwischen meinen Werkzeugen und Stoffresten verschwunden war. Schließlich fand ich es neben einer Schere und einem Bleistift. Auf dem Display sah ich einen Namen, der mich kurz erstarren ließ: Enya.
Mit Luans Schwester hatte ich seit meiner Rückkehr nach Berlin keinen Kontakt mehr gehabt. Früher, kurz nachdem er verschwunden war, hatten wir immer wieder Nachrichten ausgetauscht. Sie hatte wissen wollen, ob ich Neuigkeiten von ihm hatte – eine vergebliche Hoffnung. Als ich endgültig nach München gezogen war, war der Kontakt fast vollständig abgebrochen. Dass sie jetzt anrief, konnte nur eines bedeuten: Sie hatte Neuigkeiten, und zwar von Luan.
Ich schluckte schwer, dann tippte ich auf das grüne Hörersymbol.
„Hallo?“
„Mina! Oh Mann, du gehst tatsächlich ran“, kam ihre schnelle, atemlose Antwort. Ich hörte ihr erleichtertes Aufatmen und spürte ein leichtes Stechen in der Brust. Was wollte sie von mir? Wollte sie mich überreden, Luan zu sehen? Oder war sie schlicht neugierig, weil sie gar nicht wusste, dass er wieder im Lande war?
„Ja, ich… bin gerade im Atelier“, sagte ich zögerlich. „Was gibt´s?“
„Ich weiß, es ist ewig her und vielleicht ist es dir unangenehm, dass ich anrufe. Aber ich musste es tun, weil…“ Sie zögerte kurz. „Weil er wieder da ist.“
Obwohl ich es längst wusste, versetzte mir ihre Bestätigung einen Stich.
„Das habe ich gehört.“
„Von wem?“ Ihre Stimme klang alarmiert.
„Ach, das spielt keine Rolle. Die Gerüchteküche ist überall, Enya, du weißt, wie das läuft.“
Enya seufzte laut. „Stimmt. Ich rufe jedenfalls an, weil ich finde, dass ihr beide miteinander reden solltet. Es hat sich einiges getan, seit du weggegangen bist, und Luan ist nicht mehr der… der Typ, der er damals war. Er hat diesen Absturz hinter sich. Er hat sich aufgerappelt und nimmt dieses Drogenzeug nicht mehr. Auch diese Leute hat er hinter sich gelassen.“ Enya pausierte kurz und holte hörbar Atem, bevor sie fortfuhr: „Ich will dir wirklich nicht zu nahetreten, Mina... Aber ich wäre froh, wenn du ihm eine Chance geben würdest, mit dir zu sprechen. Er kann dir alles erklären und es wäre auch in seinem Sinne. Er hat es nicht gesagt, aber ich bin sicher, dass er sich danach sehnt, sich mit dir auszutauschen. Und wenn du es nur tust, um die alten Wunden zu schließen.“