Doktor Dolittles schwimmende Insel - Hugh Lofting - E-Book

Doktor Dolittles schwimmende Insel E-Book

Hugh Lofting

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Beschreibung

Das zweite Buch um den beliebten Doktor Dolittle, der mit seiner Kunst, die Tiersprachen zu können, auch Menschenleben rettet: Doktor Dolittle begibt sich auf die Spinnenaffeninsel, um die Sprache der Schalentiere zu lernen. Doch schnell wird klar, dass die Insel in Richtung Südpol treibt und die Einheimischen zu erfrieren drohen. Kann Doktor Dolittle die Insel noch retten?-

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Hugh Lofting

Doktor Dolittles schwimmende Insel

Übersetzt E.L. Schiffer

Saga

Doktor Dolittles schwimmende Insel ÜbersetztE.L. Schiffer

OriginalThe Voyages of Doctor Dolittle

Copyright © 1922, 2020 Hugh Lofting und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726583878

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Vorrede

Alles‚ was ich bis jetzt über Doktor Dolittle geschrieben habe‚ habe ich‚ lange nachdem es geschehen war‚ von denen gehört‚ die ihn gekannt haben‚ — ja‚ ein großer Teil davon ist sogar vor meiner Geburt geschehen. Jetzt will ich von dem Lebensabschnitt des großen Mannes berichten‚ den ich selbst miterlebt habe.

Schon vor vielen Jahren hat mir der Doktor hierzu die Erlaubnis gegeben‚ aber damals waren wir beide so damit beschäftigt‚ um die Welt zu reisen‚ Abenteuer zu erleben und Notizbücher mit naturwissenschaftlichen Berichten zu füllen‚ daß ich niemals genug Zeit hatte‚ mich hinzusetzen und unsere Erlebnisse aufzuzeichnen.

Jetzt‚ da ich ein alter Mann bin‚ ist mein Gedächtnis natürlich nicht mehr sehr gut‚ aber immer‚ wenn ich etwas nicht mehr genau weiß‚ zaudern und nachdenken muß‚ frage ich den Papagei Polynesia.

Dieser wunderbare Vogel — er ist heute fast zweihundertfünfzig Jahre alt — sitzt auf meinem Pult‚ während ich dieses Buch schreibe. Meistens singt Polynesia Matrosenlieder vor sich hin. Wie jeder weiß‚ der Polynesia einmal getroffen hat‚ besitzt sie das erstaunlichste Gedächtnis der Welt. Wenn ich über etwas nicht mehr gut Bescheid weiß‚ ist sie stets imstande‚ mir ganz deutlich ins Gedächtnis zurückzurufen‚ wie es stattgefunden hat‚ wer dabei gewesen ist und alles‚ was damit zusammenhängt. Manchmal glaube ich wirklich‚ Polynesia hat dieses Buch geschrieben und nicht ich.

Aber nun will ich beginnen und euch zu allererst etwas über mich selbst erzählen und wie es kam‚ daß ich den Doktor kennen lernte.

1. Kapitel

DES SCHUHFLICKERS SOHN

Ich heiße Tommy Stubbins und bin der Sohn von Jacob Stubbins‚ dem Schuhflicker von Puddleby auf der Marsch. Damals war ich neuneinhalb Jahre alt und Puddleby eine ganz kleine Stadt. Ein Fluß floß mitten durch die Stadt‚ und über ihn wölbte sich eine alte steinerne Brücke‚ die auf der einen Seite zum Marktplatz und auf der anderen Seite zum Kirchhof führte.

Segelboote fuhren den Fluß vom Meer herauf und ankerten an der Brücke. Ich ging oft zu den Matrosen hinunter und sah zu‚ wie sie die Schiffe an der Uferböschung entluden. Die Matrosen sangen fremdartige Lieder‚ wenn sie die Taue hochzogen‚ und ich lernte diese Lieder auswendig. Ich saß auf der Flußmauer‚ ließ meine Füße übers Wasser baumeln‚ stimmte in den Gesang der Männer ein und spielte‚ auch ich sei ein Matrose.

Immer‚ wenn diese stolzen Schiffe ihr Heck der Puddlebyer Kirche zuwandten und wieder flußabwärts über die weiten einsamen Marschen zur offenen See hinabkrochen‚ sehnte ich mich‚ mit ihnen zu segeln‚ mit ihnen in die Welt zu fahren‚ um mein Glück in fernen Ländern‚ in Afrika‚ Indien‚ China und Peru zu suchen. Wenn sie hinter der Flußkrümmung waren und man das Wasser nicht mehr sah‚ konnte man über den Dächern der Stadt noch immer ihre riesigen braunen Segel erkennen‚ die sich langsam und geräuschlos‚ wie ein paar zwischen den Häusern wandernde Riesen‚ vorwärtsbewegten. Was für seltsame Dinge hatten sie wohl gesehen‚ wenn sie das nächste Mal zurückkamen‚ um wieder an der Königsbrücke vor Anker zu gehen? Von den Ländern träumend‚ die ich niemals gesehen hatte‚ saß ich auf der Mauer und blickte ihnen nach‚ bis sie außer Sicht waren.

Damals hatte ich in Puddleby drei gute Freunde. Der eine war Joe‚ der Muschelmann‚ der unter der Brücke am Rande des Flusses in einer winzigen Hütte wohnte. Es war wundervoll‚ was dieser Mann alles konnte. Kein Mensch hatte so geschickte Hände wie er. Er flickte mir meine Spielschiffe‚ die ich auf dem Fluß schwimmen ließ‚ und machte mir Windmühlen aus Faßreifen und Kistenholz.

Manchmal nahm mich Joe in seinem Boot mit‚ und wir paddelten mit der Ebbe den Fluß hinunter bis zum Meeresstrand‚ um Muscheln und Hummern für den Verkauf zu suchen.

Ein anderer Freund von mir war Matthäus Mugg‚ der Katzenfuttermann. Er war ein komischer Geselle‚ der böse schielte. Es war wirklich nett‚ sich mit ihm zu unterhalten‚ aber er sah recht fürchterlich aus. Er kannte jeden Menschen in Puddleby‚ auch alle Hunde und alle Katzen. Damals war es noch ein richtiger Beruf‚ Katzenfuttermann zu sein. Fast täglich sah man einen Mann mit einem hölzernen Tablett voller Fleischstücke‚ die auf Stäbchen steckten‚ durch die Straßen gehen und hörte ihn „Fleisch! Katzenfutterfleisch!“ rufen.

Es machte mir viel Spaß‚ mit dem alten Matthäus herumzugehen und zu sehen‚ wie die Katzen und Hunde ans Gartengitter gerannt kamen‚ wenn sie seinen Ruf hörten. Manchmal durfte ich den Tieren das Fleisch geben. Das machte mir viel Vergnügen. Matthäus wußte eine Menge über Hunde und nannte mir die Namen der verschiedenen Arten‚ wenn wir durch die Stadt gingen.

Mein dritter Freund war Lukas‚ der Einsiedler‚ doch von ihm will ich erst später erzählen.

Zur Schule ging ich nicht‚ dazu war mein Vater nicht reich genug. Aber Tiere liebte ich über alles. Ich verbrachte meine Zeit damit‚ Vogeleier und Schmetterlinge zu sammeln‚ im Fluß zu fischen‚ nach Blaubeeren und Pilzen zu suchen und dem Muschelmann seine Netze flicken zu helfen.

Ja‚ in jenen lang vergangenen Tagen führte ich ein schönes Leben — obgleich ich es damals natürlich nicht fand. Ich war neuneinhalb Jahre alt‚ und wie alle Jungens wollte ich gern erwachsen sein und wußte nicht‚ wie gut es mir ohne Sorgen ging. Ich sehnte mich immer nach der Zeit‚ da man mir erlauben würde‚ meines Vaters Haus zu verlassen und auf einem dieser stolzen Schiffe den Fluß durch das neblige Marschland hinunter zum Meer zu segeln — um in der weiten Welt mein Glück zu suchen.

2. Kapitel

ICH HÖRE VON DEM GROSSEN NATURFORSCHER

Als ich eines Frühlingsmorgens zwischen den Hügeln hinter der Stadt herumwanderte‚ sah ich einen Falken mit einem Eichhörnchen in den Klauen. Er saß auf einem Felsen‚ und das Eichhörnchen kämpfte verzweifelt um sein Leben. Der Falke erschrak so sehr‚ als ich plötzlich hervortrat‚ daß er das arme Geschöpf fallen ließ und fortflog. Ich hob das Eichhörnchen auf und entdeckte‚ zwei seiner Beine waren böse verletzt‚ und so trug ich es zur Stadt zurück.

An der Brücke ging ich in die Hütte des Muschelmannes und fragte ihn‚ ob er nicht etwas für mein Eichhörnchen tun könnte. Joe setzte seine Brille auf und untersuchte es sorgfältig‚ dann schüttelte er den Kopf. „Das eine Bein ist gebrochen und das andere recht zerbissen. Ich kann dir deine Schiffe flicken‚ Tom‚ aber weder habe ich das Werkzeug‚ noch hab’ ich gelernt‚ ein zerbrochenes Eichhörnchen wieder seetüchtig zu machen. Das ist eine Arbeit für einen Wundarzt —‚ und zwar für einen recht tüchtigen. Ich kenne nur einen Menschen‚ der dem Tier das Leben retten könnte‚ und das ist Johann Dolittle.“

„Wer ist Johann Dolittle?“ fragte ich‚ „ist das ein Tierarzt?“

„Nein“‚ sagte der Muschelmann‚ „Doktor Dolittle ist ein Naturforscher. Ein Mann‚ der alles über Tiere‚ Schmetterlinge‚ Pflanzen‚ Felsen und so weiter weiß. Johann Dolittle ist ein großer Naturforscher. Du hast nie etwas von ihm gehört und bist so wild auf Tiere? Er weiß eine Menge über Krebse und Muscheln‚ das weiß ich aus eigener Erfahrung. Er ist ein ruhiger Mann und spricht nicht viel‚ aber manche Leute sagen‚ er sei der größte Naturforscher der Welt.“

„Wo wohnt er?“ fragte ich.

„Hinter der Oxenthorp-Straße‚ auf der andern Seite der Stadt. Ich weiß nicht genau‚ welches Haus es ist‚ aber fast jeder wird es dir sagen können. Geh zu ihm hin‚ er ist ein großer Mann.“

Ich dankte dem Muschelmann‚ nahm mein Eichhörnchen und machte mich auf den Weg zur Oxenthorp-Straße. Das erste‚ was ich hörte‚ war‚ daß jemand „Fleisch‚ Fleisch!“ rief. Es war Matthäus Mugg‚ er mußte wissen‚ wo der Doktor wohnt. Matthäus kannte jeden Menschen. Ich lief über den Markt und bekam ihn gerade noch zu fassen.

„Matthäus“‚ fragte ich‚ „kennst du Doktor Dolittle?“

„Ob ich Doktor Dolittle kenne?“ rief er. „Weiß Gott‚ das sollte man glauben! Ich kenne ihn so gut wie meine Frau‚ manchmal sogar noch besser. Er ist ein großer Mann‚ ein sehr großer Mann. Ich geh jetzt grade zu seinem Hause. Komm mit‚ ich werd’ es dir zeigen.“

So machten wir uns beide auf den Weg. „Ich kenne Doktor Dolittle schon seit Jahren“‚ sagte er‚ als wir über den Marktplatz gingen‚ „aber ich glaube ziemlich sicher‚ er wird jetzt nich zu Hause sein. Er ist verreist‚ aber er kann jeden Tag zurückkommen. Ich werde dir sein Haus zeigen‚ und dann weißt du‚ wo du ihn finden kannst.“

„Wo ist er denn hingefahren?“ fragte ich.

„Das kann ich dir nicht sagen‚ kein Mensch weiß niemals nich‚ wohin er geht‚ noch was er tut‚ noch wann er zurückkommt. Er lebt allein mit seinen Lieblingstieren. Er hat ein paar große Reisen und wunderbare Entdeckungen gemacht. Als er das letzte Mal nach Hause kam‚ erzählte er mir‚ er habe im Stillen Ozean einen Stamm Indianer entdeckt‚ die auf zwei Inseln lebten‚ die Männer auf der einen und die Frauen auf der andern. Vernünftige Leute‚ diese Wilden. Sie kommen nur einmal im Jahr zusammen‚ wenn die Männer ihre Frauen zu einem großen Fest besuchen. Zu Weihnachten höchstwahrscheinlich. Ja‚ er ist ein wunderbarer Mann‚ der Doktor‚ niemand nich weiß von Tieren so viel wie er.“

„Woher weiß er so viel über Tiere?“ fragte ich.

Der Katzenfuttermann blieb stehen und beugte sich herunter‚ um mir etwas ins Ohr zu flüstern. „Er spricht ihre Sprache“‚ sagte er mit heiserer‚ geheimnisvoller Stimme.

„Die Tiersprache!“ rief ich.

„Ja‚ natürlich‚ alle Tiere haben eine Sprache. Einige sprechen mehr als die andern‚ und manche nur Zeichensprache wie Taubstumme‚ aber der Doktor versteht sie alle‚ die Vögel so gut wie die andern Tiere. Es ist ein Geheimnis‚ das nur er und ich wissen‚ denn die andern Leute lachen‚ wenn man davon spricht. Ja‚ er kann sogar die Tiersprache schreiben. Er liest seinen Tieren vor. Er hat Geschichtsbücher in der Affensprache geschrieben und Kanarienvogelgeschichten und lustige Lieder für Elstern. Das ist tatsächlich wahr. Jetzt ist er damit beschäftigt‚ die Sprache der Schaltiere‚ der Krebse‚ Muscheln und Schnecken‚ zu erlernen‚ aber er sagt‚ es sei sehr schwer‚ und er hat sich dabei schon oft erkältet‚ weil er seinen Kopf so viel unter Wasser halten muß. Er ist ein großer Mann.“

„Das muß er wirklich sein. Ich wünschte‚ er wäre zu Hause‚ damit ich ihn kennen lernte.“

Wir waren an den Rand der Stadt gelangt‚ und das Haus‚ auf das Matthäus zeigte‚ war klein und stand für sich allein. Ein großer Garten schien es zu umgeben‚ der lag viel höher als die Straße‚ so daß man einige Stufen hinaufsteigen mußte‚ ehe man hinein gelangte. Als wir zum Haus kamen‚ ging Matthäus die Stufen zur Vordertür hinauf‚ und ich folgte ihm. Ich dachte‚ er würde in den Garten gehen‚ aber das Tor war verschlossen. Ein Hund kam vom Hause herbeigerannt‚ nahm mehrere Stücke Fleisch und auch einige Tüten mit Korn und Kleie in Empfang‚ die der Katzenfuttermann durch die Gitterstäbe steckte. Ich bemerkte‚ dieser Hund blieb nicht stehen‚ um das Fleisch zu fressen‚ wie ein gewöhnlicher Hund‚ sondern er brachte alle Sachen zum Haus und verschwand. Er trug ein seltsames breites Halsband‚ das wie Messing aussah. Dann gingen wir wieder fort.

„Der Doktor ist noch nich zurück‚ sonst wäre das Tor nich verschlossen“‚ sagte Matthäus.

„Was war in den Tüten‚ die du dem Hund gegeben hast?“ fragte ich.

„Ach‚ das waren allerlei Nahrungsmittel“‚ sagte Matthäus‚ „Futter für die Tiere. Des Doktors Haus steckt voller Lieblingstiere. Wenn der Doktor nich zu Hause ist‚ gebe ich die Sachen dem Hund‚ und er bringt sie den andern Tieren.“

„Und was war das für ein seltsames Halsband‚ das er trug?“

„Das ist ein echt goldenes Hundehalsband. Vor langer Zeit‚ als er mit dem Doktor auf einer Reise war‚ hat man es ihm geschenkt. Er hat einem Menschen das Leben gerettet.“

„Wie lange hat der Doktor ihn schon?“

„Oh‚ sehr lange. Jip wird jetzt schon hübsch alt. Darum nimmt der Doktor ihn nich mehr auf Reisen mit. Er läßt ihn hier‚ damit er das Haus bewacht. Jeden Montag und Donnerstag bring ich ihm das Futter ans Gitter. Er läßt niemand in den Garten‚ wenn der Doktor fort ist. Nicht einmal mich‚ obgleich er mich gut kennt. Aber man weiß immer‚ ob der Doktor zurück ist oder nich. Wenn er wieder da ist‚ steht das Tor bestimmt offen.“

Ich ging also wieder zu meines Vaters Haus zurück und bettete mein Eichhörnchen in eine kleine mit Stroh gefüllte Kiste. Dort pflegte ich es selbst und versorgte es‚ so gut ich konnte‚ bis zu der Zeit‚ da der Doktor zurückkehren sollte. Täglich ging ich zum kleinen Haus am Rande der Stadt und sah nach‚ ob das Tor noch geschlossen war. Manchmal kam Jip‚ der Hund‚ ans Tor gelaufen‚ aber obgleich er mit dem Schweif wedelte und sich freute‚ daß ich kam‚ ließ er mich nie in den Garten.

3. Kapitel

DES DOKTORS HEIM

Es war an einem Montagnachmittag gegen Ende April‚ als mir mein Vater auftrug‚ Schuhe‚ die er geflickt hatte‚ in ein Haus der andern Stadthälfte zu bringen. Als ich sie zu Oberst Bellows‚ einem sehr unfreundlichen Herrn‚ gebracht hatte‚ fiel mir ein‚ ich könnte‚ bevor ich nach Hause ginge‚ noch einmal nachsehen‚ ob der Doktor zurück wäre. Ich war am Morgen schon dort gewesen‚ aber ich wollte gern noch einmal nachsehen. Meinem Eichhörnchen ging es gar nicht besser‚ und ich begann‚ mir Sorge zu machen. So bog ich in die Oxenthorp-Straße ein und ging zu des Doktors Haus. Unterwegs bemerkte ich‚ daß sich der Himmel bewölkte‚ als wollte es regnen.

Das Tor war noch verschlossen‚ was mich sehr entmutigte‚ denn eine Woche lang war ich nun täglich hergekommen. Traurig kehrte ich um‚ stieg die Stufen hinunter und machte mich auf den Heimweg.

Ich überlegte‚ ob wohl schon Abendbrotzeit wäre. Natürlich hatte ich keine Uhr‚ aber ich sah einen Herrn die Straße herunter kommen‚ und als er näher kam‚ sah ich‚ daß es der Oberst war. Ich bat ihn‚ mir zu sagen‚ wie spät es sei.

Er blieb stehen‚ brummte etwas und stierte auf mich herunter‚ sein rotes Gesicht rötete sich immer mehr‚ und als er sprach‚ hörte sich’s an‚ als ob ein Korken aus einer Ingwerbierflasche knallt.

„Hast du dir wirklich eingebildet‚ ich werde alle meine Mäntel aufknöpfen‚ um einem kleinen Jungen wie dir zu sagen‚ wie spät es ist?“ polterte er und stapfte die Straße hinunter‚ wobei er lauter als je vor sich hinbrummte.

Ich blieb einen Augenblick stehen und überlegte‚ wie alt ich wohl sein müßte‚ damit er sich die Mühe nähme‚ die Uhr herauszuziehen. Plötzlich begann es in Strömen zu gießen. Ich hatte noch nie einen solchen Regen erlebt. Es wurde dunkel wie die Nacht‚ der Wind blies‚ der Donner rollte‚ die Blitze zuckten‚ und im Nu waren die Rinnsteine zu Flüssen angeschwollen. Da ich in der Nähe keinen Unterschlupf fand‚ stemmte ich mich gegen den Sturm und begann mit gesenktem Kopf nach Hause zu laufen.

Ich war noch nicht sehr weit gekommen‚ als ich mit dem Kopf in etwas Weiches stieß und plötzlich auf dem Pflaster saß. Um zu sehen‚ in was ich gerannt sei‚ blickte ich auf. Vor mir auf dem nassen Weg saß ein kleiner dicker Mann mit einem sehr freundlichen Gesicht. Er trug einen abgeschabten Zylinderhut und in der Hand eine kleine schwarze Reisetasche.

„Ich bitte vielmals um Verzeihung“‚ sagte ich‚ „ich bin gebückt gelaufen und habe Sie daher nicht kommen sehen.“

Zu meinem großen Erstaunen fing der kleine Mann an zu lachen‚ anstatt ärgerlich zu sein‚ daß er niedergerannt worden war.

„Das erinnert mich an Indien“‚ sagte er. „Bei einem Gewitter habe ich dort einmal eine Frau über den Haufen gerannt‚ die einen Krug mit Melasse auf dem Kopf trug. Ich hatte das süße Zeug noch wochenlang nachher in den Haaren‚ so daß mich die Fliegen überall verfolgten. Ich habe dir doch nicht weh getan‚ nicht wahr?“

„Nein‚ durchaus nicht.“

„Es war genau so meine Schuld wie deine“‚ sagte der kleine Mann‚ „auch ich bin mit gesenktem Kopf gelaufen. Aber wir dürfen hier nicht sitzenbleiben und uns unterhalten. Du mußt ja durchweicht sein‚ ich bin es auch. Wie weit hast du es bis nach Hause?“

„Wir wohnen auf der andern Seite der Stadt“‚ antwortete ich‚ als wir uns aufrappelten.

„Herr im Himmel‚ das Pflaster ist aber naß gewesen“‚ rief er‚ „und bestimmt kommt noch viel mehr herunter! Komm mit mir nach Haus und laß dich trocknen. Ein solches Unwetter kann nicht lange dauern.“

Er nahm mich bei der Hand‚ und wir liefen zusammen wieder die Straße zurück. Unterwegs überlegte ich mir‚ wer dieser komische kleine Mann sein könnte und wo er wohne. Er kannte mich nicht‚ und doch nahm er mich mit nach Hause‚ damit ich meine Sachen trocknen könnte.

Wie anders war er als der alte rotnäsige Oberst‚ der mir nicht einmal sagen wollte‚ wieviel Uhr es sei! Plötzlich blieben wir stehen. „Hier wären wir“‚ sagte er.

Ich sah hoch und fand mich am Fuße der Stufen‚ die zu dem kleinen Haus mit dem großen Garten führten. Mein neuer Freund lief die Treppe hinauf und öffnete das Tor mit ein paar Schlüsseln‚ die er aus der Tasche zog.

Das ist nicht der berühmte Doktor Dolittle‚ dachte ich bei mir.

Nach dem‚ was ich von ihm gehört hatte‚ stellte ich ihn mir immer als einen großen‚ starken und prächtigen Mann vor. Dieser komische kleine Mann mit dem gutmütigen Lächeln konnte es nicht sein. Und doch war er es sogar ganz bestimmt. Er öffnete das Tor‚ vor dem ich so viele Tage gewartet hatte. Der Hund Jip kam gerannt‚ sprang mit Freudengebell an ihm hoch‚ und der Regen strömte stärker hernieder denn je.

„Sind Sie Doktor Dolittle?“ rief ich‚ als wir den kurzen Gartenweg hinauf liefen.

„Ja‚ ich bin Doktor Dolittle“‚ sagte er und öffnete die Haustür mit dem gleichen Schlüsselbund.

„Herein mit dir! Du brauchst nicht die Füße abzuwischen. Kümmre dich nicht um den Schmutz. Nimm ihn nur mit herein. Mach‚ daß du aus dem Regen kommst.“

Ich huschte hinein‚ beide folgten mir‚ und der Doktor warf die Tür hinter uns zu. Das Gewitter hatte draußen schon alles verdunkelt‚ aber im Haus bei geschlossener Tür war es schwarz wie in der Nacht. Und der merkwürdigste Lärm‚ den ich je gehört hatte‚ begann. Es klang‚ als ob alle Arten und Gattungen von Tieren und Vögeln zur selben Zeit riefen‚ quakten und kreischten. Ich hörte sie die Treppe hinuntertrudeln und Gänge entlang eilen. Irgendwo im Dunkeln schnatterte eine Ente‚ krähte ein Hahn‚ gurrte eine Taube‚ schrie eine Eule‚ blökte ein Schaf‚ und Jip bellte. Ich fühlte Vogelschwingen flattern und um mein Gesicht streichen. Andere Tiere liefen mir zwischen den Beinen durch und brachten mich beinahe zu Fall. Die ganze Halle schien sich mit Tieren zu füllen. Der Lärm‚ vermischt mit dem strömenden Regen‚ war ungeheuer‚ und ich fing an‚ mich etwas zu fürchten‚ als der Doktor meinen Arm nahm und mir ins Ohr schrie:

„Fürchte dich nicht‚ hab’ keine Angst. Es sind nur einige meiner Lieblingstiere. Ich War drei Monate fort‚ und sie freuen sich‚ daß ich wieder nach Haus gekommen bin. Bleib’ stehen‚ wo du bist‚ bis ich Licht mache. Herrgott‚ was für ein Unwetter! Hör nur den Donner!“

Da stand ich in tiefster Finsternis‚ während alle Arten Tiere‚ die ich nicht sehen konnte‚ sich um mich drängten und lärmten. Es war ein seltsames und komisches Gefühl. Wenn ich bisher durch das Gitter sah‚ hatte ich mir überlegt‚ was für ein Mensch der Doktor wohl sein möge‚ und wie das kleine Haus innen aussähe. Aber so hatte ich’s mir nie vorgestellt. Nachdem ich des Doktors Hand auf meinem Arm spürte‚ ängstigte ich mich nicht mehr‚ sondern war nur noch etwas verstört. Es schien alles wie ein seltsamer Traum‚ und ich begann gerade zu zweifeln‚ ob ich wach sei‚ als der Doktor wieder zu sprechen anfing. „Meine verflixten Streichhölzer sind alle naß‚ sie wollen nicht brennen. Hast du welche bei dir?“

„Nein‚ leider nicht“‚ rief ich zurück.

»Schadet nichts“‚ sagte er‚ „vielleicht kann uns Dab-Dab Licht machen.“

Der Doktor schnalzte einige Male komisch mit der Zunge‚ und ich hörte jemand die Treppe hinaufrollen und in den oberen Räumen umhergehen. Dann warteten wir eine ganze Weile‚ ohne daß irgend etwas geschah.

„Kommt bald Licht?“ fragte ich. „Ein Tier sitzt auf meinem Fuß‚ und meine Zehen fangen an einzuschlafen.“

„Nur eine Minute“‚ sagte der Doktor‚ „sie wird gleich zurück sein.“

Da sah ich grade den Schein eines Lichtes an der oberen Brüstung‚ und plötzlich schwiegen alle Tiere.

„Ich dachte‚ Sie wohnten allein“‚ sagte ich zum Doktor.

„Das tue ich auch“‚ erwiderte er‚ „Dab-Dab bringt das Licht.“

Ich sah die Treppe hinauf. Über das Geländer konnte ich nicht sehen‚ aber ich hörte wunderliche Tritte auf dem oberen Absatz. Es hörte sich an‚ als hopste jemand eine Stufe nach der andern herunter und gebrauchte dabei nur ein Bein.

„Ach endlich!“ rief der Doktor. „Die gute alte Dab-Dab!“

Und dann glaubte ich‚ daß ich wirklich träumte. Denn den Hals über die Windung des Geländers gestreckt‚ kam auf einem Fuß eine fleckenlos weiße Ente die Stufen heruntergehüpft. Und in ihrem rechten Fuß trug sie eine brennende Kerze!

4. Kapitel

DAS WIFF-WAFF

Endlich konnte ich mich umsehen. Die Diele war mit Tieren vollgestopft. Alle Arten schienen hier versammelt. Eine Taube‚ eine weiße Maus‚ eine Eule‚ eine Fledermaus‚ ein Maulwurf‚ sogar ein kleines Schwein kam vom verregneten Garten herein und wischte sich sorgfältig die Füße an einer Matte ab‚ während das Licht der Kerze auf seinem nassen rosa Rücken glänzte.

Der Doktor nahm der Ente den Leuchter ab und wandte sich zu mir: „Du mußt die nassen Kleider ausziehen. Übrigens: wie heißt du?“

„Thomas Stubbins“‚ sagte ich.

„Ach‚ bist du der Sohn des Schuhmachers Stubbins?“

„Ja“‚ antwortete ich.

„Dein Vater ist ein ausgezeichneter Schuhmacher“‚ sagte der Doktor. „Sieh dir mal die an.“ Er hielt mir seinen rechten Fuß hin‚ um mir die riesigen Stiefel zu zeigen‚ die er trug. „Die hat mir dein Vater vor vier Jahren gemacht‚ und seitdem habe ich sie immer getragen‚ wirklich herrliche Stiefel. Nun mußt du dir schnell die nassen Kleider ausziehen‚ Stubbins‚ wart’ einen Augenblick‚ bis ich noch ein paar Kerzen angezündet habe‚ dann werden wir hinaufgehen und uns trockene Kleider suchen. Du bekommst einen alten Anzug von mir‚ bis wir deine Kleider am Küchenfeuer getrocknet haben.“ Wir gingen nach oben‚ und der Rock des Doktors‚ den er mir gab‚ war so groß‚ daß ich in einem fort auf meine eignen Rockschöße trat‚ als ich Holz vom Keller hinauftragen half. Aber bald flackerte ein riesiges Feuer im Kamin‚ und wir hingen unsere nassen Kleider zum Trocknen auf.

„Nun wollen wir uns Abendbrot machen“‚ sagte der Doktor. „Du bleibst doch hier und ißt mit mir‚ Stubbins?“

Ich begann diesen komischen kleinen Mann bereits lieb zu haben, der zu mir ‚Stubbins‘ statt ‚Kleiner‘ oder ‚Tommy‘ sagte. (Ich haßte es so‚ ‚Kleiner‘ genannt zu werden.) Dieser Mann behandelte mich genau wie einen erwachsenen Freund. Und als er mich bat‚ bei ihm zu bleiben und mit ihm Abendbrot zu essen‚ war ich stolz und glücklich. Aber plötzlich fiel mir ein‚ ich hatte meiner Mutter nichts von einem so langen Fortbleiben gesagt. Daher antwortete ich traurig:

„Vielen Dank! Ich würde gern bleiben‚ aber ich fürchte‚ meine Mutter wird sich ängstigen‚ wenn ich nicht zurückkomme und sie nicht weiß‚ wo ich bin.“

„Ach‚ lieber Stubbins“‚ sagte der Doktor und warf ein neues Scheit Holz in das Feuer. „Deine Kleider sind noch nicht trocken‚ du mußt darauf warten‚ nicht wahr? Bis dahin haben wir uns Abendbrot gemacht und gegessen. Hast du vielleicht gesehen‚ wo ich meine Tasche hingestellt habe?“

„Sicher in die Halle‚ ich werde mal nachsehen.“ Ich fand die Handtasche an der Eingangstür. Sie war aus schwarzem Leder und sah alt aus. Eins ihrer Schlösser war entzwei und wurde mit einem Bindfaden zusammengehalten. „Vielen Dank“‚ sagte der Doktor‚ als ich sie ihm brachte.

„Ist dies das ganze Gepäck‚ das Sie auf der Reise mithatten?“ fragte ich.

„Ja“‚ sagte der Doktor‚ als er den Bindfaden aufschnürte‚ „ich halte nichts von vielem Gepäck. Es ist so eine Last — das Leben ist zu kurz‚ um sich damit abzuquälen. Und weißt du: es ist auch nicht nötig. Wo habe ich nur die Würstchen hingetan?“

Der Doktor suchte in der Tasche. Zuerst holte er ein frisches Brot‚ dann ein Glas mit einem seltsamen Metalldeckel heraus. Er hielt das Glas sehr sorgfältig ans Licht‚ bevor er es auf den Tisch setzte‚ und ich entdeckte darin ein seltsames kleines Wassertier. Zuletzt brachte der Doktor ein Pfund Würstchen hervor.

Während er eifrig die Würstchen über dem Herdfeuer briet‚ ging ich hin und sah mir das kleine Geschöpf an‚ das in dem Glas herumschwamm.

„Was ist das für ein Tier?“ fragte ich.

„Ach“‚ sagte der Doktor und drehte sich um‚ „das ist ein Wiff-Waff. Sein richtiger Name ist Hippocampus pippitopitus. Aber die Eingeborenen nennen es einfach Wiff-Waff‚ weil es beim Schwimmen immer mit seinem Schwanz hin und her wackelt. Um es zu bekommen‚ habe ich meine letzte Reise unternommen. Ich will nämlich die Sprache der Schaltiere lernen. Sie haben bestimmt eine Sprache. Ein bißchen Haifischsprache und etwas Tümmlerdialekt kann ich schon sprechen‚ aber ich möchte die Sprache der Schaltiere: der Muscheln‚ Krebse und Schnekken lernen.“

„Warum denn?“ fragte ich.

„Nun‚ einige Schaltiere sind die ältesten Geschöpfe der Welt‚ von denen wir wissen. Man findet ihre vieltausend Jahre alten Schalen versteinert in den Felsen. Wenn ich ihre Sprache sprechen könnte‚ würde ich sicher von ihnen erfahren‚ wie die Welt in uralten Zeiten gewesen ist.“

„Aber können Sie das nicht ebenso gut von anderen Tieren erfahren?“

„Ich glaube nicht“‚ sagte der Doktor und zerteilte die Würste mit einer Gabel. „Die Affen‚ die ich vor ein paar Jahren in Afrika kennen lernte‚ haben mir zwar geholfen und mir viel von vergangenen Zeiten erzählt —‚ aber ihre Kenntnisse reichten nur ungefähr tausend Jahre zurück. Nein‚ ich bin überzeugt‚ man kann nur von den Schaltieren die älteste Geschichte der Welt erfahren‚ einzig und allein von ihnen. Die meisten anderen Tiere‚ die in jenen uralten Zeiten gelebt haben‚ sind ausgestorben.“

„Können Sie schon etwas Schaltiersprache?“ fragte ich.

„Nein‚ ich habe grade erst angefangen. Ich mußte den besonderen Pfeifenfisch haben‚ der halb Muschel und halb Fisch ist. Ich bin ihm bis zum östlichen Mittelmeer gefolgt; aber ich fürchte‚ er wird mir nicht sehr viel helfen. Um die Wahrheit zu gestehen‚ enttäuscht mich sein Äußeres. Er sieht nicht sehr klug aus‚ nicht wahr?“

„Nein‚ wahrhaftig nicht“‚ stimmte ich bei.

„So“‚ sagte der Doktor‚ „die Würste sind grade gar‚ komm‚ reich mir deinen Teller‚ damit ich dir auftun kann.“ Wir setzten uns an den Küchentisch und begannen ein herzhaftes Mahl.

Es war eine wunderbare Küche — ich habe darin noch oft gegessen und aß dort lieber als in dem schönsten Speisesaal der Welt. Es war gemütlich‚ heimisch und warm‚ und alles war so bequem. Man nahm das Essen heiß vom Feuer‚ stellte es auf den Tisch und aß es. Während man seine Suppe löffelte‚ sah man sein Brot auf dem Rost liegen und konnte aufpassen‚ daß es nicht anbrannte. Wenn man Salz vergessen hatte‚ brauchte man nicht in ein anderes Zimmer zu gehen‚ sondern nur die große Holzbüchse von der Anrichte hinter sich zu nehmen. Der Herd‚ der größte‚ den ich je gesehen habe‚ war wie ein Zimmer für sich. Man konnte sich hineinstellen‚ selbst wenn die Scheite schon brannten‚ oder auf jeder Seite sitzen und sich Kastanien rösten‚ wenn das Mahl vorüber war. Man konnte dem Summen des Kessels lauschen‚ Geschichten erzählen‚ oder sich beim flackernden Feuer Bilder besehen. Es war eine herrliche Küche — sie war wie der Doktor. Bequem‚ vernünftig‚ freundlich und zuverlässig.

Während wir aßen‚ öffnete sich plötzlich die Tür und herein spazierten die Ente Dab-Dab und der Hund Jip‚ die Laken und Kissenbezüge hinter sich über den sauber gefegten Erdboden zogen. Der Doktor‚ der mein Erstaunen sah‚ erklärte mir‚ daß sie die Bettwäsche für ihn vor dem Feuer anwärmen wollten.

„Dab-Dab ist eine großartige Haushälterin. Ich hatte einst eine Schwester‚ die mir den Haushalt führte — arme‚ gute Sarah‚ ich möchte wissen‚ wie es ihr geht‚ ich habe sie viele Jahre nicht gesehen —‚ aber sie war nicht halb so gut wie Dab-Dab. Nimm noch ein Würstchen!“

Der Doktor blickte sich um und sprach in seltsamen Zeichen und Lauten einige Worte zu der Ente und dem Hund. Sie schienen ihn völlig zu verstehen.

„Verstehen Sie auch die Eichhörnchensprache?“

„ Ja‚ natürlich‚ sie ist ganz leicht. Du könntest sie auch ohne große Mühe lernen. Aber warum fragst du?“

„Weil ich zu Haus ein krankes Eichhörnchen habe. Ich rettete es vor einem Falken‚ aber zwei Beine sind schwer verletzt‚ und ich möchte‚ daß Sie sich’s mal ansehen. Darf ich’s Ihnen morgen herbringen?“

„Wenn es ein schwerer Bruch ist‚ wär’s besser‚ ich sähe es mir noch heute abend an. Es ist zwar schon zu spät‚ um noch viel zu tun‚ aber ich werde mit dir nach Hause gehen und es untersuchen.“

Wir besahen die Kleider am Feuer‚ und meine waren schon ganz trocken. Ich ging ins Schlafzimmer hinauf und zog mich um‚ und als ich hinunterkam‚ wartete der Doktor schon mit seiner schwarzen Tasche voll Medizin und Bandagen auf mich.

„Komm“‚ sagte er‚ „es hat aufgehört zu regnen.“

Draußen war es wieder hell geworden‚ der Abendhimmel war von der untergehenden Sonne gerötet‚ und die Drosseln sangen im Garten‚ als wir das Tor öffneten‚ um auf die Straße hinunterzugehen.

5. Kapitel

POLYNESIA

„Ihr Haus ist das interessanteste‚ das ich kenne“‚ sagte ich‚ als wir zur Stadt gingen. „Darf ich morgen wiederkommen?“

„Natürlich“‚ sagte der Doktor‚ „du kannst jeden Tag kommen‚ wenn du willst. Morgen zeige ich dir den Garten und meinen Zoo.“

„Ach‚ Sie haben auch einen zoologischen Garten?“ fragte ich.

„Ja‚ die vielen Tiere sind zu viel für das Haus‚ drum halte ich sie im Garten‚ es ist keine sehr große Sammlung‚ aber auf ihre Art ist sie interessant.“

„Es muß schön sein‚ die Sprachen dar verschiedenen Tiere sprechen zu können. Glauben Sie‚ ich könnte sie je lernen?“

„Sicherlich“‚ sagte der Doktor‚ „wenn du dir Mühe gibst‚ aber du mußt sehr geduldig sein. Du müßtest bei Polynesia die Anfangsgründe lernen‚ sie hat mir auch den ersten Unterricht gegeben.“

„Wer ist Polynesia?“ fragte ich.

„Polynesia ist ein westafrikanischer Papagei‚ der bei mir gewohnt hat. Jetzt ist sie nicht mehr hier“‚ sagte der Doktor traurig.

„Warum? Ist sie tot?“

„Ach‚ nein“‚ sagte er‚ „ich hoffe‚ sie lebt noch. Aber als wir nach Afrika kamen‚ war sie so glücklich‚ wieder in ihrer alten Heimat zu sein — sie hat vor Freude geweint‚ und als ich wieder nach Hause fuhr‚ hatte ich nicht das Herz‚ sie von ihrem sonnigen Lande loszureißen‚ obgleich sie mir anbot‚ mitzukommen‚ Ich hab sie in Afrika gelassen. Ja‚ ich vermisse sie schrecklich. Als wir abfuhren‚ weinte sie — aber ich glaube‚ ich habe das Richtige getan. Sie war einer der besten Freunde‚ die ich je gehabt habe. Sie hat mir vorgeschlagen‚ die Tiersprache zu lernen und ein Tierdoktor zu werden. Ich denke oft‚ ob sie in Afrika glücklich ist‚ und ob ich jemals ihr komisches altes würdevolles Gesicht wiedersehen werde. Gute‚ alte Polynesia! Ein ganz außerordentlicher Vogel. Ja! Ja!“

In diesem Augenblick hörten wir jemand hinter uns herlaufen‚ und als wir uns umdrehten‚ sahen wir den Hund Jip die Straße herabstürzen‚ so schnell‚ wie ihn seine Beine nur tragen konnten. Er schien über irgend etwas sehr aufgeregt zu sein‚ und sobald er bei uns war‚ begann er den Doktor auf eine besondere Weise anzubellen und anzuwinseln. Der Doktor geriet außer sich und sprach in seltsamen Zeichen auf den Hund ein. Schließlich drehte er sich mit glückstrahlendem Gesicht zu mir um.

„Polynesia ist zurückgekehrt“‚ rief er‚ „stell dir das nur vor‚ Jip sagt‚ sie sei soeben nach Haus gekommen. Meiner Seel! Es ist fünf Jahre her‚ seit ich sie nicht gesehen habe. Entschuldige mich eine Minute.“

Und er drehte sich um‚ als ob er nach Hause gehen wollte — aber der Papagei Polynesia kam uns bereits entgegengeflogen. Johann Dolittle klatschte in die Hände wie ein Kind‚ das ein neues Spielzeug bekommt‚ während ein Schwarm von Sperlingen mit aufgeregtem Piepen von der Straße zu den Zäunen aufflatterte. höchst entrüstet‚ daß ein grau und scharlachroter Papagei durch eine englische Gasse strich.

Polynesia kam gerade auf des Doktors Schulter zugeflogen‚ wo sie sofort begann‚ in einem gleichmäßigen Redefluß und einer Sprache zu sprechen‚ die ich nicht verstehen konnte. Sie mußte eine Menge zu erzählen haben‚ und bald hatte der Doktor mich‚ mein Eichhörnchen‚ Jip und alles andere vergessen‚ bis ihn schließlich der Vogel etwas über mich fragte.

„Ach‚ entschuldige‚ Stubbins“‚ sagte der Doktor‚ „ich war ganz davon in Anspruch genommen‚ meiner alten Freundin zuzuhören. Wir müssen weitergehen und uns dein Eichhörnchen ansehen. Polynesia‚ das ist Thomas Stubbins.“

Der Papagei auf des Doktors Schulter nickte mir ernst zu und sagte dann‚ zu meiner großen Überraschung‚ in klarem Englisch:

„ Wie geht es dir? Ich erinnere mich noch an die Nacht‚ als du geboren wurdest. Es war ein schrecklich kalter Winter. Du warst ein sehr häßliches Kind.“

„Stubbins möchte gern die Tiersprache lernen“‚ sagte der Doktor. „Ich hatte ihm gerade von dir und meinem Unterricht bei dir erzählt‚ als Jip gerannt kam und berichtete‚ daß du angekommen seist.“

„Nun“‚ sagte der Papagei und wandte sich zu mir‚ „wenn ich auch dem Doktor die erste Unterweisung gegeben habe‚ so ging das nur‚ weil er mir zuerst beigebracht hatte‚ das zu verstehen‚ was ich in der Menschensprache sage. Viele Papageien können wie Menschen sprechen‚ aber wenige von ihnen verstehen‚ was sie sagen. Sie sagen es nur — nun‚ weil sie es für hübsch halten‚ oder weil sie wissen‚ daß man ihnen dann Keks gibt.“

Unterdessen hatten wir uns umgewandt und gingen auf mein Vaterhaus zu. Jip lief voraus‚ und Polynesia hockte noch immer auf des Doktors Schulter. Der Vogel plauderte unaufhörlich und offenbar meist über Afrika — aber jetzt sprach er aus Höflichkeit gegen mich in der Menschensprache.

„Wie geht es Prinz Bumpo? “ fragte der Doktor.

„Oh‚ ich bin froh‚ daß du midi das fragst“‚ sagte Polynesia‚ „ich hätte es fast zu erzählen vergessen. Was glaubst du? Bumpo ist in England!“

„In England? Das ist nicht dein Ernst!“ rief der Doktor. „Was zum Himmel macht er hier?“

„Sein Vater‚ der König‚ hat ihm zum Studium in eine Stadt geschickt‚ Bullford oder so ähnlich hieß sie.“

„Bullford‚ Bullford“‚ murmelte der Doktor. „Von dieser Stadt habe ich nie etwas gehört. Oh‚ du meinst wohl Oxford.“

„Ja‚ so hieß sie“‚ sagte Polynesia‚ „ich wußte‚ es hatte irgend was mit Rindern zu tun. Oxford‚ ja‚ dahin ist er gegangen.“

„So‚ so“‚ murmelte der Doktor‚ „man denke: Bumpo studiert in Oxford. Ja‚ ja.“

„In Jolliginki sind große Dinge vor sich gegangen‚ bevor er abgereist ist. Er hatte eine Todesangst‚ hierher zu kommen; er war der erste Mann dieses Landes‚ der nach Europa fuhr; er glaubte‚ er würde von weißen Kannibalen gefressen‚ oder so was Ähnliches. Du kennst diese Neger und weißt‚ wie unwissend sie sind — aber sein Vater bestand darauf‚ daß er fuhr: er sagte‚ alle schwarzen Könige schickten jetzt ihre Söhne nach Oxford. Es sei Mode‚ und er müsse gehen. Bumpo wollte seine sechs Frauen mitnehmen‚ aber das erlaubte ihm der König nicht. Der arme Bumpo zog weinend fort‚ und der ganze Palast schwamm gleichfalls in Tränen. Ich habe noch nie ein solches Geheule gehört.“

„Weißt du‚ ob er je auf die Suche nach Dornröschen ausgezogen ist?“

„Natürlich“‚ sagte Polynesia. „Gleich nach deiner Abreise. Und das war gut für ihn‚ denn der König hatte von seiner Hilfe bei eurer Flucht gehört und war deswegen schrecklich wütend.“

„Und hat er Dornröschen gefunden?“

„Nun‚ er brachte ein Wesen mit‚ von dem er sagte‚ es wäre Dornröschen. Ich für mein Teil halte sie für eine weiße Negerin. Sie hat rote Haare und die größten Füße‚ die man sich nur denken kann. Aber Bumpo gefiel sie außerordentlich‚ und schließlich heiratete er sie unter großen Freudenfesten. Die Feierlichkeiten dauerten sieben Tage‚ sie wurde seine Hauptfrau‚ und man kennt sie jetzt nur als Kronprinzessin Bumpah‚ mit Betonung auf der letzten Silbe.“

„Und sag mir noch: ist er weiß geblieben?“

„Nur ungefähr drei Monate“‚ antwortete der Papagei‚ „dann bekam sein Gesicht langsam seine natürliche Farbe zurück. So fiel er auch zu sehr beim Baden auf mit dem weißen Gesicht und dem schwarzen Rest.“

„Und wie geht es Tschi-Tschi?“

„Tschi-Tschi“‚ fügte der Doktor erklärend hinzu‚ „war ein Lieblingsaffe‚ den ich vor Jahren gehabt habe. Ich habe ihn ebenfalls in Afrika gelassen‚ als ich abreiste.“