Doktor Gallo - Wilde Abenteuer am Wenigerweiher - Steven Sutter - E-Book

Doktor Gallo - Wilde Abenteuer am Wenigerweiher E-Book

Steven Sutter

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Beschreibung

Doktor Gallos Häuschen liegt auf Stelzen mitten im Wenigerweiher oberhalb der Stadt Sankt Gallen - einer Stadt, die idyllisch sein muss, weil sie doch im Tal zwischen dem Freudenberg und dem Rosenberg liegt. Doch inimtten dieser Idylle stürzen sich Doktor Gallo, Tigerbäri und der Latz in die skurrilsten Abenteuer. Eine Horde Zitronenjoghurts probt den Aufstand, Riesenfüdlisaurier werden entdeckt, Suppentöpfe ticken komplett aus und Frau Meiers Lippen sind viel zu rot, als dass Doktor Gallo noch einen klaren Gedanken fassen könnte. Da wundert es nicht, dass Doktor Gallos Woche acht Tage haben muss. Auf geht's!

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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Für Any, Maemi und Jemima

für die Kinder zwischen Erlen und Föhren

und für die idyllischen Weiher rund um St. Gallen

Inhaltsverzeichnis

Intro Doktor Gallo, Tigerbäri und der Latz

Montag: Doktor Gallo und der Riesenfüdlisaurus

Dienstag: Doktor Gallo und der Aufstand des Zitonenjoghurts

Mittwoch: Doktor Gallo und die Sache mit der Höflichkeit

Donnerstag: Doktor Gallo und der Gummigugelhopf

Freitag: Doktor Gallo im Märchenland

Samstag: Doktor Gallo und die Bande der sieben garstigen Zahnbürsten

Sonntag: Doktor Gallo und Käpt’n Rotschulter

Tagzwischensonntagundmontag: Doktor Gallo und das Rennen gegen den wildgewordenen Suppentopf

Doktor Gallo, Tigerbäri und der Latz

Intro

Es war so still im Haus von Doktor Gallo. So ungewöhnlich still, obwohl es schon elf Uhr morgens war.

Draussen rund um den Wenigerweiher thronten die Amseln auf den Bäumen und trällerten schon seit Stunden ihre Lieder. Erst ganz sanft, dann immer gehässiger. Aber vergeblich. Nichts rührte sich im Häuschen, das auf Stelzen mitten im Weiher ruhte und nur über einen langen Steg erreichbar war.

Doktor Gallo - von ganz Wagemutigen manchmal Papa Gallo genannt - wunderte sich immer, warum der Weiher Wenigerweiher hiess. Klar, es war nur ein Weiher. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein künstlich angelegter Weiher. Er staute die Steinach und verfügte über den ältesten immer noch funktionierenden Damm der Schweiz.

„Weniger ist Meer, mit zwei e’s“, pflegte Doktor Gallo manchmal in seinen wuscheligen Bart zu murmeln, wenn über dem Weiher die Sonne golden unterging und er etwas verklärt über das rote Wasser hinüber zur kleinen Insel sah, die Prinzessin Laylas Insel genannt wurde.

Kurz nach elf Uhr wurde die Stille von dem Geräusch eines sich öffnenden Fensters unterbrochen.

Die heiseren Amseln verstummten und blickten zum Haus hinüber. Die Fensterläden wurden beiseite geschoben. Doktor Gallo stand da. Im weissen Nachthemd, mit weisser Zipfelmütze. Er starrte in den Morgen und sah aus, als würde er noch träumen.

So sah er oft aus. Auch wenn er wach war.

Das verlieh ihm etwas Beruhigendes.

Doktor Gallo reckte die Arme, dehnte sich nach allen Seiten und gähnte. Er rieb sich die Augen. Er rieb sich den Bart. Er wuschelte durch seine Haare, lächelte, drehte sich um und verschwand wieder.

Noch immer blickten die Amseln zum offenen Fenster hinüber. War das alles?

Kaum. Das wussten sie. Der stille Morgen würde noch über dem Wenigerweiher explodieren. Aber noch war es nicht soweit. Stattdessen schwebte etwas Weisses, etwas Weiches luftig leicht aus Doktor Gallos Schlafzimmerfenster.

Ein Papiertaschentuch.

Es flatterte hin und flatterte her, als wollte es in aller Ruhe neugierig das Ufer erkunden.

Doch soweit sollte es nicht kommen.

Die Tür schlug auf und der Latz stürzte aus dem Haus. „Ich habe es zuerst gesehen. Ich habe es zuerst gesehen.“

„Aber ich bin schneller.“ Mit einem eleganten Salto sprang Tigerbäri aus dem Küchenfenster und rollte gekonnt auf den Steg.

„Deine Beine mögen zwar schnell sein, aber dein Gehirn verdirbt alles.“ Der Latz stülpte einen Blecheimer über Tigerbäris Kopf und rannte dem Tuch hinterher.

Tigerbäri befreite sich.

„Na, warte“, knurrte er.

Er packte den Eimer, füllte ihn mit kühlem Weiherwasser und verfolgte den Latz ans Ufer. Mit Schwung holte er aus und schleuderte das Nass in dessen Richtung. Den Latz traf er nicht.

Aber die Amseln.

Mit offenen gelben Schnäbeln sassen sieben klitschnasse, schwarze Federklumpen auf dem Ast eines Zwetschgenbaumes und trieften.

„Wow. Ich bin beeindruckt. Du zielst wie du schielst“, foppte der Latz.

Die sechs Amseln steckten ihre nassen Wuschelköpfe zusammen und planten Rache.

Drei junge Arbeiterbienen hatten es sich inzwischen auf dem Taschentuch bequem gemacht und spielten auf dem fliegenden Teppich. Zum Arbeiten hatten sie heute keine Lust.

Tigerbäri hechtete nach dem Tuch, doch die Bienen wollten sich das Spielen nicht nehmen lassen. Sie umklammerten das Tuch mit ihren Beinchen und erhöhten ihren Flügelschlag, als hätten sie kleine Motoren unter den Achseln. Sie gewannen an Höhe und Tigerbäri sprang ins Leere.

Jetzt war der Latz an der Reihe.

Er nahm Anlauf, kletterte auf Tigerbäris Schultern, reckte sich, streckte sich und schnappte das Taschentuch.

Nur hatte der Latz nicht mit der Rache der sieben halbtrockenen Amseln gerechnet.

In Formation eines schwarzen Pfeiles stürzten sie sich auf ihn. Die vorderste Amsel, sozusagen die Pfeilspitze, packte mit der Schnabelspitze das begehrte Stück und steuerte, gefolgt von den anderen sechs Amseln, wieder auf den Zwetschgenbaum zu.

Kaum waren sie auf dem Ast gelandet, brachen sie in Jubel aus. Die vorderste Amsel hätte das Jubeln besser unterlassen. Denn kaum hatte sie den Schnabel geöffnet, segelte das weisse Tuch wieder los durch den Morgenwind.

Noch immer ineinander verkeilt sahen sich Tigerbäri und der Latz an. Sie grinsten. Es konnte von Neuem losgehen ...

Auf diese Art und Weise konnte am Wenigerweiher ein Tag beginnen und gleichzeitig vergehen. Doktor Gallo pflegte zu sagen, für Langeweile gäbe es nicht genug Zeit. Der Latz wusste genau, was er damit meinte. Tigerbäri nicht. Aber irgendwie mochte auch er diesen Satz.

Das Papiertaschentuch wurde stundenlang um den Weiher gejagt. Mücken und Hummeln lagen sich in den Insektenhärchen deswegen. Kühe und Schweine rannten um die Wette und schwenkten dabei ihre kugeligen Bäuche. Wasserläufer nahmen die Abkürzung über das Wasser und Frösche hopsten von Seerose zu Seerose hinterher.

Das ging so lange, bis das Tuch am Horn einer Ziege hängenblieb. Die Ziege blinzelte hinauf und versuchte, das Tuch mit ihrer langen Zunge zu angeln. Sie hatte Hunger.

„Dieser Ochs von einer Geiss frisst unser Spiel!“, rief Tigerbäri entsetzt.

Mit ohrenbetäubendem Kampfgeschrei stürzten sich alle auf den Spielverderber. Sogar die Wasserläufer und die Frösche.

Nicht aber die Ochsen. Sie wiesen wiederholt darauf hin, dass Ochsen keine Ziegen seien.

Das Papiertaschentuch nutzte das Getümmel, um lautlos zu entkommen. Es nahm den erstbesten Luftzug und schwirrte himmelaufwärts, zurück ans Schlafzimmerfenster von Doktor Gallo.

Dieser öffnete seine Handflächen und lächelte zufrieden. Das weisse Papiertaschentuch bettete sich leicht erschöpft hinein.

"Wir treffen uns alle heute Abend am Fest", rief Doktor Gallo hinunter.

Er war der Meinung, jeder Tag verdiene es, gefeiert zu werden. So auch heute.

Der Sommerabend weigerte sich, in die Nacht hinüberzugehen.

Bunt leuchteten die Birnen vom Himmel.

Die Glühbirnen natürlich.

Von leicht eifersüchtigen Sternen umrahmt.

Als Ehrengast sass heute das weisse Papiertaschentuch neben Doktor Gallo. Es hatte sich eigens für das Fest mit schwarzem Filzstift eine Fliege und einen Zylinderhut auf sein Weiss gemalt.

Viel sagte es nicht.

Wer jedoch aufmerksam war, konnte erkennen, dass sich Doktor Gallo und das Papiertaschentuch in einem scheinbar unbeobachteten Moment verstohlen zublinzelten.

Doktor Gallo und der Riesenfüdlisaurus

1 / Montag

Doktor Gallo liebte es, so zu erwachen. Warme Sonnenstrahlen kletterten in sein Schlafzimmerfenster und kitzelten ihn an seiner dicken Nase. Er schloss nochmals die Augen, um die letzten Minuten montäglicher Ruhe zu geniessen.

Bis acht Uhr war jeglicher Lärm in seinem Haus verboten. Das hatte Doktor Gallo mühsam durchgesetzt. Aber wie gewohnt war es kurz nach acht Uhr mit der Ruhe vorbei.

Heute war es Tigerbäri. Tigerbäri war eigentlich ein Hund, der Bäri hiess und der schnell wie ein Tiger und stark wie ein Bär sein wollte – wie der schwarze Bär, sein Vorbild, der etwas östlich vom Wenigerweiher wohnte. Manche munkelten, es sei der alte Gallusbär persönlich, der sich dort verschanzte.

Wie auch immer. Tigerbäri konnte es heute kaum erwarten, Doktor Gallos alten Rollschuhe auszuprobieren, die er am Vorabend in einer Truhe hinter den alten Blumenkisten gefunden hatte. Kaum aufgewacht, schnürte er sich ein rotes Kissen unter seinen Tigerbärihintern und unternahm seine ersten Fahrversuche.

Die ersten Runden drehte er noch vorsichtig um sein Bett herum. Mutig geworden, wagte er sich später auf den langen Steg.

Aber er hätte besser erst das Bremsen getestet.

Zu spät bemerkte er, dass das Ende des Stegs tatsächlich näher war, als seine morgenmüden Tigerbäriaugen zugeben wollten. Er knallte erst mit dem Kopf gegen einen Pfosten und platsch lag er im Weiher. Mit einem blauen Auge.

Jetzt wusste Doktor Gallo, dass es acht Uhr war und somit Zeit, um aufzustehen.

Der Frühstückstisch war gedeckt. Mit Joghurt. Mit Zitronenjoghurt. Wie immer montags. Wie immer jeden Tag.

Tigerbäri hielt sich noch immer sein linkes Auge. Es wechselte in regelmässigen Abständen seine Farbe. Erst war es ein frisches Gelb, dann ein kräftiges Grün und nach und nach verwandelte es sich in ein himmlisches Blau.

„Kannst du auch kitschiges Rosa?“, fragte der Latz neckisch.

Tigerbäri knurrte nur mürrisch.

„So. Was unternehmen wir denn heute?“, lenkte Doktor Gallo ab und leckte sich das letzte bisschen Zitronenjoghurt von seinem Schnurrbart.

„Hm. Rollschuhfahren hatten wir schon“, schmunzelte der Latz und pfiff ganz leise die Melodie The Eye of the Tiger, die Tigerbäri eigentlich so mochte.

Aber ein scharfer Tigerbäriblick genügte in diesem Fall, um Ruhe zu schaffen. Auch wenn der Blick inzwischen violett war.

„Wie wäre es mit ein wenig Archäologie?“, warf Doktor Gallo in die Runde.

„Arche-was?!?“, fragte der Latz, der spontan an Noah denken musste, aber weder Lust verspürte, ein Schiff zu bauen, noch Tiere einzufangen.

„Ar-chä-o-lo-gie“, doppelte Doktor Gallo nach. „Ein Archäologe ist jemand, der Löcher in den Boden gräbt, um uralte Sachen zu finden. Zum Beispiel Mauern von alten Städten, oder Werkzeuge, oder versteinerte Knochen und so. Wir könnten zwischen den Drei Weieren Ausgrabungen durchführen.“

Bei dem Wort Knochen begannen Tigerbäris Tigerbäriaugen zu leuchten. Vor allem das Linke.

„Au ja, das klingt spannend. Ich bin dabei“, brummte er.

Der Latz schwieg erst. Irgendwie war ihm das Wort graben unsympathisch. Es klang nach Arbeit.

Aber als er das abenteuerliche Grinsen von Doktor Gallo bemerkte, packte ihn die Neugier und er willigte ein.

„Wo ist der Bagger?“, fragte der Latz, als er sah, wie Doktor Gallo mit drei rostigen Schaufeln aus dem Häuschen schritt.

Doktor Gallo sah ihn nur an und drückte ihm wortlos eine der Schaufeln in die Hand.

Kaum hatten Sie die Drei Weieren erreicht – an einer Stelle zwischen dem Bueben- und dem Mannenweiher - packte Tigerbäri seine Schaufel und begann wie wild im Rasen herumzustochern.

„Hier liegt was. Das rieche ich.“ Tigerbäri deutete auf die Stelle.