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Das DIVI Jahrbuch präsentiert ausgewählte State of the Art-Beiträge und brandaktuelle wissenschaftliche Arbeiten aus der gesamten Intensiv- und Notfallmedizin. Neueste Ergebnisse aus der Grundlagen- und klinischen Forschung werden auf ihren Nutzen für die intensivmedizinische Praxis hin überprüft, spezielle Problemstellungen in der Klinik wie auch neue Blickwinkel auf diskutierte und etablierte Themen sorgen für eine breite, aber stets relevante Wissensvermittlung. Über die klinisch-medizinischen Fragestellungen hinaus werden auch Themenbereiche wie Organisation und Management, Qualitätssicherung oder ethische Fragen angegangen. Die Einbeziehung der aktuellen Vereinbarungen, Leitlinien oder Konsensuspapiere macht das DIVI Jahrbuch zu einer Pflichtlektüre für alle Ärzte und Pflegekräfte in den intensivmedizinischen Fachdisziplinen.
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Seitenzahl: 712
Veröffentlichungsjahr: 2024
S. Kluge | M. Sander F. Walcher | S. Schwab (Hrsg.)
DIVI Jahrbuch 2024 | 2025
Schwerpunkt: New Work Hot Topic: KI
begründet von C. Putensen | M. Quintel | G.W. Sybrecht
mit Beiträgen von
G. Asgarpur | K. Aydin | B. Bassa | C. Beckmann | C. Berger | A.E. Berggreen | S. Bergrath | B. Berinson | J. Berrouschot | K. Bleymehl | B. Böll | M.C. Borutta | A. Busch | E.B. Caliskan | L.S. Candels | C. Cornelius | E.M. Craemer | T. Dienemann | G. Elke | P. Esslinger | V. Eulenburg | K. Fessele | M. Fleischer | S. Fortenbacher | D. Freund | F. Freund | S. Fritsch | J. Gaßner | N. Gillmann | H. Görler | G. Grönefeld | A. Güldner | U. Günther | M. Habicher | F. Hahner | U. Hamsen | W. Hartl | H. Heinrichs | H.-C. Held | M. Heringlake | A. Hill | D. Hirschl | F. Hoffmann | M. Hornung | U. Janssens | S. John | D. Joskowiak | D. Josuttis | M. Kapalla | P. Kasper | M. Keller | F. Kiessling | S. Klenke | A. Koch | J. Köhn | H. Krämer | S. Kunzmann | O. Lademann | E. Langkafel | M. Lehner | T. Liebregts | U. Lorenzen | H. Luz | G. Marx | P. Merke | U. Meyding-Lamadé | G. Michels | L.H. Muras | L. Nibbe | B. Niemann | W.-D. Niesen | K. Notz | B. Oehler | M. Oppert | H. Paarmann | K. Pilarczyk | S. Popp | C. Porte | C. Reeps | F. Regner | A.-K. Reinhold | D.A. Reuter | M. Riedel | R. Riessen | H. Rohde | C. Rohlfes | S. Rohrbach | S. Saha | O.W. Sakowitz | M. Sander | S. Schemke | G. Schmidt | E. Schneck | B. Schönhofer | A. Schumacher | S. Schwinger | P.M. Spieth | R.F. Trauzeddel | S. Treskatsch | G. Trummer | S. Utzolino | M.T. Völker | M. Weigeldt | A. Weimann | J. Weitz | J. Welter | D. Wendling-Keim | D. Wichmann | G.K. Wolf | M. Wolf | A. Younsi
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Das Herausgeberteam
Prof. Dr. med. Stefan Kluge
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Klinik für Intensivmedizin
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Prof. Dr. med. Michael Sander
Justus-Liebig-Universität Gießen
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie
Rudolf-Buchheim-Straße 7
35392 Gießen
Prof. Dr. med. Felix Walcher, MME
Universitätsklinikum Magdeburg
Klinik für Unfallchirurgie
Leipzigerstraße 44
39120 Magdeburg
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Stefan Schwab
Universitätsklinikum Erlangen
Neurologische Klinik
Schwabachanlage 6
91054 Erlangen
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Unterbaumstr. 4
10117 Berlin
www.mwv-berlin.de
ISBN 978-3-95466-919-6 (eBook: PDF)
ISBN 978-3-95466-920-2 (eBook: ePub)
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© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2025
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Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen wünschen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.
Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.
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Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Zuschriften und Kritik an:
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]
Liebe Leserin, lieber Leser des DIVI Jahrbuchs 2024/2025,
auch der diesjährige DIVI Kongress wird von der Publikation des zugehörigen DIVI Jahrbuchs 2024/2025 begleitet, das Sie als Print-Ausgabe oder digital lesen können.
Das Schwerpunktthema in diesem Jahr ist „New Work“. Zusammengefasst beschreibt der Begriff den strukturellen Wandel in unserer Arbeitswelt. Ursachen hierfür sind die Digitalisierung, Globalisierung und die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, die neue Chancen und Möglichkeiten für Ausführung und Organisation von Arbeit eröffnen. Inwieweit „New Work“ in der Medizin und insbesondere in der Intensivmedizin Einzug halten kann, wird im Schwerpunktthema dieses Jahrbuches diskutiert. Dabei geht es vom Job-Sharing in der Elternzeit über Kommunikationskultur und Einarbeitungskonzepte bis hin zur Vorstellung neuer Pilotprojekte zu diesem Thema. Auch die Frage des „purpose“, also was Sinn und Zweck in einer wertorientierten Unternehmenskultur sein können, insbesondere als Grundlage für die Intensiv- und Notfallmedizin, wird hierbei beleuchtet. Neben diesem Schwerpunktthema werden im DIVI Jahrbuch stets auch ausgewählte intensivmedizinische Themen des diesjährigen DIVI Kongresses behandelt und von ausgewiesenen Expertinnen und Experten für Sie zusammengefasst. Hier können wir nur einige nennen, u.a. das Thema endokrinologische Notfälle, das in allen Bereichen der Intensivmedizin von großer Bedeutung ist. Auch der Einzug von KI in die Intensivmedizin wird in mehreren Beiträgen diskutiert. Ein weiterer Schwerpunkt sind typische Komplikationen bei herzchirurgischen Patienten, wie das Postkardiotomiesyndrom oder das Management von Endokarditis-Patienten. Ein weiterer Punkt ist die perioperative Risikostratifizierung mithilfe von Biomarkern und Echodiagnostik.
Wir freuen uns, dass wieder eine sehr interessante Mischung von spannenden und hochaktuellen Beiträgen aus den Bereichen Notfall- und Intensivmedizin, die von ausgewiesenen Fachexperten erstellt wurden, für Sie bereitsteht. Unser ganz besonderer Dank für ihre Mitwirkung und ihr Engagement gilt den vielen renommierten Autorinnen und Autoren, die wir für das aktuelle DIVI Jahrbuch gewinnen konnten.
Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre des diesjährigen DIVI Jahrbuchs 2024/2025 und verbleiben mit besten Grüßen
Ihr
Herausgeberteam
im November 2024
INew Work
1New Work: Zwischen Modewort und Gamechanger – Eine definitorische Annäherung an ein vielschichtiges KonzeptPatrick Merke
2So funktioniert Job Sharing – ein Arbeitsmodell für mehr Geschlechtergerechtigkeit im KlinikalltagNina Gillmann und Esther Langkafel
3Kommunikationskultur und New Work – Neue Wege für Intensiv- und Notfall-Teams?Felix Freund und Frida Regner
4Einarbeitung auf Intensivstation – Herausforderungen und ChancenDavid Josuttis, Frida Regner und Christina Rohlfes
5Schwanger arbeiten auf der Intensivstation – Revolution oder alter Hut?Diana Freund, Celina Cornelius und Stefanie Klenke
6Purpose als Grundlage für eine werteorientierte Unternehmenskultur in der Intensiv- und NotfallmedizinFelix Hoffmann
7Pilotprojekt „Meine Station“ – der Weg einer VisionStefanie Schwinger
IIEndokrinologische Notfälle
1Endokrinologische Notfälle – HypercalcämieSilke Fortenbacher, Julia Gassner und Stefan John
2Ketoazidose im ErwachsenenalterLutz Nibbe und Michael Oppert
3Notfälle der SchilddrüseSteffen Popp und Klaus Fessele
IIIGastrointestinale Komplikationen – Prophylaxe und Therapie
1Prophylaxe und Therapie von AnastomoseninsuffizienzenMatthias Hornung und Thomas Dienemann
HOT TOPIC KI:Künstliche Intelligenz, Algorithmen, Big Data – Aus Daten entstehen individuelle TherapiekonzepteSebastian Fritsch und Morris Riedel
2Ischämien des Gastrointestinaltraktes – Prophylaxe und TherapieMarvin Kapalla, Christian Reeps, Jürgen Weitz und Hanns-Christoph Held
3Prophylaxe und Therapie gastrointestinaler Komplikationen auf der Intensivstation: Pankreas und GallenblaseStefan Utzolino
IVTypische Komplikationen des herzchirurgischen Patienten
1Management von Patienten mit infektiöser EndokarditisShekhar Saha, Dominik Joskowiak und Heidi Görler
2Postkardiotomie-Syndrom: Mechanische Kreislaufunterstützung – wann und womit?Bernd Niemann und Susanne Rohrbach
3VAD-Patienten: Thrombosen, Blutungen, Infektionen, TherapiealgorithmenSophie Kunzmann und Georg Trummer
VPerioperative Risikostratifizierung, Diagnostik und Monitoring
1Die neuen 2024 Leitlinien zur präoperativen Evaluation erwachsener Patienten vor nicht-herzchirurgischen Eingriffen – Was ist wichtig für die Intensivmedizin?Anne Schumacher, Olaf Lademann und Daniel A. Reuter
2Was bringen präoperative Biomarker? Hochsensitives Troponin I/T und NT-proBNPGötz Schmidt
3Perioperative EchokardiografieGolschan Asgarpur, Ralf Felix Trauzeddel und Sascha Treskatsch
HOT TOPIC KI:Wie Künstliche Intelligenz die Diagnostik verändertHelen Heinrichs, Céline Porte und Fabian Kiessling
4Ultraschalldiagnostik in der perioperativen Intensivmedizin – Wie könnte ein interdisziplinäres Weiterbildungskonzept aussehen?Moritz Weigeldt und Christian Berger
5Standardisierte Ultraschalluntersuchung als Teil des Aufnahmeprotokolls auf der IntensivstationUlf Lorenzen
6Perioperatives hämodynamisches Monitoring – Wann benötige ich einen Pulmonalarterienkatheter (PAK)?Matthias Heringlake, Lennart Henry Muras und Simon Schemke
7S1-Leitlinie zur intraoperativen klinischen Anwendung von hämodynamischem Monitoring bei nicht-kardiochirurgischen Patient:innenMarit Habicher, Emmanuel Schneck und Michael Sander
VIThromboseprophylaxe in der Intensivmedizin
1Thromboseprophylaxe auf der Intensivstation – Perioperatives Management der DOAK-TherapieGerian Grönefeld
2Thrombose versus Blutung beim Polytrauma – manchmal ein schmaler GratUwe Hamsen
3Thromboseprophylaxe auf der Intensivstation: Niedermolekulare Heparine (NMH) und unfraktionierte Heparine (UFH) – Wann nehme ich was?Maximilian Wolf
VIIKlinische Ernährung in der Intensivmedizin
1Ernährung des Intensivpatienten: ERAS und die Umsetzung in die RealitätStefan Utzolino
HOT TOPIC KI:Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) in der IntensivpflegeKlaus Notz
2Enterale und parenterale Ernährungstherapie in der Intensivmedizin – wie, wieviel und für wen?Arved Weimann, Gunnar Elke, Aileen Hill und Wolfgang Hartl
VIIIDifferenzialdiagnostische Herausforderungen in der Intensivmedizin
1Differenzialdiagnostik häufiger Krankheitsbilder des Intensivpatienten – FieberBoris Böll
2Differenzialdiagnostik häufiger Krankheitsbilder des Intensivpatienten: Nicht-traumatologische BlutungenPhilipp Kasper und Guido Michels
3Differenzialdiagnostik des thorakalen Schmerzes aus gastroenterologischer SichtLena Candels und Alexander Koch
4Differenzialdiagnostik des thorakalen Schmerzes aus pneumologischer SichtBernd Schönhofer
5Differenzialdiagnostik des thorakalen Schmerzes aus kardiologischer SichtUwe Janssens
6Neue Verfahren in der infektiologischen LabordiagnostikBenjamin Berinson und Holger Rohde
7Infektiologische Labordiagnostik: Was ist eine sinnvolle bakterielle Erregerdiagnostik?Dominic Wichmann
IXTopics in der Neuro-Intensivmedizin
1Vorhofflimmern bei akutem SchlaganfallJörg Berrouschot
2Kardiale Komplikationen nach schwerer HirnschädigungWolf-Dirk Niesen
3Risikostratifizierung und Prophylaxe eines Delirs mittels neurologischem Monitoring?Astrid Ellen Berggreen und Hauke Paarmann
4Neues aus der neurologischen IntensivmedizinJulia Köhn und Matthias C. Borutta
5Update Neuromonitoring: Teil 1 – Nicht-invasive TechnikenOliver W. Sakowitz und Alexander Younsi
6Update Neuromonitoring: Teil 2 – Invasive Techniken und Überblick aktueller LeitlinienAlexander Younsi und Oliver W. Sakowitz
7Akute MyelitisKemal Aydin, Eva Maria Craemer, Ferdinand Hahner, Uta Meyding-Lamadé und Burc Bassa
XPädiatrische Notfälle
1Thermische Verletzungen im Kindesalter – rationelle ErstversorgungChristoph Beckmann
2Update Schädel-Hirn-Trauma im KindesalterMarkus Lehner, Hannah Luz, Peter Esslinger und Danielle Wendling-Keim
3Aktuelle Leitlinien zur Therapie des akuten Lungenversagens im KindesalterGerhard K. Wolf
XIAnalgesie in der Intensivmedizin
1Analgetische Therapie von Intensivpatienten: Ohne Opioide geht es nicht?Ulf Günther
2Analgetische Therapie des Intensivpatienten: Sind adjuvante Substanzen die Lösung?Elif B. Caliskan, Karoline Bleymehl, Michael Fleischer und Beatrice Oehler
3Risiken und Chancen von Nichtopioidanalgetika und Regionalverfahren beim IntensivpatientenMaria Theresa Völker, Ann-Kristin Reinhold, Maren Keller und Volker Eulenburg
XIIInotrope und vasoaktive Substanzen
1Inotrope und vasoaktive Substanzen im Postkardiotomieversagen?Matthias Heringlake, David Hirschl und Simon Schemke
HOT TOPIC KI:Wo die Verfügbarkeit des relevanten Wissens über Leben und Tod entscheiden kannSebastian Fritsch und Gernot Marx
2Inotrope und vasoaktive Substanzen in der SepsisKevin Pilarczyk, Guido Michels und Sebastian Bergrath
XIIISpezialfragen
1Sedierung und Muskelrelaxation bei akuter Gasaustauschstörung – Muss das sein?Peter M. Spieth
2Der beatmete immunsupprimierte PatientTobias Liebregts
3Nicht-infektiöse Ursachen von Fieber auf der IntensivstationHannah Krämer, Jonas Welter und Reimer Riessen
4Intensivmedizin nach gefäßchirurgischen OperationenAndreas Güldner und Albert Busch
New Work findet zunehmend Eingang in das Gesundheitswesen. Dies zeigt sich an der wachsenden Anzahl von Veröffentlichungen zu dieser Thematik sowie an der zunehmenden praktischen Umsetzung des Konzepts in verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitssektors. New Work ist zu einem weitverbreiteten Gesprächs- und Umsetzungsthema geworden. Bei dieser Entwicklung gibt es allerdings einen kleinen Haken: Obwohl viele über New Work sprechen, herrscht oft keine einheitliche Vorstellung darüber, was der Begriff tatsächlich umfasst. New Work ist ein Sammelbegriff. Diese begriffliche Unschärfe von New Work birgt ein gewisses Problempotenzial, das über bloße semantische Diskussionen hinausgeht und reale Auswirkungen auf die Arbeitswelt hat. Folgende Irritationen sind durch die begriffliche Unschärfe möglich:
Es können falsche Erwartungen geweckt werden. Mitarbeitende, die von ihrem Arbeitgeber hören, dass New Work-Konzepte eingeführt werden, könnten sich grundlegende Veränderungen in ihrer Arbeitsumgebung und -kultur vorstellen, während die tatsächlichen Maßnahmen möglicherweise nur oberflächlich sind.
Ein konstruktiver Dialog über Arbeitsplatzinnovationen kann erschwert werden. Wenn Gesprächspartner unterschiedliche Vorstellungen von New Work haben, besteht die Gefahr, dass sie aneinander vorbeireden. Dies macht nicht nur die Diskussion mühsam, sondern kann auch die Entwicklung und Umsetzung effektiver New Work-Strategien nachhaltig behindern.
Zudem besteht die Gefahr, dass durch die inflationäre und oft oberflächliche Verwendung des Begriffs New Work dessen eigentliche transformative Kraft verwässert wird. Statt als Katalysator für tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt zu dienen, könnte New Work zu einem beliebigen Modewort werden, das mehr der vermeintlichen Imagepflege als der tatsächlichen Organisationsentwicklung dient.
Angesichts dieser Problematiken wird deutlich, wie wichtig begriffliche Klarheit sein kann. Nur auf einer eindeutigen Grundlage können Organisationen und ihre Mitglieder ein gemeinsames Verständnis entwickeln und zielgerichtet, effizient und effektiv an der Gestaltung zukunftsfähiger Arbeitsstrukturen arbeiten.
Die folgende Begriffsbestimmung wurzelt in den Ideen von Frithjof Bergmann, dem Begründer des New Work-Konzepts. Dessen Grundgedanke findet sich auch in den Definitionen renommierter Institutionen und Experten wieder (1; 2).
New Work ist ein umfassendes Konzept, das sich mit der fundamentalen Neugestaltung von Arbeit und Zusammenarbeit befasst. Die persönliche Selbstbestimmung des Individuums bildet dabei den Nukleus des New Work-Konzepts. Sie ist gewissermaßen das Fundament, auf dem alle weiteren Aspekte aufbauen. Frithjof Bergmann betonte dies nachdrücklich, als er 2004 schrieb:
„Diese Selbstbestimmung ist der Grundbaustein, das Molekül, aus dem das System der Neuen Arbeit Stück für Stück aufgebaut worden ist.“ (3).
Bergmann präzisiert diesen Gedanken:
„Eine Handlung ist selbstbestimmt bzw. frei, wenn der Handelnde sich mit den Wesenselementen identifiziert, aus denen sie entspringt; sie ist erzwungen, wenn der Handelnde sich von den Wesenselementen dissoziiert, das die Handlung erzeugt oder veranlasst.“ (4)
Je selbstbestimmter ein Individuum also Einfluss auf verschiedene Aspekte seiner Arbeit nehmen kann und sich mit diesen identifizieren kann – wie z.B. Arbeitsinhalte, -umfang, -zeit, -ort, -dauer und die Wahl der Arbeitspartner –, desto näher kommt diese Arbeit dem Ideal von New Work.
Um das Konzept von New Work greifbar zu machen, ist es hilfreich, es als Teil eines Kontinuums zu betrachten. An einem Ende dieses Spektrums steht New Work, am gegenüberliegenden Ende Old Work. Diese Darstellung erlaubt es, die beiden Konzepte zunächst als idealtypische Gegensatzpaare zu verstehen – unabhängig davon, ob und wie oft sie in dieser reinen Form vorkommen.
Eine anschauliche Metapher für dieses Kontinuum und seine beiden Eckpunkte bietet das Bild von zwei Tonnen. Jede Arbeitswelt – sei es Old Work oder New Work – lässt sich als eine solche Tonne vorstellen:
1.Stabilität: Wie eine Tonne sind beide Arbeitswelten in sich gefestigt und kohärent. Sie verfügen über bestimmte feste Regeln, Normen, Prozesse und Strukturen, die ihnen Stabilität verleihen. Eine Tonne und damit die Arbeitswelt kann nicht mal eben so „umgeschmissen“ werden.
2.Schutz: Ähnlich wie eine Tonne Schutz bietet, gewähren beide Arbeitswelten ihren Mitarbeitenden eine gewisse Sicherheit und Vertrautheit gegenüber externen Einflüssen – vor allem von unerwünschten Veränderungen.
3.Barriere: So wie es Kraft und Mühe erfordert, in eine Tonne hinein- oder aus ihr herauszuklettern, ist auch der Ausstieg aus einer (alten) Arbeitswelt oder der Einstieg in die (neue) Arbeitswelt mit Anstrengung verbunden.
4.Komfortzone: Stabilität, Schutz und die Barrieren führen dazu, dass sich die Tonne bzw. Arbeitswelt zu einer Komfortzone entwickelt, die man an sich nicht (mehr) verlassen möchte bzw. kann.
Die Übersicht in Tabelle 1 gibt eine grundlegende Kurzbeschreibung wesentlicher Elemente der beiden Tonnen.
Tab. 1 Old Work vs. New Work
Die Organisation entspricht einer starren hierarchischen Pyramide mit klarer Ober- und Unterordnung der Organisationsmitglieder.
Charakteristisch sind starre Verantwortlichkeiten sowie eindeutige vertikale Entscheidungs- und Berichtswege.
Die Arbeitsteilung erfolgt funktionsorientiert.
Es existiert eine Macht-Hierarchie über Positionen.
Heterarchische OrganisationsstrukturDie Organisation entspricht einer flexiblen heterarchischen Ebene mit einer Nebeneinanderordnung der Organisationsmitglieder.
Charakteristisch sind flexible Verantwortlichkeiten sowie nutzenorientierte Berichtswege.
Die Arbeitsteilung erfolgt aufgaben- und rollenorientiert.
Es existiert eine Verantwortungs-Hierarchie über Rollen und Expertise.
Kritisches Menschenbild„Der Mensch ist im Grunde unmotiviert, schwach, schlecht und konformistisch.“
Mitarbeitende benötigen vor allem externe Motivation sowie klare und detaillierte Anweisungen.
Ohne starke Führungskräfte ist eine Organisation nicht handlungsfähig.
Optimistisches Menschenbild„Der Mensch ist im Grunde motiviert, stark, gut und initiativ.“
Mitarbeitende sind weitestgehend intrinsisch motiviert und können weitestgehend ohne detaillierte Vorgaben effektiv arbeiten.
Teams ohne Führungskräfte sind in der Lage, eine handlungsfähige Organisation sicherzustellen.
Monologische KommunikationskulturKommunikation ist oft eher monologisch – Rhetorik und Schlagfertigkeit sind daher bedeutende Kompetenzen.
Die Kommunikation tendiert zu einem direktiven Stil und soll vor allem effizient sein und ist teilweise auch „politisch“.
Feedback erfolgt vor allem von höheren zu niedrigeren Hierarchieebenen.
Das Prinzip „Wer fragt, der führt“ ist oft leitend in Interaktionen.
Konfliktmanagement ist hauptsächlich Aufgabe der Führungskräfte.
Dialogische KommunikationskulturKommunikation ist eher dialogisch – Aktiv Zuhören und Feedback sind daher bedeutende Kompetenzen.
Kommunikation strebt nach einem effizienten, ehrlichen (unpolitischen) und wertschätzenden Austausch.
Feedback findet in alle Richtungen statt, unabhängig von Rollen und Qualifikationen.
Es gilt das Prinzip „Der/die Gefragte führt“.
Konfliktmanagement ist Aufgabe (fast) aller Mitarbeitenden.
Zentrale EntscheidungskulturCharakterisiert durch eine vorwiegend zentrale individuelle Entscheidungsfindung von „oben“.
Entscheidungsbefugnisse konzentrieren sich oft auf eine oder wenige Personen in Führungspositionen.
Entscheidungskompetenz wird als spezialisierte Fähigkeit bewertet, die bestimmten Positionen und damit bestimmten Personen zugeordnet ist.
Dezentrale EntscheidungskulturCharakterisiert durch eine kollektive Entscheidungsfindung in allen Bereichen und Ebenen.
Entscheidungsbefugnisse sind breit verteilt und können von Einzelpersonen oder Teams wahrgenommen werden.
Entscheidungskompetenz ist eine erlernbare Fähigkeit und wird allen Mitarbeitenden zugänglich gemacht.
Delegierend-individuelle VerantwortungskulturVerantwortung trägt eine Gruppe von Führungskräften für die gesamte Organisation.
Verantwortung ist individuell auf Führungskräfte fokussiert.
Es dominiert das Prinzip, dass Verantwortung hierarchisch zugewiesen und delegiert werden kann und muss.
Aktiv-kollektive VerantwortungskulturVerantwortung wird von allen übernommen – in unterschiedlicher Ausprägung.
Verantwortung ist sowohl individuell auf Personen als auch kollektiv auf Teams fokussiert.
Es dominiert das Prinzip, dass die Übernahme von Verantwortung auf Freiwilligkeit und Eigeninitiative basiert.
Formale AnerkennungskulturFormellen Positionen und Titeln wird eine bedeutende Rolle zugeschrieben.
Präferenz für formelle Anredeformen als Ausdruck der Hierarchie (Siez-Kultur).
„Augenhöhe“ existiert überwiegend auf identischen Positionen oder teilweise innerhalb von Teams oder Berufsgruppen.
Persönliche AnerkennungskulturLegt den Fokus auf die Anerkennung individueller Beiträge, unabhängig von formellen Positionen oder Titeln.
Präferenz für persönliche Anredeformen als Ausdruck der Heterarchie (Duz-Kultur).
„Augenhöhe“ existiert in der gesamten Organisation – unabhängig von Rolle oder Berufsgruppe.
Wettbewerbsorientierte LeistungskulturPrimärer Fokus auf die Leistungserbringung der Mitarbeitenden.
Extrinsische Motivationsfaktoren spielen eine zentrale Rolle.
Das Leistungsprinzip orientiert sich an der Idee, Wertschöpfung durch gezielte Leistungsanreize zu fördern, wie z.B. Belohnung, Bestrafung und monetäre Anreize.
Mitarbeitende stehen im Wettbewerb zueinander.
Kooperative LeistungskulturAn erster Stelle stehen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden.
Intrinsische Motivationsfaktoren stehen im Vordergrund.
Das Leistungsprinzip orientiert sich u.a. an der Idee, Wertschöpfung durch nichtmonetäre Anreize zu fördern, wie z.B. Erfüllung der Bedürfnisse, Wertschätzung, Engagement.
Mitarbeitende stehen kooperativ zueinander.
Rudimentäre Transparenz und OffenheitGrundprinzip: „Lieber weniger Information als zu viel.“
Selektive Informationsverteilung ist eine wichtige Grundlage für effektives Arbeiten.
Die Fähigkeit der Mitarbeitenden im Umgang mit negativen Nachrichten wird teilweise als begrenzt eingeschätzt.
Offensive Transparenz und OffenheitGrundprinzip: „Lieber zu viel Information als zu wenig.“
Umfassende Informationsverteilung ist eine wichtige Grundlage für effektives Arbeiten.
Die Fähigkeit der Mitarbeitenden im Umgang mit negativen Nachrichten wird als unproblematisch eingeschätzt.
Kontroll- und VertrauenskulturGrundprinzip: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“
Charakterisiert durch individuelle Fremdkontrolle, oft ausgeübt durch Führungskräfte.
Vertrauens- und KontrollkulturGrundprinzip: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.“
Charakterisiert durch individuelle bzw. kollektive Selbstkontrolle, ausgeübt durch Mitarbeitende und Teams.
LernkulturLernziele und -inhalte werden zentral, von oben nach unten sowie sehr formal festgelegt und organisiert.
Die Höhe der Lernbudgets orientieren sich an den Positionen.
Personalentwicklung ist oft defizitorientiert und dient eher der Förderung von Einzelintelligenzen.
Fehler sind (persönliche) Makel und negativ konnotiert.
LernkulturLernziele und -inhalte werden dezentral, netzwerkorientiert sowie selbstorganisiert festgelegt und umgesetzt.
Die Höhe der Lernbudgets orientieren sich an den Bedürfnissen.
Personalentwicklung ist ressourcenorientiert und dient der Förderung der Einzel- und der kollektiven Intelligenz.
Fehler sind (kollektive) Lernchancen und positiv konnotiert.
Vernachlässigte SinnstiftungDie Sinnstiftung der Arbeit steht nicht im Mittelpunkt.
Traditionen und Strategien sind wichtige Orientierungsgeber.
Bewusste SinnstiftungSinnstiftung der Arbeit ist elementar, da sie ein Grundbedürfnis des Menschen ist.
Visionen und Werte sind wichtige Orientierungsgeber.
Heroische FührungskulturFührungspositionen und -aufgaben sind auf wenige Personen konzentriert.
Die Führungsbeziehungen sind oft patriarchalisch, leitend und „heroisch“.
Führungskräfte werden oft „auf Lebenszeit“ eingesetzt.
Wichtige Rollen von Führungskräften sind u.a. Ressourcenverteiler, Konfliktlöser, Mikropolitiker, Wissensträger und strategischer Entscheider.
Postheroische FührungskulturDie Organisationsstruktur sieht keine klassischen Führungspositionen und -kräfte vor.
Führungsbeziehungen sind auf Augenhöhe, kooperativ und „postheroisch“.
Führungsaufgaben werden kollektiv, flexibel und situativ wahrgenommen.
Wichtige Führungsrollen sind u.a. Coaching, Netzwerker, Emotionsarbeit, Veränderungsmanager und Innovationsförderer.
Potenzieller Ausrutscher in die Diktatur In extremen Ausprägungen kann das Old Work-Modell zu sehr rigiden Strukturen tendieren. Es besteht daher das Risiko, dass sich bei übermäßiger Betonung hierarchischer Strukturen autoritäre Führungsstile entwickeln können – an deren Ende sogar eine „Führungs-Diktatur“ stehen könnte. Die Old Work-Tonne ist sozusagen an der einen Seite offen und dort ist es sehr rutschig, sodass man dort leicht in die Organisationsform der Diktatur abgleiten kann. Potenzieller Ausrutscher in das Chaos In extremen Ausprägungen kann das New Work-Modell zu sehr losen Strukturen tendieren. Es besteht daher das Risiko, dass bei unzureichender Koordination und Führung Orientierungsschwierigkeiten oder unstrukturierte Arbeitsabläufe entstehen können – an deren Ende das „Führungs-Chaos“ stehen könnte. Die New Work-Tonne ist sozusagen an der Seite offen und auch dort ist es sehr rutschig, sodass man dort leicht in die Organisationsform des Chaos abgleiten kann.Es ist wichtig, noch zwei Aspekte zu betonen. Erstens handelt es sich um zwei idealtypische Beschreibungen. Dadurch erscheint die Darstellung auf den ersten Blick teilweise sehr schwarz-weiß gezeichnet bzw. eventuell sogar überzeichnet. Vor allem bei der Old Work-Tonne gewinnt man diesen Eindruck. Aber auf einen zweiten, reflektierten Blick erkennt man, dass diese Beschreibungen teilweise der Realität sehr nahekommen. Gerade im Gesundheitswesen befinden sich (viele) Akteure mental noch in der Old Work-Tonne. Des Weiteren ist es wichtig, zu verstehen, dass aktuell nur wenige Organisationen komplett in einer der beiden Tonnen stecken, sondern dass sie sich (größtenteils) irgendwo auf dem Kontinuum zwischen diesen beiden Tonnen verorten lassen. Innerhalb einer Organisation können sich auch einzelne Bereiche, Aufgaben oder Teams in der oder sehr nahe an der New Work- bzw. Old Work-Tonne befinden. Das ist kein Widerspruch, sondern organisationelle Realität. Die Spannbreite innerhalb einer Organisation ist vielfältig. So gibt es Organisationen, die Elemente von New Work in ihre bestehenden Strukturen integrieren, ohne die Tonne des Old Work richtig zu verlassen.
Der Übergang von der traditionellen Arbeitskultur (Old Work) zu einer neuen Arbeitsweise (New Work) ist ein komplexer und oft mühsamer Prozess (s. Abb. 1). Organisationen und Teams, die sich auf diesen Weg begeben, stehen im Wesentlichen vor fünf wesentlichen Herausforderungen:
Abb. 1 Der lange Weg von Old Work nach New Work
1.Den Aufbruch wagen – Verlassen der Old Work-Komfortzone: Die erste große Hürde besteht darin, den Mut aufzubringen, gewohnte Strukturen zu verlassen. Je länger ein Unternehmen in alten Mustern verharrt, desto schwieriger wird es, den notwendigen Impuls für Veränderung zu erzeugen. Es erfordert Mut und Entschlossenheit, sich von eingefahrenen Gewohnheiten zu lösen und den Schritt aus der „Arbeitswelt der Führungskultur und Delegation“ in die nächstliegende Arbeitswelt zu wagen.
2.Entwicklung einer Partizipationskultur: Nach dem Verlassen der „Arbeitswelt der Führungskultur und Delegation“ beginnt der Weg in die „Arbeitswelt der Führungskultur und Partizipation“. Die Herausforderung liegt darin, Mitarbeitenden schrittweise mehr Einbindung und Gestaltungsspielraum zu gewähren. Da diese Arbeitswelt immer noch hierarchisch organisiert ist und Führungskräfte nach wir vor sehr großen Einfluss ausüben können – im Hinblick auf (finale) Entscheidungen und Kontrolle –, wird diese Arbeitswelt von (fast) allen Akteuren noch akzeptiert und ist daher weitestgehend relativ einfach umzusetzen.
3.Überwindung der Empowerment-Mauer: Vor der Phase der Empowermentkultur steht eine andere große Herausforderung, die gleichzeitig auch einen entscheidenden Wendepunkt markiert: Die Überwindung der „Mauer des Empowerments“. Dies symbolisiert den Übergang von hierarchischen zu heterarchischen Strukturen – die Verschiebung von Verantwortung und Entscheidungskompetenz von den Führungskräften zu den Mitarbeitenden und Teams. Ihre Überwindung erfordert ein grundlegend neues Mindset und Menschenbild. Ohne diese mentale Transformation kann der Schritt in Richtung New Work-Kultur nicht gelingen.
4.Der Sprung ins Empowerment: Der nächste bedeutende Schritt führt in die „Arbeitswelt des Empowerments“. Hier findet eine aktive Befähigung und Ermächtigung der Mitarbeitenden statt. Kennzeichnend sind flachere Hierarchien und verteilte Verantwortung. Führung wird neu definiert als geteilte Funktion, was einen fundamentalen Wandel in der Arbeitsweise und Zusammenarbeit bedeutet. Jetzt geben Führungskräfte einen Teil ihrer Macht ab und die Mitarbeitenden übernehmen wirklich Selbstverantwortung. Während in der Delegations- und der Partizipationswelt immer noch die Option besteht, Aufgaben und Verantwortlichkeiten zurück zu den Führungskräften zu holen, ist dies in der Welt des Empowerments nicht vorgesehen.
5.Der Sprung in die New Work-Tonne: Die letzte Etappe führt in die „Arbeitswelt der Verantwortungskultur und Selbstorganisation“. Hier übernehmen Mitarbeitende eigenverantwortlich Aufgaben, Entscheidungskompetenzen sind breit verteilt, und klassische Führungspositionen weichen situativen oder rotierenden Führungsrollen.
Dieser Transformationsprozess ist komplex und anspruchsvoll und erfordert einen tiefgreifenden Kulturwandel, der u.a. durch folgende vier Hauptmerkmale gekennzeichnet ist:
1.Mindset-Wandel Die Grundlage der Transformation: Langjährige und kulturell verankerte Annahmen über Arbeitsweisen und Mitarbeiterführung müssen hinterfragt und neu gedacht werden. Fest etablierte Hierarchien und Gewohnheiten müssen aufgebrochen werden. Führungskräfte müssen lernen, Kontrolle abzugeben und Verantwortung zu teilen (Kontrollverlust-Toleranz). Ein Klima des gegenseitigen Vertrauens ist essenziell für den Erfolg des Wandels.
2.Kontinuierliches Lernen und Verändern Sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte müssen alte Rollen aufgeben und neue annehmen. Alle Organisationsmitglieder müssen daher neue Fähigkeiten entwickeln, um in der veränderten Arbeitsumgebung erfolgreich zu sein. In der Übergangsphase werden viele Fehler gemacht. Eine konstruktive Fehlerkultur ist entscheidend für den Lernprozess. Regelmäßige Selbstreflexion und kontinuierliches Lernen werden so zu zentralen Elementen der Unternehmenskultur.
3.Steigende Anforderungen an die Kommunikation Der Transformationsprozess ist von Höhen und Tiefen geprägt. Eine offene, wertschätzende und häufige Kommunikation sowie eine funktionierende Feedback-Kultur sind der Schlüssel für die erfolgreiche Transformation und die Zusammenarbeit.
4.Personalfluktuation als Teil des Wandels Einige Mitarbeitende werden die Organisation verlassen, weil sie sich mit dem Wandel überfordert fühlen oder ihn nicht mittragen möchten. Gleichzeitig wird die Organisation für Fachkräfte attraktiv, die nach modernen Arbeitsformen suchen. Durch den Zu- und Abgang von Mitarbeitenden entsteht eine Belegschaft mit neuen Perspektiven und Fähigkeiten, die fit ist für die New Work-Welt.
Take home messages:
New Work ist ein vielschichtiges Konzept, das eine fundamentale Neugestaltung der Arbeitswelt anstrebt, mit der Selbstbestimmung des Individuums im Zentrum. Der Übergang von Old Work zu New Work ist ein komplexer Transformationsprozess mit mehreren Herausforderungen. Dies erfordert einen tiefgreifenden Kulturwandel, gekennzeichnet durch einen Mindset-Wandel, kontinuierliches Lernen, erhöhte Kommunikationsanforderungen und mögliche Personalfluktuation.
Bezüglich der Überlegung, ob New Work ein Modewort oder ein Gamechanger ist, zeigt sich, dass es sich um beides handeln kann – abhängig von der Umsetzung und dem Verständnis des Konzepts:
Als Modewort:Die inflationäre und oft oberflächliche Verwendung des Begriffs New Work kann dessen transformative Kraft verwässern. Wenn Organisationen nur oberflächliche Änderungen vornehmen, ohne die tiefgreifenden Prinzipien von New Work zu implementieren, bleibt es bei einem Modewort.
Als Gamechanger:New Work ist ein Konzept, das fundamentale Veränderungen in der Arbeitskultur, Hierarchie, Entscheidungsfindung und Verantwortungsverteilung mit sich bringt. Wenn vollständig umgesetzt, hat New Work das Potenzial, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern und ist somit ein echter Gamechanger. Ohne dieses umfassende Verständnis und die Bereitschaft zur grundlegenden Veränderung wird New Work sehr wahrscheinlich ein Modewort bleiben …
Hofmann JH, Piele A, Piele C (2019) New Work – Best Practices und Zukunftsmodelle, Fraunhofer IAO Stuttgart
Schermuly CC (2019) New Work – Gute Arbeit gestalten. Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern. 2. Auflage, Haufe Group Freiburg
Bergmann F (2020) Neue Arbeit, Neue Kultur. 7. Auflage, Arbor Verlag Freiamt
Bergmann F (2009) Die Freiheit leben. 5. Auflage, Arbor Verlag Freiamt
Patrick Merke
Patrick Merke ist Gründer und Leiter der frankfurter akademie für neue arbeitskultur und neue führung. Die frankfurter akademie unterstützt Unternehmen und Organisationen bei der Gestaltung und Entwicklung in den Themenbereichen: Neue Arbeit (New Work), Neue Führung (New Leadership) sowie Neue Organisation (New Organisation). Seine Schwerpunktthemen sind Führung und Teamentwicklung im Kontext der Digitalisierung, selbstorganisierende Teams und Organisationsentwicklung, Kommunikation, Veränderungen und Business Innovation sowie Digital Working. Patrick Merke hat Politologie und Soziologie studiert sowie eine Weiterbildung in Betriebswirtschaftslehre und einen MBA absolviert. Außerdem verfügt er über eine Ausbildung als Business Coach und Changemanagement-Consultant.
Die Zahlen sind bekannt, Lösungen bisher kaum: Zwei Drittel der Studierenden der Humanmedizin sind weiblich und mit 48,5 Prozent stellen sie fast die Hälfte aller berufstätigen Ärzt:innen. In den Chefetagen (Klinikleitung) sind sie jedoch mit ca. 13 Prozent und in den leitenden Positionen (Oberärztinnen) mit 33 Prozent weiterhin gering vertreten (1). Das unterscheidet sich kaum von Corporate Germany und auch die Kernursachen sind die gleichen: Es fehlt den Frauen an Sichtbarkeit und an Netzwerken zur Unterstützung. Der größte Karrierekiller ist jedoch nach wie vor der Versuch, Familie und Karriere zu vereinbaren, da das tradierte, vorwiegend männliche Verständnis (2) von Karriere an Vollzeit und Verfügbarkeit geknüpft ist, was sich im Klinikbereich durch die langen Arbeitszeiten und Schichtdienste noch schwieriger gestaltet. Zur besseren Einschätzung, welche Konsequenzen „Unvereinbarkeit“ hat: In Deutschland geben fast 70 Prozent der Frauen versus 5 Prozent der Männer nach der Geburt des ersten Kindes ihren Vollzeitjob auf (3) und kehren, wenn überhaupt, überqualifiziert in unterbezahlte Teilzeitjobs zurück.
Mit Blick auf den rasant wachsenden Fachkräftemangel, die sinkende Bevölkerungszahl, den Eintritt der Boomer-Generation ins Rentenalter und den Wunsch nachwachsender Generationen nach einer echten Work-Life-Balance wird deutlich, dass es pragmatische und schnelle Lösungen braucht, um die gut ausgebildeten weiblichen Talente nicht zu verlieren und eine 50/50-Verteilung männlicher und weiblicher Führungskräfte auf allen Führungsebenen zu erreichen.
Beim Jobsharing teilen sich zwei Personen eine Vollzeitstelle und können so mit einem reduzierten Zeitbudget ihre Karriere fortsetzen. Jobsharing ist ein äußerst flexibles Arbeitsmodell und kann den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den Rahmenbedingungen des Unternehmens angepasst werden. Die „klassische“ zeitliche Aufteilung liegt bei jeweils 60 Prozent, was einem Vollzeitäquivalent von 1,2 entspricht und individuell verändert werden kann. Im Jobsharing-Tandem ist es möglich, unbefristet lange zusammen zu arbeiten (ggf. mit zeitlichem Aufstocken) und dabei gemeinsame Karriereschritte zu durchlaufen. Oder aber die Zusammenarbeit ist für einen bestimmten Zeitraum festgelegt, um z.B. den Wiedereinstieg nach der Elternzeit zu ermöglichen.
Für das Unternehmen lohnt sich das Tandem-Modell, denn es erhält Perspektiven, Skillsets und Erfahrungen im Doppelpack. Kontinuierliches Sparring ermöglicht eine höhere Qualität der Endprodukte. Das Tandem kann flexibel auf Krankheits- oder Notfälle reagieren und für Kontinuität und Erreichbarkeit sorgen. Ein wichtiger Punkt hinsichtlich der Arbeit im pflegerischen und medizinischen Bereich: Durch die Reduzierung der Arbeitszeit sind mentale Pausen möglich. Dies trägt zur verbesserten Regeneration bei und kann als Prävention von Burn-out-Syndromen (4) dienen.
Jobsharing ist ein Multitool für die Personalentwicklung und kann auch eingesetzt werden, um Nachfolgeprozesse, z.B. mit einer Senior-/Junior-Besetzung zu regeln. Für komplexe Rollenprofile eignet sich das Co-Skilling-Tandem, bei dem zwei Personen mit komplementären Skillsets zusammenarbeiten und dabei schnell voneinander lernen.
Jobsharing ist grundsätzlich für alle Arbeitsbereiche, Rollen und Hierarchielevel geeignet. Nur wenige Berufsgruppen liegen in der „Tandem-Red-Zone“. Diese weisen in ihrem Rollenprofil Aufgaben aus, die nicht teilbar sind und ständige Verfügbarkeit erfordern, wie z.B. einen kurzfristigen tiefen Wissenserwerb und dessen prompten Abruf. Dabei ist der Wissenstransfer auf eine weitere Person im zeitlich erforderlichen Rahmen zu aufwendig, teuer oder nicht möglich.
Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass das Arbeiten im Tandem die größten Synergieeffekten aufweist, wenn das konzeptionelle und strategische Denken, die Planung und das Führen von Mitarbeitenden einen hohen Anteil des Rollenprofils ausmachen.
Als Arbeitsmodell ist Jobsharing ein flexibler Hybrid zwischen der gewohnten Allokation von Arbeit auf Einzelpersonen, die eine Position allein verantworten, einerseits und auf mehrere Personen in einem Team andererseits. Vereinfacht dargestellt bedeutet dies, dass Tandems als zweiköpfiges Team zusammenarbeiten, mit dem wichtigen Unterschied, dass beide Tandemhälften gemeinsame Zielvorgaben erfüllen und die Verantwortung für den Erfolg in einer Rolle oder Position gemeinsam tragen. So ist denn auch die Erklärung der Funktionsweise von Jobsharing am besten zu differenzieren in die Aspekte Arbeitsteilung, Synergien und Leistungsbewertung im Tandem.
Anders als beim traditionellen Arbeitsmodell hängt der Erfolg der Tandem-Performance davon ab, wie effektiv beide Tandemhälften die Arbeitsteilung untereinander organisieren. Grundsätzlich unterscheiden wir drei Arten der Tandem-Kollaboration: Staffellauf, Job-Split und Doppelpack. Der optimale Mix dieser drei Kollaborationsformen, also die optimale Tandem-Arbeitsteilung, ist für jede Rolle anders und hängt außerdem stark von den möglichen Synergien in der Zusammenarbeit und den individuellen Kompetenzen der beiden Personen ab. Mit der TWISE-Methode werden die relevanten Faktoren für die Bestimmung der optimalen Arbeitsteilung pro Aufgabe sequenziell analysiert und bewertet und ergeben dann in der simultanen Betrachtung der Bewertungen im Ergebnis die Kollaborationsform, mit der das Ergebnis der Zusammenarbeit optimiert wird (s. Abb. 1).
Abb. 1 Mit der TWISE-Methode in drei Schritten zur Arbeitsteilung im Tandem (© TWISE GmbH)
Im Folgenden werden die drei Tandem-Kollaborationsformen kurz in ihrer Funktionsweise und typischen Eignung für bestimmte Aufgaben beschrieben.
Funktionsweise: Beide Personen sind gemeinsam im „Rennen“, d.h., beide arbeiten an einer Aufgabe, an einer Aufgabe, aber nie gleichzeitig. Die Übergabe findet statt, wenn eine Person ihren Teil oder ihre Schicht beendet hat.
Eignung: Ideal für Aufgaben, die eine ständige Verfügbarkeit, agile Entscheidungen ohne Verzögerung und/oder hohe Geschwindigkeit erfordern, z.B. das Fertigstellen eines Audits-Berichts innerhalb einer knappen gesetzlichen Frist oder die klassische Schichtübergabe im Krankenhaus.
Funktionsweise: Eine Tandemhälfte ist auf eine Aufgabe spezialisiert und im sogenannten „Lead“ oder „Driver Seat“. Falls diese Person „nur“ Teilzeit arbeitet, arbeitet sie an der Aufgabe immer dann, wenn sie „auf Schicht“ ist. Dazwischen „ruht“ die Aufgabe. Die andere Tandemhälfte fungiert als Sparringspartner:in oder im Notfall als Backup.
Eignung: Ideal für Aufgaben, für die eine Person einen klaren komparativen Vorteil hat, z.B. mehr Erfahrung oder fachliches Know-how, und bei denen eine permanente Verfügbarkeit/Ansprechbarkeit (bei Teilzeitkräften) nicht erforderlich ist. Im medizinischen Bereich könnte das ein Fall für Spezialist:innen sein, die außerhalb von Notfallsituationen agieren oder Know-how im Bereich Management und administrativer Verwaltung einbringen.
Eignung: Ideal für Aufgaben, die von zwei Perspektiven, den kumulativen Erfahrungen und komplementären Fähigkeiten zweier Personen profitieren, z.B. das Abwägen von Risiken und Chancen bei einer strategischen Entscheidung. Ein Beispiel in der Medizin wäre der interdisziplinäre Austausch bei der Diagnose und bei der Entwicklung eines Therapieplans.
Das Ziel des Tandems und der TWISE-Methode ist es, jede Aufgabe möglichst effektiv und effizient abzuarbeiten. Um die Arbeitsteilung dabei optimal festzulegen, wird jedes Aufgabenpaket anhand von vier Kriterien analysiert: Verfügbarkeit, Kompetenzen, Präferenzen und Synergien.
Die möglichen Synergien verschiedener Aufgabenarten determinieren neben den Kompetenzen des/r Einzelnen dabei maßgeblich, ob es sich lohnt, dass beide gemeinsam im Staffellauf oder sogar im Doppelpack an einer Aufgabe arbeiten versus allein. Ist ein Mehrwert nicht erkennbar – z.B. bei der Aufgabenart „Ausführende Aufgaben“ (s. Abb. 2) –, ist das Gebot: Eine/r macht’s allein.
Abb. 2 Synergien im Tandem (© TWISE GmbH)
Hier gibt es kaum Synergien im Tandem zu realisieren, außer zu Anfang, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Quellen für eine Recherche oder welche Analysen sinnvoll sind. Danach übernimmt eine Tandemhälfte die Recherche und Analyse und teilt ihre Insights und Learnings danach in einem Debriefing mit der/m Tandempartner:in.
Bei diesem Aufgabentyp entstehen hohe Synergien durch Kollaboration, denn die Qualität und Innovationskraft geistiger Endprodukte profitieren von zwei Perspektiven, zwei Erfahrungsschätzen und das Vier-Augen-Prinzip verhindert Fehler und sorgt gleichzeitig für die Qualitätskontrolle. Aufgaben, die in diese Kategorie fallen, sind zum Beispiel: Strategieentwicklung, Einführung neuer Prozesse oder Produkte, Entwicklung einer Storyline für eine wichtige Präsentation, Entwicklung eines neuen Ansatzes zur Systemoptimierung etc.
Bei der Planung von Projekten oder Prozessen entstehen signifikante Synergien, vor allem dadurch, dass zwei Paar Augen mehr sehen als eins. Mit anderen Worten, gemeinsam ist das Risiko viel geringer, dass kritische Pfadabhängigkeiten in der Planung übersehen werden.
Bei der operativen Durchführung gibt es keine Synergien. Beispiel: die Behandlungen von Patienten, Teilnahme an Veranstaltungen ohne aktiven Part oder das Ausfüllen von Reports.
Abschließend ist es wichtig festzuhalten, dass die optimale Arbeitsteilung im Tandem sich aus den einzelnen Aufgaben einer Rolle ergibt und sich somit von Fall zu Fall unterschiedlich gestalten kann. Welche Synergien sich bei einem Tandem in Führungsposition ergeben, zeigt die folgende Aufstellung. Dabei wird auch deutlich, dass ein Wechsel des Kollaborations-Modus über Zeit geboten ist, wenn Aufgaben ihr Wesen im Zeitverlauf (z.B. über verschiedenen Projektphasen) ändern.
Arbeitsteilung im Tandem für typische Management-Aufgaben (© TWISE GmbH)
Fachliche Führung:
Fachliche Führung einzelner Mitarbeitenden: Die Organisation der fachlichen Führung einzelner Mitarbeitenden leitet sich aus der Zuständigkeit im Tandem für das fachliche Thema oder Projekt ab:
Bei gemeinsamer Zuständigkeit führt fachlich jeweils die Person, die „auf Schicht“ ist oder Zeit hat. Empfehlung: Staffellauf
Bei Themen oder Projekten, die im Job-Split organisiert sind, führt fachlich die Person, die für das Projekt oder Thema im Lead ist. Die andere Person springt nur im Notfall ein. Empfehlung: Job-Split
Tägliches Team-Stand-Up oder kurzer, täglicher Check-in: Die Verfügbarkeit einer Tandemhälfte für den täglichen Check-in ist zu gewährleisten, und zwar von der Person, die „auf Schicht“ ist oder Zeit hat. Dabei sollte das Tandem berücksichtigen, dass sich die Präsenz beider Tandemhälften regelmäßig abwechselt. Empfehlung: Staffellauf
Wöchentliches/monatliches (längeres) Team-Meeting: Das ist eine gute Chance, als „United Front“ mit dem Gesamt-Team zu agieren, auch wenn wahrscheinlich kaum Synergien zu realisieren sind. Empfehlung: Doppelpack
Disziplinarische Führung:
Vorbereitung Feedbackgespräche: Die Bewertung wird gemeinsam erarbeitet. Dies gilt auch für Mitarbeitende, für die fachlich ggf. nur eine der beiden Tandempartner:innen maßgeblich zuständig war, denn die Fairness der Beurteilung erhöht sich, wenn zwei Perspektiven einfließen. Empfehlung: Doppelpack
Durchführung Feedbackgespräche: Das Gespräch kann in Absprache mit den Mitarbeitenden im Tandem stattfinden oder mit nur einer Person. Denn manche Mitarbeitende empfinden die doppelte Präsenz des Tandems wertschätzend, andere eher erdrückend. Bei kritischen Gesprächen, zum Beispiel bei schlechter Bewertung, Abmahnung oder Kommunikation einer Kündigung ist es oft sinnvoll, zu zweit präsent zu sein. Empfehlung: Doppelpack oder Job-Split
Einstellungsgespräche: Interview und Beurteilung der Kandidat:innen werden gemeinsam durchgeführt, denn die Fairness der Beurteilung erhöht sich, wenn beide Perspektiven berücksichtigt werden. Empfehlung: Doppelpack
Generelles vorweg: Die optimale Aufteilung beim Projektmanagement hängt einerseits davon ab, welche Fachexpertise gebraucht wird, und wer im Tandem dafür besser qualifiziert ist. Ist eine Tandemhälfte klar fachlich besser aufgestellt, empfiehlt sich tendenziell ein Job-Split. Andererseits entstehen abhängig von der Projektphase unterschiedlich große Synergien durch Kollaboration im Tandem sodass ein Staffellauf oder sogar Doppelpack sinnvoll sein kann:
In der Ideations-, Konzeptions- und Planungsphase eines Projektes ist oft eine enge Zusammenarbeit sinnvoll. Denn die inhaltliche Ausrichtung des Projektes und die Planung von Timeline und Ressourcen profitiert immens von zwei Perspektiven und einem doppelten Erfahrungsschatz, während das 4-Augen-Prinzip die Fehlerwahrscheinlichkeit mindert. Empfehlung: Immer wieder Doppelpack, abgewechselt vom Staffellauf
In der Umsetzungsphase eines Projektes gibt es nur noch wenige Synergien im Tandem zu realisieren, es sei denn das Projekt läuft nicht nach Plan. Dann profitiert das ‚Trouble-Shooting‘ und Krisen-Management von der kollektiven Intelligenz zweier Köpfe. Eine andere Ausnahme gilt bei einer sehr engen Timeline, die eine permanente Verfügbarkeit des Projektmanagements erforderlich macht. Empfehlung: Job-Split (Ausnahme: Krisenmodus oder permanente Verfügbarkeit)
Wenn innerhalb des Tandems ein großer Teil der Aufgaben im Staffellauf oder in Doppelpacks organisiert wird, dann ist es für Außenstehende objektiv nicht mehr möglich, zwischen den individuellen Leistungsbeiträgen der beiden Tandempartner:innen zu differenzieren. Entsprechend empfiehlt es sich von Anfang an, eine gemeinsame Zielvereinbarung für eine Rolle zu definieren und die Leistung des Tandems daran zu messen. Die kollektive Performance-Evaluation sollte die vorgesetzte Führungskraft aber nicht davon abbringen, im gemeinsamen Jahresendgespräch oder Zwischengespräch auch individuelles Feedback zu geben.
Damit ein Tandem effektiv zusammenarbeitet, muss die persönliche Basis hinsichtlich Mindset und Match stimmen. Skills und Wissen können im Verlauf der Zusammenarbeit erlernt werden. Wenn das Tandem in seiner Zielsetzung und Wertebasis stark voneinander abweicht, ist ein erfolgreiches und nachhaltiges Arbeiten nicht möglich.
Mindset „Tandem“: Beide Tandempartner:innen müssen im Tandem arbeiten wollen. Das bedeutet, eigene Erfolge teilen zu können, aber auch Fehler oder Misserfolge der anderen Person mittragen zu können. Menschen mit einem sehr großen Ego oder womöglich narzisstischen Zügen fällt dies sehr schwer.
„Personal Match“: Beide Tandempartner:innen müssen sich mögen, denn nur dann können sie über Zeit Vertrauen aufbauen, Freiräume einräumen und Krisen gemeinsam meistern. Um dies beurteilen zu können, hat TWISE für Menschen, die sich noch nicht lang genug kennen, eine KI entwickelt, welche die passende persönliche Chemie im Tandem prognostiziert.
Arbeiten in und mit einem Tandem ist in den meisten Fällen für alle Beteiligten neu und daher zu Beginn ungewohnt. Genauso wichtig wie der Plan zur optimalen Arbeitsteilung (s. Kap. 2.2.1) ist die interne Abstimmung innerhalb des Tandems und die Einbindung der Stakeholder.
Der Erfolg eines Tandems hängt davon ab, wie reibungslos der Informationsfluss erfolgt und wie effizient inhaltliche Themen entschieden und umgesetzt werden. Als technische Lösungen bieten sich an: Einrichten einer E-Mail-Adresse und einer Telefonnummer für das Tandem, Zugang zu allen Informationen und ggf. einen gemeinsamen Kalender sowie ein System zur gemeinsamen Datenverwaltung festlegen (Wer hat was gelesen? Wer ist verantwortlich? etc.). Je nach zeitlicher Aufteilung des Tandems sind z.B. tägliche kurze Check-ins oder Updates per Voicemail hilfreiche Tools, um auf dem gleichen Informationsstand zu bleiben. Die standardisierte Dokumentation und die geregelten Übergabeprozesse im medizinischen Bereich dürften hier eine Arbeitserleichterung darstellen.
Zu den Stakeholdern zählen u.a. Mitarbeitende, Vorgesetzte und Klienten, Kunden bzw. Patienten. Bedenken hinsichtlich erhöhter Komplexität und Informationsgaps können durch gezielte Vorabinformation und Vorstellung des Arbeitsmodells – soweit es für die Interaktion relevant ist – entkräftet werden.
Hat das Tandem eine Führungsposition inne, so gilt, dass die Komplexität in der Zusammenarbeit nicht steigt, dafür bietet sich den Mitarbeitenden die Möglichkeit, z.B. Beurteilungen im Wechsel von zwei Vorgesetzen zu erhalten.
Auch Vorgesetzte müssen lernen, wie sie ein Tandem führen bzw. was sich am bisherigen Arbeitsprozess ändert. Letzteres ist schnell geklärt: nichts! Es sind keine Änderungen im Ablauf erforderlich, da die Aufteilung der Arbeiten tandemintern geregelt wird. Vorgesetze profitieren von doppelten Erfahrungen, zweifachen Perspektiven und Skillsets.
In einer Befragung von Führungskräften (non medical) ging hervor, dass diese Tandems als produktiver und innovativer beurteilten. 90 Prozent der Befragten würden gern wieder mit einem Tandem arbeiten (5).
Und wann starten Sie?
Take home messages:
Job Sharing – ein Booster für Equality und Karriere:Als alternatives Arbeitsmodell ermöglich Jobsharing Karrieren in Teilzeit. Dadurch haben alle Mitarbeitenden – Frauen genauso wie Männer – die gleichen Möglichkeiten auf eine kontinuierliche professionelle Weiterentwicklung auf ihrem Karriereweg.
Job Sharing – for teamplayer only:Die Zusammenarbeit ist nur dann langfristig erfolgreich, wenn beide Partner:innen kollaborativ im Tandem arbeiten wollen. Dazu gehört: gegenseitiges Vertrauen statt Konkurrenzdenken und das Teilen von Erfolgen und Misserfolgen.
Job Sharing funktioniert – best practice Beispiele aus der Klinik:Am besten Nachlesen oder direkt Nachfragen bei Ärztinnen und Ärzten, die als Trailblazer in ihren Kliniken Job Sharing gestartet haben, wie z.B. Dr. Daniela Lang und Sabrina Deutsch (Leitende Oberärztinnen für Notfallmedizin, Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke), Anna Jacob, Setareh Huschi und Dr. Simone Klüber (Leitung der Gynäkologie, Asklepios Klinik Wandsbek) oder Dr. Jan Kreutzkamp und Dr. Ole Gebbensleben (Doppelspitze im Bereich Innere Medizin, Sana-Krankenhaus Templin).
Statista (2024) Anzahl der Studierenden im Fach Humanmedizin in Deutschland nach Geschlecht in den Wintersemestern von 2010/2011 bis 2022/2023. Veröffentlicht am 26.3.2024. URL:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/200758/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-medizinstudenten/#:~:text=Die%20Statistik%20zeigt%20die%20Anzahl,eingeschrieben%2C%20davon%20waren%2069.597%20weiblich
(abgerufen am 01.08.2024)
Kuhlmann ER (2017) Arbeitsbedingungen von Ärztinnen: Ein Kulturwandel ist überfällig. Dtsch Arztebl. 114(10), A-456/B-397/C-387. URL:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/186743/Arbeitsbedingungen-von-Aerztinnen-Ein-Kulturwandel-ist-ueberfaellig
(abgerufen am 01.08.2024)
Statistisches Bundesamt (2021) Drei von vier Müttern in Deutschland waren 2019 erwerbstätig. URL:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_N017_13.html
(abgerufen am 01.08.2024)
Khoury A (2022) Burnout syndrome in emergency medicine: it’s time to take action. European Journal of Emergency Medicine 29(4), 239–240. URL: DOI: 10.1097/mej.0000000000000949
TWISE (2022) Lohnt sich Jobsharing für Unternehmen? Ist das nicht eigentlich zu teuer? URL:
https://uploads-ssl.webflow.com/6098f3c5d7715d4186ff94e2/639cbca09f35afdf7bde60c6_Ergebnisse.Produktivita%CC%88t%20im%20Jobsharing_1.12.22.pdf
(abgerufen am 01.08.2024)
Dr. Nina Gillmann
Nina Gillmann ist CEO und Gründerin des HR-Tech-Unternehmens TWISE (TWISE.eu). Mit seinen analogen und digitalen Angeboten unterstützt TWISE Unternehmen bei dem „war for talents“ und legt den Fokus auf die Förderung weiblicher Talente. Dabei spielen Jobsharing und der Einsatz der TWISE-Matching-KI eine zentrale Rolle. Nina Gillmann ist promovierte Volkswirtschaftlerin und war vor der Gründung von TWISE zwölf Jahre lang als Beraterin bei McKinsey & Company tätig. Dabei leitete sie Projekte in Deutschland und New York.
Esther Langkafel
Esther Langkafel ist CMO und Mitbegründerin der TWISE GmbH. Mit seinen analogen und digitalen Angeboten unterstützt TWISE Unternehmen bei dem „war for talents“ und legt den Fokus auf die Förderung weiblicher Talente. Dabei spielen Jobsharing und der Einsatz der TWISE-Matching-KI eine zentrale Rolle. Langkafel ist angewandte Kulturwissenschaftlerin und war beim Start-up-Gründerwettbewerb für das Magazin Stern, bei der McKinsey-Initiative startsocial und beim Social Franchise der wellcome gGmbH jeweils in der Projektleitung und für interne bzw. externe Kommunikation zuständig.
In der Welt der medizinischen Akut- und Notfallversorgung spielt die Kommunikation eine Schlüsselrolle für den Erfolg eines Teams. Das Einbinden von New Work-Ansätzen könnte dabei helfen, die Kommunikationskultur für Teams in der Intensiv- und Notfallmedizin zu verbessern. Dabei sollte New Work nicht auf die Frage reduziert werden: Welche Tätigkeit möchte ich wirklich, wirklich ausüben? – wie die bekannteste Aussage des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann, des Begründers der New Work-Bewegung, lautete, sondern auch die Art und Weise, wie wir miteinander interagieren und zusammenarbeiten, sollte Berücksichtigung finden (1). Doch welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich dabei?
Neue Arbeitsmodelle, wie individuelle Dienstplangestaltung, künstliche Intelligenz und digitale Tools zur Verbesserung der Zusammenarbeit und mehr Eigenverantwortung der Teammitglieder könnten eine neue Ära in der medizinischen Akut- und Notfallversorgung einleiten. Es stellt sich die Frage nach dem Ausmaß an Autonomie und Mitgestaltungsmöglichkeiten innerhalb unserer beruflichen Tätigkeit, mit welchem Menschenbild wir uns begegnen und wie flexibel wir unsere Arbeit in selbstorganisierten Teams gestalten wollen und können. Ferner beleuchtet New Work den soziokulturellen Stellenwert von Arbeit und setzt sich kritisch mit unserem Konsumverhalten auseinander. Diese Aufzählung des Spektrums von New Work ist jedoch nicht abschließend (1).
Es lohnt der Blick darauf, wie New Work und Kommunikation dazu beitragen können, die Patientenversorgung zu optimieren. Das Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Resilienz und letztendlich die Mitarbeitendenzufriedenheit und Patient:innenversorgung auf ein neues, besseres Qualitätslevel zu heben.
Eine gute Kommunikationskultur in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation ist entscheidend für eine effiziente und koordinierte Patient:innenversorgung (2). Ein reibungs- und lückenloser Informationsaustausch zwischen den Teammitgliedern, ohne Konzentrationsverlust der gerade ausgeübten Tätigkeit durch Fragmentierung, ermöglicht schnelles und präzises Handeln. Ansätze aus dem New Work, wie digitale Kommunikationstools oder einheitliche SOPs (Standard Operation Procedures), können die interprofessionelle Zusammenarbeit stärken sowie klar strukturieren und hierdurch die Effizienz steigern. Offene, niederschwellige und transparente Vor- und Nachbesprechungen sind unerlässlich, um komplexe medizinische Herausforderungen zu bewältigen und aus ihnen zu lernen.
Klar ist: Über Fehler sprechen die wenigsten Menschen gern. Im medizinischen Kontext jedoch gilt es, eine Fehlerkultur zu etablieren, die Vertrauen schafft, Offenheit vermittelt und es dadurch erlaubt, vorhandenes Potenzial optimal zu nutzen. Das gelingt, indem Fehler systemisch betrachtet, analysiert und als wertvolle Ressource verstanden werden (3). Auf diese Weise können Ansätze zur Optimierung bestmöglich identifiziert und genutzt werden, was entscheidend zur Erhöhung der Patient:innensicherheit und zur Förderung eines sich kontinuierlich verbessernden Umfelds beiträgt.
In einer Kultur, in der offen über Fehler gesprochen wird, ohne eine schuldige Person zu suchen, wird es High-Performance-Teams ermöglicht, aus diesen Fehlern proaktiv zu lernen und dadurch zukünftige Vorfälle bestmöglich zu vermeiden. Ein Schlüsselelement positiver Fehlerkultur ist die Etablierung transparenter Berichtssysteme, wie die weit verbreiteten CIRS-Plattformen, auf denen Mitarbeitende Fehler und Beinahe-Fehler melden können. Durch die Analyse dieser Berichte können Organisationen systemische Probleme identifizieren und korrigieren, wodurch die Patient:innensicherheit weiter gesteigert und die Effizienz im Umgang mit Fehlern verbessert wird. Regelmäßige Weiterbildungen und Schulungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um das Bewusstsein und das Verständnis für die Bedeutung der Patient:innensicherheit zu stärken. Dazu gehört auch das Training im Umgang mit Fehlern und die Vermittlung von Strategien zur Fehleridentifikation, Analyse und Prävention. Schließlich ist es entscheidend, dass Führungskräfte in Gesundheitseinrichtungen eine Kultur der Offenheit und des Respekts fordern und fördern, die es jeder und jedem erlaubt, sich sicher zu fühlen, wenn es darum geht, Probleme anzusprechen und konstruktiv im Team Lösungen zu entwickeln. Eine nicht zu vernachlässigende Herausforderung in diesem Kontext besteht darin, dass Führungskräfte heutzutage oft noch starren, hierarchischen Strukturen entwachsen sind, die lange Zeit die Unfehlbarkeit des medizinischen Personals propagierten.
Diese historische Prägung vieler Kliniken nimmt einen erheblichen Einfluss darauf, ob und wie neue Konzepte, etwa New Work, in die Arbeit integriert werden. Bildung und berufliche Sozialisation sind entscheidend für den Erfolg solcher Ansätze. Teamorientierte und hierarchisch flache Strukturen sowie Prozesse des geteilten Entscheidungsfindungsprozesses und kooperative Ansätze erfordern eine einheitliche Terminologie und ein gemeinsames Verständnis des angestrebten Outputs und Outcomes. Es sind nicht nur die organisatorischen Strukturen, die für Ansätze von New Work in zahlreichen Kliniken nach wie vor hinderlich sind, sondern auch divergente Bildungssozialisationen. Es ist daher essenziell, entsprechende gemeinsame Bildungswege zu initiieren und die zunehmende Akademisierung besonders der Pflege, aber auch therapeutischer Berufe auch in diesem Kontext als Chance zu betrachten (4). Gemeinsame, interprofessionelle Fort- und Weiterbildungsangebote sind hier noch weiter auszubauen, um die Teams in Kompetenzen z.B. bezüglich der Kommunikation weiter zu stärken.
Flexible Arbeitsmodelle und eine offene Kommunikationskultur ermöglichen effiziente Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit in Teams. Offene Kommunikation stärkt Vertrauen, Engagement und Kreativität, was zu höherer Produktivität führt. Vertrauen bildet die Grundlage für ehrliche Kommunikation (5).
Darüber hinaus trägt die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu handeln und Entscheidungen zu treffen, erheblich zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden bei. Diese Autonomie fördert ein stärkeres Engagement und verbessert die Gesamtleistung des Teams.
Indem Führungskräfte einen partizipativen Führungsstil annehmen und Teammitgliedern Raum für Mitbestimmung geben, können sie eine Umgebung schaffen, die insbesondere in anspruchsvollen Bereichen wie der Intensiv- und Notfallmedizin von großer Bedeutung ist. All diese strukturellen und inhaltlichen Rahmenbedingungen erleichtern auch das Ankommen in der Intensiv- und Notfallmedizin immens. Junge Menschen starten mit einer hohen Begeisterungsfähigkeit und Motivation in ihre intensivmedizinische Tätigkeit, die oft durch unzureichende oder fehlende Einarbeitung bereits im Keim erstickt wird (6).
Scheitert die Implementierung von New Work-Ansätzen, kann dies daran liegen, dass sie sich primär auf die äußeren, sichtbaren Aspekte des Wandels fokussieren. Jede externe Modifikation von Strukturen und Prozessen muss jedoch zwangsläufig von einer intrinsischen Transformation im Team begleitet werden.
Das Schlüsselwort lautet „innere Innovation“ von Teams. Hierunter versteht man die Entwicklung und Reifung von Mitarbeitenden und Teams, die es ihnen ermöglicht, ihre komplexe und dynamische Umgebung kompetenter, sicherer und zufriedener zu gestalten (7).
Eine neue Arbeitskultur erfordert jedoch nicht nur ein Umdenken in Bezug auf die Führungsstruktur und eine „innere Innovation“ des Teams, sondern auch eine Veränderung der Arbeitsweise. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bereitstellung digitaler Tools, die die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Mitgliedern eines Intensiv- und Notfallteams sowie – im größeren Maßstab – zwischen verschiedenen Fachdisziplinen verbessern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass das gesamte Team sich aktiv an der Gestaltung neuer Kommunikationswege beteiligt. Es bedarf einer offenen Haltung gegenüber Veränderungen und der Bereitschaft, neue Arbeitsmethoden auszuprobieren. Nur wenn die Teammitglieder an einem Strang ziehen und konstruktiv miteinander kommunizieren, kann die Patient:innenversorgung im ohnehin komplexen Umfeld auf ein noch höheres Niveau gesteigert werden. Digitale Lösungen und telemedizinische Anwendungen könnten im Rahmen von New Work zudem eingesetzt werden, um die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Durch den Einsatz moderner Technologien könnten beispielsweise Routineaufgaben automatisiert und administrative Aufgaben vereinfacht werden, sodass sich das medizinische Personal auf die Patient:innenversorgung konzentrieren und fokussieren kann. KI spielt hierfür eine zukunftsweisende Rolle und wird die Art der Kommunikation, Dokumentation und Interaktion nachhaltig verändern. Maßnahmen wie diese entlasten nicht nur das Personal, sondern erhöhen auch die Qualität und Quantität der Patient:innenversorgung (8).
Die Implementierung von New Work-Ansätzen in Notaufnahmen und auf Intensivstationen stellt eine erhebliche Herausforderung dar, da diese Bereiche durch hochdynamische Arbeitsbedingungen, fluktuierendes Patient:innenaufkommen und teilweise kritische Patient:innen gekennzeichnet sind. Im Gegensatz dazu sind Büroumgebungen regelhaft strukturierter, besser planbar und bieten folglich mehr Raum für Flexibilität und technologische Integration.
In Notaufnahmen und auf Intensivstationen sind beispielsweise die Flexibilisierung von Arbeitszeiten aufgrund der Notwendigkeit einer 24/7/365-Betreuung und der Unvorhersehbarkeit von Notfällen eine beinahe unlösbare Herausforderung und bieten folglich Konfliktpotenzial. Dennoch können innovative Schichtmodelle und eine bessere Verteilung der Arbeitslast dazu beitragen, die Arbeitszufriedenheit zu steigern. Dies erfordert eine präzise Personalplanung und die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Zudem gilt es etablierte Modelle regelmäßig kritisch zu reevaluieren.
Essenzieller Teil des New Work-Prozesses ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der sich alle Teammitglieder ermutigt fühlen, ihre Meinung und Ideen aktiv und konstruktiv einzubringen und an Entscheidungsprozessen zu partizipieren. Die Überwindung traditioneller hierarchischer Strukturen ist folglich notwendig, um eine echte kollaborative Verantwortung – im Geiste des New Work – zu etablieren.
Die Arbeit in Notaufnahmen und auf Intensivstationen kann mit erheblichem Arbeitsdruck und teilweise extremen Stress einhergehen. Ständige Handlungsbereitschaft und intermittierende Konfrontation mit lebensbedrohlichen Situationen führen zu erheblichen physischen und psychischen Herausforderungen. Eine Studie der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) von 2019 zeigte, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen bereits im jungen Lebensalter gesundheitliche Gefährdungen erleiden und Burnout-Symptome zeigen, was sich negativ auf die Patient: innenversorgung auswirken kann.
„Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“ (9)
Die Erhaltung und Stärkung der Resilienz der einzelnen Mitarbeitenden und des Teams insgesamt ist entscheidend für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. In diesen Bereichen führt die hohe Arbeitsbelastung, verbunden mit einer physisch und psychisch belastenden Arbeitsumgebung sowie chronischer Überlastung und schwerwiegenden, potenziell traumatisierenden Ereignissen, zu einem erhöhten Risiko für psychische Gesundheitsprobleme, posttraumatische Belastungsreaktionen oder -störungen und Burnout (10). Durch gezielte Maßnahmen im Sinne des New Work zur Stärkung der Resilienz können Mitarbeitende besser mit dem hohen Arbeitsdruck und den emotionalen Herausforderungen umgehen. Dazu gehören Angebote wie regelmäßige Supervision, psychologische Unterstützung und Resilienz-Trainings, welche im Optimalfall bereits im Rahmen einer strukturierten Einarbeitung neuer Fachkräfte aufgezeigt werden.
„Viele dieser Potenziale können ohne jede politische Handlungsnotwendigkeit innerhalb des Systems umgesetzt werden.“ (1)
Take home messages:
Die Implementierung von New Work-Ansätzen in der Intensiv- und Notfallmedizin verbessert die Effizienz und Effektivität der Kommunikations- und Arbeitsprozesse. Sie fördert die multidisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit und ermöglicht Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen auf Augenhöhe. Dafür braucht es eine neu gestaltete Kommunikationskultur und den Einsatz digitaler Plattformen. Derartige Innovationen ermöglichen eine verbesserte Informationsvermittlung und Entscheidungsfindung und fördern die Resilienz im Team. Die wertschätzende Kommunikation ist dabei ein unverzichtbares Element für das erfolgreiche Funktionieren von New Work, denn ohne sie könnten viele der angestrebten Vorteile und Prinzipien nicht umgesetzt werden. Sie schafft das notwendige Vertrauen und die Offenheit, die es den Mitarbeitern ermöglicht, ihre Ideen frei zu äußern und konstruktiv zusammenzuarbeiten, wodurch die Prinzipien von New Work erst richtig zur Geltung kommen.
Es ist unabdingbar, dass wir als Teil von Akut- Notfall- und Intensivteams unsere Verpflichtung für die Gesellschaft, unsere Kolleg:innen sowie uns selbst gegenüber nicht nur anerkennen, sondern auch proaktiv unsere Arbeitsmethoden hinterfragen und verbessern. Die Einführung moderner Kommunikationsmittel als Teil des New Work in Bereichen wie der Intensiv- und Notfallmedizin geht weit über technische Verbesserungen hinaus; sie ist ein fundamentales Bekenntnis zum Wohl unserer Patient:innen und Mitarbeitenden.
Starker V, Thies D-R, Frommelt M (2022) New Work in der Medizin. Rossberg Berlin
de Heer G, Kluge S (2012) Kommunikation in der Intensivmedizin. Med Klin Intensivmed Notfmed 107, 249–254. DOI: 10.1007/s00063-011-0060-3
Mayer C-H (2020) Positive Fehlerkultur als Ressource. Schmerztherapie 4. DOI: 10.1007/s00940-020-1739-4
Löhr M (2020) Agilität fällt nicht vom Himmel. URL:
https://www.healthrelations.de/new-work-kliniken/
(abgerufen am 01.08.2024)
Rice L (2023) Eine offene Kommunikationskultur entwickeln. URL:
https://www.hrjournal.de/eine-offene-kommunikationskultur-entwickeln/
(abgerufen am 01.08.2024)
Josuttis D, Regner F, Deffner T et al. (2023) Einarbeitung junger Fachkräfte auf der Intensivstation. Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin 119, 302–308. DOI: 10.1007/s00063-023-01067-y
Breidenbach J, Rollow B (2019) New Work needs Inner Work: Ein Handbuch für Unternehmen auf dem Weg zur Selbstorganisation. Vahlen München.
Baumann M, Robelski S, Harth V et al. (2021) Digitalisierung im Krankenhaus. Zbl Arbeitsmed 71, 248–253. DOI: 10.1007/s40664-021-00437-7
Richter-Kuhlmann E (2019) Arbeitsbedingungen im Krankenhaus: Burn-out schon beim Nachwuchs. Deutsches Ärzteblatt 116(48), A-2222/B-1820/C-1772
Waydhas C, Riessen R, Markewitz A et al. (2023) DIVI-Empfehlung zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen 2022 (Erwachsene). Med Klin Intensivmed Notfmed 118, 564–575. DOI: 10.1007/s00063-023-01021-y
Felix Freund
Felix Freund war lange als Notfallsanitäter und HEMS-TC bei der Johanniter-Unfall-Hilfe tätig, spezialisiert auf Offshore-Luftrettung. Zusätzlich ist er in der Zentralen Notaufnahme der Universitätsmedizin Greifswald tätig. In seiner Rolle legt er großen Wert auf Crew Ressource Management (CRM), um die Sicherheit der Patient:innen und die Effizienz der Teams zu maximieren. Durch das Fördern offener Kommunikation und die Berücksichtigung von „Human-Factors“ trägt er zur Bildung von High-Performance-Teams bei. Aktuell arbeitet er in der Klinik für Anästhesie des Herz- und Diabeteszentrum im Klinikum Karlsburg. Er engagiert sich im Leitungsteam der Jungen DIVI und ist Mitglied der Sektion Perspektive Resilienz der DIVI seit der Gründung im Jahr 2018.
Frida Regner, B.Sc.
Frida Regner arbeitet als Fachpflegeexpertin für Anästhesie und Intensivpflege im Kindes- und Jugendalter auf der interdisziplinären neonatologischen und pädiatrischen Intensivstation des Universitätsklinikums der TU Dresden. Sie absolviert ein pflegewissenschaftliches Masterstudium und engagiert sich im Leitungsteam der Jungen DIVI.
Aufgrund der zunehmenden Komplexität der intensivmedizinischen Versorgung und aufgrund der wachsenden Personalengpässe kommt das Thema der Einarbeitung junger Fachkräfte zunehmend in den Fokus. Derzeitig ist der Umfang und die Ausgestaltung der Einarbeitung in der deutschen Intensivmedizin nicht einheitlich definiert und aktuelle Umfragen belegen insgesamt einen Verbesserungsbedarf.
Ein individuell angepasstes und interprofessionelles Einarbeitungskonzept mit fest zugeordneten Mentorinnen und Mentoren und ausreichendem Zeitrahmen kann helfen, das Ankommen in der Intensivmedizin zu erleichtern und für eine langfristige Bleibeperspektive zu sorgen.
Der allgemeine medizinische Fortschritt spiegelt sich insbesondere in der zunehmenden Komplexität der intensivmedizinischen Versorgung wider. Die zur Verfügung stehenden Mittel, Organunterstützungs- und -ersatzverfahren werden rasant technisch fortentwickelt und zunehmend eingesetzt. Dies führt in vergrößertem Maße auch zu ethischen und rechtlichen Problemstellungen, denen alltäglich begegnet werden muss.
Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ist auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt, dass die Betreuungsqualität von Schwerstkranken oder -verletzten vor allem von einem kompetenten Behandlungsteam abhängt (1). Der Fachkräftemangel ist eine zunehmende Herausforderung für das Gesundheitswesen in Deutschland und wirkt sich ganz besonders in der Intensivmedizin aus. Hier ist der Personalmangel der entscheidende limitierende Faktor für die Nutzung der zur Verfügung stehenden materiellen Ressourcen.
Die Gewinnung von Nachwuchsfachkräften ist folglich eine essenzielle Herausforderung, um Quantität und Qualität der intensivmedizinischen Versorgung auch zukünftig sicherstellen zu können. Unerlässliche Grundvoraussetzung hierfür ist eine ausreichende Einarbeitung, die sowohl inhaltliche, handwerkliche, aber auch organisatorische Hilfestellung für den beruflichen Start in der Intensivmedizin bietet.
Auch wenn fundierte Ausbildung und Einarbeitung von neuen Fachkräften bisher im Behandlungsentgelt nicht adäquat abgebildet werden, liegen die Gefahren von schlechter Einarbeitung auf der Hand: Es leidet die Sicherheit von Patientinnen wie Patienten und Fachkräfte empfinden oft Überforderung und Hilflosigkeit (2; 3). Insbesondere letztere Faktoren prädisponieren – im ohnehin herausfordernden Umfeld der Intensivmedizin – schnell zu einem dauerhaften Rückzug aus dem intensivmedizinischen Arbeitsbereich und verstärken somit direkt den Personalmangel.
Die Motivation und der Wunsch von neuen Mitarbeitenden, in diesem Fachgebiet längerfristig tätig zu sein, sind grundsätzlich hoch und eine gute Einarbeitung bietet daher die Chance, diese Fachkräfte langfristig zu binden (2).