5,99 €
In ihrem unbändigen Hunger nach Freiheit bricht Mia Kankimäki aus ihrem Leben aus und beginnt ein riesiges Abenteuer: Sie reist nach Kyōto, lässt sich einfangen von Tempeln, Kirschblüten, Kabuki-Theater, Zen-Meditation und Teezeremonien. Und von einer faszinierenden Frau, die ihr zur feinsinnigen und gewitzten Seelenschwester wird: Sei Shōnagon, der Hofdame, die vor mehr als 1000 Jahren am japanischen Kaiserhof Kaiserin Teishi diente, eine so selbstbewusste wie raffiniert-ironische Schriftstellerin war und deren »Kopfkissenbuch« heute zu den Klassikern der Weltliteratur gehört. Geleitet von den Spuren der Seelenverwandten entdeckt Mia Kankimäki die subversive Kraft, die in der Liebe liegt, Listen von Dingen zu erstellen, die charmant, delikat, nervig oder elegant sind – und die das Herz höher schlagen lassen...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2021
Zum Buch
In ihrem unbändigen Hunger nach Freiheit bricht Mia Kankimäki aus ihrem Leben aus und beginnt ein riesiges Abenteuer: Sie reist nach Kyōto, lässt sich einfangen von Tempeln, Kirschblüten, Kabuki-Theater, Zen-Meditation und Teezeremonien. Und von einer faszinierenden Frau, die ihr zur feinsinnigen und gewitzten Seelenschwester wird: Sei Shōnagon, der Hofdame, die vor mehr als 1000 Jahren am japanischen Kaiserhof Kaiserin Teishi diente, eine so selbstbewusste wie raffiniert-ironische Schriftstellerin war und deren »Kopfkissenbuch« heute zu den Klassikern der Weltliteratur gehört. Geleitet von den Spuren der Seelenverwandten entdeckt Mia Kankimäki die subversive Kraft, die in der Liebe liegt, Listen von Dingen zu erstellen, die charmant, delikat, nervig oder elegant sind – und die das Herz höher schlagen lassen …
Zur Autorin
Mia Kankimäki, 1971 in Helsinki geboren, hat an der Universität Helsinki allgemeine Literatur studiert. Bis zu ihrer Reise auf Sei Shōnagons Spuren hat sie in verschiedenen Verlagen gearbeitet. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der japanischen Kultur und hat einen Abschluss der Sogetsu-Ikeban-Schule in Tokio, wo sie die Kunst erlernte, »aus wenigen Blumen und Zweigen ein kunstvolles Arrangement entstehen zu lassen, das durch Schlichtheit und Klarheit besticht«.
MIA KANKIMÄKI
DINGE, DIE DAS HERZ HÖHER SCHLAGEN LASSEN
Aus dem Finnischen von Stefan Moster
Die finnische Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Asioita jotka saavat sydämen lyömään nopeammin« bei Otava, Helsinki.Dieses Buch wurde mit der Unterstützung von FILI veröffentlicht. Der Verlag bedankt sich. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Deutsche Erstausgabe Mai 2021
by btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Copyright der Originalausgabe © 2013 by Mia Kankimäki und Kustannusosakeyhtiö Otava
Covergestaltung: semper smile, München
nach einem Entwurf von Piia Aho
Covermotiv: Sei Shōnagonin a Japanese Furoshiki Scarf;
the Japanese Writing in the Sleeve National Diet Library.
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
mr ∙ Herstellung: sc
ISBN 978-3-641-25248-9V001www.btb-verlag.de
www.facebook.com/btbverlag
ICHBITTEEUCH, alle möglichen Bücher zu schreiben, bei keinem Thema zu zögern, wie gering oder umfassend es sein mag. Hoffentlich beschafft ihr euch, ob auf ehrliche Weise oder mit krummen Tricks, genügend Geld, um reisen und müßig sein zu können, um über die Zukunft und die Vergangenheit der Welt nachzudenken, um über Büchern zu träumen oder an Straßenecken herumzutrödeln und die Bahn eurer Gedanken im tiefen Strom nass werden zu lassen.
Virginia Woolf, Ein Zimmer für sich allein
Frage nie jemanden nach dem Weg, der ihn kennt. Du könntest in die Irre geführt werden.
Motto aus dem BuchPakomatkalla(Auf der Flucht) von Kyllikki Villa
I Der Anfang: Oktober
Dinge, die ich über Sei Shōnagon weiß
II Espoo, Winter – SOMMER
Freies Jahr – Stipendien – Forschung – Hybris und Angst – Umzug/Abreise
III Zeitreise nach Heian-kyō
Welt der Schönheit und der Dichtung
Die Frauen der Heian-Zeit
Die Kana-Schrift
IV Kyōto, September
Die Hitze – Die Mitbewohner – Die Stadt
Was war Makura noSōshi: die Manuskriptlinien
V Kyōto, September: Teil zwei
Kabuki – Steingärten – Zazen – Nō – Geishas
Das leere Zimmer oder Die Sachen der Heian-Zeit
Der kaiserliche Palast oder Die Welt der Frauen
VI Kyōto– Kyūshū, Oktober
Die Gärten – Uji – Der Hiei-Berg – Ich sehe dich, Sei
Über Religionen und das Essen
Sei, was denkt man über dich?
Das Freundschaftsbuch oder Wer war Sei Shōnagon?
VII Tokio – Kyōto, November
Die Metropole – Der Nichibunker – Die Vogue
Sei, das Biest und Murasaki – Konkurrenz zweier Hofdamen
VIII Finnland – London, Winter
Das Geheimnis der Listen
Virginia Woolf und die Frauenrechts-Sei
42 Mal Sei: die Übersetzungen
Irrwege und Seis moderne Erben: Literatur, Film, Musik
IX Männer und Liebhaber
Über das Treffen mit einem Liebhaber
Die Männer der Heian-Zeit
Seis Männer und Kinder
X Tsunami – Thailand
XI Kyōto, April
Die Kirschblüten – Mono no Aware – Kenkō und ich
Die Genji-Jagd
Der Gedichttest
XII Kyōto, Mai
Zazen – Butō – Reis Bar
Shunga, Sei
Über das Feiern und Trinken
Seis Schicksal
XIII Entkleiden und Bekleiden
Die letzte Frage oder Was warMakura noSōshi?
XIV Schluss – Anfang: Normandie, August–September
Dank
Literatur
Nachwort
Damit fängt es an.
Ich bin meines Lebens überdrüssig. Ich langweile mich so sehr, dass ich sterbe. Ich langweile mich so sehr, dass ich sterben könnte, wenn ich es über mich brächte und die Kraft dazu hätte.
Ich bin mittelalt, männerlos und kinderlos. Ich lebe allein. Ich mache seit zehn Jahren dieselbe Arbeit. Ich stehe morgens um 6.15 Uhr auf. Ich frühstücke, immer das Gleiche. Ich lese die Zeitung. Gehe unter die Dusche. Fahre zur Arbeit im Zentrum von Helsinki. Ich arbeite, sitze in Besprechungen. Ich nehme die Umstrukturierungen und die Unternehmensberater, die für mehr Effizienz sorgen sollen, von Jahr zu Jahr frustrierter zur Kenntnis. Ich fahre wieder nach Hause zurück. Ich sehe fern, zu viel. Ich gehe zum Yoga, manchmal. Aus Angst vor Kopfschmerzen vermeide ich es, Wein zu trinken. Ich gehe zeitig schlafen. Den größten Teil der Nacht liege ich wach. Am nächsten Morgen stehe ich um 6.15 auf.
Ich sterbe vor Langeweile. Ich sterbe vor Beklemmung. Ich sterbe, weil mich alles ankotzt. Ich muss mir etwas einfallen lassen.
Von einer Freundin ermuntert, lege ich eine Tafel der Träume an, obwohl ich den Verdacht habe, dass es Humbug ist. Ich nehme ein Stück Pappe, das im Ikebana-Kurs übriggeblieben ist, und klebe gelbe Post-it-Zettel darauf, auf die ich Dinge schreibe, die ich will. Ein Auto, das funktioniert. Eine Safari. Einen Mann (eventuell). Irgendein inspirierendes Projekt. Einen Grund, für einige Zeit in Japan zu leben.
Es ist überraschend schwer, sich Dinge auszudenken, die man will, wenn man seines Lebens überdrüssig ist. Das Ganze kommt mir immerhin idiotisch genug vor, dass ich die Tafel jedes Mal verstecke, wenn jemand zu Besuch kommt. Was nicht sehr oft der Fall ist.
Damit fängt es an.
An meinem Arbeitsplatz werden Verhandlungen über Stellenabbau angekündigt. Oder nein, es wird irgendwie anders ausgedrückt: Es wird davon gesprochen, dass man sich für die Zukunft präparieren, das Kerngeschäft stärken wolle. Das Resultat ist jedenfalls das gleiche: Fünfundzwanzig Menschen müssen gehen. Ich bin keine von ihnen, aber mein Arbeitsplatz ist nicht mehr der alte. Ich will hier nicht mehr sein. Ich beschließe zu gehen. Obwohl ich überhaupt nicht weiß, wohin, fühle ich mich sofort leichter.
Vor mehr als zehn Jahren fing ich an, Gedanken mit der japanischen Hofdame Sei Shōnagon, die im 10. Jahrhundert gelebt hat, auszutauschen. Ich las ihr Werk Makura no Sōshi, also Das Kopfkissenbuch, in einem Kurs über japanische Literatur an der Universität und verliebte mich sofort. (Also gut: Ich habe es nicht ganz gelesen, weil es stellenweise ziemlich schwer zu verstehen ist, aber ich vertiefte mich in ausgewählte Passagen der englischen Übersetzung.) Im Lauf der Jahre ließ ich mich dazu inspirieren, auf der Grundlage von Seis berühmten Listen mal dieses und mal jenes zu planen, manchmal mit mehr, oft mit weniger Erfolg. Einmal schickte ich ein zehnseitiges Manuskript an eine meiner Kolleginnen, die Lektorin war. Ihr Kommentar lautete: »Ganz spannend, aber was ist das?« Ich wusste es nicht.
Ach Sei, dich (mich) versteht man auch im 21. Jahrhundert noch nicht.
Ich komme auf die Idee, Jobsharing zu machen und mich für ein Jahr freistellen zu lassen. Ich komme auf die Idee, nach Japan zu gehen, um mich mit Sei Shōnagon zu beschäftigen, über sie und über mich zu schreiben, und was das Aberwitzigste ist, ich fange an, nach diesem vorerst fiktiven Dokumentationsprojekt zu leben. Ich habe keine Ahnung, ob die Möglichkeit besteht, mich für ein Jahr freistellen zu lassen, oder wovon ich leben soll, falls es gelingt. Ganz zu schweigen davon, ob ich ein Buch schreiben könnte, auch wenn ich jahrelang mit den Texten anderer gearbeitet habe.
Ich schlage das Notizbuch auf, das ich ein Jahr zuvor in Tokio gekauft habe und dessen Umschlag ein kleines wütendes Mädchen von Yoshitomo Naran zeigt. Dann schreibe ich – sicherheitshalber in Barbiesprache – die ersten Sätze:
Die da würde jetzt ein Jahr freinehmen. Sie würde nach Japan gehen und sich mit Sei Shōnagon beschäftigen. Sie würde irgendeine irre Geldsendung bekommen und davon das ganze Jahr leben. Danach würde sie, wer weiß wohin, reisen. Sie hätte ein tolles und spannendes Jahr, über das sie ein Buch schreiben würde. Dann wäre sie bis zum Ende ihres Lebens glücklich und würde sich überlegen, was für fantastische Sachen sie als Nächstes machen würde.
Es ist der 5.10.2009, ich bin 38 Jahre alt. Damit fängt es an. Ich weiß es.
In der Nacht schlafe ich seit Langem einmal gut und sehe im Traum mein neues Leben vor mir. Mit meiner Kampfesgenossin Ulla entdecke ich in der Granitburg, in der sich mein Arbeitsplatz befindet, einen neuen Flügel. Er besteht aus einem großen, fabrikhallenartigen Saal mit wandgroßen Fenstern, durch die man auf paradiesische Wiesen sieht, die bis zum Horizont reichen. Wildpferde weiden darauf.
So kann das Leben sein, denke ich.
. . .
[Sei Shōnagon schreibt]
Was angenehm ist
Wenn man einen großen Haufen Geschichten findet, die man noch nicht gelesen hat. Oder wenn man den zweiten Teil einer Geschichte in die Hände bekommt, deren erster Teil einem gefallen hat. Aber oft erweist sie sich als Enttäuschung.
Jemand hat einen Brief zerrissen und weggeworfen. Beim Einsammeln der Teile merkt man, dass man viele davon wieder zusammenfügen kann.
Ich freue mich sehr, wenn ich Michinoku-Papier in die Hände bekomme, oder weißes, verziertes Papier, oder auch ganz gewöhnliches Papier, wenn es schön und weiß ist.
. . .
Dinge, die ich über Sei Shōnagon weiß:
Ich weiß, dass Sei Shōnagon (ca. 966–1017) eine japanische Hofdame war, die vor tausend Jahren in der Heian-Zeit am Hof diente. Sie schrieb ein Buch namens Makura noSōshi, in dem sie in tagebuchartigem Stil Anmerkungen zum Leben am Hof macht. Das Werk ist eine Sammlung von Listen, Gerüchten, Gedichten, ästhetischen Bewertungen und vermischten Beobachtungen, unter anderem über zwischenmenschliche Beziehungen und über die Natur – über alles, was die Verfasserin der Niederschrift wert fand. Ihr Stil bildet den Anfang einer Literaturgattung, die man Zuihitsu nennt (wörtlich »dem Pinsel folgend«), und in diesem Stil setzt sich das Buch aus den zufälligen, persönlichen Gedanken der Verfasserin zusammen. Über Sei Shōnagons Leben weiß man nicht viel mehr, als das, was sich aus ihren Texten schließen lässt, aber zur gleichen Zeit waren am Hof von Heian-kyō, dem heutigen Kyōto, auch viele andere schreibende Frauen tätig. So ist zum Beispiel das Buch Die Geschichte vom Prinzen Genji von Sei Shōnagons Konkurrentin Murasaki Shikibu als erster Roman der Welt in die Geschichte eingegangen und gilt immer noch als wichtigstes Werk der japanischen Literatur.
Ich weiß, dass Makura no Shōshi in der Übersetzung von Ivan Morris unter dem Titel The Pillow Book of Sei Shōnagon auf Englisch erschienen ist, denn diese Version habe ich mir, inspiriert von einem Kurs über japanische Literatur, im Dezember 1995 für mein Bücherregal angeschafft. Das Buch kennt hier so gut wie niemand, weil es nicht ins Finnische übersetzt worden ist, und man nennt es einfach das Kopfkissenbuch.
Sei, ich habe im Hinblick auf dich zwei undeutliche Gedanken. Erstens: Viele deiner vor tausend Jahren gemachten Anmerkungen sind mir erstaunlich nah und kommen mir so aktuell vor, als würdest du speziell zu mir sprechen. Zweitens: Die Gattung Zuihitsu erscheint mir irgendwie sehr modern und in ihrem persönlichen und fragmentarischen Charakter fast wie eine Vorfahrin des Blogs.
Ich weiß, dass ich dich, den Gedanken an dich, fast fünfzehn Jahre mit mir herumgetragen habe. Ich habe dich als Geheimnis gehütet, als Quelle meiner Inspiration, die mir aus der Vergangenheit von Jahrhunderten heraus im Beruf wie in der Freizeit beim Verfassen von Texten mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Inspiriert von dir habe ich ein Manuskript für die Schublade geschrieben. Inspiriert von deinen Listen habe ich Bücher zum Ausfüllen erfunden, denn es ist erstaunlich, wie viel interessante Erkenntnisse über die Persönlichkeit eines Menschen in Listen verdichtet werden können. Ich habe (für irgendein anderes Leben) eine kunsthandwerkliche Post-it-Zettel-Ausstellung auf der Grundlage deiner Schriften geplant.
Schon immer habe ich gewusst, dass ich eines Tages für dich Verwendung finden werde, und da nun der Augenblick gekommen ist, erscheint es mir ganz selbstverständlich, für ein Jahr wegzugehen, um nach dir zu suchen und darüber zu schreiben. Ich stelle mir vor, in dein Heimatland Japan zu reisen, mich in die unpraktischen Gewänder der Heian-Zeit zu kleiden, mein Gesicht weiß anzumalen, in der Winterkälte Gedichte im Mondlicht zu schreiben, dich und mich zu finden.
Ich denke, dass ich der einzige Mensch auf der Welt bin, zu dem du sprichst. Ich bilde mir ein, erwählt zu sein, etwas zu sehen, was die anderen nicht sehen. Ich glaube, dass nur ich eine Verbindung zu dir habe, eine mindestens mystische, und dass darum nur ich etwas von dir verstehen kann, was niemand sonst je verstanden hat.
Dieses spärliche und falsche Wissen schreibe ich ohne die geringste Hemmung in einen Antrag auf ein Stipendium, das mir das Verfassen eines Sachbuchs ermöglichen soll, den ich an zahlreiche Institutionen schicke. Später wird sich herausstellen, dass ich an diesem Nachmittag im Oktober gar nichts weiß.
Auf der Arbeit ist es entsetzlich. Ich verbrenne Brücken hinter mir, streite mich mit meinen Vorgesetzten, benehme mich schlecht. Die Motivation ist weg, ich habe eine Grenze überschritten. (Burn-out, sagt meine Freundin Buz.) Zusammen mit meinen verbliebenen Kolleginnen versuche ich die Stimmung hochzuhalten, und so gehen wir, ausstaffiert mit Stulpen, geflochtenen Stirnbändern und zerschlissenen Sweatshirts, ins Kino, um uns Fame – Der Weg zum Ruhm anzusehen. Vor dem Film dehnen wir uns sachgemäß. Tiina verspricht, mir einen Schal im Stil der Achtziger zu stricken, und wir gehen ballettschuhfarbene Kaschmir-Seide-Wolle kaufen.
Nach Weihnachten kann ich mein Glück nicht fassen: Ich bekomme im Rahmen des Jobsharing-Programms ein Jahr frei! Alles geht unfassbar leicht über die Bühne, und obwohl ich glücklich bin, kann ich nicht anders, als mich zu fragen, ob wohl alle geradezu erleichtert sind, mich loszuwerden.
Dann schlägt die Panik zu. Die einjährige Freiheit beginnt Anfang August. Was mache ich dann eigentlich? Soll ich in dem einen Jahr all das tun, von dem ich schon immer geträumt habe? In einem Waisenhaus für Orang-Utans auf Borneo arbeiten? Das Eierlegen von Meeresschildkröten in der Karibik schützen? An der Wildtierzählung in einem afrikanischen Naturreservat teilnehmen? In Thailand tauchen lernen? Für einige Monate in Kyōto leben, was gerade noch eine Utopie war, auf einem Post-it-Zettel an die Traumtafel geklebt, wird bald Wahrheit sein. Ich muss langsam anfangen, meine Wünsche etwas vorsichtiger zu formulieren.
Aber zuerst muss ich an Geld kommen. Meine kleinen Ersparnisse und die Jobsharing-Entschädigung reichen ungefähr aus, um in dem einen Jahr mit Ach und Krach über die Runden zu kommen, sofern ich mich zur Obdachlosigkeit verurteile und meine Wohnung vermiete, aber viele Flugtickets kann man sich damit nicht leisten. Zum Glück habe ich bei der Vernissage einer Fotoausstellung meiner Freundin Susanna meine Ex-Professorin Anna getroffen und von ihr ein paar Tipps für das Beantragen von Stipendien (Stichwort »irre Geldsendungen«) bekommen. Ich fange an, ernsthafte Anträge an alle möglichen Stellen zu schicken, die mir einfallen, obwohl mir graut und ich mich schäme. Mit geschlossenen Augen drücke ich auf Senden und bete, dass in den Stipendienausschüssen niemand sitzt, der sich auch nur ein bisschen mit dem Thema auskennt, denn dann würde die Unbeholfenheit meines Plans sofort auffliegen. Ich bete, dass niemand der Tatsache Beachtung schenkt, dass ich kein einziges Wort über meine Japanisch-Kenntnisse verliere. Und somit begreift, dass es diese nicht gibt. Und dass das gesamte Projekt ohne Sprachkenntnisse die reine Utopie ist. Meine Stimmung schwankt zwischen Allmachts-Hybris und katatonischem Selbsthass.
Ich versuche mit dem Schreiben anzufangen, wenigstens Tagebuch, das Fundament von allem, aber ich merke, dass ich an Aphasie leide. Zehn Jahre in der Werbeabteilung eines Verlags haben meinen Wortschatz und meine Satzlänge so ausgezehrt, dass sie sich nur noch für den Marketinggebrauch eignen: »Ein herzzerreißendes Dokument.« »Eine wahre Geschichte, die jeden etwas angeht.« Wie kann ich mir nur einbilden, mit diesem Proviant ein Buch schreiben zu können?
Die Idee und die Form des Buches – Bericht und Tagebuch eines Forschungsjahres – hingegen sind eigentlich genial, wie ich bald begreife. Was immer mit meinem Plan auch passieren mag, das Ganze kann nicht schiefgehen: Denn dann schreibe ich einfach auf, was schiefgeht. Und wenn sich bei Sei Shōnagon nichts Erzählenswertes findet, erfinde ich es eben selbst.
Ich gehe mit meinem Ex-Kollegen Mikko Mittagessen und höre, dass es dem Dichter Pentti Saarikoski ungefähr so erging, als er sein Buch Zeit in Prag schrieb. Aus dem Tagebuch, das Saarikoski gleichzeitig führte, geht hervor, dass ein großer Teil der autobiografischen Reiseerzählung Fiktion ist, unter anderem die Geschichten über die Nachbarn. In Wirklichkeit war Saarikoski so schüchtern, dass er sich während der ganzen Zeit, die er in Prag verbrachte, in seiner Wohnung versteckte und sich nur mit der Fantasie des Schriftstellers alle möglichen spannenden Sachen ausmalte. Genau so kann es mir in Kyōto ergehen: Ich kann die Sprache nicht und bin so schüchtern, dass ich die ganze Zeit mit niemandem rede. Meine Stimmbänder verkümmern, ich bin nicht fähig, meinen Nachforschungen nachzugehen, von irgendwelchen bescheuerten Performances ganz abgesehen. Ich muss mir alles ausdenken. Und wenn ich kein Geld bekomme, schaffe ich es nicht einmal bis nach Japan: Dann bin ich gezwungen, meine Wohnung aufzugeben und mir alles im ausgebauten Kuhstall meiner Eltern in Vihti auszudenken.
Aber die Stipendienanträge hält nichts auf, und ich warte bereits auf die Entscheidung des Finnischen Kulturfonds. Ich stelle Champagner kalt – der hilft auf jeden Fall, egal wie die Entscheidung ausfällt. In meinem Schrank steht noch eine Flasche rosa Moët & Chandon, die ich 2006 geschenkt bekommen habe. In vier Jahren ist mir kein einziger Grund eingefallen, sie aufzumachen, aber in diesem Frühling muss es einen geben, denke ich.
Bald werde ich merken, dass im Zusammenhang mit dem Kulturfonds noch kein Grund zum Feiern besteht. Auch nicht im Zusammenhang mit dem Stipendium für Sachbuchpublikationen. Nicht im Zusammenhang mit der Otava Buchstiftung, noch mit der WSOY Literaturstiftung. Auch nicht im Zusammenhang mit der Sasakawa Foundation. Frühling – die Zeit der nassen Lappen, die einem ins Gesicht geklatscht werden.
Aber Sei, wir geben noch nicht auf, denn ich habe da so ein Gefühl. Ich glaube, dass wir, du und ich, uns überraschend ähnlich sind. Ich habe das Gefühl, dass ich dich verstehe und dass du vielleicht sogar mich verstehen würdest, wenn du mich kennenlernen könntest. Ich glaube, dass auch meine Freunde dich mögen würden, und ziemlich viele ihrer Freunde ebenfalls, und wenn man dich hier bekannt machen würde, könntest du plötzlich der Liebling von allen sein, eine Person, die zum Mittagessen eingeladen wird, zu Mädchenabenden, Sommerhauswochenenden, Zugreisen, Buchmessen und zum Champagner-Brunch, falls jemand so etwas veranstalten würde. Ich glaube, alle würden sich gern mit dir abgeben, wenn sie nur etwas über dich wüssten. Aber es weiß niemand etwas.
Ich ahne durchaus, dass unsere Lebenswelten sich wie Tag und Nacht unterscheiden, dass sie so weit voneinander entfernt sind, wie es nur geht, zeitlich, geografisch und auch kulturell. Das Finnland des 21. Jahrhunderts ist weit weg vom Japan des 10. Jahrhunderts, und auch wenn ich mich jahrelang mit der Kultur deiner Heimat beschäftigt habe, verstehe ich von deiner Welt so gut wie nichts. Nichts von dem, was uns zu deinem Land als Erstes einfällt, hat es zu deiner Zeit schon gegeben. Es gab keine Geishas, keine Samurai oder Sushi, keine Haiku-Gedichte, kein Ikebana, keine Teezeremonie, keine Ukiyo-e-Holzschnitte, weder Kabuki- noch Nō-Theater. Es gab keine Tatami-Fußböden, Gemeinschaftsbäder oder Tokonoma-Alkoven, kein Zen, kein Bushido, keine Doppelselbstmorde aus Liebe. Ich weiß nur, dass die höfische Welt der Heian-Zeit ein der Schönheit geweihtes Universum war, das von Dichtung, Kalligrafie, Musik und Liebesbeziehungen beherrscht wurde und anders war als jede andere Kultur, die jemals irgendwo auf der Welt in Erscheinung getreten ist.
Sei, dies ist die Wahrheit: Ich habe nicht einmal dein Buch ganz gelesen. Das kommt daher, dass ich es zum größten Teil nicht verstehe. Wer sind all die Personen, über die du schreibst? Was waren das eigentlich für Leute? Alle möglichen Kanzler, rechts- und linksseitige Minister, Gouverneure, höhere und niedrigere Höflinge, Kronprinzessinnen, Priesterinnen, ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und, meine Güte, »die mittleren Hauptmänner des dritten Standes« – würdest du sie wenigstens bei ihren richtigen Namen nennen, könnte man vielleicht wenigstens hier und da kurz mitkommen. Obwohl ich auch bei den Namen durcheinandergerate: Es gibt Michitaka und Michinaga, Tadanobu und Nobutaka, Norimitsu und Yukinari, Fujiwara no so und so, und da ich nicht kapiere, wer sie sind und was sie mit den Titulierungspseudonymen zu tun haben, ist es tatsächlich nicht ganz leicht, dem Geschehen zu folgen.
Und was habt ihr da am Hof eigentlich die ganze Zeit gemacht? Wer waren die Herrscher, die du so bereitwillig preist? (Irgendwo ist übrigens immer von »zwei wetteifernden Höfen« die Rede – was, um Himmels willen, hat das denn zu bedeuten?) Ich verstehe auch nichts von euren höfischen Zeremonien – entschuldige bitte, aber deren Schilderungen sind ziemlich langweilig zu lesen. Und wie sahen alle die Umhänge, Hosenröcke und Kopfbedeckungen aus, die Wagen, die Wandschirme, die Veranden? Warum habt ihr ständig versteckt hinter einer Wand gekauert und die Ereignisse heimlich beobachtet? Und das ganze Gerede über Tage der Enthaltsamkeit und unglückliche Himmelsrichtungen? Außerdem hat das Buch nicht mal einen roten Faden, weil du ständig von einer Sache zur anderen springst und nichts in chronologischer Reihenfolge erzählst, und was du erzählst, gibt nicht annähernd ein erschöpfendes Bild der Geschehnisse. Was für einen Zweck hat das alles? Warum hast du so eine Sammlung von Texten geschrieben, die nur lose miteinander verbunden zu sein scheinen? Warum listest du Bücher, Blumen, Bäume, Vögel und Insekten auf? Ebenen, Berge, Poststationen? Buddhas, Priester, Aristokraten? Hosen, Jagdgewänder, chinesische Jacken? Fächerrahmen, Wandschirme, Instrumente, Spiele? Krankheiten, Sutras, Gouverneure? Nur um die Historiker zu erfreuen? (Die hast du allerdings tatsächlich erfreut.)
Aber dann, Sei, wenn ich die Geduld aufbringe, in deinem Buch weiterzublättern, die schwierigen Stellen zu überspringen, stoße ich immer wieder auf Abschnitte, in die ich mich einfach verlieben muss. Es sind Listen von Dingen, über die auch ich etwas weiß, erstaunlich genaue Beobachtungen über die Natur des Menschen und über zwischenmenschliche Beziehungen, über eine Welt, die wir ganz und gar gemeinsam haben und die offensichtlich unveränderlich ist. Du zählst bezaubernde Dinge auf, deprimierende Dinge, ärgerliche Dinge. Dinge, die das Herz höher schlagen lassen. Dinge, die einen kläglichen Eindruck machen. Dinge, die eine angenehme Erinnerung aus der Vergangenheit wecken. Dinge, die man nicht vergleichen kann. Dinge, bei denen einem heiß wird. Dinge, die ihre Kraft verloren haben. Dinge, die bewirken, dass man sich rein fühlt. Dinge, die fern sind, aber auch nah. Dinge, die nah sind, aber auch fern. Du schreibst darüber, was ein vollkommener Liebhaber ist und wie man sich ärgern muss, wenn es sich bei einem Mann nicht um einen solchen handelt. Du schreibst darüber, wo und wann es am angenehmsten ist, einen Liebhaber zu treffen, und warum du weißt, dass es ein Liebhaber ernst meint, wenn er bei starkem Wind kommt, um dich zu sehen. Diese Abschnitte sprechen mich direkt an, über die Jahrtausende, über die Sprach- und Kulturunterschiede, über den gesamten asiatischen Kontinent hinweg, vom alten Heian-kyō her ins Helsinki des 21. Jahrhunderts, und dann habe ich das Gefühl, einen Schatz entdeckt zu haben, der allen anderen verborgen geblieben ist.
Nächtelang liege ich wach und mache mir Sorgen um die Finanzen. Warum muss ich ausgerechnet auf Japan abfahren, das so ungefähr das teuerste Land der Welt ist? Warum kann ich mich nicht zum Beispiel für Albanien interessieren? Wird es dazu kommen, dass ich von einer Weltreise träume, aber in einem Kuhstall in Vihti lande?
Und dann wieder, sobald ich aufhöre, mir Sorgen zu machen, merke ich, wie sich die Veränderung, wie sich schon der Plan einer Veränderung auf vielfältige Weise auf mein Leben auswirkt. Ich stelle fest, dass ich in den Ikebana-Stunden andere Arbeiten mache als früher: mutigere, buntere, gewissere, solche, denen man ansieht, dass sich jemand etwas getraut hat.
Sei, Ikebana zu machen ist, als würde man in den Spiegel schauen.
Meine Ikebana-Lehrerin Liisa lädt zur Feier des Abschieds von Herrn Yasuda zu sich nach Hause ein. Ihr Freund Jouni wird eine Teezeremonie durchführen – derselbe Jouni, der sich neben allem anderen offenbar auch mit den Tagebüchern von Frauen aus der Heian-Zeit auskennt und in dessen Besitz sich möglicherweise Literatur zum Thema befindet. Ich müsste mein Gedächtnis in Sachen Kopfkissenbuch beleben, damit ich einen wenigstens einigermaßen glaubwürdigen Eindruck auf ihn mache. Und dann müsste ich noch wissen, wer Herr Yasuda ist.
Hilfe! Herr Yasuda ist der Kulturattaché der japanischen Botschaft. In die Nähe solcher Fachleute soll ich mich mit meinem Hirngespinstprojekt trauen?
Später verstehe ich, dass all diese Dinge, die mir als Erste eingefallen sind, nichts anderes als Fragen sind, auf die Wissenschaftler seit Jahrzehnten, ja sogar seit Jahrhunderten versuchen, Antworten zu finden. In vielen Fällen vergebens.
Die Abschiedsfeier von Herrn Yasuda. Ich machte mich unnötig verrückt – was dachte ich mir nur? Vor meinem inneren Auge sah ich förmliche, steife ältere Herren in dunklen Anzügen, Frauen in Kimonos, die Japanisch reden, mich, wie ich vollkommen im Wald stehe. In Wirklichkeit ist Heian-Jouni ungefähr so alt wie ich und richtig sympathisch. »Was ist denn der Grund, dass du auf Sei Shōnagon abfährst?«, fragt er mich, als wäre ich erst vorgestern in einem Manga-Comic voller Sex und Gewalt auf den Namen gestoßen. Ich unterstreiche die Wörter »Universität«, »Literaturwissenschaft« und »Anfang der 90er Jahre« – warum dieser ewige Drang, mein (hohes) Alter und meine Kompetenz hervorzuheben? Ich frage, ob Seis Texte zu ihrer Zeit öffentlich bekannt waren, aber die Antwort ist niederschmetternd: Angeblich ist es unmöglich, etwas darüber zu wissen. Außerdem sind die anderen Tagebücher jener Zeit angeblich wesentlich interessanter. Irgendwie bringt Jouni es fertig, Sei ein wenig gemein klingen zu lassen, und er scheint sich zu fragen, warum ich mich ausgerechnet für so ein Weibsstück mit spitzer Zunge interessiere.
Herr Yasuda und seine Frau gehören ebenfalls dem Volk der Vierzigjährigen in Jeans an – Gott sei Dank habe ich mich nicht in einen Kimono geworfen. Die Yasudas gehen nach Ungarn, weshalb ich gerade beschließe, ihnen nichts von meinem Projekt zu erzählen, als Liisa auch schon verkündet, ich würde »nach Japan ziehen und ein Buch über Sei schreiben«. Die Yasudas rufen im Chor oh, really und erkundigen sich nach meinem Plan (es gibt keinen), wohin ich gehen werde (nach Kyōto), und ob an die Universität (nein, ich spreche kein Japanisch). Oh, then you’re in trouble, japanese don’t speak English! Der Hinweis auf ein englischsprachiges Forschungsinstitut in Kyōto, den ich von Jouni bekommen habe, beruhigt meine Nerven ein wenig, trotzdem begreife ich, dass ich mit einem Messer in der Hand zu einer Schießerei aufbreche. Keine Universitätskontakte, keine Sprachkenntnisse, nichts. Verrückt.
Zum Abschluss der Feier quetschen sich der Japanologe und der Kulturattaché mit seiner Frau zwischen die Langlaufskier auf der Rückbank meines Autos, und ich bringe sie zur Bahnstation.
Schale Dinge:
Das schmutzige Gefühl am Ende des Winters, das daher kommt, dass man monatelang denselben Wintermantel angehabt hat, dieselben Winterstiefel, Handschuhe, Mützen, Schals und Pullover. Ende des Sommers treten vergleichbare Phänomene nicht auf.
Dinge, die Eifersucht wecken:
Deine Listen, Sei. Ich liebe dich gerade ihretwegen, und ich stelle fest, dass ich nicht die Einzige bin. Liebe Sei, ich habe geglaubt, dass nur ich dich kenne, aber soeben habe ich erfahren, dass eine gewisse finnische Modekritikerin in ihrer Kolumne in der Zeitschrift Gloria Daheim über dich geschrieben hat, unter der Überschrift Definition der Eleganz. Angeblich liegt dein Buch auf dem Nachttisch eines jeden Menschen, der beruflich mit Mode zu tun hat, vielleicht sogar unter dem Kissen!
Wann bist du, Sei, ein Trend-Phänomen geworden? Tüfteln jetzt plötzlich alle heimlich still und leise an eigenen Kopfkissenbüchern?
. . .
[Sei Shōnagon schreibt]
Peinliche Dinge
Der Mann, den man liebt, wird betrunken und fängt an, sich zu wiederholen.
Wenn man über jemanden gesprochen hat, ohne zu wissen, dass dieser es womöglich hat hören können. Dies ist selbst dann peinlich, wenn es sich um einen Diener oder eine andere vollkommen unbedeutende Person handelt.
Ein Mann, der seine eigenen Gedichte vorträgt (nicht besonders gut) und erzählt, wie sie gepriesen worden sind – richtig peinlich.
Wenn man in der Nacht wach daliegt und etwas zu seinem Begleiter sagt, dieser aber eingeschlafen ist.
. . .
Ende März leide ich über eine Woche an einem Infekt. Das Gute am Betthüten, ist, dass in meinem Kopf ein Plan Gestalt annimmt. Mein freies Jahr beginnt im August, und ich beschließe, für September, Oktober und November nach Kyōto zu gehen. Zu Weihnachten komme ich nach Hause, und den März, April und Mai kann ich wieder in Kyōto verbringen, falls ich im Herbst nicht genug davon bekommen habe. Aus irgendeinem Grund scheinen mir drei Monate ziemlich kurz zu sein. (Erst nachdem ich mein Flugticket gekauft habe, erfahre ich, dass man sich, wenn man mit einem Touristenvisum einreist, ohnehin nur neunzig Tage am Stück in Japan aufhalten darf, was zufällig exakt der Dauer meiner Reise entspricht.)
Vom Krankenbett aus google ich nach Unterkünften und mache schließlich einen unwirklichen Fund: Das Gajin House an den östlichen Hügeln von Kyōto, Tatamizimmer mit Blick auf einen schönen Garten, ruhiges und idyllisches Milieu in der Nähe von Ginkaku-ji, dem Tempel des Silbernen Pavillons. Gemeinschaftsbäder, Münzwaschmaschine, Küche, Computerraum mit Internetanschluss, Fernsehzimmer und maximal acht Bewohner im Haus. Etwas karge Grundausstattung (sprich: das Zimmer ist leer), aber beim jetzigen Umtauschkurs für nur 360 Euro im Monat.
Ich schicke eine fiebrige Erkundigungsmail und bekomme flugs eine Antwort von Kim, dem australischen Eigentümer des Hauses: I’ve loved the Pillow Book since I first read it, so it’s great to hear your plans! There will be a room available – would you like me to hold it for you?
Natürlich frage ich mich, was hinter der killerbilligen Miete stecken mag. Zumindest Putzschichten: Ich werde in Kyōto Klos schrubben, das verschimmelte Geschirr von anderen Leuten spülen, Haare aus Abflüssen ziehen, stinkende Mops schwingen müssen. Ich suche im Netz nach Kommentaren zu meiner Unterkunft, aber überall herrscht unheilschwangeres Schweigen. Schließlich finde ich zwei Sätze, bei denen mir die Haare zu Berge stehen: It’s a zoo. Too many people, freezing in the winter, cockroaches in the summer. Über den Herbst wird nichts gesagt, vielleicht ist gerade dann alles super.
»Zu viele Leute« bedeutet natürlich eine Veränderung gegenüber meinem derzeitigen Nonnenklosterlebensstil. Und die Kälte? »Das Haus ist im Hinblick auf den Sommer erbaut worden«, konstatierte der Kyōtoer Mönch Yoshida Kenkō im 14. Jahrhundert in seinem Buch Betrachtungen aus der Stille. Und so ist es tatsächlich: Bei meiner letzten (und einzigen) Reise nach Kyōto fror ich mehr als je zuvor. In den alten Häusern gibt es kein anständiges Heizungssystem, und trotz eines Kerosinofens sank die Innentemperatur des Ryokan in einer Novembernacht auf fast null Grad. Ich schlief auf einer Heizdecke und hatte alle Kleidungsstücke an, die ich dabei hatte, Mütze und Handschuhe inklusive – auch eine Schlafbrille wärmt ein bisschen, stellte ich fest. Duschen konnte ich nicht, es fiel mir jedenfalls nicht ein, es zu versuchen. Das unwirkliche Gefühl wurde von dem morgendlichen Wecken durch das Tröten eines Elefanten gekrönt – tatsächlich befand sich in der Nähe ein Tierpark, wie ich später erfuhr.
Zum Glück habe ich Erfahrung im Zusammenleben mit Kakerlaken und vielen anderen Tieren. Vielleicht hat die Verfasserin des Kommentars noch nie im Garten Waschbärscheiße in einem Fass verbrannt, die Terrarien ihres Ex-Freundes gereinigt (mit Bewohnern wie: Echsen, Schlangen, Fröschen, Tarantellas, Skorpionen sowie zum Beispiel eine flügellose Schabe aus Madagaskar, eine Vertreterin der Art Gromphardohina portentosa), tiefgefrorene Mäuse in Wassergläsern aufgetaut oder versucht, einen Präriehund daran zu hindern, ein Schaumstoffsofa zu schreddern.
Vielleicht ist der Lieblingsplatz der Internet-Kommentar-Schreiberin auch keine schimmelnde und allmählich vermodernde Fischerhütte auf einer winzigen Felseninsel, wo man sich angewöhnt, die grauen Punkte auf den Spanplatten nicht genauer unter die Lupe zu nehmen.
Gut möglich, dass ich mich in der Unterkunft wie zu Hause fühle.
Buz erzählt, sie habe etwas über das Paris-Syndrom gelesen, unter dem besonders japanische Touristinnen leiden. Man erkrankt daran, wenn man mit dem Schmutz, der Unfreundlichkeit der Menschen und dem unhöflichen Service in Paris konfrontiert wird. Manche müssen danach in psychologische Behandlung, andere rutschen gar in eine Psychose.
Buz hat den Verdacht, dass Menschen aus dem Westen in Japan am Tokio-Syndrom erkranken können, das durch zu große Freundlichkeit und Höflichkeit ausgelöst wird. Das Kyōto-Syndrom wiederum kommt wahrscheinlich von der Unfähigkeit, mit zu viel Schönheit umzugehen, oder von dem Schock, dass man ausschließlich gutes und schön angerichtetes Essen zu sich nimmt.
Ich versuche einen Mieter für meine Wohnung zu finden, und meine Reisepläne werden öffentlich. Viele sind verblüfft und wundern sich über meinen überraschenden Mut – was ich verstehe, denn ich bin nicht unbedingt für meine Verwegenheit berühmt. Manche versichern, dass sie sich so etwas nie trauen würden. Beim Mittagessen fragt auch der Geschäftsführer des Verlags, für den ich arbeite, ob ich mir das auch gut überlegt hätte und ob ich wisse, was ich tue.
In der Nacht wache ich mit einer Horrorattacke auf. Bin ich am Ende doch im Begriff, den Fehler meines Lebens zu machen? Warum treibe ich mich freiwillig in die einjährige Obdachlosigkeit und in eine unsinnig stressige Situation? Als ich endlich wieder einschlafe, habe ich einen Albtraum, in dem ich die Gefangene eines geisteskranken Killers bin.
Am nächsten Morgen ist die Panik der Nacht weit weg. Es geht ja nur um ein Jahr, danach kann ich nach Hause und zu meiner Arbeit mit dem monatlichen Einkommen zurückkehren. Mein Leben ändert sich nicht endgültig, wenn ich es nicht will. Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass ich ein Jahr Tagebuch schreibend im Dachzimmer meiner Eltern verbringe. Entsetzlich.
Ich melde mich an der Sommeruniversität Helsinki zu einem Japanischkurs für Anfänger an. Ich besorge mir Flugtickets nach Osaka und zurück. Eine Aschewolke hat den europäischen Luftraum eingenommen, und falls die Lage länger anhält – womöglich ein Jahr, wie es irgendwo prophezeit worden ist –, fahre ich eben mit dem Zug und schwimme den Rest der Strecke.
Und doch liegt eine kleine Krise in der Luft.
Der Geburtstag von A. Ich wusste schon auf dem Hinweg, dass ich unter zweihundert Gästen der einzige Single sein werde, und als ich um vier Uhr morgens nach Hause komme, erwischt es mich endgültig: Was für ein Freak ich bin! Eine alleinlebende, kinderlose Absonderlichkeit, die in die weite Welt verschwinden muss, um wenigstens irgendeinen jämmerlichen Inhalt für ihr Leben zu finden. Die ganze Buchidee kommt mir wie ein riesiges egoistisches Projekt vor. Wer interessiert sich dafür, zum Beispiel etwas von meinen Reisen nach Afrika zu hören, wenn gerade von den Vor- und Nachteilen eines Familienbetts die Rede ist oder von dem herzzerreißenden Moment, wenn man sein Kind zum ersten Mal weinend bei der Tagesmutter zurücklässt? »Ich hätte von morgens bis abends heulen können, als ich die Savanne sah und kapierte, dass hier tatsächlich die ganzen wilden Tiere leben« – das bewegt schlicht und einfach niemanden.
Es kommt mir vor, als wären das Reisen und das Verschwinden, sei es nach Afrika oder nach Japan, die letzte Option für eine alte Jungfer mittleren Alters, eine Legitimation für ihr Dasein zu finden. Wenn man keinen Mann hat und somit auch keine Familie, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als wegzufahren. Man muss mit seinem Leben wenigstens irgendetwas anfangen.
Dinge, die ich in diesem Frühling mit meinem Leben angefangen habe:
Ich bin mit einer Freundin nach London geflogen, um ihren Vater zu suchen, den sie nie kennengelernt hat. (Sie hatte ihren Vater im Internet ausfindig gemacht, nachdem sie einen Brief an drei Menschen gleichen Namens geschrieben hatte.) Die eine sucht nach einer uralten Hofdame, die andere nach ihrem von den Seychellen stammenden Vater – gleiche Krise, unterschiedliche Erscheinungsformen.
Ich habe an einen finnischen Wildtierforscher geschrieben und gefragt, ob ich mit ihm in die tansanische Savanne reisen könnte. (Leider nein, angeblich stehen zig promovierte Biologen auf der ganzen Welt mit dem gleichen Anliegen Schlange. Außerdem habe ich nach Meinung des Wildtierforschers mit meiner Hofdame genug zu tun.)
Ich habe eine Medaille in Empfang genommen. Für zehn Jahre Dienst im Wirtschaftsleben unseres Landes bekomme ich einen Verdienstorden und dank Jobsharing die Gelegenheit zu einem freien Jahr. Über was von beidem soll ich mich mehr freuen?
. . .
[Sei Shōnagon schreibt]
Abscheuliche Dinge
Der Gast müsste bereits eilends aufbrechen, aber er plaudert einfach immer weiter.
Wenn man merkt, dass ein Haar am Tintenstein haftengeblieben ist.
Alte Menschen, die, wenn sie zu Besuch kommen, zuerst mit ihrem Fächer den Staub vom Fußboden wischen, bevor sie sich setzen.
Andere zu beneiden und sein eigenes Schicksal zu beklagen. Schlecht über andere Menschen zu reden. Wie abscheulich!
Der Verehrer ist zu einem geheimen Besuch gekommen, da bemerkt ihn der Hund und fängt an zu bellen. Man möchte die Kreatur umbringen.
Man liegt im Bett und ist gerade am Einschlafen, da taucht eine Mücke auf, die mit sirrendem Geräusch von sich Mitteilung macht. Man spürt geradezu den von ihren Flügeln verursachten Luftstrom …
Menschen, die sich in den Vordergrund drängen.
Neuankömmlinge, die so tun, als wüssten sie alles.
Ich kann Menschen nicht ertragen, die die Schiebetür nicht hinter sich schließen.
. . .
Dinge, die ich in letzter Zeit verstanden habe:
Ins mittlere Alter zu kommen, heißt offenbar, dass man anstelle des Wissens etwas zu verstehen lernt. Generell hat man natürlich das Gefühl, ständig dümmer zu werden, aber gleichzeitig begreift man auch, wie blöd man zuvor gewesen ist. Ständig stößt man auf Dinge, die man schon lange gewusst hat, aber erst jetzt, plötzlich, kommt es einem so vor, als würde man endlich verstehen, was sie bedeuten. Auf Reisen erlebe ich aus irgendeinem Grund Verstehensanfälle in Sachen Kunst.
Vor zwei Jahren ging mir in der Normandie auf, dass der Impressionismus eigentlich ein Hyperrealismus ist. Zwar hatte ich gewusst, dass die Realisten die Dinge malen, wie sie sind, und die Impressionisten so, wie sie aussehen, aber erst in der Normandie verstand ich, was das tatsächlich bedeutet. Es war, als wäre ich in ein gigantisches impressionistisches Gemälde hineingetreten: Alles sah wirklich so aus, wie Monet und Kumpanen es dargestellt hatten. An den Ufern von Le Havre, Honfleur und Trouville glitzern das Meer und die Segelboote genau so, die Gezeitenwellen schlagen genau so auf den Strand, wenn der Wind bläst, haften die Kleider auf der einen Seite genau so platt und faltig am Körper und blähen sich auf der anderen Seite genau so auf. Die Sonne macht mit den Farben genau so etwas schwer Definierbares, wie auf den bekannten Werken der Meister, und die Kreidefelsen von Étretat sind auf den Gemälden von Monet nicht deshalb pastellrosa, weil Monet in Rosa verliebt gewesen wäre, sondern weil sie bei Sonnenuntergang genau so aussehen. Die Impressionisten haben »nur« die Wirklichkeit gemalt, wie sie sie sahen.
Das Gleiche passierte vor einem Jahr in China, am Gelben Berg. Ich hatte mich sehr wohl über die klassische chinesische Landschaftsmalerei kundig gemacht, ich konnte Bildrollen lesen, den Wanderern im Gebirge folgen und die Geschichte eines Gemäldes ungefähr so nachvollziehen, wie sie gedacht war. Die Landschaften nehmen sich darauf zwar fraglos ein wenig außergewöhnlich aus, dachte ich, aber das gehört wohl dazu, weil auf ihnen nun mal andere Gesetze gelten als in der westlichen Perspektivmalerei.
Am Gelben Berg begriff ich, dass eine klassische Landschaftsbildrolle das Gebirge äußerst realistisch darstellt. So verblüffend es ist, aber die Berge sehen bis hin zu den Farben und der grobrandigen Tintentechnik exakt so aus wie auf den Gemälden. Genau genommen hatte ich am Huang Shan das unwirkliche Gefühl, dass die Berge in die Landschaft gemalt waren. Zwischen ihnen schwebte der Nebel genau wie auf den Bildern, bei denen ich gedacht hatte, er solle die Mängel in der Perspektivtechnik vertuschen.
Die Landschaftsgemälde sehen also nicht so aus, weil sich den Chinesen noch nicht die Geheimnisse der abendländischen Meister offenbart hatten, sondern weil sich ihre Technik entwickelt hatte, um möglichst genau die in eben diesem Winkel der Welt vorherrschende Landschaft abzubilden. Mit den Mitteln des abendländischen Ölgemäldes würde man sie nie einfangen können.
Kann sein, dass alle anderen diese Dinge längst erkannt haben. Vielleicht litt ich mein Leben lang unter ernsthaften Verständnisschwierigkeiten und bin bis jetzt nur mit irgendwelchen dubiosen Tricks durchgekommen, ohne in Wirklichkeit irgendetwas zu begreifen. Dennoch hoffte ich bereits: dass ich nur auch in Japan etwas verstehen würde.
Ende Mai bekomme ich vom Verband der Finnischen Sachbuchautoren ein Stipendium für das Schreiben meines Erstlingswerks. Unglaublich! Sämtliche Ausrufezeichen der ganzen Welt reichen nicht aus, um meine Stimmung zu beschreiben. Ich drehe die Musik so laut auf, wie es die Lautsprecher zulassen, und lege einen Siegestanz nach dem anderen hin, bis ich verschwitzt und außer Atem bin. Ich sollte mich beruhigen und die Freitags-Sushi, die ich mir gekauft habe, essen, bevor ich vor Hunger zusammenklappe, aber das Gefühl ist so groß und so selten, dass ich es einfach nicht schaffe.
Die mentalen Folgen, die das Stipendium auslöst, sind weitreichend. Ich fühle mich jetzt als echte Schriftstellerin, nicht mehr als Hochstaplerin, die nur ein bisschen Tagebuch schreibt. Vielleicht werde ich mich sogar trauen, auf Fachleute zuzugehen, weil mein Projekt nun offiziell anerkannt ist und ich sozusagen Arbeit habe.
Buz prophezeit, dass ich das Stipendium höchstens eine Stunde lang feiern werde: dann muss ich schlafen gehen, obwohl es nicht einmal sieben ist, denn Gefühlswallungen machen in diesem Alter einfach verdammt müde. Buz hat recht. Gute Nacht, Sei.
. . .
[Sei Shōnagon schreibt]
Seltene Dinge
Wenn es einem gelingt, keine Tintenflecken in dem Notizbuch zu machen, in das man Geschichten, Gedichte und dergleichen kopiert. Handelt es sich um ein feines Notizbuch, versucht man, besonders vorsichtig zu sein – dennoch scheint es nie zu gelingen.
Wenn man Seidenstoff zum Füttern weggeschickt hat, und er, wenn man ihn wiederbekommt, so schön ist, dass man vor Bewunderung aufschreit.
Silberne Pinzetten, die gut sind, um die Augenbrauen zu zupfen.
Ein Diener, der nicht schlecht über seinen Herrn spricht.
. . .
Am 17. Juni begreife ich, dass ich morgen meinen letzten Arbeitstag habe. Die kommende Nacht ist für lange Zeit die letzte Nacht, in der ich bangen muss, ob ich Schlaf finde oder nicht. Ich begreife, dass ich zuletzt im Alter von sechs Jahren frei von allen Verpflichtungen gewesen bin.
Ich fühle mich glücklich, leicht, wehmütig und müde. Ich vermisse meine Kolleginnen und Kollegen schon jetzt ein bisschen.
Am ersten Tag meines so wahnsinnig ungezügelten und beneidenswerten Jahres liege ich mit quälenden Kopfschmerzen und vollkommen erschöpft im Bett.
Anfang Juli verdichten sich die Dimensionen meines Lebens auf sonderbare Weise in einem Tag: Ich werde zum 85. Geburtstag meiner Oma eingeladen und erhalte fast zeitgleich eine Einladung, Ikebana für ein Mitglied der kaiserlichen Familie Japans zu machen, das nach Finnland kommt, für her imperial highness, also HIH Takamado. Sei, es ist schön, dass ihr bis hierher kommt, um mich abzuholen, aber das Timing ist zweifellos außergewöhnlich. Hier komme ich her, dort gehe ich hin, scheint das Oma-Prinzessin-Wochenende zu sagen.
Der Besuch der Prinzessin versetzt die Ikebanisten Finnlands in irrsinnige Aufregung – selbstverständlich, auch du, Sei, warst aufgeregt, als du zum ersten Mal die Kaiserin trafst. Vom Hof ist ein minutengenauer Zeitplan übermittelt worden, in dem festgelegt wird, wann ihre kaiserliche Hoheit das tropische Pflanzenhaus Gardenia in Helsinki betritt, wann sie einen Rundgang macht, um sich die Ikebana-Arrangements anzusehen, wann wir uns zu einem Gruppenfoto im Garten aufstellen sollen. Also schwitzten wir an einem Samstagmorgen in übernatürlicher Hitze in unseren protokollgemäßen Kostümen und geschlossenen Schuhen, unsicher, ob wir fähig wären, uns den Anforderungen gemäß zu benehmen.
Meine Oma wiederum wohnt in der Provinz Häme, in einer Gegend, die einmal zur schönsten Finnlands gewählt wurde. Sie hat ihr Leben lang in einem Radius von hundert Metern gelebt und sich, soweit ich weiß, nie anderswohin gesehnt. Dennoch ist meine Oma einer der fröhlichsten und aufgeschlossensten Menschen, denen ich je begegnet bin, und ihr lautes, sprudelndes Lachen erschallt fast am Ende jedes Satzes. Aber als ich ihr von meinem Plan erzähle, meinen Arbeitsplatz zu verlassen, nach Japan zu gehen und ein Buch über eine Hofdame von vor tausend Jahren zu schreiben, meint sie nur mit Nachdruck jaha!, was offen lässt, ob sie die Vorstellung besorgniserregend findet oder bloß unfassbar.
Es stellte sich heraus, dass Prinzessin HIH entspannt und humorvoll war und sich am meisten für die bäuerliche Landschaft mit ihren roten Scheunen interessierte, die sich neben dem Gardenia auftat. Hätte man die Prinzessin vielleicht zum Geburtstag meiner Oma einladen sollen? Vielleicht hätte den Leuten vom Hof die Feier sogar gefallen, der idyllische Abend auf dem Land, mit einem improvisierten Tanzboden am See, bei Tangos und Walzern, die die Band meines Bruders spielte. Es waren Männer und Frauen aus der Umgebung da, Kindheitsfreunde meiner Oma, die man aus Altersheimen angekarrt hatte, mit glühenden Wangen umher rennende Kinder und die Gemeinschaftskatze des Dorfes, die sich auf jedem Schoß wohlfühlte. Es war ein wolkenloser Sommertag, der See lag still da, und es gab warme Erdbeerbowle. Die Gäste trafen in gleich aussehenden Serien ein, und es waren Armeen von Mücken da.
Sei, das hier ist wohl meine Heimat, auch wenn es mir nicht immer so vorkommt.
Watashi wa Mia desu. Sei-san desu ka? Hajimemashite.
Ende Juli sitze ich endlich im Japanisch-Anfängerkurs an der Sommeruniversität. Das Lernen ist absurd und offen gesagt entmutigend, obwohl ich nicht einmal versuche, lesen und schreiben zu lernen. Das wäre auch eine ziemliche Aktion, denn von den auf das Chinesische zurückgehenden Kanji-Zeichen gibt es zigtausende, und von den Hiragana- und Katakana-Silbenzeichen noch jeweils an die fünftausend mehr.
Aber das sind nicht die einzigen Probleme. Die Sprache hat mehrere Höflichkeitsstufen, und die Sprache der Frauen ist zum Beispiel förmlicher als die der Männer. Würde eine Frau die Sprache von ihrem japanischen Ehemann lernen, würde sie so grob reden wie ein Flößer, und einen Mann, der die Sprache von seiner japanischen Freundin gelernt hat, würde man wahrscheinlich für schwul halten. Andererseits ist es praktisch, dass die Höflichkeitsvorstellungen den Gebrauch von Personalpronomina verhindern, weshalb man die nicht lernen muss. Das »Ich« lässt man auf jeden Fall im Satz weg, denn sich selbst hervorzuheben ist unhöflich, und das »Du« zu benutzen wäre erst recht unverschämt. Auch die Zahlwörter lösen Depressionen aus. Sie sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich bei den zu zählenden Objekten zum Beispiel um Menschen, Maschinen, kleine oder große Tiere oder flache, längliche, runde oder klumpenartige Gegenstände handelt.
Zum Glück werden die Momente der Verzweiflung durch die unfassbar ulkige und niedliche Form vieler Lehnwörter gemildert. Aisukuriimu (Eiskrem), Appurupai (Apfelkuchen), Kurisumasu (Weihnachten), Boifurendo (Freund) und Rappurando (Lappland) – kawaii!
Und anscheinend kommt man sowieso mit einem einzigen Wort ganz gut durch: Sumimasen bedeutet je nach Situation Danke und Verzeihung.
. . .
[Sei Shōnagon schreibt]
Dinge, die das Herz höher schlagen lassen
Wenn man sieht, wie ein Herr seinen Wagen vor der Tür anhalten lässt und die Diener anweist, seine Ankunft zu melden.
Wenn man sich die Haare wäscht, sich zurechtmacht und in parfümierte Gewänder kleidet – selbst wenn einen keine Seele zu Gesicht bekommt, verleiht es einem innere Befriedigung.
Es ist Nacht, und man wartet auf einen Besucher. Plötzlich erschreckt man durch prasselnde Regentropfen, die der Wind gegen den Fensterladen bläst.
. . .
Freitag, 13. August. Zwei Wochen bis zur Abreise.
In der Nacht schlafe ich überhaupt nicht. Reise- und Umzugspanik schlagen zu, und es gelingt mir nicht, die galoppierenden Gedanken im Kopf zu stoppen. Am Morgen fange ich an, den Koffer zu packen und die Wohnung für den Mieter leer zu räumen. Schon nach zwei Stunden bin ich erschöpft, verschwitzt und verzweifelt.
Dinge, die einem beim Umziehen einfallen:
Warum hat der Mensch so viele Sachen? Wenn man Sachen in ein Lager bringt, von denen man glaubt, dass man sie ein Jahr lang nicht braucht, wie wahrscheinlich ist es dann, dass man sie überhaupt je braucht?
Wenn man ein Regal ausdünnen möchte, wäre es dann vernünftiger, die gelesenen oder die ungelesenen Bücher wegzuwerfen?
Ist es in diesem Stadium sinnvoll, zur Ruhe zu kommen und die Inhalte von angebrochenen Streichholzschachteln zusammenzulegen, damit die Schachteln weniger Raum einnehmen?
Warum zum Teufel ist der einzige Pornofilm im Regal nicht aufzufinden, wenn man seinen Vater zum Bücherpacken eingeladen hat?
Hx kommt die Echsen holen, die er in Pflege nimmt. Ich beklage mich über die Leiden, die die Umzugsarbeit mit sich bringen. »Dafür kriegst du 10 000 Euro«, stellt Hx fest. »Vielleicht kannst du für die Kohle mal ein bisschen schwitzen.«
Ich esse den Gefrierschrank leer, ebenso die Konservenvorräte. Die Bar könnte ich natürlich auch leer trinken, aber das könnte sich nachteilig auf andere Projekte auswirken.
Neben der Packerei schaue ich auch die Digibox leer, dann gibt es auch da weniger zu schleppen. Es ist wunderbar, sich zwischendurch auf die Couch zu werfen und einen Superfilm anzuschauen, den man sich für einen schlechten Tag aufgespart hat. Jetzt ist so ein schlechter Tag, einer, an dem ich mich nach Geborgenheit sehne.
Gestern wurde im Büro gefeiert – ich war begeistert a) von der Einladung (ein technischer Fehler?), b) von der Gelegenheit, vor der Abreise alle lieb gewordenen Menschen noch einmal zu sehen. Und es war auch schön – wir hingen bis spät in der Nacht vor einer Bar, betrunken wie Hotogisu-Kuckucke. Die unangenehme Seite war, dass meine kleine Erkältung im Lauf des Abends in einer heiseren Stimme kulminierte, bis die Stimme schließlich ganz weg war. Die »notwendigen« Dinge erklärte ich meinen Kollegen noch eine Stunde lang in Gebärdensprache und per SMS, bis ich endlich einsah, dass ich nach Hause gehen musste.
Heute habe ich den schlimmsten Kater der Weltgeschichte. Meine Eltern sollten kommen, um mir beim Packen zu helfen, aber wegen der Verfassung meines Halses wird das Ganze zum Glück abgesagt. Mein Vater befiehlt mir, zum Arzt zu gehen. »Wie soll ich einen Termin vereinbaren, wenn ich keine Stimme habe?«, simse ich. Es gelingt ihm, mir für den Nachmittag einen Termin zu besorgen.
Nichts ist demütigender, als mit offensichtlichem Kater zum Arzt zu gehen. Ich schäme mich auf der ganzen Hinfahrt. Ich habe eine Schilderung meines Falls auf ein Blatt Papier geschrieben, das ich dem streng blickenden Arzt überreiche. »Hallo, ich habe keine Stimme. In gut einer Woche fliege ich nach Japan, weswegen es prima wäre, möglichst schnell gesund zu werden. P.S.: Ich leide auch unter selbst verursachten Kopfschmerzen, auf die nicht näher eingegangen zu werden braucht.« Wir gehen in verschwörerischer Stimmung auseinander.
Drei Tage später bin ich noch immer völlig stimmlos, und am nächsten Tag soll der Umzug stattfinden. Die Medikamente machen mich zur Bettpatientin. Ich schreibe dem Arzt eine Mail, der daraufhin vorschlägt, dass ich zum Ohren-Arzt gehe, der meine Stimmbänder untersuchen solle. Ohren-Arzt? Also liegt der Fehler womöglich gar nicht im Hals, sondern in den Ohren, und ich höre bloß nichts? Mir fällt meine neunzigjährige andere Oma ein, die sich vor einigen Jahren darüber beklagte, dass sie ein Pfeifen in den Ohren habe. Mein Großvater sprang ihr bei: »Genau, ein Pfeifen, ich höre es auch!« Bei genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass die Batterie des Brandmelders leer war und mit einen Warngeräusch auf sich aufmerksam machte.
Auf jeden Fall ist das für diesen Tag geplante Packen verschoben, und der Plan lautet wie folgt: Morgen früh um zehn kommt eine Rettungspatrouille, bestehend aus Vater, kleinem Bruder und Ex, um zu packen und den Umzug zu machen.
Am nächsten Tag ist die Umzugs-Farce Drei Männer und eine Stumme angesagt. Ich führe per Pantomime Regie. Die Bücher in alphabetischer Reihenfolge in die Kartons, angefangen von oben links, zuerst die vordere Reihe, dann die hintere, ich gebe mit meinem ganzen Körper Anweisungen, wie eine Dirigentin. Das Geschirr in Zeitungspapier eingewickelt in die Kartons (mehr Papier, beim letzten Mal sind die Sektgläser kaputt gegangen, gestikuliere ich). Mit den Möbeln verfahrt ihr wie es auf den Post-it-Zetteln steht, die ich angeklebt habe, grimassiere ich, auf ihnen steht »bleibt«, »auf den Speicher« und »in den Keller«. Auf dem Balkon steht übrigens in einer Ecke noch unnützes und höllisch schweres Gartengerümpel – wenn ihr so nett wäret.
Neben dem Zeigen schreibe ich weitere Anweisungen auf einen Zettel, aber mein Vater, dem es sonst schwerfällt, sich anzuhören oder zu verstehen, was ich sage (meine Stimme liegt angeblich auf einer Frequenz, die er nicht hört), wird nun aus meiner »Klaue« nicht schlau und starrt nur stumm und kopfschüttelnd auf den Zettel. Aber der Umzug wird erledigt. Unfassbar effektiv, schnell und systematisch. Sechs Stunden später ist alles schon wieder ausgepackt, und wir essen in Vihti Burgunderbraten.
Irritierende Dinge:
Als 38-Jährige im Obergeschoss ihres Elternhauses in ein eigenes Zimmer zu ziehen.
Seinen 63-jährigen Vater in der ehemaligen eigenen Wohnung allein einen siebenstündigen, gründlichen Wohnungsübergabeputz durchführen zu lassen.
Zum Abschluss des Ganzen mit dem eigenen Vater per Zeichensprache zu streiten.
Das eigene Zimmer.
In diesem Zimmer wohnt mein ästhetisiertes Ideal-Ich. Nur die wichtigsten und am meisten inspirierenden Sachen habe ich mitgenommen, erlesene Delikatessen. Das Futon-Bett mit der weißen Bettwäsche, der chinesische antike Tisch, die Design-Lampe, die an den Kokon einer Seidenraupe erinnert. Die Tischkalender in der Form von Safari-Tieren. Der von meinem Onkel Eino geerbte Neo-Renaissancetisch, den ich jahrelang von meinem kleinen Bruder begehrt habe. Computer, WLAN, das Mousepad mit dem Bild einer schreibenden Frau aus der Heian-Zeit. Der Radiergummi in Nashornform: Besser keine Fehler machen, denn ich will es doch nicht etwa durch Radieren ausrotten? Auf dem Nachttisch ein Stein, den ich auf der Schäre Gåsgrund aufgehoben habe. Die Teile 2–4 der Geschichte vom Prinzen Genji, über die ich noch keine Notizen gemacht habe. Auf dem Fußboden das braune weiche Lammfell, mein geliebter Felltierersatz. Auf dem Ecktisch die von meiner Tante Rea handbemalte Porzellanlampe, die mir immer gefallen hat, obwohl ich Tante Rea nie begegnet bin (irgendwelche Verwandtschaftsstreitigkeiten, die erst bei Tante Reas Beerdigung beigelegt wurden). Im Regal nur die Bücher meiner Bibliothek, die mit Japan zu tun haben (sie füllen das gesamte Regal) sowie ein paar Romandelikatessen, die darauf warten, gelesen zu werden. Der fertig gepackte Japankoffer auf dem Fußboden. Im Gang vor dem Dachzimmer ein Rack und eine Kommode voller Kleider und Sachen, mit denen ich das ganze Jahr auszukommen glaube. Durchs Fenster die Aussicht auf ein Wäldchen in der Morgensonne.
Es hat etwas, sein Dasein auf das zu reduzieren, was man gerade jetzt am meisten mag.
Der letzte Tag. Das Mittagessen mit Buz ist abgesagt, ich habe noch immer keine Stimme. Verwandte und Freunde versuchen es im letzten Moment mit Unterstützungstelefonaten, aber ich kann nicht antworten. Ich breche also sozusagen still und leise auf, ausgerüstet mit Post-it-Zetteln.
Ich bin bereit. Ich bin überhaupt nicht bereit. Heian-kyō, ich komme. Tadaima.
. . .
[Sei Shōnagon schreibt]
Eine bezaubernde Frau, der die Haare frei in die Stirn fallen, hat im Dunkeln einen Brief erhalten. Offensichtlich ist sie zu ungeduldig, um auf eine Lampe zu warten – stattdessen greift sie zur Zange, nimmt damit ein Stück glühende Kohle aus der Kohlenpfanne und liest mühsam in dessen blassen Licht. Das ist ein hinreißender Anblick.
Ich liebe es zu lauschen, wie seine Majestät der Kaiser mitten in der Nacht Flöte spielt.
. . .
Sei, schönen Gruß aus dem Flugzeug, ich befinde mich irgendwo über Sibirien, auf dem Weg nach Heian-kyō. Genau, nach Heian-kyō, nach Kyōto, tausend Jahre zurück, in deine Stadt. Die Reise ist lang, sodass ich Zeit habe, über dich nachzudenken.
Eigentlich denke ich an den morgigen Tag, an den zu erwartenden Jetlag, an den höllischen physischen und psychischen Zustand, in dem man sich nur wünscht, nie die heimische Couch verlassen zu haben. Widerlich. Ekelhaft. Man bereut die ganze Reise. Und beinahe auch, sich für dich zu interessieren. Und das geht tagelang so. Tagelang wünscht man sich, anderswo zu sein, weil die Seele und der Körper noch dort sind.
Obwohl du natürlich nichts von Jetlags weißt. Zu deiner Zeit wurde in Japan überhaupt nicht gereist, weil es extrem schwierig war. Selbst kurze Strecken innerhalb der Hauptstadt erforderten enorme Anstrengungen – die Reise zu einem nahe gelegenen Kloster hielt man für so schwierig, dass sie mehrere Tage der Vorbereitung, des Ausruhens und der Erholung bedurfte –, ganz zu schweigen von einer Fahrt etwa ins sechzehn Kilometer entfernte Uji, die man für eine nahezu übermenschliche Leistung hielt.
Sei, zu deiner Zeit waren die Straßen, sofern es sie überhaupt gab, in schlechtem Zustand und verwandelten sich in der Regenzeit in Schlammgrütze. Auf Pferden ritten nur die Boten und die Herren, die dringende Geschäfte zu erledigen hatten. Ihr Hofdamen hattet als einziges Fahrzeug einen von Ochsen gezogenen Wagen, der mühsam mit drei Kilometern pro Stunde vorankam, also deutlich langsamer als bei forschem Gehen in Ecco-Schuhen (ist euch, meine Güte, diese Langsamkeit nicht auf die Nerven gegangen?).
Allerdings liebtet ihr es so sehr, euch in euren Wagen zu zeigen, dass die Straßen der Stadt an Feiertagen und bei Zeremonien verstopft waren, weil alle versuchten, rechtzeitig an die besten Stellen zu kommen. Aber weil ihr die Hauptstadt so gut wie nie verließet, bestand der größte Schaden, der durch die Fortbewegung verursacht werden konnte, darin, dass die Hofdamen bei einer Bodenwelle mit den Köpfen zusammenstießen und dabei ihre Haarkämme brachen.
Eure Welt war langsam, so langsam wie nur etwas. Ihr hattet Zeit zu beobachten, Zeit, euch zu langweilen, Zeit, das Wesen der euch umgebenden Dinge gründlich in euch aufzunehmen.
Du würdest mir gewiss nicht glauben, wenn ich dir erzählte, was für schlimme Symptome ich bekomme, weil ich zu schnell zu dir reise.
Aber auf meinem engen Sitz im Flugzeug habe ich noch Zeit, mich zu langweilen und das Wesen der mich umgebenden Dinge gründlich in mich aufzunehmen. Ich frage mich, wie es dort war, in deinem Heian-kyō.
Sei, ich weiß, dass die Epoche, die man in Japan die Heian-Zeit nennt, im Jahr 794 begann, ihre Blüte um das Jahr 1000 herum erlebte und bis ins Jahr 1185 andauerte. Man hält sie für das goldene Zeitalter der japanischen Literatur und höfischen Kultur und im Hinblick auf bestimmte Aspekte für eine Epoche, die vielleicht nie mehr irgendwo auf der Welt übertroffen werden kann.
Das reichste, einflussreichste und am meisten entwickelte Land in jenen Jahren war das China der Tang- und Sung-Dynastien, wo man in einer der größten Blütezeiten der Weltgeschichte lebte. Das riesige Land wurde mittels einer fortschrittlichen, auf Gelehrtheit beruhenden Bürokratie regiert, Handel, Malerei, Bildhauerei, Architektur und technische Erfindungen wie die Kunst des Buchdrucks blühten, während literarische Genies die Dichtung in neue Dimensionen erhoben. Chang’an, die Hauptstadt des Landes, war ein lebendiges, kosmopolitisches Zentrum.