Digital vernetzt. Transformation der Wertschöpfung. -  - E-Book

Digital vernetzt. Transformation der Wertschöpfung. E-Book

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Beschreibung

Digitale Transformation der Wertschöpfung im 21. Jahrhundert - Bestandsaufnahme und Ausblick

Moderne Produkte und Dienstleistungen entstehen in Wertschöpfungsprozessen vom Kundenwunsch bis zur Betreuung in der Nutzungsphase beziehungsweise bis zur Wiederverwendung. Diese Wertschöpfung findet zunehmend digital vernetzt statt, kein Schritt passiert ohne den Austausch von Daten auf unterschiedlichen Ebenen. Das Buch zeigt die Treiber, den Status Quo und die Perspektive dieser revolutionsartigen Entwicklung auf. Es gibt Einblicke in Erfolgsmodelle, wie sie schon heute in bestimmten Branchen existieren.

- Erfahren Sie, was Industrie 4.0 und Internet der Dinge heute darstellt und wie die Zukunft aussehen könnte.

- Bekommen Sie einen Einblick in die digital vernetzten Wertschöpfungsnetzwerke und digitalen Geschäftsmodellen von realen Unternehmen.

- Erhalten Sie ein umfassendes Verständnis, was Schlüsselbegriffe wie cyberphysikalisches System, Big Data, Social Media oder Predictive Analytics bedeuten.

Das Autorenteam aus über 40 Fachexperten aus Industrie und Forschung sorgt in diesem Buch für einen umfassenden und dennoch kompakten Überblick über die Thematik. Kein Manager von heute oder morgen sollte auf dieses Wissen verzichten.

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Hans H. Jung Patricia Kraft

Digital vernetzt. Transformation der Wertschöpfung.

Szenarien, Optionen und Erfolgsmodelle für smarte Geschäftsmodelle, Produkte und Services

Die Autoren:

Prof. Dr. Hans H. Jung, Munich Business School und UNITY AG, MünchenProf. Dr. Patricia Kraft, Munich Business School, München

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.

Ebenso übernehmen Autoren und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt deshalb auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2017 Carl Hanser Verlag Münchenwww.hanser-fachbuch.de

Lektorat: Dipl.-Ing. Volker Herzberg Herstellung: Cornelia Rothenaicher Umschlagrealisation: Stephan Rönigk

ISBN 978-3-446-44780-6 E-Book ISBN 978-3-446-45287-9

Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.2

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort

Themenbereich 1: Szenarien der digitalen Transformation

1 Zukunftsoption Industrie 4.0

1.1 Einführung

1.2 Zukunftsszenarien und Zielbild Deutschland 2030

1.3 Märkte und Konkurrenten von morgen

1.4 Genese Handlungsempfehlungen

1.5 Resümee

1.6 Bildnachweise

1.7 Förderhinweis

1.8 Literatur

Themenbereich 2: Optionen der digitalen Transformation

2 Leadership 4.0: Virtuelle Organisationsformen

2.1 Einführung

2.1.1 Leadership 4.0 und Industrie 4.0

2.1.2 Das ITI-(Internationalisierung-Technologisierung-Individualisierung)-Modell

2.2 Neues Leadership

2.2.1 Ursachen der Leadership-Entwicklung

2.2.2 Leadership-Konzepte

2.2.3 Primus Inter Pares

2.3 Virtuelle Organisationsformen

2.3.1 Infrastrukturelle Voraussetzungen

2.3.2 Operative Umsetzung

2.4 Neue Anforderungen an das Personal

2.4.1 Anforderungen an die Teammitglieder

2.4.2 Weiterbildung

2.4.3 Anforderungen an die Vorgesetzten

2.4.4 Die neuen Kommunikationswege

2.5 Fazit

2.5.1 Infrastruktur für Leadership 4.0

2.5.2 Neues Kompetenzprofil

2.6 Ausblick

3 Geschäftsmodelle für die Industrie 4.0

3.1 Digitalisierung als Treiber zukünftiger Wertschöpfung

3.1.1 Status quo Digitalisierung und Industrie 4.0 ‒ Prinzipien digitaler GM

3.1.2 GEMINI ‒ Geschäftsmodelle für Industrie 4.0

3.2 Gestaltung Erfolg versprechender Geschäftsmodelle

3.2.1 Value Proposition Design

3.2.2 Business Model Design

3.2.3 Value Creation Design

3.3 Fazit

3.4 Danksagung

4 Customer Co-Creation

4.1 Der aktive Einbezug des Kunden in die Produktentwicklung

4.2 Customer Co-Creation ‒ ein Blick in die Literatur

4.2.1 Wertschöpfung im 21. Jahrhundert: Ein Einblick

4.2.2 Definition der Customer Co-Creation

4.3 Drei Cases aus der Praxis: Von Trenchcoats, Parfüm und Damenschuhen

4.3.1 selve munich: Co-Designing von Damenschuhen im Ladengeschäft

4.3.2 UNIQUE by MyParfuem: Online-Konfiguration eines individuellen Duftes

4.3.3 Burberry: Die Community als Designgeber eines Trenchcoats

4.4 Zusammenfassend: Eine Zukunftsperspektive für die Produktentwicklung

5 Produktentwicklung mit Lieferanten

5.1 Einleitung

5.2 Lieferanteneinbindung in Produktentwicklungen

5.2.1 Vorteile von Lieferanteneinbindung

5.2.2 Das Realisieren von Lieferanteneinbindung

5.3 Produktentwicklung

5.3.1 Digitalisierung der Produktentwicklung

5.4 Digitalisierung als Hebel von Lieferanteneinbindung entlang des Produktentwicklungsprozesses

5.4.1 Ideengenerierung

5.4.2 Betriebswirtschaftliche/technische Auswertung

5.4.3 Konzeptentwicklung, Entwicklung und Design

5.4.4 Prototypen und Ramp-up for Operations

5.5 Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Implementierung von Lieferanteneinbindung im digitalen Zeitalter

5.6 Fazit und Ausblick

6 Intrapreneurship im Zeichen der High-Tech-Produktentwicklung

6.1 Hintergrund: Unterstützung der Technologie-Kommerzialisierung bei der Fraunhofer-Gesellschaft

6.2 Das Fraunhofer Venture Lab

6.2.1 Business Ideation

6.2.2 Das Idea Game

6.2.3 Business Design: Fraunhofer Days („FDays“)

6.2.4 Beteiligung von Interessensvertretern

6.3 Der Use Case: Industrie-4.0-Lösung PLUGandWORK (Fraunhofer IOSB)

6.3.1 Das Pilotprojekt „Voith Carbon Production 4.0“

6.3.2 Einfluss der Intrapreneurship-Ansätze auf den PLUGandWORK Cube

6.4 Fazit

7 Auf dem Weg zum smarten Kunden

7.1 Einleitung

7.2 Erwartungen smarter Kunden an Unternehmen

7.3 Lösungsansätze für das Marketing im Kontext der Digitalisierung

7.4 Fazit

8 Digitale Marketing-Kommunikation

8.1 Einführung

8.2 Social Media und Kommunikationsplanung

8.3 Social Media Measurement

8.4 Lessons Learned

9 Digitale Kooperationsnetzwerke in der Beschaffung

9.1 Einleitung

9.1.1 Problemstellung

9.1.2 Zielsetzung

9.2 Maverick Buying ‒ Eine Annäherung

9.3 Digitale Kooperationsnetzwerke als Teil der Lösung des Maverick-Buying-Problems

9.4 Fazit und Ausblick

10 Digitalisierung als Hebel für Supply-Chain-Risikomanagement

10.1 Einleitung

10.2 Supply-Chain-Management

10.3 Supply-Chain-Risiko

10.4 Bedeutung von Supply-Chain-Risikomanagement

10.5 Digitalisierung als Trend im Bereich des Supply-Chain-Risikomanagements

10.6 Welche Rolle und damit verbundenen Vorteile hat Digitalisierung für Supply-Chain-Risikomanagement?

10.7 Verankerung eines digitalisierten Supply-Chain-Risikomanagements

10.8 Praxisbeispiel: Supply-Chain-Risikomanagement

10.9 Fazit

Themenbereich 3: Erfolgsmodelle der digitalen Transformation

11 Der Mediennutzer hat die Wahl, der Anbieter hat die Qual

11.1 Die Medien ‒ eine Branche zwischen Verunsicherung und Hoffnung

11.2 Der Medienwandel, das Nutzerverhalten und die Optionen des Mediensystems

11.2.1 Der Medienwandel ‒ das Tempo nimmt zu, Geschäftsmodelle geraten unter Druck

11.2.2 Der Nutzer ‒ multioptional und wenig zahlungswillig

11.2.3 Das Mediensystem ‒ Reaktionen und Optionen

11.3 Ausblick ‒ zwei Gefahrenherde, zwei Megatrends und zwei offene Fragen

12 Marketing-Automatisierung in der Verlagsbranche

12.1 Digitale Geschäftsmodelle der Verlagsbranche: Einführung und Status quo

12.1.1 Unterbrechungsmarketing und Bannerblindheit

12.1.2 Herausforderungen und Erfolgskriterien der digitalen Transformation

12.2 Entwicklung neuer nachhaltiger, digitaler Geschäftsmodelle und Angebote

12.2.1 Content-Marketing als Chance für Verlage

12.2.2 Der Einsatz von Marketing-Technologien

12.3 Nutzung von Marketing-Technologien für Lead-Kampagnen am Beispiel der Marketing-Automatisierung

12.3.1 Begriffseinordnung und Status quo

12.3.2 Funktionaler Umfang und Mehrwert durch Personalisierung

12.3.3 Einsatz von Marketing-Automatisierung für die Lead-Generierung und die Kundenbindung im Verlag

12.4 Ausblick und Fazit

13 Digitalisierung von Geschäftsmodellen in der Finanzindustrie

13.1 Einleitung

13.2 Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Bewertung des Disruptionspotenzials von P2P-Kreditmarktplätzen im deutschen Bankensektor

13.2.1 Der theoretische Bezugsrahmen von Disruptionen und Geschäftsmodellen

13.2.2 Methoden und Daten zur Fallstudie: Finanzindustrie und P2P-Kreditplattformen in Deutschland

13.2.3 Überblick über den traditionellen Bankensektor und P2P-Kreditmarktplätze in Deutschland

13.2.4 Vergleich von traditionellen Banken und P2P-Kreditmarktplätzen auf GM-Level

13.2.5 Analyse des DP von P2P-Kreditmarktplätzen für den traditionellen Bankensektor nach dem erweiterten Keller-Huesig-Bezugsrahmen

13.3 Fazit und Ausblick

14 E-Commerce-Markteintritt in die VR China

14.1 Einführung und Motivation

14.1.1 Entwicklungen im E-Commerce

14.1.2 B2C-E-Commerce in der VR China

14.2 Chancen und Risiken des Markteintritts

14.2.1 Marktattraktivität

14.2.2 Risiken

14.3 Implementierung der Wertschöpfungskette am Beispiel eines E-Commerce-Providers

14.3.1 Shop und Content Management

14.3.2 Online-Marketing

14.3.3 IT-Management

14.3.4 Payment/Accounting

14.3.5 Warehousing/Distribution

14.3.6 Customer Care

14.4 Fazit

15 Vernetzte Fahrzeuge ‒ Neue Geschäftsmodelle für Mobilität

15.1 Einleitung: Disruptive Veränderungen im Kontext Mobilität

15.2 Szenarien der Mobilität 2050

15.2.1 Was beeinflusst die Mobilität von morgen?

15.2.2 Automobilindustrie vs. IT-Branche

15.2.3 Individueller Kundennutzen als Zielkriterium

15.3 Use Cases und digitale Geschäftsmodelle

15.3.1 Das Ökosystem der personenzentrierten Mobilität

15.3.2 Transformation der Mobilitätspartner

15.4 Ausblick

16 Mobilität und Erlebnis ‒ Warum ein Motorrad kein Auto ist

16.1 Einleitung

16.2 Mobilität und Erlebnis: Das Motorrad im Kontext

16.2.1 Kontext Mobilität

16.2.2 Kontext Erlebnis

16.3 Fazit

17 Digitalisierung der landwirtschaftlichen Wertschöpfung

17.1 Einleitung

17.2 Herausforderungen für die Landwirtschaft

17.2.1 Ausgewählte Megatrends, Szenarien und deren Implikationen

17.2.2 Engpässe und Potenzialfelder der Landwirtschaft

17.3 Chancen und Risiken der Transformation für ausgewählte Marktteilnehmer am Ökosystem Landwirtschaft

17.3.1 Automatisierung auf dem Feld ‒ von der Saat bis zur Ernte

17.3.2 Digitalisierung der Lebensmittelvermarktung ‒ Neue webbasierte Geschäftsmodelle vom Erzeuger bis zum Endverbraucher

17.4 Konsequenzen der Digitalisierung für die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft ‒ Herausforderungen, erforderliche Kompetenzen und Bedeutung des Wertekontextes

17.4.1 Auswirkung der Digitalisierung auf die Arbeitswelt

17.4.2 Werte als „Treibstoff“ menschlichen Verhaltens

17.4.3 Adaption des Wertekreises auf Herausforderungen der digitalisierten Landwirtschaft

17.5 Ausblick

18 Digitales Lernen als Innovationsimpuls

18.1 Einleitung

18.2 Digitalisierung der Hochschullandschaft

18.2.1 Zentrale Entwicklungsphasen und Status quo

18.2.2 Hochschule 2.0 im Konnex von digitaler Spaltung und akademischer Medienkompetenz

18.2.3 Zentrale Ziele, Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung an Hochschulen

18.3 Anwendungsorientierte Einblicke in ausgewählte Digitalisierungstools

18.3.1 Beispiele

18.3.2 Anwendung

18.3.3 Würdigung

18.4 Schlussbemerkungen

19 Digitalisierte Innovation

19.1 Einleitung

19.2 Vorgehensmodelle

19.3 Die Bedeutung des Testens in der Entwicklung

19.4 Digitalisierung der Entwicklungsprozesse: Toolketten

19.5 Spannungsfeld „prozessgesteuerte Innovation“

19.6 Zusammenfassung

20 Die digitale Evolution der Medizin

20.1 Die kreative Zerstörung der Medizin

20.1.1 Der finanzielle Kollaps des Gesundheitswesens

20.1.2 Evidenzbasierte Medizin: Public Health vs. Precision Medicine

20.1.3 Ärzte als Jäger und Sammler im Datendschungel

20.2 Die Digitalisierung der Medizin

20.2.1 Digitale Physiologie: Die Vermessung des Menschen

20.2.2 Digitale Biologie: Das Betriebssystem des Menschen

20.2.3 Digitale Anatomie: „Ein Nierchen, bitte … !“ ‒ Das Ersatzteillager des Menschen

20.2.4 Der vernetzte Patient: Das neue Arzt-Patienten-Verhältnis

20.3 Das digitale Zeitalter der Medizin

21 Digital vernetzte Arbeitsformen in der Pharmaindustrie

21.1 Einführung

21.2 Die duale Unternehmensstrategie

21.2.1 Die heutige Red-Ocean-Strategie von Smart Products

21.2.2 Die Blue-Ocean-Strategie mit Smart Services

21.3 Der Weg zur dualen Wertschöpfung

21.3.1 Die lineare Wertschöpfung: Die Pipeline

21.3.2 Die dynamische Wertschöpfung: Die Plattform

21.4 Der Umsetzungsprozess

21.4.1 Designing: Kundengetriebenes Netzwerk

21.4.2 Prototyping: Die digitale Plattform

21.4.3 Operating: Out-of-Office-Arbeit

21.4.4 Scaling: Der globale Talentpool

21.5 Der Wettbewerbsvorteil

22 Funktioniert Beratung digital?

22.1 Die Rolle von Beratung in der wissensbasierten Wertschöpfung

22.2 Erkenntnisse zum effizienten Wissenstransfer

22.2.1 Wie unterscheidet sich Wissen?

22.2.2 Wie steuert man den Transfer des Wissens von Anbieter zu Kunde?

22.3 Chancen und Risiken der Digitalisierung von Beratung

22.4 Transformation von Beratung in einer digitalen Welt

Themenbereich 4: Chancen und Risiken der digitalen Vernetzung

23 Das Individuum und die Digitalisierung

23.1 Digitalisierung und Wissen

23.2 Digitale Prothesen und Parasiten

23.3 Individuum und Digitalisierung

23.4 Das Individuum im Schatten der Digitalisierung

23.5 Digitalisierung ohne Individuum

23.6 Komparative Vorteile des Individuums gegenüber digitalen Technologien

23.7 Glück und Digitalisierung

24 Grenzenlos digital und digitale Grenzen

24.1 Einleitung

24.2 Grenzen versus Offenheit in der digitalen Welt

24.3 Ökonomische Veränderungen

24.3.1 Wirtschaftliche Konzentration

24.3.2 Dezentralisierung

24.3.3 Globalisierung und Digitalisierung

24.3.4 Sharing Economy und Peer-to-Peer-Ökonomie

24.4 Soziale Veränderungen

24.4.1 Wirtschaftliche Ungleichheit

24.4.2 Die Zukunft der Arbeit

24.4.3 Der Mensch in der Digitalisierung

24.5 Bildung 4.0: Entwicklung von Kompetenzen für die digitale Welt

24.6 Fazit

25 Autorenverzeichnis

25.1 Herausgeber

25.2 Autoren

Vorwort

Bis zum Ende des Jahrzehnts wird mehr als die Hälfte der Menschheit digital vernetzt leben, lernen und arbeiten. Dieser Teil der Menschheit verwendet Schlagworte wie Social Media, mobile, webbasierte Applikationen, Industrie 4.0, digitale Geschäftsmodelle, Internet der Dinge, Big Data etc., um das Phänomen zu beschreiben, das unser tägliches Leben als Individuum und Teil einer globalen Gesellschaft beeinflusst. Während die digitale Vernetzung für viele von uns bereits allgegenwärtig und zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, ist sie für andere hingegen mit weitreichenden Herausforderungen oder sogar existenziellen Ängsten verbunden. Die Menge an Daten und Informationen, die unsere Vorfahren vor mehr als einhundert Jahren über den gesamten Lebenszyklus erreichte, überflutet heute digital vernetzte Menschen an einem einzigen Tag.

Digital vernetzt zu sein, verändert substanziell die Art und Weise, wie Unternehmen im Wettbewerb erfolgreich sind, was durch einen Blick auf fast 50 Jahre Unternehmensentwicklung deutlich wird (siehe Bild 0.1). Im Zentrum der Betrachtung stehen dabei fünf klassische Managementfragen:

Wie betreiben Unternehmen Vorausschau, um sich mit der Zukunft zu beschäftigen?

Welche Geschäftsmodelle entwickeln Unternehmen?

An welcher Geschäftslogik orientieren sich Führungskräfte, um das Unternehmen zu steuern?

Welche Organisationsform wählen Unternehmen?

Mit welchen IT-Systemen unterstützen Unternehmen die wertschöpfenden Aktivitäten?

Die Antworten auf diese Fragen werden in Bild 0.1 sehr pointiert dargestellt, wohl wissend, dass in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Praxis, zeitlich und inhaltlich, eine Vielzahl von Varianten der dargestellten Paradigmen zu finden ist.

Seit den siebziger Jahren haben sich Führungskräfte bei ihrem Blick in die Zukunft mit Studien, z. B. vom Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ (Meadows et al. 1972), auseinandergesetzt. Die Geschäftsmodell-Logik war zu Beginn dieses Zeitraums noch stark produktorientiert ausgerichtet. Unternehmen waren nach strategischen Geschäftseinheiten strukturiert, die nach den damals gängigen BCG- oder McKinsey-Portfoliomethoden gesteuert wurden. Hier liegen in vielen Unternehmen auch die Anfänge der industriellen Digitalisierung, entweder in der Steuerung und Automatisierung der Produktion oder aber in der Steuerung der strategischen Geschäftseinheiten im Controlling. In diesem Zeitraum entstanden beispielsweise die ersten Vertriebsdatenbanken. Wissenschaftler versandten bereits die ersten E-Mails. Engpässe der Digitalisierung waren jedoch allenthalben spürbar, weshalb IT-Abteilungen zunächst ihre Aufgaben vorrangig in der Verbesserung der Rechenleistungen von Computern, der Entwicklung von Algorithmen sowie der Optimierung der Datenspeicherung fanden.

Bild 0.1 Transformation der Wertschöpfung (eigene Darstellung)

Bereits Mitte der neunziger Jahre setzte das Vernetzen der von Wissenschaft und Unternehmen geschaffenen, digitalen Inseln ein und das Internet begann, alle bis dahin entstandenen Lösungen zu verdrängen. Manager mussten sich bei ihrer Zukunftsplanung nicht mehr auf einzelne Studien beschränken, sondern konnten nun eine Vielzahl von Megatrends (z. B. Globalisierung) nutzen, um Frühwarnung und Frühaufklärung zu betreiben. Unternehmen ergänzten ihr Angebotsportfolio an Dienstleistungen, um sich im Wettbewerb zu differenzieren und bessere Lösungen als die Wettbewerber anzubieten. Unternehmensleitungen nutzten die entstehende Daten- und Informationsvielfalt, um mithilfe von strategischen Key-Performance-Indikatoren (KPIs) zu planen, zu steuern, zu messen und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen. Basierend auf einem nach systemischer Perspektive entwickelten Beratungskonzept von Gemini Consulting wurden Organisationsstrukturen und -prozesse mittels Business Transformation bzw. Business- Process-Reengineering-Programmen zunehmend vernetzt. Dadurch sowie mittels der Einführung von Rückkopplungsmechanismen konnten Unternehmen auf die Dynamiken der Märkte ausgerichtet werden. Die IT-Systeme lieferten Client-Server-Architekturen, Internet/Intranet, EDI (Elektronischer Geschäftsverkehr), elektronische Archive, Produkt- und Dokumentenverwaltung, um diese neu entwickelten Geschäftsprozesse abzubilden und zu unterstützen.

Das Einbrechen der Finanzmärkte und das Platzen der Internetblase in den ersten Jahren des neuen Millenniums haben die Lücke zwischen Börsenwert und wirtschaftlichem Wert vieler Internetfirmen der ersten Generation deutlich gemacht. Sie konnten die Transformation der Wertschöpfung jedoch nicht aufhalten. Die Ausrichtung von Unternehmen an Zukunftsbildern und Szenarien, die Orientierung an den wertvollsten Zielmärkten und Zielkunden sowie die weitreichende Individualisierung (Mass Customization) von Produkten des Pionierunternehmens Dell in der Computerindustrie oder Daimler, BMW, Audi in der Automobilindustrie haben diesen Unternehmen geholfen, eine führende Marktposition im globalen Wettbewerb zu erlangen. Dabei helfen auch Zielgrößen wie der Kundenlebenswert, die Ausrichtung der Unternehmen weiter zu optimieren. Die Fokussierung der Organisationen mittels End-to-End-Prozessen (E2E-Prozessen) auf die Bedürfnisse dieser Zielkunden und die Unterstützung eben dieser Prozesse durch webbasierte Integration haben es Firmen ermöglicht, Zielkunden in Entwicklungs-, Vertriebs-, Produktions- und Serviceprozesse einzubinden. Open Innovation sowie die kundenindividuelle Konfiguration von Produkt- und Dienstleistungsbündeln verändern die Wertschöpfungsnetzwerke vieler Unternehmen und setzen zusätzliche Optimierungspotenziale frei.

Momentan befinden wir uns mitten in diesem weitreichenden Transformationsprozess der Wertschöpfung, der nun in eine nächste Phase eintritt. An dieser Stelle setzt die vorliegende Herausgeberschaft an: Sie liefert einen umfassenden Einblick in aktuelle Entwicklungen und Diskussionen rund um die Thematik „Digital vernetzt“ und hat dabei im Unternehmenskontext nicht nur eine Funktion oder einen Prozess (wie z. B. die Automatisierung im Order Processing) im Blick, sondern bezieht alle Stufen der Wertschöpfung sowie die übergeordneten und notwendigen Managementkompetenzen ein:

Szenarien, Strategien & Geschäftsmodelle, Prozesse & Organisation sowie Informationstechnologien,

den Wertschöpfungsprozess von der Kundenerwartung bzw. der Produktidee zum marktreifen Angebot (Innovation, Produktentstehung),

den Wertschöpfungsprozess vom Kundenverständnis bis zur Kundengewinnung bzw. -bindung (Marketing, Vertrieb, Service) sowie

den Wertschöpfungsprozess von der Bestellung des Produktes zur effizienten Produktion und Auslieferung (Auftragsabwicklung, Produktion, Supply Chain) (siehe Bild 0.2).

Bild 0.2 Wertschöpfungsprozesse von der Kundenerwartung zur Kundenzufriedenheit sowie notwendige Managementkompetenzen (UNITY AG 2015)

Dementsprechend ist das vorliegende Buch auch strukturiert. Das Buch startet mit einer Vorausschau (Themenbereich 1 Szenarien der digitalen Transformation). Eine Einordnung der Herausforderungen der digitalen Vernetzung und strukturierte Zukunftsbilder im globalen Kontext im Kapitel 1 „Zukunftsoptionen Industrie 4.0 ‒ Impulse zur strategischen Positionierung in der globalen Wettbewerbsarena von morgen“ des Heinz Nixdorf Institutes bilden den Ausgangspunkt.

Anschließend gliedert sich der Themenbereich 2 (Optionen der digitalen Transformation) nach den oben beschriebenen notwendigen Managementkompetenzen und einzelnen Stufen der Wertschöpfung (Kapitel 2 bis 10). Hier haben wir jeweils exemplarisch aktuelle Themen und Diskussionen zur jeweiligen Stufe eingebunden, z. B. das Rennen um eine Milliarde Kunden. Darauf aufbauend zeigt der Themenbereich 3 umfangreiche Geschäfts- und Erfolgsmodelle der digitalen Transformation sowie die eingesetzten Technologien aus einer Vielzahl verschiedener Branchen auf (Kapitel 11 bis 22). Dabei werden sowohl Unternehmen, die ihr Pipeline-Geschäftsmodell erweitern, als auch Firmen mit Plattform-Geschäftsmodellen betrachtet. Die Anwendungsfälle sollen eine praktische Anschauung für die laufenden Transformationsprozesse bieten, denn jede der aufgeführten Branchen ‒ von der Medienbranche bis hin zur Beratung ‒ ist derzeit in einem anderen Ausmaß von der Digitalisierung betroffen. Während die Medienindustrie oder der Handel bereits stark von der Digitalisierung erfasst sind, sind andere Branchen noch weit entfernt davon. Wir haben uns bei der Reihenfolge der Kapitel in diesem Themenbereich deshalb an dem „Vortex“ des Global Center for Digital Business Transformation (Bradley et al. 2015) orientiert (siehe Bild 0.3). Dieser zeigt die digitale Disruption für verschiedene Industriezweige auf, wobei das Ausmaß der Digitalisierung der Branchen im Strudel von außen nach innen zunimmt. Mit dieser Anordnung möchten wir auch deutlich machen, dass verschiedene Branchen durch die derzeit unterschiedliche Betroffenheit mit Sicherheit voneinander lernen und verschiedene Szenarien durchdacht werden können. Dabei macht das Buch nicht an Unternehmensgrenzen halt, sondern zeigt an vielen Stellen auf, wie sich übergreifende Wertschöpfungsnetzwerke bzw. sog. Ecosysteme bilden.

Bild 0.3 Digital Vortex (Bradley et al. 2015 angepasst)

Der Themenbereich 4 (Kapitel 23 und 24) bildet den Schlusspunkt der Herausgeberschaft, indem er explizit Chancen und Risiken der digitalen Vernetzung aufgreift, bewertet und die einzelnen Kapitel zueinander in den Kontext setzt.

Aus der Konzeption und den Inhalten dieser Herausgeberschaft wird auch deutlich, dass die Zielgruppe dieses Buches sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler und Lehrende sind. All jene also, die einen umfassenden Einblick mit aktueller Praxisrelevanz erhalten und die aktuellen Entwicklungen der digitalen Vernetzung umfassend verstehen möchten. Auch für Studierende an Universitäten und Hochschulen, insbesondere mit den Vertiefungsfächern Innovationsmanagement, Marketing, strategisches Management und Entrepreneurship, ist die Herausgeberschaft eine wertvolle Literatur.

Ein derartig umfangreiches Werk zu erstellen, geht nicht ohne das Engagement und die Mitarbeit vieler. Daher gilt unser erster Dank all unseren Kollegen aus der Wissenschaft und Praxis, die sich in vielfältiger und unterschiedlicher Weise an die umfangreiche Thematik der Digitalisierung gewagt und mit großer Kompetenz und Leidenschaft durch die Erstellung der einzelnen Fachbeiträge zu dieser Herausgeberschaft beigetragen haben. Insbesondere bedanken wir uns für den intensiven Austausch und die unermüdliche Unterstützung bei unseren Kollegen an der Munich Business School, Prof. Dr. Stefan Baldi, Dr.-Ing. Alexander Suhm und Prof. Dr. Heiko Seif. Stellvertretend für alle externen Publikationspartner seien an dieser Stelle Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier, Seniorprofessor am Heinz Nixdorf Institut, Paderborn, Prof. Dr. Kathrin M. Möslein, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sowie Prof. Dr. Carsten Rennhak, Universität der Bundeswehr in München, genannt. Diese haben bereits in einer sehr frühen Phase der Herausgeberschaft ihre aktive Unterstützung zugesichert.

Ebenso wichtig waren die Projektorganisation und -koordination sowie die Bearbeitung der Texte und Bilder. Diese Aufgaben haben die Studentin Hannah Nußstein und Judith Mühr (UNITY AG) in vielen Schleifen und Korrekturzyklen mit großer Souveränität, Sorgfalt und Professionalität übernommen. Herzlichen Dank dafür!

Die Herausgeberschaft wurde in der maskulinen Form verfasst. Dies dient ausschließlich der einfacheren Lesbarkeit. Alle Aussagen, die beispielsweise über Geschäftsführer, Mitarbeiter oder Manager getroffen werden, gelten selbstverständlich auch für Geschäftsführerinnen, Mitarbeiterinnen oder Managerinnen.

Unser Ziel ist es, mit dieser Herausgeberschaft einen Beitrag zu liefern, der die Vielfalt der Veränderungen und die Geschwindigkeit der Digitalisierung verständlich macht und eine praktische Anschauung zum laufenden Transformationsprozess gibt. Das Buch soll Mut machen, die anstehenden und künftigen Entwicklungen aktiv und kompetent in der eigenen Lebenswelt und im beruflichen Umfeld positiv zu gestalten. Ganz im Sinne von Albert Einstein: Lernen ist Erfahrung, alles andere ist nur Information.

Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre und viel Erfolg bei der Umsetzung von „Digital vernetzt“! Sie sind außerdem herzlich eingeladen, mit uns in den Dialog zu treten.

Hans H. Jung, Patricia Kraft

München im Oktober 2016

Literatur

Bradley, J.; Loucks, J.; Macaulay, J.; Noronha, A.; Wade, M.: Digital Vortex. How Digital Disruption Is Redefining Industries. Online-Ressource2015, abgerufen am 14. 01. 2016: http://global-center-digital-business-transformation.imd.org/globalassets/digital_vortex_full-reportv2.pdf

Meadows, D. H.; Meadows, D. L.; Randers, J.; Behrens III, W. W.: The Limits to Growth. Universe Books, New York NY1972

UNITY AG: Konsequente Kundenausrichtung in den wertschöpfenden Prozessketten. Online-Ressource2015, abgerufen am 14. 01. 2016

1Zukunftsoption Industrie 4.0

Jürgen Gausemeier, Daniel Eckelt, Christian Dülme

Zukunftsoptionen Industrie 4.0 ‒ Impulse zur strategischen Positionierung in der globalen Wettbewerbsarena von morgen

1.1Einführung

Die Konzepte Cyber-Physical Systems und Industrie 4.0 eröffnen neue Perspektiven für den Wirtschaftsstandort Deutschland sowohl als Leitmarkt als auch als Leitanbieter. Vor diesem Hintergrund stellen sich u. a. folgende Fragen:

Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Deutschland ein Leitmarkt werden kann?

Wo liegen die Märkte für die Leitanbieterindustrie und was fordern diese?

Auf welche Mitbewerber wird die deutsche Leitanbieterindustrie stoßen?

Wie muss sich die Leitanbieterindustrie entwickeln, um auf den Märkten von morgen erfolgreich zu sein?

Ziel des Beitrags ist, Fragen dieser Art zu beantworten und insbesondere Optionen für die Gestaltung der industriellen Produktion in Deutschland und das strategische Agieren der Leitanbieterindustrie aufzuzeigen. Der Beitrag basiert auf dem BMBF-Projekt „Industrie 4.0 ‒ Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen und Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung (INBENZHAP)“, das vom WZL der RWTH Aachen (Prof. Klocke), dem Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn (Prof. Gausemeier) und acatech ‒ Deutsche Akademie der Technikwissenschaften durchgeführt wurde.

Zunächst wird erläutert, wie die Entwicklungen von Märkten und Geschäftsumfeldern (Branche, Wertschöpfungspartner, Politik, Gesellschaft etc.) vorausgedacht werden. Die daraus resultierenden Erfolgspotenziale und Risiken bilden den Ausgangspunkt für die Entwicklung zukunftsfähiger Optionen zur Gestaltung der Produktion und der Leitanbieterindustrie in Deutschland. Anschließend werden strategische Handlungsempfehlungen mit Schwerpunkt Produktionsforschung abgeleitet.

Das Vorhaben gibt Impulse und Entscheidungshilfen für die zukunftsorientierte Gestaltung von Forschung und Entwicklung im Kontext Industrie 4.0.

1.2Zukunftsszenarien und Zielbild Deutschland 2030

Bei der Vorausschau ist zwischen dem Umfeld und dem Gestaltungsfeld zu unterscheiden (vgl. Bild 1.1). Das Umfeld beschreibt zukünftige Rahmenbedingungen für die Industrie-4.0-Wirtschaft in Deutschland. 20 Schlüsselfaktoren bestimmen die Zukunft des Umfelds. Diese Faktoren können von der Industrie-4.0-Wirtschaft nur mittelbar beeinflusst werden. Unmittelbare Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich im sog. Gestaltungsfeld. Die entsprechenden Optionen beruhen auf 13 Gestaltungsfaktoren. Sowohl die Ermittlung der Umfeldszenarien als auch der Gestaltungsoptionen erfolgt mit Hilfe der Szenariotechnik. Im Folgenden gehen wir kurz darauf ein, wie die Umfeldszenarien entwickelt wurden, und stellen diese vor.

Bild 1.1 Umfeld Deutschland und Gestaltungsfeld Industrie 4.0

Im Rahmen eines Workshops mit dem erweiterten Kernteam wurden für jeden der 20 Schlüsselfaktoren alternative Entwicklungsmöglichkeiten erarbeitet ‒ die sog. Projektionen. Jede Projektion wurde detailliert beschrieben. Beispielsweise ist für den Schlüsselfaktor „Durchdringung mit IKT“ (vgl. Bild 1.2) denkbar, dass die rapide Durchdringung der Arbeits- und Freizeitwelt mit Informations- und Kommunikationstechnik weiter zunimmt. Die neuen Möglichkeiten intuitiv zu bedienender Systeme blenden aber auch die Menschen; Sicherheitsrisiken werden verdrängt. Die maximal vernetzte Welt schreitet voran (Projektion A). Anderseits ist es auch vorstellbar, dass es nur wenigen gelingt, die technologischen Möglichkeiten zu nutzen und aus Daten Informationen zu generieren. Es bilden sich Informationseliten (Projektion B). Eine dritte mögliche Projektion ist, dass die Skepsis gegenüber IKT stark zunimmt, weil die Folgen des „lockeren“ Umgangs nun allmählich sichtbar werden (Projektion C).

Bild 1.2 Projektionen für den Schlüsselfaktor „Durchdringung mit IKT“. Bildquellen siehe Bildnachweise

Die erarbeiteten Projektionen wurden in einem nächsten Schritt zu konsistenten Zukunftsbildern zusammengeführt. Das beruht auf einer paarweisen Konsistenzbewertung und einer daraus folgenden Konsistenzanalyse. Das Ergebnis sind vier Umfeldszenarien: Szenario 1) „Balance von Mensch, Technik und Staat als Basis für den Erfolg“; Szenario 2) „Konsequente Digitalisierung, technikzentrierte Arbeitswelt“; Szenario 3) „Die Digitalisierung bleibt in vielen Barrieren stecken“ und Szenario 4) „Digitalisierung global und fremdbestimmt“. Im Folgenden werden beispielhaft die Umfeldszenarien 1 und 4 mit einigen wenigen Sätzen charakterisiert.

Szenario 1: „Balance von Mensch, Technik und Staat als Basis für den Erfolg“

Die digitale Vernetzung der Welt ist hoch. Die Informationstechnik entlastet und unterstützt die Menschen. Neue Möglichkeiten der IKT für Lernen und Lehre werden genutzt, z. B. „Teaching & Learning Factory“. IT-Sicherheit ist gewährleistet. Der Staat schafft gute Rahmenbedingungen. Die Innovationsdynamik ist hoch: Open Source ist weit verbreitet; offene Standards setzen sich durch; agile Allianzen prägen Wertschöpfungsnetzwerke.

Szenario 4: „Digitalisierung global und fremdbestimmt“

Die Arbeitswelt ist technikzentriert; die Maschinen geben den Takt vor. Hochflexible Automatisierung ist gang und gäbe. Es haben sich zwei Klassen von Kooperationspartnern gebildet: wenige kreative Gestalter und viele austauschbare Ausführer. Diese Entwicklung wird durch die Bildung von Informationseliten forciert. Der Staat hat sich aus vielen Bereichen zurückgezogen. Die Internetgiganten dominieren viele Bereiche der Wirtschaft.

Die entwickelten Umfeldszenarien enthalten Erfolgspotenziale von morgen, aber auch mögliche Bedrohungen des etablierten Geschäfts von heute. Bei der Auswahl eines Referenzszenarios ist es im Allgemeinen sinnvoll, sich auf das Szenario zu konzentrieren, das als das wahrscheinlichste eingestuft wird. Selbstredend kann man sich auch auf alle Eventualitäten einrichten. Das wäre ein zukunftsrobuster Ansatz, der aber zur Vergeudung von Ressourcen führen würde, da nur eines der vier Szenarien eintreten wird. Es ist Aufgabe des Prämissen-Controllings, jährlich zu überprüfen, ob das ausgewählte Umfeldszenario auch tatsächlich eintritt. Die Bewertung der Umfeldszenarien erfolgte im Rahmen eines Workshops mit dem erweiterten Kernteam sowie durch Vertreter des wissenschaftlichen Beirats der Plattform Industrie 4.0 und des acatech-Themennetzwerks „Produktentwicklung und Produktion“. Das Ergebnis zeigt Bild 1.3.

Bild 1.3 Auswahl des Referenzumfeldszenarios

Szenario 1 „Balance von Mensch, Technik und Staat als Basis für den Erfolg“ weist die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit und eine hohe Auswirkung auf und wird daher als Referenzszenario ausgewählt. Dieses Umfeldszenario ist sehr vorteilhaft und auch erreichbar, wenn die relevanten Stakeholder ihre Einflussmöglichkeiten nutzen und die entsprechenden Aktionen konzertieren. Die drei anderen Umfeldszenarien sind für den Industrie-4.0-Standort Deutschland nachteilig und daher nicht erstrebenswert.

Den Ausgangspunkt für die Ermittlung der Gestaltungsoptionen stellen die in Bild 1 aufgelisteten 13 Gestaltungsfaktoren dar. Für jeden Gestaltungsfaktor wurden im Rahmen eines Workshops mit dem erweiterten Kernteam alternative Ausprägungen erarbeitet (analog zu den Projektionen im Umfeld) und diese anschließend detailliert beschrieben. Beispielsweise ist für den Gestaltungsfaktor „Digitale Souveränität“ (vgl. Bild 1.4) denkbar, dass Deutschland im Jahr 2030 in zentralen Schlüsseltechnologien über keine eigene Kompetenz verfügt. Andere entscheiden, was wir tun (Ausprägung A: Fremdbestimmung). Anderseits ist es auch vorstellbar, dass Deutschland in zentralen Technologiefeldern, Diensten und Plattformen über eigene Fähigkeiten auf weltweitem Spitzenniveau verfügt und selbstbestimmt zwischen Alternativen leistungsfähiger Partner entscheiden kann, also Anbieter- und Anwendersouveränität gegeben sind (Ausprägung B: Souveränität). Eine dritte mögliche Ausprägung ist, dass Deutschland eigene Technologien entwickelt und diese stets vorzieht, auch wenn sie weniger leistungsfähig sind (Ausprägung C: Autarkie).

Bild 1.4 Ausprägungen für den Gestaltungsfaktor „Digitale Souveränität“. Bildquellen siehe Bildnachweise

Die erarbeiteten Ausprägungen wurden in einem nächsten Schritt zu konsistenten Gestaltungsoptionen zusammengeführt. Das beruht auch hier auf einer paarweisen Konsistenzbewertung und einer daraus folgenden Konsistenzanalyse. Das Ergebnis sind vier Gestaltungsoptionen: Option 1) „Smart Economy“; Option 2) „Verhaltene Digitalisierung“; Option 3) „Global Sourcing“ und Option 4) „Souveräner Global Player“. Im Folgenden werden die Optionen 3 und 4 mit einigen wenigen Sätzen charakterisiert, da diese aus deutscher Sicht mehr oder weniger vorteilhaft sind.

Option 3: „Global Sourcing“

Deutschland bietet eine flächendeckende Informations- und Kommunikationsinfrastruktur sowie günstige Rahmenbedingungen zur konsequenten Digitalisierung. Der Staat konzentriert sich dabei auf den Ausbau der harten Faktoren. Die erforderlichen Schlüsseltechnologien kommen von anderen und werden adaptiert. Die in Wertschöpfungskooperationen tonangebenden Unternehmen verfolgen eine Systemkopfstrategie. Andere, sehr leistungsfähige Unternehmen positionieren sich als intelligente Produktionsdienstleister. Die zunehmend anzutreffende Bildung von Ad-hoc-Allianzen auf der Basis von Service-Plattformen geht einher mit der Entwicklung, dass mehr und mehr Produktionsunternehmen austauschbare Ausführer werden.

Option 4: „Souveräner Global Player“

Deutschland ist auf dem Weg zu einer flächendeckenden Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Die Betonung sog. weicher Faktoren, die die Verwirklichung einer Work-Life-Balance fördern, macht Deutschland zu einem attraktiven Ort für Leben und Arbeit. Deutschland verfügt in zentralen Technologiefeldern, Diensten und Plattformen über eigene Fähigkeiten auf weltweitem Spitzenniveau. Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind in der Lage, sich für Angebotsalternativen zu entscheiden. Basierend auf der Fähigkeit, Sach- und Dienstleistungen geschickt zu verbinden, entsprechende Geschäftsmodelle zu kreieren und in globalen Wertschöpfungsnetzwerken konsequent umzusetzen, verfolgen deutsche Unternehmen vorrangig eine ganzheitliche Wertschöpfungskonzeption.

Vor dem Hintergrund von Umfeldszenarien und Gestaltungsoptionen stellt sich die Frage nach der für Deutschland vorteilhaften Positionierung im Kontext Industrie 4.0. Das entsprechende Zielbild wird mit Hilfe der in Bild 1.5 dargestellten Matrix ermittelt. Hier führt die Beantwortung der Frage, welche Gestaltungsoption besonders gut zu dem wahrscheinlichsten Umfeldszenario passt, zum Zielbild. Damit ergibt sich die anzustrebende Position Deutschlands; diese weist Chancen, aber auch Gefahren auf, die in Bild 1.6 kurz umrissen werden.

Bild 1.5 Zielbild Industrie 4.0 im Jahr 2030. Bildquellen siehe Bildnachweise

Bild 1.6 Chancen und Gefahren für Deutschland (Auszug)

Im Bereich der Arbeitswelt führen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine ausgeprägte Work-Life-Balance zu hoher Arbeitszufriedenheit und hoher Leistungsbereitschaft. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass die Zahlungsbereitschaft für Leistungen „Made in Germany“ ggf. nicht die vergleichsweise hohen Arbeitskosten rechtfertigt. Durch ein exzellentes Forschungssystem, wirkungsvolles staatliches Engagement und ausprägte Interaktion von Wirtschaft und Wissenschaft kann digitale Souveränität im Bereich der Technologieposition erzielt werden. Diese kann aber auch dazu führen, dass Deutschland von der dynamischen globalen Entwicklung abgehängt wird. Aus den Chancen und Gefahren resultieren Stoßrichtungen für eine Strategie. Für die Industrie-4.0-Wirtschaft in Deutschland sind dies:

Akzeptanz fördern: Industrie 4.0 führt zu einer tiefgreifenden Veränderung der Arbeitswelt. Um diese zum Wohle aller Beteiligten zu gestalten, muss ein gemeinsames Verständnis über die Ziele und Möglichkeiten von Industrie 4.0 vorliegen.

Kompetenzen ausbauen: Industrie 4.0 beruht auf der evolutionären Weiterentwicklung von Technologie, Organisation und Arbeit, die in Summe retrograd betrachtet eine Revolution darstellt. Hierzu sind bestehende Kompetenzen auszubauen und neue Kompetenzen zielgerecht aufzubauen.

Innovationssystem verbessern: Industrie 4.0 ermöglicht neue Formen der Generierung, Verbreitung und Anwendung technologiebezogenen Wissens. Das Innovationssystem ist darauf auszurichten.

Kollaboration ermöglichen, Geschäftsmodelle gestalten: Industrie 4.0 und die damit einhergehende dynamische Entwicklung der globalen Wettbewerbsarena verlangt neue Formen der Zusammenarbeit, der Wertschaffung und der Wertaneignung.

Kompetenzen vermarkten, Marke pflegen: Mit Industrie 4.0 ist es Deutschland gelungen, insbesondere im asiatischen Bereich eine Marke verbunden mit einer hohen Kompetenzerwartung zu etablieren. Diese v. a. für die Ausrüsterindustrie sehr günstige Positionierung muss ausgebaut werden.

Diese Stoßrichtungen stehen für die Konsequenzen zur Gestaltung des Industrie-4.0-Standorts Deutschland und geben Impulse zur Erarbeitung von Visionen im Sinne von Zukunftsentwürfen. Des Weiteren bilden diese Stoßrichtungen die Suchfelder für die Handlungsempfehlungen.

1.3Märkte und Konkurrenten von morgen

Für die Referenzländer Brasilien, China, Saudi-Arabien, Spanien, Südkorea und die USA wurden Zukunftsszenarien erarbeitet, die denkbare Situationen der Geschäftsumfelder in diesen Ländern im Jahr 2030 beschreiben. Daraus lassen sich Schlüsse dahingehend ziehen, ob das jeweilige Land für deutsche Anbieter von Industrie-4.0-Leistungen attraktiv ist bzw. eine heimische Anbieterindustrie erwächst, die ebenfalls in der globalen Wettbewerbsarena auftritt. Die länderspezifischen Szenarien beruhen auf acht Schlüsselfaktoren:

Selbstbestimmung

Arbeitsbedingungen

Aus- und Weiterbildung

Einflussnahme des Staates

Forschungspolitik

Arbeitsrecht

Innovationskraft

IT-Sicherheit

Je Schlüsselfaktor wurden spezifisch für jedes Land drei denkbare Situationen (Projektionen) im Jahr 2030 ermittelt und zu einigen in sich konsistenten Szenarien verknüpft. Die ermittelten Zukunftsszenarien wurden bzgl. ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungsstärke für die Produktionsforschung in Deutschland (vgl. Bild 1.7) bewertet. Auf Basis der Bewertung wurde pro Referenzland ein Referenzszenario ausgewählt. Im Folgenden werden für jedes Land die aus heutiger Sicht wahrscheinlichen Referenzszenarien beschrieben.

Brasilien 2030 ‒ „Verhaltener Aufschwung durch Impulse von außen“

Der Wandel eines prosperitätsfördernden Wertesystems beschränkt sich auf die pulsierenden Metropolen. Ausländische Investoren reinvestieren einen erheblichen Teil ihrer Gewinne in Bildung und F&E. Brasilien fungiert primär als Leitmarkt für Industrie-4.0-Leistungen. Zu einem Wettbewerber im Bereich Leitanbieterschaft ist das Land noch nicht avanciert.

China 2030 ‒ „Zielstrebiger autoritärer Staat“

Die Partei regiert bis in die Wirtschaft hinein autokratisch und strategisch. China hat im weltweiten Vergleich die höchsten F & E-Ausgaben; immer wieder gelingt es, die außerordentlich hohen F & E-Kapazitäten zu orchestrieren und auf die Verwirklichung strategischer Ziele zu richten. Seit Jahren zählt China zu den Top 10 der innovativsten Nationen. Das Land ist mit den USA der größte Leitmarkt und zugleich größter Leitanbieter.

Saudi-Arabien 2030 ‒ „Stillstand“

Saudi-Arabien sieht sich als islamischer Musterstaat. Der unterschwellige Deal lautet: Gefolgschaft gegen Geld. Wissenschaft wird nicht als Basis des Wohlstands gesehen; eine Forschungsmentalität kommt nicht auf. Das Land spielt in der globalen Wettbewerbsarena Industrie 4.0 allenfalls als Leitmarkt eine signifikante Rolle.

Spanien 2030 ‒ „Erfolg durch europäische Integration“

Spaniens Wirtschaft hat sich erholt. Insbesondere die Jugendlichen blicken zuversichtlich in die Zukunft. Die europäische Integration ist sehr weit fortgeschritten und wird von der überwiegenden Anzahl der Menschen des Landes als Segen empfunden. Innovationsprogramme der EU, wie Knowledge and Innovation Communities (KICs), verleihen dem Innovationsgeschehen europaweit eine hohe Dynamik, wovon Spanien sehr stark profitiert. Das Land fungiert im Bereich Industrie 4.0 als Leitmarkt und tritt auf den globalen Märkten zunehmend als leistungsfähiger Anbieter von Industrie-4.0-Ausrüstung auf.

Südkorea 2030 ‒ „Gutes bewahren und Neues wagen“

Die Eliten des Landes orchestrieren erfolgreich dessen Entwicklung. Die industrielle Produktion ist eine Grundlage für den Erfolg. Südkorea ist ein hochentwickelter Leitmarkt für Industrie 4.0 und einer der führenden globalen Ausrüster für smarte Fabriken. Die Arbeitnehmer partizipieren am wirtschaftlichen Erfolg des Landes.

Bild 1.7 Auswahl des Referenzszenarios für Südkorea

USA 2030 ‒ „Vertiefung der Serviceorientierung auf Basis des bestehenden Erfolgs“

Es herrscht freie Marktwirtschaft. Die Wirtschaft ist auf dem Gebiet der Internet- und Big-Data-basierten Geschäftsmodelle überlegen. Die Stärkung der Produktionsforschung und die Reindustrialisierung kommen nur langsam voran. Die USA sind neben China größter Leitmarkt und im Servicebereich Leitanbieter.

1.4Genese Handlungsempfehlungen

Zur Genese der Handlungsempfehlungen wurden zunächst 15 Fokusthemenfelder mit einer hohen Bedeutung für Industrie 4.0 ermittelt. Diese Felder gliedern sich in die vier Dimensionen Technologie, Mensch, Organisation und Rahmenbedingungen (vgl. Bild 1.8).

Bild 1.8 Fokusthemenfelder

Anschließend wurden die Fokusthemenfelder hinsichtlich der Leistungsposition Deutschlands im internationalen Vergleich (Benchmark; nicht Bestandteil dieses Beitrags) sowie der zukünftigen Bedeutung (Vorausschau) bewertet. Das Ergebnis der Bewertung durch 50 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Politik ist in Bild 1.9 dargestellt.

Bild 1.9 Ermittlung von kritischen Fokusthemenfeldern

Der Bereich oben links kennzeichnet Fokusthemenfelder, die eine hohe Bedeutung aufweisen und in denen Deutschland nicht stark genug ist. Daraus ergibt sich ein Handlungsbedarf. Im mittleren ausgeglichenen Bereich entspricht die Position Deutschlands hinsichtlich Stärke/Schwäche der Bedeutung des Fokusthemenfeldes. Liegen Fokusthemenfelder im Bereich unten rechts, hat Deutschland zwar eine starke Position, die Bedeutung der Fokusthemenfelder im Wettbewerb ist jedoch zweitrangig. Für die Formulierung von Handlungsempfehlungen wurden die hell markierten Fokusthemenfelder ausgewählt (vgl. Bild 1.10 links). Diese bilden das erste Suchfeld für Handlungsempfehlungen. Ein zweites Suchfeld resultiert aus den Ergebnissen der Vorausschau (vgl. Bild 1.10 rechts). Die Stoßrichtungen aus dem Zielbild 2030 werden ebenfalls für die Formulierung von Handlungsempfehlungen herangezogen.

Bild 1.10 Genese Handlungsempfehlungen

Beispielhaft seien drei Handlungsempfehlungen und ihre Herleitung genannt. In Bild 1.9 ist zu sehen, dass das Themenfeld „Geschäftsmodelle“ derzeit eine Schwäche von Deutschland darstellt und gleichzeitig eine hohe zukünftige Bedeutung aufweist. Ursachen für diese Bewertung sind u. a. eine fehlende Nutzen- und Serviceorientierung. Um den Nutzen von Industrie 4.0 und konkrete Anknüpfungspunkte für Anbieter sowie Anwender von Industrie-4.0-Lösungen herauszustellen, eignen sich Referenzfabriken. Zwei mögliche Ansätze sind in der Handlungsempfehlung „Green- und Brownfield-Referenzfabriken“ erläutert: Potenziellen Anwendern von Industrie 4.0, die heute gut organisierte, effiziente Produktionssysteme haben, fällt es schwer, Anknüpfungspunkte zur digitalen Transformation zu erkennen. Referenzfabriken sind eine erfolgsversprechende Möglichkeit, dieses Defizit zu überwinden. Dafür bieten sich zwei Ansätze an: 1) Sog. Greenfield-Referenzfabriken verdeutlichen, wie auf Industrie 4.0 beruhende Produktionssysteme idealtypisch aufzubauen und in neue Wertschöpfungsnetzwerke zu integrieren sind. 2) Sog. Brownfield-Referenzfabriken adressieren die Herausforderung, dass Unternehmen Industrie 4.0 auf der Basis der heute erfolgreichen Produktionssysteme schrittweise im Sinne einer evolutionären Entwicklung einführen wollen. Diese Referenzfabriken vermitteln die Ansatzpunkte, Lösungen und Methoden für die Gestaltung der angestrebten evolutionären Entwicklung.

Aus dem Zielbild 2030 ergibt sich die Stoßrichtung „Kollaboration ermöglichen, Geschäftsmodelle gestalten“. Hintergrund der Stoßrichtung ist, dass die mit Industrie 4.0 einhergehende Entwicklung neue Formen der Zusammenarbeit, der Wertschaffung und der Wertaneignung ermöglicht. Darauf weisen Zukunftsprojektionen wie „Vernetzte Welt“ (Schlüsselfaktor: Durchdringung mit IKT) und „Agile Allianzen“ (Schlüsselfaktor: Kooperation in Wertschöpfungsnetzen) hin. Eine der größten Hebelwirkungen bei der Gestaltung neuer Geschäftsmodelle weisen Internetplattformen auf. Die Handlungsempfehlung „Plattformen Industrial Content“ verdeutlicht dies: Deutschland verfügt über hervorragende Expertise und Ressourcen im Produktionssektor. Dazu zählen künftig v. a. auch Produkt- und Produktionsdaten. Diese werden als Industrial Content bezeichnet. Im Zuge der Digitalisierung werden Daten zu einer profitablen Ware und die Informationsgenerierung aus Daten zu einem profitbringenden Geschäft. Ein Großteil des Geschäfts mit Industrial Content wird über Internetplattformen abgewickelt, die als Knotenpunkt für den Datentransfer und als Marktplatz von Angebot und Nachfrage dienen können. Ziel ist es, deutsche Unternehmen als Betreiber dieser Plattformen zu positionieren. Dies eröffnet sehr erfolgversprechende Geschäftspotenziale für neue Unternehmen, aber auch für Unternehmen in klassischen Branchen wie den Maschinenbau. Des Weiteren könnte dadurch die führende Wettbewerbsposition der deutschen Produktionsunternehmen gefestigt und ausgebaut werden.

Mit die höchste zukünftige Bedeutung erhielt das Themenfeld „Security“. Dies ist insbesondere auf die steigende Relevanz von Daten und Datenanalysen zurückzuführen. Sowohl maschinengebundene als auch personengebundene Daten und deren Auswertung werden für den Unternehmenserfolg eine entscheidende Stellung einnehmen. Gemeinsam mit der Stoßrichtung „Akzeptanz fördern“ und Zukunftsprojektionen wie „Partizipative Arbeitsgestaltung“ (Schlüsselfaktor: Arbeitsgestaltung) sowie „Assistenzfunktionen für Routinefunktionen“ (Schlüsselfaktor: Technikbeherrschung) drängt sich die Frage nach der „digitalen“ Privatsphäre der Mitarbeiter auf. Die Handlungsempfehlung „Datentreuhänder“ setzt hier an: Zur Erfassung, Speicherung und Weitergabe von sensiblen Betriebsdaten, wie ergonomie- und arbeitsschutzbezogenen Daten, ist die Funktion Datentreuhänder zu schaffen. Die Daten dienen primär der Optimierung der Betriebsabläufe und der Harmonisierung der Arbeitswelt unter Aufsicht der Sozialpartner.

1.5Resümee

Bei aller Euphorie für Industrie 4.0 darf nicht übersehen werden, dass die Einführung und Nutzung von IT-Systemen am Ende einer gut überlegten Handlungskette steht und nicht am Anfang; „das Pferd darf nicht von hinten aufgezäumt werden“. Bild 1.11 verdeutlicht die vier Stufen einer idealtypischen Handlungskette.

Vorausschau: Hier geht es um das Antizipieren der Entwicklungen von Märkten, Technologien und Geschäftsumfeldern, um die Chancen von morgen, aber auch die Bedrohungen für das etablierte Geschäft von heute frühzeitig zu erkennen.

Strategien: Hier sind Geschäfts-, Produkt- und Technologiestrategien zu entwickeln, um die erkannten Chancen von morgen rechtzeitig zu nutzen.

Prozesse: Getreu dem Motto „structure follows strategy“ sind auf dieser Ebene die Geschäftsprozesse so zu gestalten, dass sie die gewählten Strategien optimal unterstützen.

Systeme: Auf dieser Ebene sind die wohlstrukturierten Geschäftsprozesse durch IT-Systeme zu unterstützen.

Bild 1.11 4-Ebenen-Modell zur zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung

Im Prinzip zielen die beiden oberen Ebenen auf die unternehmerische Effektivität ‒ also darauf, das „Richtige“ zu tun ‒ und die beiden unteren Ebenen auf die strategisch begründete Effizienz ‒ also darauf, es „richtig“ zu tun ‒ ab. Wie in Bild 1.11 angedeutet, adressiert Industrie 4.0 in erster Linie die Systemebene. Bevor es hier zu Aktivitäten und Investitionen kommt, sind mit Bezug auf die drei übergeordneten Ebenen die im Bild wiedergegebenen Fragen zu stellen. Erst wenn diese beantwortet sind, haben Industrie-4.0-Lösungen eine Aussicht auf Erfolg.

1.6Bildnachweise

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1.7Förderhinweis

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsvorhabens „Industrie 4.0 ‒ Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen und Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe ‒ Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT) betreut wurde. Der umfassende Abschlussbericht wurde am 23./24. Juni 2016 auf dem BMBF-Kongress Produktionsforschung veröffentlicht.

1.8Literatur

BITKOM: Digitale Souveränität ‒ Positionsbestimmung und erste Handlungsempfehlungen für Deutschland und Europa. BITKOM, Berlin2015

Gausemeier, J.; Klocke, F.: Industrie 4.0 ‒ Internationaler Benchmark, Zukunftsoptionen und Handlungsempfehlungen für die Produktionsforschung. Heinz Nixdorf Institut (Universität Paderborn), WZL (RWTH Aachen), acatech, Paderborn, Aachen, München2016

2Leadership 4.0: Virtuelle Organisationsformen

Literatur

Albrecht, A.; Albrecht, E: Vertrauen, Verantwortung, Motivation und Kommunikation. Was Führung in virtuellen Strukturen von klassischer Teamarbeit unterscheidet. PERSONALFÜHRUNG (Schwerpunkt Leadership)6 (2012), S. 44‒50

Albrecht, A.: Internationales Management. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin2016a

Albrecht, A.: Leadership im Change: Neue Kompetenzen für Führungskräfte gefordert. HR Performance4 (2016b)

Albrecht, A.: Virtuelles Führen als kritischer Erfolgsfaktor in der neuen Arbeitswelt. PERSONALquarterly1(2016), Haufe Verlag, Freiburg2016c

Albrecht, E.: Business Coaching. Ein Praxislehrbuch. De Gruyter Oldenbourg Verlag,