Dir nah zu sein (Die Sullivans 12, Die Sullivans aus Seattle 3) - Bella Andre - E-Book

Dir nah zu sein (Die Sullivans 12, Die Sullivans aus Seattle 3) E-Book

Bella Andre

5,0

Beschreibung

In seinem ganzen Leben ist Ian Sullivan, dem wohlhabenden und einflussreichen CEO von Sullivan Investments, noch nie etwas misslungen ... außer in der Liebe. Nach seiner gescheiterten Ehe ist er sicher, dass er sich nie wieder binden wird. Dass ihm eine schöne Schauspielerin seine perfekt organisierte Welt völlig auf den Kopf stellt, ist das Letzte, mit dem er gerechnet hat. Tatiana Landon, eins der angesagtesten Hollywood-Talente, hat ihr ganzes Leben lang auf die wahre Liebe gewartet. Als sie Ian kennenlernt, ist sie sicher, dass sie sie bei ihm endlich gefunden hat ... und dazu eine heißere Leidenschaft, als sie sich jemals hätte träumen lassen. Jetzt muss sie ihn nur noch dazu bringen, sich auf das Risiko einer neuen Liebe einzulassen. Bald wird Ian klar, dass Tatiana es genauso sehr darauf abgesehen hat, sein Herz zu gewinnen, wie er, es vor ihr in Sicherheit zu bringen. Durch eine unvorhergesehene Situation geraten alle Spielregeln außer Kraft. Wird er Tatiana jetzt endlich als seine wahre Liebe erkennen? "Die Sullivans"-Reihe Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn Eine perfekte Nacht (Die Sullivans aus Seattle) Nur du allein (Die Sullivans aus Seattle) Deine Liebe muss es sein (Die Sullivans aus Seattle) Dir nah zu sein (Die Sullivans aus Seattle) Ich mag, wie du mich liebst (Die Sullivans aus Seattle)

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Dir nah zu sein

~ Die Sullivans aus Seattle ~

Ian & Tatiana

Von Bella Andre

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Ein Hinweis von Bella

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Dir nah zu sein

Die Sullivans Aus Seattle

© 2017 Bella Andre

Übersetzung Christine L. Weiting – Language + Literary Translations, LLC

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In seinem ganzen Leben ist Ian Sullivan, dem wohlhabenden und einflussreichen CEO von Sullivan Investments, noch nie etwas misslungen … außer in der Liebe. Nach seiner gescheiterten Ehe ist er sicher, dass er sich nie wieder binden wird. Dass ihm eine schöne Schauspielerin seine perfekt organisierte Welt völlig auf den Kopf stellt, ist das Letzte, mit dem er gerechnet hat.

Tatiana Landon, eins der angesagtesten Hollywood-Talente, hat ihr ganzes Leben lang auf die wahre Liebe gewartet. Als sie Ian kennenlernt, ist sie sicher, dass sie sie bei ihm endlich gefunden hat … und dazu eine heißere Leidenschaft, als sie sich jemals hätte träumen lassen. Jetzt muss sie ihn nur noch dazu bringen, sich auf das Risiko einer neuen Liebe einzulassen.

Bald wird Ian klar, dass Tatiana es genauso sehr darauf abgesehen hat, sein Herz zu gewinnen, wie er, es vor ihr in Sicherheit zu bringen. Durch eine unvorhergesehene Situation werden alle Spielregeln außer Kraft gesetzt. Wird er Tatiana jetzt endlich als seine wahre Liebe erkennen?

Ein Hinweis von Bella

Ich mochte Tatiana Landon vom ersten Augenblick an, als ich sie vor eineinhalb Jahren beim Schreiben der Liebesgeschichte Lass dich von der Liebe verzaubern über Smith Sullivan und Valentina Landon kennenlernte. Sie war intelligent, voller Liebe für ihre Familie und liebte leidenschaftlich ihren Beruf als Schauspielerin … Es war klar, dass sie eines Tages einen Mann sehr, sehr glücklich machen würde.

Ich musste sie unbedingt mit einem Sullivan zusammenbringen! Welcher andere wäre gut genug für sie? Als ich anfing, über die Sullivans aus Seattle zu schreiben, wurde mir schnell klar, dass Ian Sullivan perfekt zu ihr passen würde … und sie zu ihm. Als der Älteste von fünf Geschwistern der in Seattle ansässigen Familie Sullivan, brauchte Ian genau das: Eine schöne, aufrichtige, unwiderstehliche Frau, die seine Welt aus den Angeln hob und in die er sich unweigerlich verlieben musste. Ich hoffe, Sie mögen die Geschichte von Tatiana und Ian!

Ein unterhaltsames Leseerlebnis wünscht Ihnen Ihre

Bella Andre

P.S. Falls Sie zum ersten Mal ein Sullivans-Buch lesen: Jedes Buch lässt sich leicht als Einzelband lesen, auch, wenn man die anderen noch nicht kennt. Auf meiner Website finden Sie übrigens einen Stammbaum der Sullivans (bellaandre.com/sullivan-family-tree), damit Sie sehen können, wie die Bücher miteinander zusammenhängen.

Kapitel 1

Vor den raumhohen Fenstern des Wolkenkratzers von Sullivan Investments fiel immer noch Regen, wie schon seit Tagen. In der Innenstadt schien es mittlerweile doppelt so viele Coffee-Shops wie andere Läden zu geben. Und Ian Sullivan war von seiner Schwester Mia bereits ein halbes Dutzend Mal per Textnachricht daran erinnert worden, dass er sich beim Abendessen bei ihren Eltern bloß nicht verspäten sollte, weil vielleicht noch ein kurzfristiger Termin dazwischenkam.

Trotz alledem tat es gut, wieder in Seattle zu sein.

Überraschend gut.

In den letzten Jahren hatte Ian von seinem Londoner Büro aus gearbeitet und seine europäischen Investitionen liefen dementsprechend gut. Aber da Sullivan Investments nun kurz davorstand, massiv in eAirBox, ein innovatives Unternehmen für cloudgestützte digitale Speicherlösungen aus Seattle, zu investieren, war es das Vernünftigste gewesen, endlich wieder nach Hause zu kommen. Außerdem würden zwei seiner Geschwister bald heiraten und eine Familie gründen. Und Ian hatte dadurch, dass ihn ein Ozean von ihnen trennte, bereits zu viele wichtige Ereignisse im Leben seiner Geschwister verpasst.

Auf jeden Fall freute er sich, dass bei dem Geschäft, das er heute mit Jake McCann für dessen sehr erfolgreiche Kette irischer Pubs McCann’s abgeschlossen hatte, alles in der Familie blieb. Jake war nicht nur genial als Hersteller von Craft-Bieren, sondern er war auch mit Sophie, einer von Ians Cousinen aus San Francisco, verheiratet. Auch wenn ihm bewusst war, dass er damit gegen eine altbewährte Regel der Geschäftswelt verstieß, war die Zusammenarbeit innerhalb der Familie nach Ians Erfahrung stets nicht nur angenehm, sondern auch extrem gewinnbringend.

„Ich freue mich, dass wir dieses Geschäft hingekriegt haben, Ian“, sagte Jake in der Videokonferenz, die in einen von Ians kleineren Besprechungsräumen im 15. Stock geschaltet worden war.

Jakes T-Shirt brachte seine Tätowierungen voll zur Geltung. Obwohl er unglaublich intelligent und ein cleverer Geschäftsmann war, konnte man unschwer erkennen, dass er eine ziemlich raue Kinderstube hinter sich hatte. Ian hätte sich niemals träumen lassen, dass seine Cousine, die Bibliothekarin mit der sanften Stimme, und Jake als Paar eine Chance hätten, zumal Jake Sophie bei einem One-Night-Stand geschwängert hatte. Aber sie hatten sich als wahnsinnig gutes Team erwiesen und Ian freute sich für sie.

„Ich habe großen Respekt vor dem, was du mit deinen Pubs schon alles geleistet hast. Alle hier freuen sich, dass wir uns an deiner Expansion beteiligen dürfen.“ Nachdem Ians Chefjurist die Besprechung verlassen hatte, um einen dringenden Anruf entgegenzunehmen, lenkte Ian das Gespräch in eine persönlichere Richtung. „Wie geht es Sophie und den Zwillingen? Smith und Jackie sind bestimmt schon groß.“

„Kleinen Moment, ich zeig sie dir.“ Jake erhob sich vom Stuhl seines Homeoffice und war kurz darauf mit je einem zappelnden Kind unterm Arm wieder da. „Kinder, sagt Onkel Ian Hallo!“

Jake und Sophies Zwillinge waren unwahrscheinlich niedlich, wie sie ihm beide grinsend zuwinkten. Jackie hatte Hände und Gesicht voller Krümel und Smiths dunkle Haare standen ihm zu Berge, so als sei er gerade aus einem sehr tiefen Mittagschlaf aufgewacht.

Ian hatte keine Ahnung, wie Jake es schaffte, sein Geschäft so gut zu managen und dabei noch Zeit für Frau und Kinder zu haben. Seine Ehe war das Einzige, womit Ian jemals gescheitert war, und zwar so abgrundtief, dass er danach hundertprozentig sicher war, in seiner Zukunft würde, nein, dürfe es nie wieder eine Frau geben. Damit waren logischerweise Kinder auch nicht mehr aktuell. Zum Glück gab es ja genug Sullivan-Babys, die man verwöhnen konnte.

Ian hatte gerade seinerseits die Zwillinge begrüßt, da schlängelten sich beide aus Jakes Armen und machten sich davon. Ian hörte Sophie lachen, als sie sie hochnahm, kurz bevor sie selbst vor der Kamera auftauchte.

„Hey, Cousin.“ Sophie schien völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass ihre Kinder jetzt nicht nur wie wild zappelten, sondern sich auch noch gegenseitig an den Haaren zu ziehen versuchten. „Ich würde ja gern länger mit dir ein paar Neuigkeiten austauschen. Aber da ich wohl gleich ein Baby-Kämpfchen schlichten muss, wollte ich dir nur ausrichten, du solltest heute Abend zum Essen bei deinen Eltern nicht zu spät kommen. Sonst …“

„Hast du etwa auch die Nachricht von Mia bekommen?“

Jake und Sophie lachten nur, als sie sich die Kinder teilten und Smith und Jackie wieder zu heulen anfingen. „Grüß alle ganz herzlich von uns.“

Nachdem er die Videokonferenz abgeschaltet hatte, ging Ian durch einen langen Flur, von dem aus man Dutzende von Arbeitsplätzen einsehen konnte, zu seinem Büro. Um Viertel nach sechs am Freitagabend waren fast alle Mitarbeiter gegangen. Obwohl er erst seit eineinhalb Wochen wieder in Seattle zurück war, hatte Ian selbst feststellen können, dass im Büro alles mit perfekter Effizienz ablief. Organisation und Ordnung waren immer entscheidende Faktoren für seinen Erfolg gewesen, gepaart mit laserscharfer Konzentration und unerschütterlicher Entschlossenheit.

Nur einmal hatte er den Fehler gemacht, sich spontan von seinem Kurs abbringen zu lassen. Aber nach seiner verunglückten Ehe und der noch schlimmeren Scheidung hatte er umso mehr darauf geachtet, dass die Frauen, mit denen er zu tun hatte, die Spielregeln einhielten, die alle Beteiligten vor zukünftigem Unglück bewahren würden: keine Verstrickungen, keine Gefühle. Nur Stunden der Lust, wenn man beisammen war, und ansonsten absolut nichts. Und wer meinte, der Verzicht auf Liebe sei ein Grund zu trauern, hatte keine Ahnung, welche Erleichterung es war zu wissen, dass er nie wieder einer Frau durch unhaltbare Versprechungen wehtun würde.

An der Schwelle zu seinem Büro schüttelte Ian alle Gedanken an Liebe und Liebesaffären ab, dann ging er hinein. In dem weltweiten Imperium, das er aufgebaut hatte, gab es für die Liebe keinen Platz und darüber war er froh. Zumal er gerade jetzt jedes Fünkchen Konzentration brauchte, um alles zu tun, was zu tun war, damit das eAirBox-Geschäft endlich unter Dach und Fach kam.

Ian war dabei, im Geist eine E-Mail an seinen Vorstand mit dem neuen Gegenangebot zu verfassen, das er am Montagmorgen vorlegen wollte. Er war auf halbem Weg zu seinem Schreibtisch, als er merkte, dass er nicht allein war. Sein breiter Ledersessel war vom Schreibtisch weggedreht, sodass er nur den Sesselrücken sah … und über der Armlehne lagen die tollsten nackten Beine gekreuzt, während die glänzend roten Stöckelschuhe der Frau in schnellem Takt in der Luft wippten.

Die Beine konnte er nicht sofort zuordnen, aber dem Duft war er in seinem Leben erst einmal begegnet: vor ein paar Monaten auf der Hochzeit seines Cousins Marcus im Napa Valley. Vanille und scharfe Gewürze zu gleichen Teilen – die Kombination war gleichzeitig so unschuldig und von so machtvoller Sinnlichkeit, dass ihn das Verlangen überkam, sie noch einmal einzuatmen, und sofort darauf ein weiteres Mal.

Tatiana Landon.

Wäre es jemand anderes gewesen, dann hätte Ian sie sofort auf seine Anwesenheit aufmerksam gemacht. Aber er brauchte erst ein paar Augenblicke, um sich gegen die übermächtige Wirkung zu wappnen, die die schöne Schauspielerin auf ihn hatte. Und am Ende einer langen, arbeitsreichen Woche kostete es ihn mehr als nur ein paar Sekunden, seine Schutzmauer nicht nur zu verstärken, sondern auch sicherzustellen, dass sie absolut undurchdringlich bleiben würde.

Schließlich räusperte er sich. Aber ihre Füße wippten weiterhin im Takt und sie drehte den Sessel nicht um. Als er näherkam, wurden ihr Duft und die dadurch ausgelösten Erinnerungen stärker. Er biss die Zähne zusammen, um ihrer übermächtigen Wirkung zu widerstehen und streckte die Hand nach der Rückenlehne aus, um sie zu ihm umzudrehen.

Kaum hatte er den Sessel ein Stückchen gedreht, da stieß sie einen kleinen Schrei aus, sprang fast aus dem Sessel und ließ sich dann wieder hineinfallen. Sie hielt eine Hand auf ihren Mund und die andere gegen ihre Brust gepresst, während sie mit angewinkelten Beinen auf der ledernen Sitzfläche hockte und ihn mit großen grünen Augen anblickte.

Bevor er sich bremsen konnte, genoss Ian bereits den prächtigen Anblick entblößter Haut unter dem Rockteil ihres Kleides, der an ihren Oberschenkeln hochgerutscht war. Ihr langes Haar breitete sich lose über ihre Schultern und sie war durch sein Kommen so erschrocken, dass sie errötete.

Ob es wohl auf der Welt noch eine Frau gab, die so schön war?

Als sie schließlich ihre Ohrhörer aus dem Ohr und ihre Beine unter sich hervorzog, lachte sie. „Sie haben mir einen Schreck eingejagt.“

Wenn sie ihm vorher schon schön erschienen war, so wurde ihm jetzt, wo sie so frei und unbeschwert lachte, klar, dass er bisher gar nicht gewusst hatte, was Schönheit eigentlich war. Er war derjenige, der sie erschreckt hatte, aber sie nur anzuschauen, ließ jetzt sein Herz zu schnell schlagen.

„Wie lange warten Sie schon in meinem Büro?“

„Schon ein Weilchen. Ihre Sekretärin wollte es Ihnen sagen, aber ich bat sie, Ihre Besprechung nicht zu unterbrechen. Natürlich wusste ich da noch nicht, dass Sie in Ihrem Büro absolut gar nichts haben, für das es sich lohnen würde, ein bisschen herumzuschnüffeln.” Sie hielt inne, und sah ihn genauer an. „Sie sehen erfreut aus; ich hoffe also, dass Ihre Besprechung gut gelaufen ist.“

„Das ist sie“, sagte er, auch wenn er nur mit Mühe seine Überraschung verbergen konnte, dass sie ihn so leicht und so genau durchschaute. „Jake und ich hatten noch viele Details zu klären, bevor der Vertragsentwurf für unsere Vereinbarung verfasst werden kann, deswegen hat es etwas länger gedauert als geplant.“

„Meinen Sie Sophies Jake? Investieren Sie in die McCann’s Pubs?“

„Ich bin seit Langem an seiner Firma interessiert und jetzt war endlich der richtige Zeitpunkt.“ Moment mal – er brauchte ihr doch überhaupt nicht zu erklären, warum er nicht in seinem Büro war, um sie zu begrüßen. Zumal sie ihm gar nicht gesagt hatte, dass sie kommen wollte. „Warum sind Sie hier?“

Ihre Mundwinkel verzogen sich unmerklich zur Andeutung eines Lächelns. So als hielte sie seine schnöde Unhöflichkeit für … süß. „Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Ian.“

Verdammt, sie hatte recht – er benahm sich wie ein Idiot. Aber nur, weil sie ihn auf eine Art aus der Fassung brachte, wie es ihm bisher mit niemandem passiert war.

„Ich mich auch.“ Aber er wusste, dass das nicht ausreichte. Schließlich würde sein Cousin Smith bald Tatianas Schwester Valentina heiraten. Bei jedem anderen Mitglied seiner weitverzweigten Familie hätte Ian sich freundschaftlich verhalten, ganz egal, unter welchen Umständen man sich begegnete. Tatiana sollte er nicht anders behandeln. „Hübsch sehen Sie aus.“

Sie errötete leicht, sah auf ihr Kleid hinunter und strich sich mit der Hand eine Locke glatt. In diesem Augenblick bemerkte er, dass sie ein wenig unsicher schien. So, als sei sie nicht sicher, ob er das Kompliment ernst gemeint hatte. So, als sei sie nicht einer der angesagtesten und gefragtesten Filmstars der Welt, der jeder Mann, den sie sich wünschte, zu Füßen liegen würde.

Als er Tatiana bei der Hochzeit seines Cousins kennengelernt hatte, war Ian von ihrer Arglosigkeit überrascht gewesen. Und genau wie damals rief er sich jetzt ins Bewusstsein, dass niemand, der in Hollywood erwachsen geworden war, wirklich arglos sein konnte. Es gehörte schlicht und einfach zu ihrem schauspielerischen Talent, dass sie sogar einen Zyniker wie ihn dazu bringen konnte, dort Arglosigkeit zu vermuten, wo keine war.

„Danke“, sagte sie leise, so als sei sein Kompliment mehr für sie als eine freundliche Begrüßungsformel. Ihre Augen strahlten, als sie ihn anlächelte. „Ich freue mich sehr, für die Dreharbeiten zu meinem nächsten Film hier in Seattle zu sein. Deswegen bin ich eigentlich auch hergekommen. Ich möchte Sie bitten, mir bei etwas zu helfen.“

Ian leitete sein Unternehmen – und sein Leben – mit einer Kombination aus Kalkulation, gut durchdachter Strategie und Bauchgefühl.

Und jetzt warnte ihn sein Bauchgefühl vor Schwierigkeiten.

Instinktiv spürte er, dass er mehr Abstand zwischen sich und Tatiana schaffen sollte, und bot ihr an, sich auf die Couch zu setzen, während er auf seinen Schreibtischsessel zuging. Aber dabei hatte er sich in Bezug auf sie wieder einmal verrechnet. Jetzt konnte er nämlich nicht nur ihren Duft riechen, sondern auch die Wärme des Leders spüren, wo sie vor ihm gesessen hatte.

„Gibt es Probleme mit der Finanzierung Ihres neuen Films?“ In den letzten Jahren hatte er Smith bei der Finanzierung mehrerer Filme geholfen und er und seine Führungskräfte hatten beschlossen, sich im kommenden Jahr stärker auf diesen Geschäftsbereich zu konzentrieren. Aber es gehörte nicht zu seinem Plan, in einen Film zu investieren, mit dem es Probleme gab. Bereits während er Tatiana die Frage stellte, überlegte sich Ian, wie er ihr dies schonend beibringen konnte.

„Nein, die geschäftliche Seite der Produktion läuft hervorragend. Das ist es nicht, wofür ich Ihre Hilfe brauche.“

Ian hätte eigentlich erleichtert sein sollen, dass sie nicht gekommen war, um ihn um Geld zu bitten. Stattdessen wurde er nur noch angespannter. Denn, wenn sie nicht sein Geld wollte, was konnte sie bloß sonst von ihm wollen?

Schwierigkeiten, schoss es ihm wieder durch den Kopf, als sie – ein Wirbel aus unbezähmbarer Leidenschaft und Energie – aufstand.

„Jede Rolle, die ich spiele, ist anders und ich lerne gerne neue Laufbahnen und neue Welten kennen. Ich bin keine Vertreterin des Method-Acting, ganz im Gegenteil, ich könnte mir nicht vorstellen, mein eigenes Leben völlig auszuschalten, um während der Dreharbeiten ganz in meine Figur einzutauchen. Aber es ist wirklich wichtig für mich, die Figur, die ich spiele, genau zu verstehen, in- und auswendig.“ Sie hielt inne und lächelte ihn an. Offensichtlich konnte sie seine Gedanken lesen. „Ich weiß, Sie fragen sich wahrscheinlich gerade, warum ich Ihnen all das erzähle.“

Angesichts ihres atemlosen Monologs hätte er normalerweise ein Grinsen nur mit Gewalt unterdrücken können, hätte da nicht immer noch dieses warnende Gefühl in seinem Bauch gebrodelt. „Richtig.“

„Die Figur, die ich als Nächstes spiele, wird über Nacht Milliardärin. Sie erbt eine riesige Firma und muss schließlich ein internationales Unternehmen führen, ähnlich wie Ihres. Ich würde in den nächsten zwei Wochen gerne Job-Shadowing bei Ihnen machen, um für meine Rolle zu recherchieren.“

Sie wollte Job-Shadowing bei ihm machen?

In einer Million Jahren wäre er nicht darauf gekommen, dass sie ihn um so etwas hätte bitten können. Das hieß allerdings nicht, dass er nicht sofort wusste, wie seine Antwort darauf lauten musste.

Nein.

Da sie fast mit ihm verwandt war, würde er seine Weigerung freundlich verpacken. Schließlich würde er Tatiana die nächsten sechzig Jahre lang bei Familienfeiern wiedersehen. Und wenn seine Schwester Mia herausfände, dass er Tatiana irgendwie verletzt hätte, würde sie ihn für alle Zeiten als ungefälligen Trottel beschimpfen.

„Erstens“, sagte er, „bin ich kein Milliardär.“

Es war ein Ziel, das ihn viele Jahre lang angetrieben hatte, bis er so nahe daran war, dass er es praktisch schmecken konnte – und jede weitere Stunde Arbeit auf dem Weg zu diesem Ziel lohnte sich. Das war einer der Gründe, warum ihm das eAirBox-Geschäft so wichtig war. Es wäre nicht nur für Sullivan Investments ein höchst geschickter Schachzug, sondern es würde ihn direkt in die Reichweite seiner ersten Milliarde bringen. Die Nullen auf seinen Kontoauszügen waren für Ian nicht nur ein Barometer für Erfolg und geschäftliche Siege, sie bedeuteten auch Sicherheit. Auch, wenn er bereits für jedes Mitglied seiner Familie einen Treuhandfonds gegründet hatte, so war es ihm doch wichtig, absolut sicher zu sein, dass sie alle für die Zukunft ausgesorgt hatten, komme, was da wolle.

„Nein, noch nicht“, nickte sie, „aber ich habe mir Ihre Vermögenswerte angeschaut und ich tippe mal, dass Ihre nächste große Investition Sie dorthin bringen wird.“

Wieder war er überrascht. Allerdings war es dieses Mal die Intelligenz in ihrem Blick, die ihm auffiel, als sie darüber sprach, wie sie seine Finanzen recherchiert hatte. Noch auffälliger war, wie locker sie darüber sprach, dass er fast eine Milliarde Dollar besaß. So, als wäre sie nicht sonderlich daran interessiert, wie reich er war.

Ian kannte nur wenige Menschen, denen sein Reichtum egal war, und die meisten davon hatten denselben Familiennamen wie er. Tatiana war mit ihrer Schauspielkarriere durchaus erfolgreich, aber sie wussten beide, dass er hundertmal so reich war wie sie. Da sie eine Frau war, die offensichtlich hübsche Sachen – wie die roten Schuhe an ihren Füßen und die glitzernden Juwelen an ihren Ohren – mochte, musste sein Reichtum doch interessant für sie sein, oder etwa nicht? Vor allem – fügte der Zyniker in ihm hinzu – wenn sie glaubte, er könne vielleicht irgendwann einen Teil davon für sie ausgeben.

„Auf jeden Fall“, fuhr sie fort, „sind Sie, nach meinen anfänglichen Recherchen zu urteilen, der perfekte Firmenchef, von dem ich für meine Rolle lernen kann. Sie sind konzentriert. Sie haben Antrieb. Sie wissen offensichtlich, wie man genau diejenigen Ideen erkennt, die Erfolg und Rendite bringen. Außerdem geben Sie der Allgemeinheit etwas zurück. Sie werden es nicht einmal merken, dass ich da bin, während ich Sie begleite und beobachte. Ich würde mir natürlich gerne Notizen machen, aber ich werde eine bombensichere Geheim­halt­ungserklärung unterschreiben und ich verspreche Ihnen, dass von dem, was ich in Ihrem Büro höre oder sehe, kein Wort jemals nach außen gelangen wird. Montagmorgen werde ich dorthin kommen, wo immer Sie mich hinbestellen, Sie brauchen mir nur zu sagen, um wie viel Uhr ich bereitstehen soll.“

Blitzschnell stiegen Bilder in ihm auf. Von Tatiana, die tat, was immer er von ihr wollte. Nur war er in seiner Vorstellung nicht mit ihr in seinem Büro … Sie waren beide in seinem Schlafzimmer und sie war nackt und erhitzt vor Verlangen, während er all die schönen, weichen Kurven berührte, die ihr so gut standen.

Verdammt, das war genau der Weg, den er nicht beschreiten durfte. Eigentlich hätte ihn das daran erinnern sollen, warum er das Job-Shadowing keinesfalls zulassen durfte. Denn während er normalerweise für seine Selbstdisziplin bekannt war, lag von seiner Reaktion auf Tatiana nichts auch nur im Geringsten im Bereich der Normalität.

„Ich bin gerade erst aus London an meinen Hauptsitz in Seattle zurückgekehrt, wie Sie aus Ihren Recherchen sicher wissen“, sagte er und hob eine Braue, „und für die Firma ist es eine besonders hektische Zeit. Außer meiner üblichen Arbeit habe ich noch mehrere wichtige Veranstaltungen zu managen und auch Geschäftsreisen geplant.“

Tatiana sah ihn unverwandt an, während sie sich seine Rechtfertigungen anhörte. Ihr Lächeln war nicht mehr ganz so strahlend, aber sie strahlte immer noch freudige Entschlossenheit aus. „Ich weiß, ich komme ohne Vorwarnung. Vielleicht sollte ich ein bisschen warten, bis ihr Termindruck etwas nachgelassen hat …“

„Mein Termindruck lässt nie nach.“

Ihr Gesicht nahm einen weicheren, besorgten Ausdruck an. Es erinnerte Ian an die Art, wie seine Mutter und Schwester ihn anschauten, wenn sie sich Sorgen um ihn machten.

„Ich bin sicher, es gibt in Seattle andere Firmenchefs, die mit Ihnen arbeiten könnten.“ Und zweifellos würde jeder Einzelne von denen sofort zugreifen, wenn sich die Möglichkeit böte, zwei Wochen mit ihr zu verbringen. Aber bereits, als er nach seinem Handy griff, um ihr die Nummern zu geben, war ihm der Gedanke unerträglich, sie könne sich mit einem dieser Männer das Büro teilen. Und wenn sich einer von ihnen an sie heranmachen würde?

„Ich weiß, dass es in Seattle viele andere Firmenchefs gibt, die ich anrufen könnte. Aber Sie sind etwas Besonderes, Ian. Und ich würde mir wirklich gerne Sie für diese Rolle zum Vorbild nehmen.“

Es lag ihm ein halbes Dutzend weiterer Gründe auf der Zunge, warum er sich weigern sollte, aber ihm war bewusst, dass nur einer davon wirklich galt: Er traute sich selbst nicht über den Weg, auch nur eine Stunde mit Tatiana zu verbringen, geschweige denn eine ganze Woche. Schon bei diesem einen kurzen Gespräch hatte es mehr Funken und mehr erotische Spannung gegeben, als er es je mit einer anderen Frau erlebt hatte.

Je weniger Zeit sie miteinander verbrachten, umso besser würde es für sie beide sein. Tatiana war eine junge, begabte Schönheit mit staunenden Augen voller Träume. Und sie konnte sicher sein, dass unendliche Möglichkeiten vor ihr lagen. Ian hingegen wusste aus eigener Erfahrung, wie unmöglich einige Dinge tatsächlich waren. Er hatte das Staunen, die Träume und die unendlichen Möglichkeiten bereits bei seiner Ex-Frau zerstört. Er könnte es sich niemals verzeihen, wenn er bei Tatiana das Gleiche tun würde.

Obwohl er also ihre Gefühle möglichst nicht verletzen wollte, wusste er auch, dass es unklug wäre, seine Antwort zu vorsichtig zu formulieren und in ihr die Hoffnung zu wecken, er könnte seine Meinung noch ändern. „Nein.“

Überraschung war in ihren Augen keine zu erkennen. Aber Enttäuschung. Und obwohl er das Richtige tat, zog sich alles in ihm zusammen. Denn, wenn er jemals den Fehler machen würde, sie zu berühren – wenn er es sich zugestehen würde, sie auch nur eine Stunde lang ganz für sich zu beanspruchen – dann wäre es undenkbar, sie jemals wieder loslassen zu können. Damit sie sich danach mit einem anderen Mann vergnügen könnte? Undenkbar.

Auf der Hochzeit von Marcus und Nicola hatte er erfahren, dass Tatiana von einem langen weißen Kleid mit Spitzenschleier träumte und sich schon als kleines Mädchen ihre eigene Hochzeit ausmalte, während sie im Brautkleid ihrer Mutter im Garten spielte. Ian würde nie wieder für eine Frau Teil eines solchen Traumes sein können, egal, wie sehr er sie begehrte.

Aber auch, als er einen Schritt zurücktat, kam sie in ihren sexy roten Stöckelschuhen weiter auf ihn zu. Ihre Haut war gerötet und sah weich aus. „Warum“, fragte sie, als sie knapp einen Atemzug von ihm entfernt stand.

Plötzlich verstand er, warum sie so großen Erfolg hatte. Sie war nicht nur eine großartige Schauspielerin. Sie schien auch keine Angst zu kennen, zögerte nicht und hielt nichts zurück, wo andere Menschen als Reaktion auf sein entschiedenes Nein instinktiv genau das getan hätten.

„Ich habe alle Gründe gehört, die Sie mir gerade genannt haben“, fuhr sie genauso geradeheraus und offen fort, wie sie auch in Marcus‘ Weinberg im Napa Valley vor Monaten mit ihm gesprochen hatte. „Aber keiner davon ist der eigentliche Grund, warum Sie Nein sagen, nicht wahr?“

Einen Augenblick lang – in einem Sekundenbruchteil vorübergehenden Wahnsinns – war er versucht, ihr genau zu zeigen, warum. Sie in seine Arme zu reißen und ihr einen Kuss zu rauben, den sie nie wieder vergessen würde. Ihr die Kraft und die Macht der intensiven Anziehung zwischen ihnen zu zeigen.

Und den Schaden, den sie anrichten konnte.

Seine Selbstbeherrschung kehrte gerade noch rechtzeitig zurück, sodass er die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten ballen konnte, anstatt ihr seidiges Haar zu ergreifen. Vorsichtig wägte er seine Worte ab, um ihr die richtige Antwort zu geben, da wurde die Bürotür aufgerissen.

„Aha! Wusste ich‘s doch, dass ich dich hier finden würde, immer noch bei der Arbeit. Ford wartet unten im Auto, um dich jetzt sofort zu Mom und Dad nach Hause zu bef…“ Seine Schwester Mia realisierte plötzlich, dass er nicht allein war. „Tatiana, ich wusste gar nicht, dass du schon in Seattle bist. Ich bin so froh, dich wiederzusehen!“

Als die beiden Frauen sich zur Begrüßung umarmten, warf Mia Ian über Tatianas Schulter einen Blick zu, bei dem er die Zähne noch fester zusammenbiss, als er dies vor der Ankunft seiner Schwester getan hatte. Er konnte nämlich ihre Gedanken lesen.

Ian hat sich küssen lassen

mitten auf der Kaiser Straßen,

Mutti hat’s gesehn und du musst gehn.

Als sie noch Kinder waren, lief alles auf ganz simple Gefühle hinaus. Aber das Leben war nicht mehr simpel, und zwar seit Langem nicht mehr. Verflixt, Mia sollte das eigentlich verstehen, nachdem es auch mit ihr und Ford Vincent nicht einfach gewesen war. Der Rockstar war jetzt ihr Verlobter und unsterblich in sie verliebt, aber während der fünf Jahre vorher hatte ihre Beziehung ganz anders ausgesehen.

Als der älteste Sohn der Familie hatte Ian sich nach besten Kräften bemüht, auf Mia aufzupassen, seit dem Tag, als seine Eltern sie als winziges, in weiche Decken gehülltes Bündel aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht hatten. Er hatte sich immer um sie gekümmert, wenn sie sich die Knie aufschürfte, auf dem Spielplatz vom Klettergerüst fiel, auf der Skipiste stürzte oder Hilfe brauchte, weil sie die ganze Nacht lang für eine Arbeit lernen musste. Auch sie war immer für ihn da gewesen. Sie hatte ihn mit ihren Clownereien zum Lachen gebracht, auch noch, als während seiner Studienzeit für die Familie schlechte Zeiten anbrachen und es nicht mehr viel zu lachen gab.

Später, als sie beide erwachsen waren, hatte seine Schwester versucht, während seiner Scheidung wieder für ihn da zu sein. Aber anstatt es ihr zu erlauben, hatte er das Land verlassen. In den Jahren danach hatte er mit niemandem über die Einzelheiten seiner Scheidung gesprochen, auch nicht mit seiner Schwester. Was aber nicht hieß, dass sie keine Ahnung hatte. Sie wusste, dass er nicht an Liebe, Beziehungen oder einer weiteren Ehe interessiert war, auch wenn ihr nicht ganz klar war, warum.

Mia ließ Tatiana los und ließ sich von ihm umarmen. Als er ihr einen Kuss auf den Kopf drückte, wusste er plötzlich, dass es richtig gewesen war, nach Seattle zurückzukehren. Während seiner Jahre in London hatte er seine Schwester sehr vermisst.

„Ich freue mich, dass du wieder hier bist, großer Bruder“, sagte sie und umarmte ihn fester. Aber eine Sekunde, nachdem sie ihn losgelassen hatte, fing sie bereits wieder an, in seinem Privatleben herumzustochern. „Es sieht ja so aus, als hätte ich gerade eine ziemlich ernsthafte Diskussion unterbrochen.“ Sie versuchte gar nicht erst, diplomatisch zu sein, sondern fragte gleich: „Stimmt‘s?“

„Ich war hier in der Gegend“, sagte Tatiana und lächelte unbefangen. „Also beschloss ich, kurz vorbeizukommen und zu sehen, ob ich Ian noch vor Feierabend erwischen würde. Die Hauptfigur in meinem nächsten Film ist eine Frau, die eine große Firma erbt. Da dachte ich mir, es könnte zur Vorbereitung nützlich sein, deinen Bruder ein bisschen in Aktion zu beobachten.“

Er staunte, wie leicht ihr die Wahrheit über die Lippen kam und wie sie ihn gleichzeitig davor bewahrte, seiner Schwester gegenüber einzugestehen, dass er ein Trottel war, der ihr kategorisch seine Hilfe verweigert hatte.

„Interessant“, sagte Mia in einem Ton, der Ian genau zu verstehen gab, wie interessant sie die ganze Situation fand. Viel zu interessant für seinen Seelenfrieden, der bereits durch die rein körperliche Nähe zu Tatiana auf der Kippe zum Wahnsinn stand. „Hast du schon etwas gelernt, das du für deine Rolle nutzen kannst?“

Tatianas Blick traf seinen einen kurzen aber heißen Moment lang, bevor sie wieder seine Schwester anlächelte. „Nur, dass Firmenchefs beschäftigt sind. So beschäftigt, dass ihre Schwestern kommen müssen, um dafür zu sorgen, dass sie ihr Büro am Freitag zu einer vernünftigen Uhrzeit verlassen.“

Mia warf ihm einen weiteren wissenden Blick zu. „Du hast sie doch für heute Abend zum Essen bei Mom und Dad eingeladen, oder etwa nicht?“

„Ich fürchte, ich habe ihn gar nicht so weit kommen lassen“, sagte Tatiana und bewahrte ihn so nochmals vor dem Zorn seiner Schwester. „Außerdem sollte ich mir heute Abend wirklich noch die letzten Änderungen anschauen, die der Drehbuchautor gemacht hat.“

„Kommen Sie mit uns zum Abendessen, Tatiana.“ Sogar in Ians eigenen Ohren klang seine Einladung so rau, als hätte er Kies auf den Stimmbändern, also setzte er nochmals an. „Unsere Eltern würden sich wirklich sehr freuen, Sie dabei zu haben“.

„Wir würden uns alle freuen“, verbesserte Mia ihn und mit jeder Sekunde trat deutlicher zutage, wie sehr ihr sein Benehmen Tatiana gegenüber missfiel. „Und ich akzeptiere kein Nein als Antwort; die Änderungen an deinem Drehbuch werden eben noch ein paar Stunden warten müssen.“

Mit diesen Worten hakte seine stürmisch-resolute Schwester Tatiana unter. Als sie zum Aufzug gingen, rief sie ihm über die Schulter zu: „Beeil dich, Ian, sonst merken die Leute, dass ihr Lieblings-Rockstar unten im Auto auf uns wartet und dann kommen wir wirklich zu spät zu Mom und Dad.“

In London war Ian nicht nur hundertprozentig für sein Geschäft, sondern auch für sein Privatleben zuständig gewesen. Kaum war er eine Woche in Seattle, mischte sich seine Familie schon wieder ein. Aber nur, weil sie ihn liebten, brachte er sich selbst in Erinnerung, als er den Blumenstrauß ergriff, den er für seine Mutter gekauft hatte.

Er musste sich also heute Abend beim Essen auf noch viel mehr Einmischung gefasst machen.

Vor allem, wenn es ihm nicht gelang, seine Reaktion auf Tatiana besser zu verbergen, als er das bisher geschafft hatte …

Kapitel 2

Ians Büro sah genauso aus, wie Tatiana es sich vorgestellt hatte. Alles war perfekt aufgeräumt, alles stand an seinem Platz und vor allem war hier jeder bemüht, es ihm recht zu machen.

Bei dem Gedanken musste sie lächeln, denn dieses Gefühl konnte sie sehr gut nachempfinden. Verflixt, sie kannte ihn kaum, außer dieser einen Begegnung auf der Hochzeit von Marcus und Nicola im Napa Valley. Und dem, was sie von ihrer Schwester und den anderen Sullivans über ihn gehört hatte … und trotzdem ertappte sie sich dabei, wie sie selbst gern etwas, irgendetwas tun wollte, das in seinen dunklen Augen einen Funken Anerkennung auslösen würde. Diese Augen schienen so voller Geheimnisse – und so voller kaum gezügelter Hitze –, dass sie jedes Mal, wenn sie in anblickte, unwillkürlich wie magisch angezogen wurde.

Wieder musste sie lächeln, aber dieses Mal wegen ganz anderer Funken. Funken, die sie jedes Mal, wenn sie in den vergangenen Monaten an Ian gedacht hatte, ganz warm, erregt und kribbelig werden ließen.

Sie wollte wissen, ob ihre Erinnerung an die augenblickliche Verbindung, die sie im Weinberg zwischen ihnen gespürt hatte, Wirklichkeit war. Nach kaum fünfzehn Minuten mit Ian in seinem Büro wusste sie es.

Ja, die Funken waren echt … und wurden von Sekunde zu Sekunde heißer.

Besonders, nachdem er auf ihre Bitte kurz angebunden mit Nein geantwortet hatte und sie näher gekommen war, um zu fragen, warum. Vielleicht, das gab sie zu, war es ein bisschen ungezogen, wenn sie es so genoss, ihn zu provozieren. Aber wie sollte sie widerstehen können, wenn in seinen Augen diese Hitze und diese Emotionen aufleuchteten, die er in ihrer Nähe anscheinend nicht zügeln konnte? Ihr Erscheinen hatte sein ansonsten sorgfältig geordnetes Leben offensichtlich in Aufruhr gebracht. Sogar ihre roten Schuhe und die Glitzerohrringe schienen ihn zu irritieren, so als seien leuchtende Farben im Hauptsitz von Sullivan Investments ausdrücklich verboten.

Während der ersten zwei Stunden des Wartens in seinem Büro hatte sie auf ihrem Handy ihr Drehbuch geöffnet und es noch zweimal durchgelesen. Nachdem sie es schon mehr als zweihundert Mal durchgegangen war, hoffte sie, endlich den gesuchten Schlüssel zur Seele ihrer Hauptfigur zu finden. Aber der ersehnte Aha-Effekt, den sie so dringend brauchte, wollte sich nicht einstellen. Frustriert, weil sie nicht vom Fleck kam, hatte sie sich fürs Erste geschlagen gegeben und ihr Drehbuch weggelegt, um über ihre Kopfhörer einen von Nicolas Pop-Songs zu genießen, der sie jedes Mal in gute Stimmung versetzte.

Sie hatte nicht vorgehabt, sich von Ian beim Musikhören ertappen zu lassen, aber vielleicht war das die perfekte Art gewesen, ihn zu begrüßen, dachte sie, als er ihr jetzt die hintere Tür von Fords Tesla aufhielt. Sexy wie die Sünde war er in seinem dunklen Anzug. Irgendwie schaffte er es, auch in maßgeschneidertem Wolltuch rau und wild zu wirken. Außerdem duftete er unwahrscheinlich gut, wie ein Fichtenwald in der Kühle der Nacht. Aber ihr Herz hatte noch höher geschlagen, als er die Arme um seine Schwester gelegt und sie mit dem Ausdruck reiner Liebe im Gesicht an sich gedrückt und auf den Kopf geküsst hatte. Als er jetzt neben sie auf den Rücksitz glitt, bemerkte sie, wie er sorgsam den Blumenstrauß hielt, der in seinem Büro so fehl am Platz gewirkt hatte und offensichtlich für seine Mutter bestimmt war.

„Schau mal, wen ich zufällig in Ians Büro entdeckt habe“, sagte Mia zu ihrem Verlobten, als sie sich neben Ford auf den Beifahrersitz setzte und ihn auf den Mund küsste.

„Tatiana“, sagte Ford, als er sich umdrehte, um sie zu begrüßen, „schön, dich so bald wiederzusehen. Hast du mit den Dreharbeiten zu deinem neuen Film schon begonnen?“

„Noch nicht ganz. Bis wir anfangen, habe ich noch zwei Wochen, und ich bin noch dabei, mich mit meiner Rolle vertraut zu machen.“ Sie wollte jedoch nicht zugeben, dass sie es blöderweise mit der ersten Rolle zu tun hatte, aus der sie nicht schlau wurde. Und ihr Gehirn lief jetzt, wo Ian so nah bei ihr saß, auch nicht gerade auf Hochtouren. Also fragte sie Ford und Mia: „Wie läuft es denn so bei Euch beiden?“

Sie entspannte sich auf dem weichen Lederrücksitz, während Ford und Mia ihr kurz erzählten, was sie seit ihrer letzten Begegnung gemacht hatten. Ian saß allerdings die ganze Zeit über steif neben ihr. Sie hätte sich nicht gewundert, wenn er immer noch verärgert gewesen wäre wegen ihrer Bitte, mit ihm Job-Shadowing zu machen. Aber irgendetwas sagte ihr, dass er sich nicht nur ihretwegen unbehaglich fühlte.

Das erste Zusammentreffens von Ian und Ford war fürchterlich peinlich gewesen, das hatte Tatiana selbst miterlebt. Der Rockstar hatte auf der Hochzeit von Marcus und Nicola heimlich mit Mia in einem Schuppen herumgeknutscht. Sie würde nie die Wut in Ians Gesicht vergessen, als er dachte, Ford würde Mia belästigen. Die Situation war auch weiterhin angespannt geblieben, als alle während des Essens und der Tischreden am selben Tisch saßen, und genau wie an jenem Tag wollte Tatiana jetzt versuchen, die Stimmung für alle etwas angenehmer zu machen. Das Problem war nur, dass sie Ian noch nicht gut genug kannte, um irgendetwas zu seiner Entspannung beitragen zu können.

Um vor der Kamera ihre Arbeit gut zu machen, musste Tatiana nicht nur die Persönlichkeiten der anderen ergründen, sondern sie musste auch in sich selbst hineinschauen. Dadurch wusste sie, dass sie selbst sowohl neugierig als auch impulsiv war. Und daher hatte sie in den Monaten, seit sie Ian bei der Hochzeit kennengelernt hatte, ihre Neugier über ihn einfach nicht im Zaum halten können. Im Internet hatte sie rasch herausgefunden, dass seine Ehe mit Chelsea Adrienne, einer – auch nach Hollywood-Maßstäben – makellos schönen Blondine, vor mehreren Jahren zu Ende gegangen war. Seitdem war er bei verschiedenen Veranstaltungen mit einer Reihe ebenso toller Frauen fotografiert worden. Alle waren groß, dunkelhaarig und gertenschlank mit kühler Ausstrahlung.

Während sie im Verkehr der Innenstadt feststeckten, konnte Tatiana ihre beiden Spiegelbilder zusammen im Autofenster betrachten. Ian war dunkelhaarig, grüblerisch und von solch einer männlichen Schönheit, dass ihm atemberaubende Frauen nur so zuflogen. Und was sie selbst betraf … nun, groß, dunkelhaarig, gertenschlank und kühl war ziemlich genau das Gegenteil zu ihren grünen Augen, rotblonden Haaren und üppigen Rundungen.

Als Schauspielerin hob sie sich allerdings durch ihr etwas exzentrisches Aussehen von den anderen Frauen ab, die sich in Tausenden um Filmrollen bewarben. Was sie persönlich betraf, so hatte sie ehrlich gesagt nicht genug Erfahrung mit Männern, um beurteilen zu können, ob etwas exzentrisch jemals mit atemberaubend würde konkurrieren können.

Als sie am Haus der Sullivans anlangten, stieg Ian aus und hielt ihr wieder die Autotür auf. Egal, wie gern er vielleicht Abstand gewahrt hätte, er war zum Gentleman erzogen worden.

Viele, viele Male war sie vor Hunderten von Kameras über den roten Teppich geschritten. Aber ihre Nerven waren nie so angespannt gewesen. Und obwohl während ihrer Fahrt der Regen endlich aufgehört hatte, waren die Backsteine in der Einfahrt noch nass, sodass sie auf ihren hohen Absätzen stolperte. Bevor sie hinfallen konnte, fing Ian sie auf und die Kraft und die Hitze seines Körpers an ihrem, zusammen mit dem starken Duft des Blumenstraußes, der bei dem Sturz etwas zerdrückt worden war, ließ sie hörbar nach Luft schnappen.

Sie hatten sich bisher nur bei der Hochzeit zur Begrüßung die Hand gegeben. Und während Ian mit seiner Schwester entspannt und liebevoll umgegangen war, hatte er jede Berührung mit Tatiana in seinem Büro sorgsam vermieden, er hatte sie nicht einmal mit Handschlag begrüßt.

Aber jetzt, als sie an diesem kühlen, feuchten Abend in Seattle in der Einfahrt seiner Eltern ein paar perfekte Sekunden lang von Ians Armen umfangen war, empfand Tatiana mehr Wärme und Erregung durch die eine zufällige Berührung und die Intensität seines Blickes, als sie es jemals bei einem anderen Mann empfunden hatte.

Ist das der wahre Grund, warum du das Job-Shadowing nicht willst?, fragte sie ihn im Stillen.

Als sein Blick noch dunkler und sein Griff um ihre Taille fester wurde, so als wolle er sie noch näher an sich ziehen, bevor er sie abrupt losließ, war sie fast sicher, dass er ihr gerade die Antwort gegeben hatte.

* * *

Die nächsten Minuten waren voller fröhlicher Begrüßungsworte und Gelächter, was Tatiana half, dem emotionalen und körperlichen Wirbelsturm zu entkommen, den Ians Umarmung bei ihr ausgelöst hatte. Genau, wie er es vorhergesehen hatte, waren Claudia und Max Sullivan hocherfreut, sie zu sehen. Sie wurde so herzlich aufgenommen, dass sie sich fast fühlte, als sei sie selbst eine Sullivan.

Der Blumenstrauß hatte durch ihr Stolpern zum Glück nicht allzu sehr gelitten. Und als Ian seiner Mutter die Blumen gab und sie dann in eine Umarmung schloss, bei der Claudia vor lauter Glück, ihren Ältesten wieder daheim zu haben, Tränen in die Augen traten, musste Tatiana auch mit den Tränen kämpfen. Nachdem Ian seinen Vater umarmt hatte, wurde auch der alte Hund der Familie, der schon langsam blind wurde, freundlich von ihm getätschelt und bekam sein Spielseil zum Apportieren durchs Zimmer geworfen.

Sicher, Ian war offensichtlich ein knallharter Geschäftsmann, der in Bezug auf Liebe und Beziehungen ziemlich zynisch war. Aber er hatte offensichtlich gleichzeitig ein sehr weiches Herz für seine Familie, wie sie selbst auch. Und seit ihre Schwester Valentina mit Smith verlobt war, sah sie die Sullivans auch als ihre Familie an.

Ein paar Minuten später hatten Claudia und Max ihr zwar klar bedeutet, sie solle sich bei einem Glas Wein entspannen, während sie das Essen fertigmachten, aber Tatiana sagte trotzdem: „Bitte, ich möchte wirklich gern irgendwie behilflich sein.” Claudia hatte auf jeder Flamme auf ihrem Herd einen Topf stehen und den selbstgemachten Nudelteig fertig auf der Arbeitsfläche liegen. Tatiana band sich rasch die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und wusch sich die Hände. „Als Valentina und ich Kinder waren, kochten wir ständig um die Wette. Eines Tages überraschte ich sie mit selbstgemachten Nudeln – um ihr zu zeigen, dass ich ihre harte Arbeit nicht zunichtemachen würde, wenn sie mich beim Spaghetti rollen mithelfen ließ.“

„Als ich Mary Sullivan kennen lernte – obwohl sie damals noch Mary Ferrer hieß und als Model so berühmt war, dass ich in ihrer Nähe ganz schön nervös war – machte sie für uns alle frische Nudeln, die schmeckten, als kämen sie direkt aus Italien.“ Claudia lächelte, während sie zurückdachte. „Max‘ Bruder Jack versuchte damals noch, Mary zu überreden, offiziell seine Freundin zu werden, aber mir war schon klar, dass Mary und Jack bis über beide Ohren ineinander verliebt waren. Damals war Ian noch ganz klein und es wird dich nicht überraschen, dass er sich an dem Abend auch in Mary verliebte, als sie ihm sein Lieblingsbuch vorlas. Die beiden haben seitdem eine besonders enge Beziehung zueinander.“ Claudia musste über sich selbst lachen. „All das, um dir auf meine sehr langatmige Art zu sagen, dass ich seitdem fertig gekaufte Nudeln nicht mehr ausstehen kann und mich über deine Hilfe wirklich freue.“

„Hey Mom, hey Dad“, rief eine tiefe Männerstimme an der Hintertür, ich hab die Sahne mitgebracht, um die ihr mich gebeten hattet.“

Dylan Sullivan war der jüngste Sohn der Familie und Tatiana hatte oft gedacht, dass er auch der größte Charmeur von allen war. Während Ian als der Älteste ernst und verantwortungsvoll war, hatte Dylan eine lockere Unbefangenheit, die ihn sofort sympathisch machte. Dabei schadete es gar nicht, dass der Bootsbauer und Segler auch noch wahnsinnig gut aussah.

Dylan sah Tatiana erst, als er um die Arbeitsfläche herumkam, um die Sahne in den Kühlschrank zu stellen. „Warum hat mir keiner gesagt, dass das hübscheste Mädchen der Welt hier sein würde?“ Er nahm sie gleich in die Arme und sie lachte, als er sie auf dem engen Raum herumwirbelte.

Aber als ihr Körper ein paar Sekunden später wieder heiß wurde, lag das nicht daran, dass Dylan sie in den Armen hielt. Sie brauchte Ian nicht zu sehen oder zu hören, um zu wissen, dass er in die Küche gekommen sein musste. Obwohl er noch die halbe Raumlänge von ihr entfernt war, spürte sie plötzlich ganz bewusst, wie sie atmete, wie ihre Wimpern ihre Jochbeine berührten und wie ihr Herz schneller schlug.

Dylan stellte sie wieder auf ihre Füße, und als sie zu Ian hinüberschaute, sah sie, dass sein Blick wieder dunkler geworden war. Lag es daran, dass sein Bruder sie berührt hatte? Dass sie mit Dylan gelacht hatte?

Oder einfach daran, dass wie verrückt die Funken flogen, wenn sie und Ian im selben Zimmer waren?

Mit bewusst ruhiger Hand rollte sie weiter den Nudelteig aus. Dylan glitt gegenüber von ihr auf einen Küchenhocker und machte sich eine Flasche Bier auf. „Ich dachte mir ja schon, dass du die perfekte Frau bist, aber wenn sich jetzt auch noch herausstellt, dass du kochen kannst, dann muss ich dir wohl hier und jetzt einen Antrag machen.“

„Dann musst du dich erst mit mir anlegen“, sagte Adam, der plötzlich in der Küche aufgetaucht war und sie unbefangen und liebevoll an sich zog und auf die Wange küsste.

„Adam, Dylan“, sagte Ian. „Dad braucht uns, um den Stapel Feuerholz vor dem Essen in den Schuppen umzuladen.“

„Die Pflicht ruft“, sagte Adam grinsend. Er gab ihr noch einen Kuss, oben auf den Kopf, bevor er die Hand von ihrer Taille nahm. „Aber mach dir keine Sorgen, ich bin gleich wieder da, um noch ein bisschen mit dir zu flirten.“

Claudia lachte kopfschüttelnd über ihre Ausgelassenheit. „Wie wirst du dich nur jemals für einen meiner Söhne entscheiden können?“

Wenn Tatiana beim Dreh vor den Kameras stand, verstand sie es meisterhaft, ihren Gesichtsausdruck so zu kontrollieren, dass er zu der Figur passte, die sie spielen sollte. Aber sie hatte sich immer vorgenommen, im wahren Leben nicht zu spielen und niemals ihre wahren Gefühle vor den Menschen zu verbergen, die ihr etwas bedeuteten. Sie hatte zu viele Schauspieler erlebt, die ihr ganzes Leben so lebten, als befänden sie sich ständig im Scheinwerferlicht vor den Kameras. Tatiana machte das Schauspielern einen solchen Spaß, weil sie nur einen Teil ihrer Zeit in einer Phantasiewelt verbrachte.

Anstatt sich also zu einer witzigen Antwort zu zwingen, blickte Tatiana zu Claudia auf, als die Küchentür sich hinter den Männern geschlossen hatte. „Sie sind alle fantastisch und ich verbringe gern Zeit mit eurer Familie. Aber …“ War es verrückt, auch nur daran zu denken, mit Ians Mutter über ihre aufkommenden Gefühle zu sprechen? Zumal sie noch von einem Augenblick zum nächsten versuchte herauszufinden, wie weit diese Gefühle genau gingen.

„Du hast dich schon entschieden, nicht wahr?“ Claudia sah ihr direkt in die Augen. „Ian.“

Tatiana nickte und stieß den angehaltenen Atem in einem Zug aus. Sie hatte noch mit niemandem über ihre Schwärmerei für Ian gesprochen, noch nicht einmal mit ihrer Schwester. Vor allem nicht mit ihrer Schwester, die wahrscheinlich ausflippen würde, dass Tatiana sich möglicherweise der Gefahr aussetzte, verletzt zu werden.

„Ich weiß, es klingt vielleicht verrückt.“ Und noch verrückter, weil Ians Mutter die Person war, der sie plötzlich ihr Herz ausschüttete. Aber die Wahrheit, an der Tatiana seit Monaten nicht hatte rütteln können, war, dass es sich angefühlt hatte wie Liebe auf den ersten Blick, als sie Ian bei der Hochzeit kennengelernt hatte. „Wir kennen uns kaum.“

„Gefühle folgen keinem Zeitplan“, sagte Claudia sanft. „Manchmal dauert es fünf Jahre, bis ein Paar den Dreh herausbekommt, wie bei Mia und Ford. Manchmal dauert es fünfzehn oder zwanzig Jahre, wie bei Rafe und Brooke. Und manchmal braucht man nur ein paar Sekunden und verliebt sich auf den ersten Blick … und spürt ganz tief im Herzen, dass man etwas Besonderes gefunden hat, etwas, das ewig hält.”

Ian hatte nie mit ihr geflirtet. Er hatte sie nie mit unbefangener Zuneigung berührt oder geküsst. Und doch hatte sie, seit sie das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, das Gefühl, sie gehöre ihm. Jetzt, im Gespräch mit seiner Mutter, musste sie sich fragen, ob ihre Gefühle mehr waren als nur Schwärmerei. War es etwas, das für die Ewigkeit bestimmt sein konnte wie bei Mia und Ford und bei Rafe und Brooke? Und auch wenn es das war, würde es Ian überhaupt etwas bedeuten? Schließlich konnte sie sich noch an jedes Wort erinnern, das sie auf Marcus Hochzeit miteinander gewechselt hatten.

* * *

„Es war eine sehr schöne Hochzeit, nicht wahr?“, waren die ersten träumerischen Worte, die sie nach der Trauung an ihn gerichtet hatte. Sie war so überwältigt gewesen von der Liebe um sie herum, nicht nur zwischen Braut und Bräutigam, sondern zwischen all den Sullivans, die ihre wahre Liebe gefunden hatten. Sie alle waren so frei, wenn sie sich anlächelten, zärtlich berührten und küssten. Sich in Smith zu verlieben hatte Valentina entspannter und glücklicher gemacht, als es Tatiana bei ihrer Schwester je erlebt hatte.

Aber Ian hatte nur gesagt: „Marcus und Nicola sind beide in Ordnung.”

Sie war ziemlich schockiert gewesen, als sie erkannte, dass er von all der Liebe auf der Hochzeit nicht so überwältigt gewesen war wie sie. Sie versuchte zu verstehen, wie das möglich war. „Ich nehme an, dass Sie kein großer Fan der Liebe sind“, hatte sie gesagt.

Jetzt war es an ihm gewesen, überrascht auszusehen angesichts dieser pointierten Frage, vielleicht sogar unwillkürlich fasziniert. „Ich bezweifle nicht, dass die beiden sich lieben“, hatte er geantwortet.

Tatiana war normalerweise kein aufdringlicher Mensch, der Fremden bereits nach fünf Minuten sehr persönliche Fragen stellte. Aber Ian Sullivan zog sie an wie kein anderer Mann vor ihm, also war sie einen Schritt weitergegangen. „Wenn es also nicht die Liebe ist, an der Sie sich stoßen, dann muss es wohl die Ehe sein?“, fragte sie ihn.

Wieder gab er ihr keine direkte Antwort. Stattdessen drehte er die Frage einfach um. „Wie alt waren Sie, als Sie sich zum ersten Mal mit einem Hochzeitskleid herausgeputzt haben?“

Ohne Zögern hatte sie ihm ihre lustigen Erinnerungen daran erzählt, wie sie sich mit vier oder fünf Jahren das Brautkleid ihrer Mutter übergezogen und so getan hatte, als sei ihr Hund der schöne Prinz, den sie heiratete.

Als sie geendet hatte, hatte er nur gefragt: „Wie oft glauben Sie, werden diese Märchen wahr?”

Oh, wie sehr hatte sie sich damals gewünscht, dass das Märchen umgehend wahr würde … und dass Ian der Mann wäre, auf den sie ihr ganzes Leben gewartet hatte. Im Rückblick war sie sich sicher, dass jeder einzelne dieser Wünsche und Träume in ihrer Stimme mitschwangen und ihr im Gesicht geschrieben standen. „Ich hoffe“, hatte sie leise gesagt, „dass sie immer wahr werden.“

Er hatte verblüfft ausgesehen und sie hatten sich nur gegenseitig angestarrt. Sein Blick war während des gesamten Gesprächs dunkler und intensiver geworden und sie war völlig überrascht, wie stark sie sich von ihm angezogen fühlte. Es war fast wie ein Schock, als jeder Zentimeter Haut sich plötzlich zu heiß anfühlte, ihr Atem schneller wurde und sogar ihre Brüste sich im Mieder ihres Kleides praller anfühlten. Sie hatte ein ungeheures Bedürfnis verspürt, ihre Hände nach ihm auszustrecken und war versucht gewesen, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und ihm einen Kuss auf den Mund zu drücken, der ihn noch mehr überrascht hätte als ihre Fragen.

Aber sie hatte einfach keine Ahnung, wie sie auch nur eines dieser verführerischen, verlockenden Dinge hätte tun sollen. Sicher, sie wusste, wie man sich für die Kinoleinwand sexy gab, aber im echten Leben? Tatsächlich war ihr noch nie ein Mann begegnet, für den sie so starke Gefühle empfand, dass sie ihn verführen wollte … bis Ian kam.

Obwohl sie also mit Herzrasen und geröteter Haut direkt vor ihm stand, hatte sie nichts Verführerisches oder Verlockendes getan, sondern verlegen gelächelt und sich halb dafür entschuldigt, dass sie ihn mitten im Weinberg über Liebe und Ehe ausgefragt hatte.

* * *

Heute Abend, als sie ihn dabei beobachtet hatte, wie er so unglaublich lieb zu seiner Schwester und seiner Mutter gewesen war, konnte Tatiana nicht umhin, sich über Ians felsenfeste Behauptung zu wundern, Liebe sei nichts als ein Märchen. Tatiana hatte sich immer mehr darauf verlassen, was Menschen taten, als auf das, was sie sagten.

Und was Ian tat, war, seine Familie unendlich zu lieben und Liebe zu empfangen – eine Liebe, die genauso stark und genauso wahr war.

„Weiß er über deine Gefühle Bescheid?“, fragte Claudia und holte sie so aus ihren lebhaften Erinnerungen an dieses erste, seltsam vertrauliche Gespräch mit ihm zurück.

Tatiana wollte schon Nein sagen, da fiel ihr ein, wie er auf sie reagiert hatte, als er sie in der Einfahrt in den Armen gehalten hatte. So, als hätte er ihre plötzliche Verbindung genauso stark und genauso tief gespürt wie sie.

„Kann sein.“ Sie musste über sich selbst lachen und ihre Antwort korrigieren. „Wahrscheinlich. Denn, wie du siehst, strenge ich mich gar nicht übermäßig an, es zu verbergen. Noch nicht einmal vor seiner Mutter.“ Da Tatiana bereits so wagemutig gewesen war, mit Ians Mutter über ihre Gefühle zu sprechen, konnte sie sich auch überwinden, Claudia noch eine Frage zu stellen: „Hast du irgendwelche Tipps für mich, wie ich deinem ältesten Sohn den Hof machen kann?“

Claudias Lachen war genauso herzlich wie die darauf folgende Umarmung. „Er wäre wirklich ein Dummkopf, wenn er sich nicht in dich verlieben würde, Schätzchen. Und wenn ich eins weiß, dann das, dass ich keine Dummköpfe großgezogen habe.“

„Nein, das hast du keinesfalls“, stimmte Tatiana zu, „aber trotzdem …“ Sie hielt inne und versuchte, eine taktvolle Formulierung zu finden. „Ian hat mir bereits ziemlich deutlich gesagt, was er von Liebesbeziehungen hält.“