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"Ein heftiger Ruck durchfährt mich, ich rutsche einige Zentimeter nach vorne. Der LKW ist wieder angefahren. Nun beginnt also die letzte Fahrt. Plötzlich kann ich mich nicht mehr halten. Ich rutsche mit vielen meiner Kollegen in eine Richtung – nach unten … Der LKW kippt die Ladung aus und wir landen in kleinen Häufchen auf der Erde." So könnte es klingen, wenn Kieselsteine reden könnten und von ihren Abenteuern berichten … Nicole Wunram hat sich in die Dinge hineingedacht und erzählt Alltagsbeobachtungen aus dieser ungewöhnlichen Perspektive. Die junge Künstlerin Alia Kowalewicz setzt die Dinge ins Bild.
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Seitenzahl: 118
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Impressum
Einleitung
Der Frühling
Das Erwachen
Das Vogelgezwitscher am Morgen
Die Gießkanne
Der kleine Kiesel
Das Abenteuer
Einsam oder zweisam
Die besondere Wand
Der mehrfarbige Stift
Der Handfeger
Was bin ich?
Der Kreativworkshop am Montag
Von der Filmdose zum Helden
Der Sommer
Der grüne Sonnenschirm
Die Zugluft
Der verlorene Schlüssel
Ich kenne sie alle!
Das Bier im Harz
Die Ampel
Krankheit oder Lebensabschnitt
Das Smartphone
Die Zuckerwürfel
Die Nudel
Das war schon immer so
Die Stadtromantik
Die Postkarte
Der Herbst
Das kleine Blatt
Die Regenrinne
Der Regentropfen
Der Schlafplatz
Der freie Tag
Das Schmuckstück
Der Kühlschrank
Das Kaugummi unter dem Tisch
Die Tücher
Der alberne Wind
Der Männerabend
Die Warteschleife
Der Winter
Das Feuerzeug
Die besondere Mütze
Das Vogelhaus
Die Frühstückstüte
Die Kerze
Die Schneeflocke
Die morgendliche Begegnung
Der Sonnenaufgang
Die Weihnachtskarte
Tage gibt’s …
Das Geschenk
Die Kerze und das Zündholz
Der Laptop
Schlusswort
Die Autorin
Die Illustratorin
Impressum
www.verlag-monikafuchs.de
www.edition-wundergruen.de
www.nicole-wunram.de
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.dnb.de abrufbar.
auch als Print unter der ISBN 978-3-947066-91-9 erhältlich
1. Auflage 2020
Text: © Nicole Wunram | Hannover
Illustrationen: © Alia Kowalewicz
Edition Wundergrün im Verlag Monika Fuchs | Hildesheim
eBook-Erstellung: Die Bücherfüxin | Hildesheim | www.buecherfuexin.de
Alle Teile dieses Buches sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfätigungen, Abdrucke, Bearbeitungen, Verfilmungen etc. sind nur mit Erlaubnis der Rechteinhaber gestattet. Anfragen richten Sie bitte an den Verlag, wir leiten diese weiter.
Einleitung
Die Idee, ein paar Dinge und Gegenstände
aus einer anderen Sichtweise zu sehen, kam mir im Alltag. Ich fand es spannend, mich in Situationen oder Gegenstände zu versetzen.
Es hat mir viel Spaß gemacht, eine andere Betrachtungsweise auszuprobieren oder einfach nur Erlebtes zu erzählen.
Meine kurzen Geschichten habe nach denvier Jahreszeiten gegliedert.
Danke an Alia für die tollen Zeichnungen.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Nicole Wunram
Der Frühling
Eine schöne Jahreszeit.
Alles wird erneut zum Leben erweckt,
in der Natur keimen die ersten Pflanzen
und auch die Menschen fangen wieder an,
sich wahrzunehmen.
Das Erwachen
Es sieht aus, als ob die Natur neu erwacht, nach ihrem Winterschlaf. Die ersten Tage, in denen die Sonne scheint, fühlen sich schon fast wie Sommer an. Die Sonne hat durchaus schon Kraft und lädt zu einem langen Spaziergang ein.
Die ersten Insekten sind zu sehen und Schmetterlinge erfreuen sich in der frischen Luft. Am Ohr summt die erste Mücke und wie ein Hubschrauber dreht die Hummel ihre ersten Runden.
Der Rasen fängt an zu wachsen und die ersten Gänseblümchen zeigen sich von ihrer schönsten Seite. An den kahlen Bäumen beginnen die ersten Blätter zu wachsen. Kennt ihr das Geräusch, wenn es leise ploppt und die noch verklebten Blätter aufgehen? Das sind die leisen Geräusche des Frühlings.
Es ist jedes Jahr wie ein Neuanfang, eigentlich sollte das Jahr mit dem Frühling beginnen. Der erste Morgen, wenn man aus dem Haus geht und es nach Frühling duftet. Die Vögel zwitschern um die Wette. Der Start in den Tag fällt einem gleich viel leichter mit den ersten Sonnenstrahlen.
Beschwingt und vielleicht sogar mit einem Lächeln auf den Lippen gehen viele Menschen ihren Weg. Die Gedanken sind positiv gestimmt und die Lust auf Bewegung im Freien nimmt zu. Vielleicht schmeckt auch schon das erste Eis!
Diejenigen, die einen Garten haben, fangen an, ihn von den Herbstblättern zu befreien, die Hecke zu schneiden, Blumen und Gemüse zu pflanzen. Der Rasen möchte vertikutiert und gemäht werden. Die Arbeit im Freien lässt auch den Körper aus dem Winter erwachen, die Bewegung weckt die Muskeln.
An den ersten warmen Tagen wird der Grill aus dem Schuppen geholt und die erste Bratwurst braucht nicht lange, bis sie schmeckt.
In die Sonne setzen, die Augen schließen und einfach nur genießen machen die wenigsten. Gerade die ersten Tage im Frühjahr sind so besonders. Dann, wenn alles erweckt wird, die Natur neu entsteht und in ihrer ganzen Schönheit erwacht.
Das Vogelgezwitscher am Morgen
Manchmal werde ich morgens wach, bevor der Wecker klingelt. Dann genieße ich die mir verbleibende Zeit im Bett und höre den Vögeln zu.
»Hast du den Sonnenaufgang heute Morgen gesehen, der war noch viel schöner als gestern!«, erzählt die Meise.
»Nein, ich bin mit so einem großen Hunger aufgewacht, dass ich gleich nach dem Aufstehen in die Wiese geflogen bin und mir Würmer gezogen habe«, sagt der Spatz.
»Da hast du wirklich was verpasst. Vielleicht solltest du heute Abend noch einen Wurm verspeisen, damit du satt zu Bett gehst.«
»Ja, gute Idee. Was machst du heute?«
»Ich wollte mal zum Flughafen fliegen, da wohnen Freunde von mir. Magst du mitkommen?«
»Oh nein, da ist es immer so laut. Ich fliege lieber zu der Gartenkolonie im Süden. Da blühen die Blumen überall so schön und es duftet so gut.«
»Das ist auch eine Idee! Meine Freunde könnte ich auch noch morgen besuchen. Ich komme mit.«
»Morgen soll es regnen!«
»Das ist nicht schlimm, ich fliege bei jedem Wetter.«
»Oh schau mal, da kommt Rita. Hallo Rita!«
»Hallo ihr zwei, wie schön, euch zu sehen. Habt ihr schon gehört, dass gestern Anjas Baby geschlüpft ist?«, fragte Rita.
»Oh klasse, da werden sich die Menschen, die das Vogelhaus aufgestellt haben, bestimmt freuen!«, sagte die Meise.
»Ja, das denke ich auch, die haben sogar eine Kamera eingebaut.«
»Wollt ihr dieses Jahr auch Nachwuchs oder genießt ihr immer noch euer Singleleben?«, wollte Rita neugierig wissen.
»Es ist ja noch eine Weile Zeit, ich habe vorgestern so einen Typen kennengelernt. Hm, mit dem könnte ich mir das schon vorstellen.«
»Das hast du ja noch gar nicht erzählt! Wie sieht er aus? Wo wohnt er?«
»Ben ist groß und schlank, sein Gefieder glänzt in der Sonne und seine Augen blitzen frech, wenn er mich anschaut. Er wohnt nur drei Straßen weiter und ist erst vor Kurzem aus dem Süden angekommen.«
»Vielleicht können wir am Wochenende etwas zusammen unternehmen? Dann kannst du ihn ja mitbringen!«, schlug Rita vor.
»Klasse Idee! In der Stadt ist am Samstag ein Konzert im Stadtpark. Da können wir uns auf der Eiche am Ende des Hauptweges treffen. Von dort haben wir eine ganz gute Sicht!
RRRRRIIIIINNNNNNGGGGGG!!!!!
RRRRRIIIIINNNNNNGGGGGG!!!!!
Ich zucke zusammen, mein Wecker erinnert mich daran, wie spät es ist und dass ich aufstehen muss. Gerne hätte ich den drei Vögeln noch weiter zugehört.
Vielleicht unterhalten sie sich am Sonntag wieder vor meinem Fenster und ich kann hören, wie sie sich über das Treffen im Stadtpark unterhalten.
Die Gießkanne
Mich gibt es in verschiedenen Ausführungen. Du kannst mich kaufen aus Plastik, Keramik oder Metall, ich komme daher in verschiedenen Größen und Ausführungen. Klassisch bestehe ich aus einem Gefäß, einem Griff und einem Ausgießer, manchmal auch mit einem Brausekopf daran.
Je nach Größe kannst du mich für Zimmer- oder Balkonpflanzen einsetzen oder deinen ganzen Garten mit mir gießen. Es gibt mich aber auch in ganz klein für Kinder, die gerne auf dem Spielplatz spielen und den Sand benässen, um ihren »Kuchen« damit zu backen.
Im Sommer komme ich meinen Aufgaben viel öfter nach. Ich genieße es, wenn ich mit frischem kaltem Wasser gefüllt werde. Dann fühle ich mich ganz schwer. Manchmal darf ein bisschen in der Sonne stehen, damit sich das Wasser ein wenig aufwärmt.
Wenn ich dann meiner Aufgabe nachkommen darf, der Mensch mich vorsichtig anhebt und zu der Pflanze trägt, dann bin ich ganz aufgeregt. Nun werde ich ein wenig gekippt, so dass das Wasser aus mir herausläuft, immer schön langsam auf die Erde.
Über einen längeren Zeitraum kann ich so beobachten, wie aus dem in die Erde gedrückten Samen ein kleiner Keimling wird. Alle paar Tage darf ich das zarte Pflänzchen gießen und bin entzückt, wie es wächst. Schnell kommen die ersten Blätter zum Vorschein und es dauert nicht lange, da sehe ich eine kleine Knospe und beim nächsten Gießen sogar schon zwei!
Ich freue mich jeden Tag aufs neue, die Entwicklung zu beobachten. Als die ersten Blüten aufgehen, sehe ich die schöne rote Farbe der Blütenblätter. Wie stolz sie sich zur Sonne hin recken, als wollten sie ihre ganze Schönheit zur Schau stellen.
Ohne Wasser und die Wärme der Sonne wäre die Pflanze nicht so schön geworden und ich bin froh, meinen Teil dazu beigetragen zu haben. Manchmal, wenn ich mein Wasser noch in der Sonne wärme, kommen auch kleine Vögel zu mir geflogen und landen auf meinem Rand, um von dem frischen Wasser zu trinken. Leider kommen auch die kleinen Ameisen und krabbeln an mir hoch und in mich rein, wenn ich gerade ohne Wasser im Garten stehe. Das kitzelt immer sehr und ich hoffe dann, dass jemand kommt und Wasser einfüllt.
Den Herbst mag ich nicht so gerne, zum einen darf ich dann nicht mehr so viele Pflanzen gießen und zum anderen landen viele Blätter in der Wasserpfütze, die oft in mir stehen bleibt. Wenn dann der Wind kommt, um mich umzupusten, dann habe ich immer Angst, irgendwo gegen zu fliegen.
Im Winter stehe ich meistens im Gartenhaus und darf mich bis zum Frühjahr ausruhen. Ein Jahr hat man vergessen, mich ins Häuschen zu stellen. Den Herbst habe ich soweit ganz gut überstanden, leider hat es viel geregnet, so dass das Wasser bis zum Rand stand.
Gut, so kann der Wind mir nicht so viel anhaben. Ich habe mich schon damit abgefunden, hier auf den Frühling zu warten. Dann wird mein Wasser immer schwerer. Es gefriert Tag für Tag mehr und bald habe ich einen großen Eisklotz in mir. Das ist gar nicht schön! Ich habe Angst, dass ich das schwere Eis nicht halten kann und ich auseinanderbreche.
Ich fühle mich einsam und vergessen, denke viel an die Sonne und die schönen Pflanzen und, als ob meine Gedanken etwas genützt haben, kommen die ersten wärmeren Tage und das Eis schmilzt. Es dauert mehrere Tage, bis es wieder zu Wasser wird. Nun ist der Frühling nah und ich darf mich auf eine neue Saison freuen!
Der kleine Kiesel
Ich bin zusammen auf einem LKW mit vielen, vielen anderen kleinen Kieselsteinen. Wir fahren durch das Land und haben viel Spaß miteinander. Auf der Strecke werden wir immer wieder durcheinandergeschüttelt und ich lerne so nacheinander viele andere kennen.
Dann bleibt der LKW plötzlich stehen. Das ist nach der Fahrt ein komisches Gefühl. Plötzlich ist es so still. Einige von uns, die ganz Vorwitzigen, meinen, noch einmal tiefer rutschen zu müssen, und als alle Kiesel sich nicht mehr bewegen, wird es fast schon unheimlich.
Nach der ersten Stille unterhalten wir uns wieder. Jeder hat eine andere Idee, was wohl mit uns passieren wird. Ich höre zu und bin sehr gespannt, wo wir landen, wenn der LKW uns entlässt. Erst einmal passiert nichts, lange nichts. Ich beschließe, da es um mich herum auch immer leiser wird, erst einmal eine Runde zu schlafen.
Ein heftiger Ruck durchfährt mich, ich rutsche einige Zentimeter nach vorne. Der LKW ist wieder angefahren. Nun beginnt also die letzte Fahrt. Plötzlich kann ich mich nicht mehr halten. Ich rutsche mit vielen meiner Kollegen in eine Richtung, nach unten … Der LKW kippt die Ladung aus und wir landen in kleinen Häufchen auf der Erde.
Nachdem wir dort eine Weile liegen und die Sonne uns blendet, kommt ein Mensch und hat ein komisches Werkzeug in der Hand. Es hat einen langen Stiel und mehrere Metallhaken, die uns in eine Richtung verstreichen. So liegen wir nach einiger Zeit nicht mehr in Häufchen, sondern in einer dünnen Schicht nebeneinander verteilt. Dann wird es schon wieder laut. Und AUA! Da kommt ein großes Etwas auf uns zu und quetscht uns zusammen und tiefer in den Untergrund. Die Menschen nennen es Walze. Ich habe das Gefühl, mich nun nie wieder bewegen zu können, so eng liege ich mit den anderen am Boden
.
Als die Walze weg ist, wird es langsam dunkel. Was für ein aufregender Tag. Ich denke darüber nach, was ich wohl hier auf dem Weg alles erleben kann.
Als ich noch so in Gedanken bin, fühle ich etwas Warmes. Und kaum nehme ich es wahr, ist es auch schon wieder weg. Als ich aufschaue, kann ich es im Schein einer Taschenlampe noch sehen, es ist ein kleiner Hund, der mit seinen Pfoten auf mich getreten ist.
Mehr passiert in dieser Nacht nicht und ich kann in Ruhe schlafen und träumen. In der Früh kitzeln mich die ersten Sonnenstrahlen wach und ich freue mich auf meinen ersten Tag als Teil des Weges. Es ist noch ein wenig feucht in der Luft und die Sonne gibt sich alle Mühe, diese Feuchtigkeit verschwinden zu lassen.
Dann wieder ein neues Geräusch: tipp, tapp, tipp, tapp. Ein Fußgänger geht den Weg entlang und freut sich über den neuen Belag auf dem Weg. Kurz darauf kommt ein weiterer Fußgänger, allerdings etwas schneller und mit komischen Stöcken in den Händen. Hoffentlich trifft er mich damit nicht! Puh, Glück gehabt!
Nach einer Weile fühle ich etwas Schweres über mir, aber es ist schnell vorbei. Ich schaue hoch und erkenne einen Radfahrer. Es ist ganz schön viel los, so früh am Morgen. Die nächsten Radfahrer und Fußgänger lassen nicht lange auf sich warten.
Wenn das so weiter geht, bleibt der Weg nicht lange so fest, wie ihn die Walze gestern gemacht hat. Ich spüre schon, dass die anderen Kiesel nicht mehr so eng an mir liegen. Die ersten Jogger sind auch unterwegs und die Mütter mit ihren Kinderwagen und Kindern führt es auch über diesen Weg.
Das geht den ganzen Tag so weiter. In beide Richtungen sind zahlreiche Menschen mit allerlei Gefährt oder zu Fuß unterwegs, die Radfahrer mit und ohne Anhänger, die Rutscheautos der Kinder und natürlich die Menschen mit den Hunden.
Nach einigen Tagen erkenne ich einige, die den Weg regelmäßig nutzen. Ich habe ein schönes Leben hier als Kiesel. So kann ich jeden Tag aufs Neue sehen, wie die Menschen Freude an dem Weg haben und ihn nutzen, um zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Kindergarten oder zur Schule zu kommen.
Meine größte Sorge ist, dass einer der Hunde mal ein Häufchen auf mir macht. Dann kann ich nichts mehr sehen und das wohl für längere Zeit. Aber ich habe mehr Glück als meine Kollegen.