Dorchadas Lennox - Sarah M.S - E-Book

Dorchadas Lennox E-Book

Sarah M.S

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Beschreibung

Menschen sind keine Rätsel, keine Mysterien... In den malerischen schottischen Städten Edinburgh und Dalgety Bay entfaltet sich die fesselnde Geschichte von Greer und Dorchadas. Als Greer und Dorchadas in der Schule aufeinandertreffen, spürt Greer sofort, dass hinter Dorchadas' Verhaltensweisen eine tiefere Bedeutung steckt. Während Greer versucht, die Wahrheit aufzudecken, kämpft sie auch mit ihren eigenen psychischen Problemen. Als dann auch noch Jonah, ein alter Kindheitsfreund, wieder in ihr Leben tritt, gerät Greer in einen emotionalen Strudel. Doch erst als sie Kontakt zur Cousine von Dorchadas aufnimmt, begeht Greer einen schweren Fehler, der alles verändert. Begleite Greer auf ihrer Reise durch die atemberaubende schottische Landschaft und erlebe mit ihr die Geheimnisse, Freundschaft und die Suche nach der eigenen Identität. Trigger Warnung: Dieses Buch behandelt die ein oder anderen sensiblen Themen.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Trigger Warnung:

Dieses Buch behandelt das ein oder andere sensible Thema. Wenn manche aufkommenden Szenen für den Leser unangenehm sind, hole bitte eine andere Person dazu während du liest oder habe jemanden, den du anrufen kannst.

Anbei sind weitere Optionen:

0800/ 111 0 111; 0800/ 111 0 222 (Telefonseelsorge, 24 Stunden, 365 Tage erreichbar, in Deutschland)

116 123

143 (Die Dargebotene Hand; 24 Stunden, 365 Tage erreichbar; in der Schweiz)

142 (Telefonseelsorge Österreich, 24 Stunden, 365 Tage erreichbar; in Österreich)

Es gibt immer jemanden, der zuhört.

Für Liv

»In my heart there

was a kind of fighting that

would not let me sleep«

William Shakespeare,

Hamlet

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

Kapitel 1

»Wieso steckst du deine Energie in so jemanden?«

»Vergiss ihn. Er ist es nicht wert.«

»Vielleicht solltest du aufhören ihm zu vertrauen…«

»Er macht dich nur kaputt!«

Was keiner von all denen wussten die solche Wörter zu mir sagten, war, dass keiner von ihnen auch nur Ansatzweise wusste, wie gut er mir auch tun konnte.

Keiner wagte es sich auch nur mal zwischen den Zeilen zu lesen. Diese Energie wollte keiner von ihnen aufbringen.

Alle sahen immer nur das Oberflächliche.

Ich denke, ich sollte bei Adam und Eva anfangen. Also nicht wirklich, aber ich gehe davon aus, dass man weiss, wie ich das meine.

Ich bin gerade dabei meiner Freundin ein Zettelchen zu schreiben, als jemand unerwartet in die Klasse platzt.

»Oh mein Gott, Greer. Schau hoch. Vergiss das Zettelchen!«, kommt es hinter mir.

Ich hebe also meinen Kopf hoch und blicke nach vorne.

Da vorne steht ein Kerl den keiner kennt. Und?

»Willst du dich kurz vorstellen?«, fragt Mr. Kress.

Dieser Unbekannte schüttelt bloß den Kopf.

»Alles klar…« Mr. Kress schaut etwas unbeholfen auf seine Schuhe, »dann hätten wir das auch geklärt. Setze dich doch bitte neben Greer.« Er zeigt mit seinem Zeigefinger auf mich, während ich dem Kerl, der neben Mr. Kress steht, klein zu winke.

Er weitet sofort seine Augen und wendet sich erneut unserem Lehrer zu.

»Ist es möglich, dass ich einen anderen Platz bekomme? Oder gar einen Einzelplatz?«

Seine Stimme ist tief, ein fetter, schottischer Akzent in jeder einzelnen Silbe, die er über seine Lippen rollen lässt.

Trotzdem irgendwie angenehm. Die Stimme versagte einmal in dem Satz, den er von sich gab. Aber irgendwie passt es zu seinem äußerlichen Erscheinungsbild. Also nicht, dass ich damit aussagen möchte, dass sein Auftreten versagen würde. Das tut es nicht. Eher im Gegenteil: alles wirkt recht stimmig. Aber natürlich werden mir aufgrund seiner Aussage Blicke zugeworfen.

Mr. Kress schüttelt seinen Kopf. »Ich muss dich bitten dich neben sie zu setzen.«

Die Blicke der anderen lassen nicht nach, hier und da entsteht Gemurmel. Nervös schaue ich um mich herum.

Er kommt auf mich zu, wirft seinen schwarzen Rucksackder aus Kunstleder zu sein scheint- gegen das dunkle Holz des Chemietisches. Augenblicklich umringt mich ein Geruch starker Pfefferminze.

Mr. Kress beginnt den Unterricht fortzusetzen, während der Junge neben mir seine Sachen auf den Tisch legt, den Hocker bis zur äußeren Kante des Tisches zieht, und sich anschließend draufsetzt.

Ich schaue kurz an mir runter und frage mich, ob irgendwas abwertend an mir wirken mag. Sind meine Haare doch zu fettig? Hätte ich sie doch lieber waschen sollen? Ist irgendwo ein großer Fleck von meinem Frühstück, den ich nicht gesehen habe?

Folgend lasse ich mein Augenpaar über mein T- Shirt und meinen Schoß wandern… aber da ist nichts. Ich lasse also die Gedanken verfliegen, oder versuche es zumindest.

Aus dem Augenwinkel versuche ich, den Jungen etwas zu betrachten. Seine Anziehsachen sind alle schwarz, bis auf das weiße Shirt, welches er trägt. Seine tief braunen, glatten Haare liegen in einer Art perfekt- unperfekt auf seinem Kopf. Eine dickere Haarsträhne von ihm fällt über ein Auge. Nervös spielt er mit einem Ring an seiner linken Hand, welche wiederum auf seinem Heft liegt.

Vielleicht bekomme ich so seinen Namen raus. Besagtes Heft liegt jedoch falsch herum auf der Oberfläche des Tisches. Meine Augen wandern weiter. Um genau zu sein, zu seinem Federmäppchen. Denn dieses ist nicht nur schwarz.

Es ist schwarz/weiß/grau und angeordnet in einem Camouflage Muster.

»Greer? Bist du noch dabei?«, dringt die Stimme von meinem Lehrer zu mir.

»Ich gehe stark davon aus.«

Und man siehe da, wer sich ein kleines Lächeln mit Grübchen in den Wangen nicht verkneifen kann: Der unbekannte Junge.

Nach ein paar Minuten endet der Unterricht.

Er ist mit einer der Ersten, die den Raum verlassen. Ich bin gerade dabei, meine Materialien in meinen Rucksack zu räumen, als Algea zu mir kommt.

»Du solltest das anstarren lassen«, sagt sie belustigt.

Ich schaue ihr ins Gesicht und verdrehe ganz offensichtlich meine Augen.

»Als ob du es völlig legitim finden würdest, dass ein Typ von vornherein nicht neben dir sitzen will, und dann bis zur letzten Rille nach außen rutscht. Und der roch extremst nach Minze!« Ich greife nach meinem Chemiebuch.

Algea hebt eine ihrer Augenbrauen. »Okay, Punkt für dich.«

Zum Schluss nehme ich meinen Rucksack, schwinge diesen auf eine Schulter und blicke sie erneut an. »So wie immer Süße«, und zwinkere ihr zu.

Algea hat noch Unterricht. Ich hingegen habe das große Glück schon frei zu haben.

Ich laufe zu meinem kleinen hellblauen Morris Minor 1000, den mein Vater mit einem Kumpel vor einer Weile als Bastelprojekt in Angriff genommen hatten.

Während ich allerdings zu meinem Auto laufe, sehe ich ihn wieder. Diesmal nur in seinem Auto. Ein silberner SUV. Er telefoniert und hält mit der anderen Hand seine Zigarette aus dem Fenster.

Ich werfe meinen Rucksack auf den Beifahrersitz, laufe an meinem Kofferraum vorbei, um zur Fahrerseite zu gelangen und schaue ihn nochmal an. Ich vernehme, dass er mich ebenfalls noch immer ansieht, jedoch dann schnell eine Sonnenbrille auf seine Nase fallen lässt.

Mit hochgezogenen Augenbrauen steige ich in mein Auto ein und fahre nach Hause.

Schnell stürme ich rein, ziehe meine Schuhe aus, renne die Treppen zu meinem Zimmer hoch und werfe meine Tasche gefühlt in die letzte Ecke meines Zimmers. Ich setze mich auf mein Bett und zerre meine Hose von meinen Beinen, ersetze diese durch eine Jogginghose und mein Langarmshirt in ein weißes, viel zu breites Shirt.

Ich hole mir eine Tüte Chips (weil ich grundsätzlich gegen den Gedanken strebe, dass sie nur als Abendsnack gedacht sind), schmeiße mich förmlich auf die Couch und mache den Fernseher an. Nach einer Handvoll Chips nehme ich mein Handy und schreibe Algea, ob sie nach der Schule zu mir kommen möchte. Ich musste nicht lange auf eine Antwort warten.

Äh, ja? Was ist das denn für eine Frage? Lege mir einer deiner Jogginghosen raus. Ich komme mit heißen Infos über deinen Pfefferminz- Boy!

Kapitel 2

Algea kommt nach zwei Stunden zu mir. Sie sitzt in einem T- Shirt und einer kurzen Hose (sie hat sich einfach an meinen Sachen bedient) neben mir, während sie nur kurz Taylor -ihrem Freund, und meinem besten Kumpel- eine Nachricht schreibt. Nach wenigen Sekunden legt sie ihr Handy neben sich und legt ihren linken Arm auf die Couchlehne. Meine Augen wenden sich vom Fernseher ab und schauen anschließend Algea an.

»Ärger im Paradies?«, frage ich dezent belustigt. Wobei ich im nächsten Moment bemerke, dass es wirklich als Schadenfreude rüberkommen könnte; was es natürlich nicht ist.

»Der Typ hat einfach ein paar Probleme, um die wir uns allerdings jetzt nicht kümmern sollten. Lass uns über den Pfefferminz-Boy reden!!« Sie klatscht ein wenig wie ein T-Rex und stupst mich an meiner Schulter an.

»Dann lass mal hören, was du so weisst…«, ich richte mich auf, stelle den Fernseher ein wenig leiser, und setze mich im Schneidersitz neben sie.

»Ich weiss wie sein Name ist, und wie alt er ist.«

Nachdem sie ein wenig länger nichts sagt, hebe ich meine Augenbrauen und mache eine rotierende Handgeste, die sie weitererzählen soll.

»Sein Name ist Dorchadas Lennox uuund er ist 18.«

»Ich weiss genau, was du mir mit diesem lang gezogenen und sagen willst. Jetzt mal ehrlich, Algea, sehe ich so pflegebedürftig aus?«

Sie schaut mich nur kurz an, blinzelt, und beugt sich zum Couchtisch, um nach ihrer Limonade zu greifen.

»Jetzt echt? Er wollte nicht mal neben mir sitzen! Als ob ich dann freiwillig zu ihm gehen würde. Der Junge scheint ein Mysterium sein zu wollen, und das gewährleiste ich ihm gerne.«

Algea zieht durch den bunten Strohhalm ihre Brause.

»Pass auf, er sieht gut aus, okay-«

»Du hast einen Freund, meine Liebe«, unterbreche ich sie sofort.

Sie hebt kurz ihre Augenbrauen. »Und das bedeutet, dass ich andere Jungs nicht hübsch finden darf? Jetzt mal ehrlich, Taylor schaut auch noch anderen Mädels hinterher.«

Ich verdrehe meine Augen. »Würde ich mir eine Beziehung wünschen und all der Stress, der mit dieser kommt, würde ich mich darum kümmern, dass ich in einer wäre.«

Sie atmet lange durch die Nase aus. Damit galt das Gesprächsthema als beendet. Algea hatte und hat noch immer ein ganz großes Problem damit zu akzeptieren, dass ich einfach keine Beziehung möchte. Sie meint immer, dass ich ja gar nicht wüsste, was ich alles verpassen würde. Aber in Wahrheit, ist, dass die meisten Dinge, was man in einer Partnerschaft macht, mich strikt nicht interessieren. Also warum sollte ich sowas eingehen, wenn mir nichts fehlt oder ich das Bedürfnis nach sowas habe?

Ein paar Tage sind vergangen, in welchen er immer mal wieder neben mir sitzen musste, aber wieder kein Wort sagte.

Was mir aufgefallen ist, ist, dass man so gut wie nie in seine Augen schauen kann. Und wenn ich es eben mal scheine es hinzubekommen, dreht er seinen Kopf weg, oder wenn er im Auto sitzt, lässt er die Sonnenbrille aus seinen glatten Haaren auf seine Nase rutschen. Ich sah ihn in den Pausen entweder alleine oder gar nicht. Jungs wollten mit ihm Kontakt aufnehmen, aber es scheint so, als wäre nur geringes Interesse bei ihm.

Er meidet also die Gesellschaft, die Sozialisation. Wieso?

Erneut sitzen wir im Chemieraum. Der Unterricht hat noch lange nicht begonnen. Ich kritzle auf meinem Collegeblock umher; zeichne hier und da einen Stern, da eine Wolke, einer meiner Lieblingssprüche irgendwo dazwischen. Doch dann steigt erneut dieser Pfefferminz-Geruch in meiner Nase auf. Ich blicke auf und sehe, dass er den Hocker erneut nach ganz außen zieht. Ich entscheide mich dazu, es einfach zu ignorieren und nicht weiter zu hinterfragen oder es gar irgendwie persönlich zu nehmen. Schließlich könnte er mir auch mitteilen, wenn er ein Problem mit mir hätte.

Nach weiteren zehn Minuten füllt sich die Klasse und auch Mr. Kress betritt den Raum. Er erklärt, dass wir heute praktisch arbeiten werden, was bedeutet, dass Dorchadas und ich zusammenarbeiten müssen.

Allerdings machen wir vierer Gruppen, bedeutet, dass wahrscheinlich Taylor, Algea, der ›Pfefferminz- Boy‹ -wie Algea ihn immer nennt- und ich in einer Gruppe sein werden.

»Ich hole die Chemikalien und Taylor das Tablet.

Dreht euch schon mal um mit den Hockern.«

Kurz schaue ich ihr hinterher und sage anschließend zu ihm. »Naja, du hast sie gehört.«

Er nimmt seinen Hocker, dreht sich mit diesem um, allerdings mit dem Rücken zu mir. Wir saßen dort ein wenig in der Stille, ehe ich mir dachte, ich könnte es ja mal ausprobieren, ihn anzusprechen.

»Dorchadas, richtig?«

Er nickt. »Woher weisst du das?«, fragt seine tiefe Stimme, ohne seine Haltung zu ändern.

»Ich habe so meine Quellen, weisst du«, ich konnte mir nicht ein kleines Lächeln verkneifen.

»Hm, und diese nennt sich Algea.«

»Das ist sehr gut möglich«, zu Ohren kommt mir ein kleines Ausatmen durch die Nase.

»Es ist Lennox.«

»Ich weiss…«

»Natürlich wusstest du das«, zurück zu seiner starren Miene.

Ich atme einmal stark aus. »Hast du... Lust was nach der Schule zu machen?« Habe ich ihn das wirklich gefragt?

Wieso sollte er bei mir zustimmen, wenn er den allgemeinen Kontakt zu anderen meidet?

Er schaut mich an, während ich meine Augenbrauen einmal kurz nach oben gehen lasse. Sofort dreht er seinen Kopf wieder weg. »Ich weiss nicht, ob das so eine gute Idee ist.«

Nach einem Wimpernschlag platzt aus mir heraus.

»Deine Augen sind das Schönste, was ich jemals an einem Menschen gesehen habe, Dorchadas.«

Er zieht sein Gesicht nach links und schaut anschließend auf seinen Schoß. »Es war Greer, oder?«

Ich nicke.

»Danke dir Greer.«

Algea kommt hinter mir, legt ihre linke Hand auf meine Schulter und blickt Dorchadas an. »Geh mal mit Greer mit. Lauft eine Runde im Park oder sowas. Das wird bestimmt gut.«

»Ist gut«, willigt er ein, ohne auch nur noch einmal hoch zu blicken.

Wir machen den Versuch, räumen danach wieder alles weg, und beenden die Unterrichtsstunde.

»Willst du dich wirklich treffen, oder hast du es nur gesagt, um Algea gerecht zu werden?«

Er stellt seinen Kunstleder Rucksack auf den Hocker.

»Wenn du dir eines merken kannst, dann, dass ich nichts tue, um jemandem gerecht zu werden«, er klingt schnippisch. »Lass uns es ausprobieren, ich kann ja jederzeit gehen.«

Ich nicke. »Ehm, hast du jetzt noch Unterricht?«

Er schüttelt seinen Kopf. »Und was ist mit dir?«

»Ja, eine Stunde Englisch.«

Er setzt seinen Rucksack auf und geht zur Tür. »Du weisst wie mein Auto aussieht«, mit diesen Worten verlässt er den Raum.

Ich verlasse als Letztes das Klassenzimmer und suche anschließend meinen Raum für die letzte Stunde. Da der Raum geschlossen ist, stehen alle anderen Teilnehmer davor.

»Hey Greer, viel Spaß heute!«, ruft Kacey mir zu.

Ein kleines Zwinkern konnte ich mir nicht verkneifen.

Ich wusste sofort, dass sie das Treffen mit Dorchadas meint. Sie bekommt alles mit; alles an Tratsch und Klatsch hat sie sofort auf dem Radar. Ich habe es jedoch satt, mich immer von ihr provozieren zu lassen.

Nach einer Weile kommt dann auch mal die Lehrerin.

Der Unterricht ist wie immer. Kacey machte sich über jeden und alles lustig, zeigt aber selbst nie auf. Zu gerne würde ich ihr mal das ein oder andere Wort sagen, aber immer beiße ich mir auf die Lippe und denke, dass es wohl nichts ändern würde und dass meine Nerven, die ich dabei verlieren würde, es wohl nicht wert wären.

Ich stürme aus der Klasse, während Kacey hinter mir läuft und ruft. »Schaut euch das an! Sie hält sich jetzt bestimmt für etwas Besonderes, dass der Neue sich mit ihr treffen will!«

Sie und ihre Freundinnen- oder auch wie ich sie nenne, ihre Laufhündchen- lachen schelmisch.

Ich drehe mich während des Laufens um, küsse meinen Mittelfinger und strecke ihr diesen entgegen.

Schnell laufe ich zum Parkplatz und suche Dorchadas Auto. Irgendwann fällt mir der silberne Lack auf und ich laufe diesem entgegen. Er sitzt hinter dem Lenkrad, die linke Hand hängt mit der Zigarette aus dem Fenster. Als er mich sieht, lässt er die Sonnenbrille wie immer auf seine Nase fallen.

Ich greife nach der Autotür und öffne diese, lasse mich einfach auf den Sitz fallen.

»Harte Stunde, wie es scheint«, er zieht an seiner Zigarette.

Ich streiche eine Strähne, die aus meinem Zopf gefallen sein muss, nach hinten. »Nein, eher Personen, welche schwer zu ertragen sind.«

Ich erkenne ein kleines Nicken neben mir, erneut zieht er an der Zigarette und pustet den Qualm aber bewusst aus dem Fenster. »Besteht die ganze Schule nicht aus solchen Leuten?«

»Weisst du, ich kann auch aussteigen.«

Dorchadas schaut zu mir rüber. Er zieht seinen rechten Mundwinkel hoch, und ich sehe, dass sein rechtes Auge ein wenig mit lächelt. Es bilden sich kleine Falten um sein Auge, welche man nun mal auch durch die Sonnenbrille sieht. »Wenn du das willst. Ich zwinge dich nicht, hier drin zu sitzen. Jedoch meine ich, dass ich an keiner Stelle etwas von deiner unerträglichen Präsenz gesagt hätte.«

»Jetzt fahr schon.«

Ein letztes Mal zieht er an seiner Zigarette, schmeißt diese dann raus und fährt das Fenster hoch.

Kapitel 3

Er startet den Motor und fährt los. Die ganze Fahrt über sagt keiner was. Keiner traut sich die unangenehme Stille zu durchbrechen. Stattdessen tippe ich mit meinen Fingern eine willkürliche Melodie auf meinen Oberschenkel. Aber ein Glück, dass wir ein Ziel haben und dieses nach wenigen Minuten erreichen.

Wir beide steigen aus dem Auto aus. Naja, er steigt aus, ich hopse eher raus.

»Zeig mir den Weg«, sagt er, und geht sich kurz mit seiner Hand durch seine braunen Haare, welche oben deutlich länger sind, als an den Seiten.

Ich laufe los und er folgt mir. »Dann lass mal hören, woher kommst du?«

»Müssen wir über private Dinge reden?«, fällt er mir fast ins Wort.

»Wenn du das nicht willst, okay. Dann lassen wir das…« Resultierend verstumme ich. Erst nach ein paar weiteren Schritten kam er zu Wort.

»Entschuldige bitte... Ich bin das nicht gewohnt. Gehe nicht weiter drauf ein, nimm einfach die Entschuldigung an.«

Ich nicke. »Dorchadas du kannst deine Sonnenbrille abnehmen. Ich habe deine Augen schon gesehen.«

»Es scheint die Sonne.«

Ich verdrehe meine Augen. »Logisch, es ist Frühling, und dazu noch Tag. Aber ich bin mir sicher, dass du sie nicht deswegen trägst.« Es ist eine waghalsige Vermutung, die ich eigentlich ohne weitere Indizien stelle.

Wir laufen noch ein wenig, ehe wir uns in einem kleinen Waldabschnitt auf eine Bank setzen.

Ich blicke nach oben und schaue, wie das Licht durch die grünen Blätter scheint.

Langsam bewege ich meinen Kopf wieder nach unten.

Dorchadas sitzt vorgelehnt, Beine ein wenig auseinander und hat seine Ellenbogen auf seine Knie abgelehnt. In seinen Händen lässt er die Sonnenbrille immer wieder zwischen beiden Daumen und Zeigefinger wippen.

»Wieso versteckst du sie?«

»Hatten wir nicht gesagt, dass wir keine persönlichen Dinge fragen?«, seine Augen sind noch immer auf die Brille gerichtet.

»Lass sie einfach ab. Also, nur wenn du willst, versteht sich.«

Er gibt einen kleinen Laut von sich und richtet seinen Blick zu mir. Endlich kann ich seine Augen richtig mustern.

Eines von ihnen ist grün/braun, während das andere eisblau erscheint.

»Danke dir. Gar nicht schlimm, oder?« Danach schaut er wieder weg. »Ich denke mal Pigmentstörung durch mangelndes Melanin, richtig?«

Er nickt. » Es nennt sich Heterochromie.«

Nach einer Weile der Stille beginnt er wieder zu reden.

»Wieso wolltest du, dass wir uns treffen?«

Ich zucke kurz mit meinen Schultern, auch wenn er es nicht sieht, da seine Augen wieder auf die Brille schauen.

»Ich dachte, ich greife dir mal ein wenig unter die Arme...

und helfe dir bei Kontakten.«

»Hm, schon mal dran gedacht, dass ich vielleicht keinen Kontakt mit irgendjemanden haben möchte?«

»Tatsächlich, ja«, ich atme einmal tief ein und wieder aus. »Weisst du, ich zwinge dich nicht dazu. Wenn du gehen willst, kannst du das machen. Ich habe dich ja schließlich nur gefragt, um dir zu helfen.«

Er lässt die Sonnenbrille in seine linke Hand fallen, sodass der Daumen den Bügel gegen den Zeigefinger drückt. Seine rechte Hand wandert zu seinen Augenbrauen, über welche er drüber streicht. Er zwickt sich kurz durch seine Jacke am linken Oberarm.

»Entschuldige bitte. Ich… danke dir dafür.«

Ich nicke nur kurz.

»So, Greer also. Und weiter?«, fragt er, als er sich langsam gegen die Banklehne fallen lässt und mich sogar ansieht.

»Malcolm. Greer Malcolm.«

»Oh, ein kleiner Shakespeare neben mir«, sagt er sogar mit einem kleinen Lächeln.

»Du und englische Literatur?« Ich ziehe meine rechte Augenbraue hoch.

Er lacht auf. »Ja, da läuft ein wenig was. Wer steht denn bitte nicht auf die Worte eines weltbesten Autors.«

»Be not afraid of greatness: some are born great, some achieve greatness, and some have greatness thrust upon them…«

Er schaut mich ein wenig verwundert an, als er auch schon selbst seinen Mund öffnet. »Who is it that can tell me who I am?«

Ich lache auf. »Na, da können wir wohl beide ein wenig was auswendig.« Er stimmt mir bloß stumm zu.

»Wie alt ist denn unser kleiner Shakespeare?«

»Habe ich jetzt einen Spitznamen weg?«

Er zuckt mit den Schultern. »Solange ich für dich der Pfefferminz- Boy bin, denke ich schon.«

Ich verdrehe meine Augen. »Algea, die Blöde. Aber du riechst nun mal stark nach Minze. Also nicht, dass es schlecht ist.«

Er sagt nichts, aber er wendet seinen Blick von mir ab.

»Der kleine Shakespeare neben dir ist 17.«

»Okay.« Mehr kommt da von ihm nicht, aber da sah ich ihn das erste Mal richtig Lächeln. Seine Zähne waren gerade, gepflegt. Ein weiß, welches weder künstlich aussieht noch unangenehm blendet.

Ich konnte nicht anders als auch zu Lächeln. Um ihn ein wenig zu ärgern, boxe ich ihm leicht gegen den Oberarm.

Sofort hält er in seiner Bewegung inne und rutscht ein wenig weiter von mir weg.

»Oh nein, habe ich dem großen Dorchadas etwa weh getan?«

Er setzt seine Sonnenbrille auf. »Das solltest du lassen.«

Seine Stimme war ernst, bestimmend. Nicht mehr der Situation von vor ein paar Sekunden entsprechend.

Dorchadas steht auf. »Ich wusste, dass dies eine schlechte Idee war. Sprich mich nicht wieder so schnell an«, er erhebt sich von der Bank. »Oder am besten gar nicht!«

Und nun sitze ich hier. Weiss nicht genau, was ich falsch gemacht habe, denn dieser kleine Boxer dürfte ihm wohl kaum wehgetan haben. Schließlich sieht man schon definierte Arme, wenn er seine Jacke dann mal auszieht, und er entweder schwarze Langarmshirts trägt und diese sich an seinen Körper schmiegen, oder wenn er T-Shirts trägt.

Noch immer sitze ich auf der Bank, obwohl schon ein paar Minuten vergangen sind, als er von dannen gegangen ist.

Ich nehme mein Handy und rufe Algea an.

»Man hört?« nimmt sie ab.

»Holst du mich bitte aus dem Park ab?«, eine kurze Stille macht sich breit.

Algea räuspert sich. »Was hast du gemacht?«

Ich schaue nach oben in die Baumkronen. »Mein Auto steht noch auf dem Parkplatz. Geh zu meinem Spind, da ist mein Ersatz- Autoschlüssel drin. Komm und schwing deinen Hintern hier hin. Ich nehme dich danach auch zu mir und ich mach uns Pizza.«

»Du meinst, wir bestellen Pizza?«

»Sag ich doch, ich mach uns Pizza.«

»Ich mache mich auf den Weg. Stehe in 15 Minuten am Eingang«, danach legt sie auf.

Nach ein paar Minuten laufe ich los. Es dauert immerhin ein Stück, bis ich wieder am Eingang bin. Dorchadas und ich sind schon ein gutes Stück gelaufen.

Kaum komme ich am Eingang an, steht auch schon Algea, angelehnt an meinen Morris Minor.

»Setz dich rein«, sage ich und sie läuft auf die Beifahrerseite.

Sie macht sofort das Radio an. »Na komm, was hast du Grausames angestellt, dass er gegangen ist?« und blickt mich belustigt von der Seite an.

»Algea! Ich schwöre es dir, ich habe nichts Schlimmes gemacht!«

»Süße, sonst würde er nicht einfach gehen.«

Kapitel 4

»Ich habe ihm einfach nur einmal leicht am Arm geboxt. Mehr war das nicht. Daraufhin ist er gegangen.

Ich mag mal in den Raum stellen, dass ihm das nicht wirklich weh getan haben mag.«

Algea sitzt nun auch ratlos neben mir. »Ich wusste, dass der komisch ist.«

Sie weiss ganz genau, dass ich solche Aussagen hasse.

»Weisst du, niemand wird ›komisch‹ geboren. Und du weisst, dass ich kein Fan davon bin, wenn du sowas sagst.«

»Greer, du kannst nicht immer allen und jeden in Schutz nehmen, vor allem nicht Leute, die du nicht kennst.«

Ich verdrehe meine Augen. »Entschuldige bitte, aber wer meinte, ich sollte Kontakt mit ihm aufnehmen?« Sie hält inne und dreht ihr Gesicht zum Fenster.

Ich sehe kurz zu ihr rüber. «Genau das habe ich mir gedacht.«

»Mach so weiter, und ich komme nicht mit zu dir.«

Wir bleiben an einer roten Ampel stehen. »Wo ist da denn jetzt der Nachteil? Immerhin bekomme ich meine Pizza.«

Es war nur gerecht, dass ich im nächsten Moment ihre Faust an meinem Oberarm hatte.

Mein Handy beginnt zu klingeln und Algea greift danach.

»Wer ist es?«

»Lexi…«

Algea ist nicht zwangsläufig der größte Fan, wenn es zu meiner besten Freundin kommt. Wir sehen uns zwar nicht unbedingt häufig, aber wir bekommen es trotzdem hin.

Warum genau Algea sie nicht riechen kann, weiss ich nicht und wahrscheinlich möchte ich es auch nicht wissen. Denn hätte Lexi ein Problem mit Algea, hätte sie dies bei mir schon mal längst angesprochen. Aber damit muss Algea zurechtkommen.

»Muss ich da jetzt dran?«

Ich atme lautstark aus. »Geh kurz ran, und stelle auf Lautsprecher.«

Algea drückt auf den grünen Hörer und hält mir das Handy hin.

»Hey du!« Sie bleibt für einen Atemzug still. »Höre ich im Hintergrund Godric?«

Ich muss leicht lachen. »Ja, tust du.«

»Legst du dann wohl auf?! Sollst du Autofahren und-«

»-Mach mal halblang. Algea hält das Handy für mich.«

»Aaaah, Hey Algea.«

»Ja, hey…«

Ich würdige ihr einen Blick, der droht, dass sie gleich keine Pizza bekommen wird.

»Ich wollte mal schnell fragen, ob du was am Wochenende vorhast.«

»Nein, habe ich nicht. Schwing dich zu mir? Oder ich zu dir?«

Eine kurze Stille bricht ein. »Pass auf, wir schreiben später. Ich störe euch nicht. Bis später süße!«, danach legt sie auf.

»Wurde auch Zeit…«

»-Pass auf Algea, ich kann da nichts dafür, dass du sie nicht leiden kannst. Aber dieses passiv- aggressive kannst du dir halt auch echt sparen.«

Danach verbleibt sie still. Erst als wir wieder bei mir zuhause sind, spricht sie wieder.

Sie rennt die Treppen hoch, denn mein Zimmer ist der Dachboden.

Vor den Treppen zu meinem Zimmer haben meine Eltern eine Tür einbauen lassen, da ich ja jetzt, ›in diesem Alter bin, wo man neue Dinge ausprobiert‹. Auch wenn ich es bisher als rausgeschmissenes Geld empfinde. Denn was zum Henker würde ich bitte ausprobieren wollen, was eine Tür benötigen würde?

Algea geht in mein Zimmer, während ich noch schnell in der Küche die Karte des nächsten Italieners suche.

»Hallo Greer…«, kommt die Stimme meiner Mutter hinter mir zum Vorschein.

Meine Mutter und ich haben möglicherweise nicht das beste Verhältnis zueinander, aber das ist völlig in Ordnung.

»Hallo«, begrüße ich sie zurück, suche aber weiter.

Sie kommt einen Schritt näher auf mich zu und rümpft ihre Nase. »Du riechst nach Tabak. Rauchst du?!«

Ich habe das Gefühl, als würden sich ihre Worte fast überschlagen.

Das war der Zeitpunkt, wo ich mich aufrichte und meiner kleinen Mutter in die Augen schaue. »Das ist jetzt ein Spaß, hoffe ich.«

»Greer Malcolm, rauchst du?«

Ich widerstehe dem Drang meine Augen zu rollen.

»Wenn du das denkst, kannst du ja meine Taschen durchsuchen. Oder es kann auch einfach sein, dass deine Tochter Freunde hat, die rauchen. Das wäre doch was, oder?«, gebe ich in einem sarkastischen Unterton von mir.

Anschließend nehme ich die Karte von dem Italiener und schubse die Schublade beim Gehen mit meinem Fuß zu.

Meine Mutter lasse ich dort stehen.

Ich öffne die Tür, die zu meinem Zimmer führt.

»Weisst du Greer, es gibt auch sowas wie eine Internetseite von denen. Da kann man auch bestellen«, erwähnt Algea, als ich eben die Treppe hochlaufe und sie an meinem Schreibtisch sitzt.

»Wir bestellen jetzt mit der Karte. Sonst hasse ich dich.«

Sie wendet ihre Augen kurz von meinem PC-Bildschirm ab. »Tust du das nicht eben eh schon?«

»Wenn wir jetzt mit der Karte bestellen, überlege ich es mir vielleicht nochmal.«

»Aber ich habe jetzt schon alles in den Warenkorb getan…«

Ich verliere das kleine Lächeln, das ich noch im Gesicht habe, knülle die Karte zusammen und schmeiße sie gegen ihren Kopf.

»Gut, dann bestelle halt jetzt«, dass lässt sich Algea nicht zwei Mal sagen und drückt auf den Bestellknopf.

Sie steht von meinem weißen Bürostuhl auf, geht rüber zu meiner cremefarbenen Couch, welche unter der Etage mit meinem Bett steht. Ich wiederum setze mich auf den Bürostuhl. Algea schnappt sich ein Kissen und drückt dieses gegen ihren Körper.

»Erzähl was los ist. Ich weiss das es sich um Taylor handeln muss.«

»Tut es auch.«

»Dann rede. Ich bin ganz Ohr.«

»Er denkt, ich würde was von Dorchadas wollen, nur weil ich mit dir über ihn rede und dir die Infos gebracht habe. Jetzt macht er sich selbst Vorwürfe, dass er was falsch gemacht hat. Der hat Angst, dass ich gehe... ja, du verstehst schon.«

»Taylor in seiner pursten Form und wie dieser leibt und lebt…«

»Nicht hilfreich, Greer…«

»Was denn? Ich habe dir nur gesagt, dass ich es mir anhöre. Ich habe nicht gesagt, dass ich dir danach helfe.«

Algea schließt die Augen und ich springe schnell auf und setze mich neben sie. »Fang jetzt nicht an deswegen zu weinen. Ich kläre das.«

Meine rechte Hand streicht kurz über ihren Oberschenkel, danach entsperre ich mein Handy und stehe auf.

Auf meinem Handy wähle ich die Nummer von Taylor, gehe die Treppen runter und gehe aus meinem Zimmer.

»Hey Greer«, kommt es aus der Hörmuschel.

»Hi Taylor, du, pass mal auf«, beginne ich und höre einen zustimmenden Ton von Taylor. »Algea will nichts von Dorchadas. Sie hat es sich zur Aufgabe genommen, die Informationen zu bekommen, damit ich mit ihm was zu reden habe, und weil ich denke, dass ihr erstes Ziel war, uns beide zu verkuppeln. Du schreibst ihr jetzt bitte, dass es dir leidtut. Denn sie macht sich eben Gedanken darüber, ob sie eine schlechte Freundin ist.«

Eine kurze Stille entsteht bei dem Telefonat. »War das alles?«

Irgendwie kann ich mir ein lautes Ausatmen nicht verkneifen. »Falls dir das nicht bewusst sein sollte: während ihr beide nicht wisst was zu tun ist, bin ich eben diejenige, die es zwischen euch klärt. Dafür sagt man normalerweise Danke.«

»Ja, danke dir. Ich schreibe ihr gleich. Man sieht sich Greer!« Danach legt er auf.

Erneut laufe ich die Treppen hoch und stehe wieder in meinem Zimmer. Den Rest des Tages haben Algea und ich unsere Pizza gegessen, sie hat über Taylor geredet wie süß er doch immer wäre, haben Serien geschaut, und Algea konnte sich nicht verkneifen, nochmal Dorchadas zu erwähnen.

Um knapp 21 Uhr ist sie gegangen.

Ich stehe gerade unter der Dusche und lasse das warme Wasser an meinem Körper runterrinnen.

Darauf folgten die Dusch- Gedanken: Was hat Dorchadas heute dazu verleitet, einfach zu gehen? Ich denke nicht wirklich, dass dieses kleine Boxen ihn wirklich verletzt hat. Oder hat er das als Entschuldigung genommen, dass er mich los wäre? Mir würde nichts einfallen, dass ich ihn möglicherweise von damals kennen würde, und ihm jetzt unangenehm ist, mich wiederzusehen. Soweit ich mich entsinnen kann, habe ich ihm nichts getan, dass er mir so abweisend gegenüber sein dürfte. Aber er hat ja nicht sonderlich viel Kontakt zu anderen. Also ist er ja nicht nur zu mir so. Sondern zu jedem. Sollte ich so neugierig sein, und dem irgendwie auf den Grund gehen? Wahrscheinlich nicht. Leben und leben lassen Greer… Irgendwann fällt mir dann auch ein, mich wirklich mal zu waschen. Ich wickle mir ein Handtuch um den Körper und laufe mit meinen nassen Haaren in mein Zimmer.

Schnell mache ich die Vorhänge zu.

Ich gehe zu den Treppen, welche zu meinem Bett führen, und öffne sie. Meine Treppen sind gleichzeitig Schubladen, wo die Klamotten von mir verstaut sind. Das Handtuch löse ich von meinem Körper, als mein Handy beginnt zu klingeln. Nackt renne ich schnell zu meinem Bett hoch, da ich es schon zum Laden angeschlossen habe. Ich sehe, dass es Lexi mit einem Videoanruf ist. Ich nehme den Anruf entgegen.

»Oho, Greer! Störe ich etwa gerade?«, ihre Augenbrauen zucken zwei Mal nach oben. Sie sieht nur meine nassen Haare und meine nackten Schultern.

»Also wenn du mein heißes Date mit der Dusche meinst, dann nicht. Er ist gerade eben gegangen.« Mein Handy schmeiße ich auf das Bett neben mir und ich ziehe mir meine Unterwäsche und eine Schlafhose an.

Kapitel 5

Schnell strecke ich mich ein wenig, um an meine Nachttischlampe zu kommen, welche kleine Sterne an die Decke in meinem gesamten Zimmer projiziert.

»So erzähl, was gibt's Neues bei dir?«

Sollte ich ihr von Dorchadas erzählen?

»Es gibt einen neuen Typen bei mir in der Schule...

ich denke seit knapp zwei Wochen. Er ist in einer Art, naja, speziell.«

Lexi macht ihren vielversprechenden Blick und zieht ihren rechten Mundwinkel hoch. »Erzähl mir mehr!«

Anschließend erzähle ich ihr, wie er sich ganz zu Anfang nicht neben mich setzen wollte, dass er nur dunkle Sachen trägt, er dauerhaft nach Pfefferminze riecht, und das, wobei er raucht. Immer wieder macht sie Anmerkungen, über die ich jetzt nur lachen kann. Ja, sie ist meine beste Freundin und das schon mein Leben lang.

Rein theoretisch ist das nicht einmal gelogen. Wir kennen uns seit 14 Jahren. Ich denke, sie kennt mich so gut wie ich mich selbst. Sie hat alles mitbekommen. Meine Erfahrungen mit immer und immer falschen Leuten.

Mein erster Krankenhausbesuch. Mein erster Kuss…

»Ein Bad Boy also, ja?«, fragt sie.

»Das denke ich nicht. Ich denke eher, dass er einfach was Geheimnisvolles an sich hat und dies behalten will.«

»Glitzert er in der Sonne oder was?« Sie begleitet es mit einem Lachen.

»Du bist doof, hat dir das mal jemand gesagt?«

Lexi nickt.

»Algea wollte, dass ich mit ihm Kontakt aufnehme. Ich weiss nicht ob es zu einer Verkupplung führen sollte.«

»Würdest du denn was von ihm wollen?« fragt Lexi neugierig.

Ich schüttle leicht meinen Kopf. »Nope. Ich könnte mir auch nicht nur im Geringsten vorstellen, dass da auch nur was wäre.«

Lexi atmet laut aus. »Greer, Süße, du musst einfach mal offen für was sein.«

Ich schließe meine Augen. »Du solltest wissen, wann du den Mund halten solltest«, zwinkere ich ihr zu.

»Okay, Themenwechsel: Soll ich zu dir kommen? Also am Freitag versteht sich. Ich dachte, ich bleibe dann auch ein wenig.«

Ich nicke. »Wenn du mich ertragen willst«, begleite ich mit einem Lachen.

»Ne, eigentlich nicht, aber ich dachte, ich wäre mal so freundlich und frage mal wieder. Ich hole dich von der Schule ab, also fahr mit dem Bus!«

Ich schaue geschockt, jedoch gespielt auf mein Handydisplay. »Du... du willst, dass ich Godric in der Garage stehen lasse?«

Sie nickt finster. »Und wie ich das will!«

Wir beide lachen noch einmal, bevor wir uns eine gute Nacht wünschen, und dass wir uns morgen schon sehen werden.

Ich lege mein Handy wieder zur Seite und mich bequem ins Bett.

Was mag der Grund gewesen sein, dass Dorchadas nach meinem kleinen und wirklich sanften Boxer so komisch war?

Mag er es einfach nicht? Oder wurde er vielleicht mal gemobbt und ist einfach empfindlich bei Fremden, wenn sie ihn anfassen?

Das würde auch erklären, wieso er mit kaum jemandem etwas in der Schule zu tun hat. Einfach weil er dem freiwillig entgegenwirken möchte, und er in dem Sinne auch die Kontrolle darüber hat.

Ich weiss, dass ich mir auch eben nur alles einbilden kann. Dass ich zu voreilig bin, mir zu schnell irgendwelche Entschlüsse ziehe, ohne auch nur einen Funke an Beweisen zu haben.

Doch bevor mein Gehirn mir noch mehr unwahrscheinlichen Kram weiß zu machen versucht, lege ich mich endgültig gemütlich ins Bett und warte darauf, dass meine Augenlider schwerer werden.

Trotz meines Lieblingsliedes als Wecker, wache ich unsanft auf. Das hält mich allerdings nicht davon ab, noch weitere fünf Mal auf die Schlummertaste zu drücken. Nach dem fünften Klingeln greife ich nach meinem Handy, kneife meine Augen zusammen, da der Bildschirm viel zu hell ist.

Schnell streiche ich mir meine blonden Wellen aus dem Gesicht und schaue, wie das Wetter heute wird.

Mein Handy lege ich zur Seite, als ich aufstehe. Vorsichtig (vorsichtig aus dem Grund, da meine Augen sich noch immer dazu entscheiden, ihrem Job nicht nachzugehen) ich die Treppen von meinem Bett hinunter, um nach unten an meinen PC zu gehen.

Ich beschließe mich dazu, ein wenig Radio zu hören.

Anschließend gehe ich wieder zu meinen Treppen, ziehe die Schubladen auf und suche mir Unterwäsche raus.

Heute habe ich mich dazu entschlossen, eine einfache Jeans mit einem schwarzen T-Shirt und einer dünnen Jacke anzuziehen. Meine Haare binde ich -wie eigentlich jeden Tag- zu einem lässigen Dutt zusammen.

Mein Rucksack ist schon gepackt, weshalb ich auf direktem Wege in mein Bad gehe. Ein bisschen Make- Up und ich bin für den anstehenden Tag fertig.

Meine Armbanduhr binde ich noch rasant um mein linkes Handgelenk, checke schnell die Uhrzeit, als ich nach meinem Rucksack greife, die Musik ausschalte und die ganzen Treppen bis nach unten vor die Haustür stürme.

Einfache weiße Chucks werden es heute schon tun.

Wie schon damals immer, renne ich den Weg zu meiner Haltestelle.

Aber ich bekomme meinen Bus noch. Eben stecke ich mir meine Kopfhörer in die Ohren, als Taylor bei der nächsten Haltestelle in den Bus steigt.

Ich entschließe mich also dazu, den linken Kopfhörer im Ohr zu lassen, aber den rechten runterhängen zu lassen.

»Guten Morgen«, murmelt er. Wie immer müde, Haare wirken so, als hätte er vergessen sie zu kämmen, was mich absolut nicht wundern würde, wenn dies der Fall wäre.

»Morgen«, Grüße ich ihn klein, während er nach der Stange über ihm greift. Wie immer auch nur eine schwarze Jeans, einfaches Shirt mit einem Bedruck drauf und eine Sweatshirt Jacke.

»Seit wann nimmt Miss Malcolm wieder den Bus?«, er klingt total verschlafen.

Ich lächle kurz. »Seitdem Lexi ihr befohlen hat, ihn zu nehmen, damit die Werte Dame mich von der Schule mit dem Auto abholen kann.«

Taylor lächelt. »Das bedeutet doch bestimmt, dass man mich mitnehmen kann, oder?«

Ich ziehe meine linke Augenbraue hoch, versichere ihm aber Lexi zu fragen und ihm in der Pause Bescheid zu geben.

Zusammen laufen Taylor und ich zu unserem Kunstraum, setzen uns hin, als Taylor schlussendlich so gesprächig wurde, wie man es für gewöhnlich kennt.

»Läuft da jetzt was zwischen dir und... Dorchadas?«, fragt er, als er sein Schokobrötchen aus der Tasche holt, mir ebenfalls eins auf den Tisch rüberschiebt und in seines anschließend reinbeißt.

Kapitel 6

Meine Hände greifen nach der kleinen Packung vor mir. »Taylor, ich war einmal mit ihm im Park. Das wars.

Mehr ist da nicht. Ich mag es gar bezweifeln, dass wir je Freunde werden.« Alleine der Gedanke, dass er und ich jemals auf einer Ebene sein könnten, die man ansatzweise mit Freunden vergleichen könnte, lässt mich in mich rein grinsen. Wie lächerlich. Wobei ich ihn auch irgendwie aus seiner Reserve locken möchte… und wer weiss. Vielleicht kann doch eine Freundschaft entstehen… Er nickt, während Chidera den Raum betritt und sich links neben mich setzt.

Chidera hat schöne dunkle Haut, tief braune Augen, welche fast schon schwarz wirken, sie ist ein wenig größer als ich, was bei meiner Größe aber auch nicht wirklich schwer ist, ihre Haare -welche in Braids geflochten sindwie eigentlich immer zu einem kleinen Zopf zusammengebunden, der an ihrem Hinterkopf sitzt.

»Guten Morgen, Chidera«, Grüße ich sie.

Sie packt ihr Etui aus. »Morgen. Hatten wir Hausaufgaben auf?«

Taylor beugt sich nach vorne, schaut an mir vorbei und schüttelt in die Richtung von Chidera den Kopf.

Nach weiteren fünf Minuten füllt sich der Raum mehr und mehr. Auch die zwei Plätze neben Taylor werden eingenommen.

Mrs. Jensen beginnt damit, den Plan für die zwei Unterrichtsstunden zu erklären, der lediglich daraus besteht, dass wir an unseren Zeichnungen weiterarbeiten sollen.

Taylor steht auf und bringt drei große Blätter mit, während ich meine Palette an Bleistiften in die Mitte des Tisches platziere.

Nach längerer Stille, welche durch den Musik hörenden Taylor und der ›konzentrierten‹ Chidera verursacht wurde, bricht sie diese jedoch. »Du und der Neue also, ja?«

Instinktiv und genervt, lasse ich meinen Bleistift locker zwischen Daumen und Zeigefinger hängen. »Nur kurz gefragt: Wollt ihr mich eigentlich alle verarschen?«

Taylor holt seinen linken Kopfhörer raus und beginnt zu schmunzeln. »Das entgeht hier keinem Greer. Zudem bist du die Einzige, die bis jetzt so nah an ihn rankam.«

Irritiert schüttle ich meinen Kopf und fixiere mich auf mein Blatt. »Du redest über ihn, als wäre er ein extrem schreckhaft. Hast du denn mal versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen? Oder Kellan?«

Taylor schaut mich durch seine braunen Augen an.

»Nein, habe ich nicht. Aber auch nur weil-«

»-weil er es ja eh ablehnen würde?«

Er nickt klein.

»Das ist kompletter Schwachsinn! Der kennt mich doch auch kein Stück, trotzdem waren wir im Park!«

»Vielleicht bist du die Auserwählte…«, murmelt Chidera vor sich her.

»Oh Gott, bitte erspare mir so einen Blödsinn. Reicht jetzt.«

Chidera lacht auf, Taylor packt das Kabel seines Kopfhörers hinters Ohr.

»Aber wenn wir doch eben schon mal dabei sind…«, beginnt Chidera nach fünf Minuten erneut.

»Gott bewahre, was?!«, schaue ich genervt hoch.

»Findest du ihn süß?« Chidera grinst ihren Bleistift an, welcher Platz auf ihrem Blatt findet.

Ich schlucke nur einmal schwer. »Du weisst, dass ich darüber nichts aussagen kann.«

Chidera atmet enttäuscht aus.

Taylor zeichnet ebenfalls weiter vor sich hin, hat jedoch beide Kopfhörer rausgenommen, da der Junge rechts von ihm angefangen hat zu reden. Sein Gesicht kommt mir bekannt vor, aber ich kann mir irgendwie keinen Reim draus bilden.

Irgendwann entschließe ich mich ebenfalls dazu, meine Kopfhörer rauszuholen und die Musik so laut wie möglich zu stellen.

Am Ende der Stunde packen wir unsere Bilder zurück an ihren Platz. Während Taylor nun eine Stunde Geschichte und Chidera eine Stunde Erdkunde hat, habe ich eine Freistunde, in der ich mich nach draußen an den Eingang auf die Treppen setze.

Ich hole mein Handy raus und sehe, dass mir Lexi geschrieben hat.

Sie lässt fragen, wann ich denn heute Schluss hätte.

Schnell tippe ich auf die App von meinem Stundenplan, sehe, dass mein Stundenplan bei 14:30 Uhr endet.

Ich texte ihr, dass ich um 14:30 Uhr Schluss habe und frage, ob es möglich ist, Taylor mitzunehmen.

Danach empfange ich einen Zwinkersmiley und ein ›Ja klar!‹

Mit einem Schlag nehme ich den Geruch von brennendem Tabak wahr. Rapide blicke ich auf, schaue hinter mir und sehe Dorchadas wie er nur weniger Schritte rechts von mir steht.

Sein Blick starr auf den Parkplatz gerichtet, welcher von einer Nebeldecke bekleidet ist.

Nervös spielen meine Finger mit dem Reißverschluss meiner Jacke. »Dürfte ich erfahren, wieso du einfach gegangen bist?«, frage ich und blicke zu ihm.

Er zieht an seiner Zigarette. »Du weisst nicht, was im anderen Leben vor sich geht. Ich weiss ja auch nicht, was bei dir los ist.« Sein Blick ist noch immer auf den Parkplatz gerichtet.

»Ehm ja, aber ich wäre bereit, dir was aus meinem Leben zu erzählen. Denn nur so macht man sich Freunde.« Stille. Ich hole tief Luft. »Pass auf, wenn du keinen Kontakt zu mir haben willst, dann sag das. Dann muss ich mir zumindest keine Mühe machen, irgendwie...

eine Freundschaft aufzubauen.«

»Habe ich dich jemals darum gebeten?« Er dreht seinen Kopf zu mir und sieht mich durch seine Sonnenbrille an.

Wenige Sekunden bleibe ich still, während er wieder seinen Kopf nach vorne richtet.

»Nein, hast du offensichtlich nicht.«

Erneut zieht er an seiner Zigarette. »Dorchadas, wieso möchtest du keine Freunde haben? Wieso möchtest du niemanden kennen?«

Das letzte Stück Zigarette wirft er- nach kurzer Betrachtung- zu Boden und tritt mit seinem schwarzen Stiefel drauf. »Weil Menschen ekelhaft sind, egoistisch und widerlich. Also erkläre mir: Warum sollte ich mit sowas in Gesellschaft treten wollen?«

Meine Augen forme ich zu Schlitzen. »Entschuldige?«

»Du hast gefragt, Greer, und hast meine Meinung dazu gehört«, er gräbt seine Hände in die Hosentaschen.

»Having nothing, nothing can he lose.« Dorchadas schnauft noch einmal aus der Nase, ehe er ins Schulgebäude läuft.

Den Rest meiner Freistunde versuche ich mich auf diversen Netzwerken zu beschäftigen, aber immer wieder führen meine Gedanken zu diesem gottverdammten Gespräch zurück.

Wieso beschäftigt mich dies so unglaublich? Ist es wegen Dorchadas? Ist es, weil er mich in einer Form beleidigt hat? Weil ganz gleich wie ich das Ganze angehe, es wird wahrscheinlich nicht das Resultat sein, welches ich anstrebe. Auf der anderen Seite könnte es mir natürlich auch egal sein. Aber irgendetwas hat dieser Junge an sich, was mich ein Interesse an ihm hegen lässt.

Es sind Fragen über Fragen, auf die niemand die Antwort weiss. Vielleicht hilft es ja später, mit Lexi darüber zu reden.

In meinen letzten zwei Stunden habe ich Erziehungswissenschaften, wo mich auch erneut Chidera erwarten wird.

Als ich in den Raum komme, sitzt Chidera wie immer schon auf ihrem Platz, welcher links neben meinem liegt.

Meine Tasche setze ich auf den Tisch ab und lasse mich wie ein Sack Kartoffeln auf den Stuhl hinter mir fallen.

»Wer raubt dir deine Nerven?«, fragt Chidera und lacht auf.

Meine Augen richten sich auf ihre dunklen.

»Passt schon«, versichere ich ihr.

»Ist es der Neue?«, und grinst mich von der Seite an.

Kapitel 7

»Was kümmert dich das?«

Sie zuckt mit den Schultern und schüttelt ihren Kopf.

»Es kümmert mich nicht. Ich bin einfach nur neugierig.«

Ich wende meine Augen von ihr ab, hole meine Dinge für den Unterricht raus, und stelle meine Tasche auf den Boden ab.

Die ganzen zwei Stunden lang kann ich mich absolut nicht konzentrieren. All die Worte meiner Lehrerin prallen an meiner Stirn ab. In der zweiten Stunde merke ich, wie mein Bein unkontrolliert anfängt zu zittern, meine Handinnenflächen fühlen sich schwitzig an, mein Kopf dreht sich, als wäre er ein eigenständiges Karussell.

Panikattacken waren absolut nichts neues für mich.

Nur dass sie jetzt auch am helllichten Tag vorkommen, wenn ich im Unterricht sitze, mit Freunden eine Freistunde habe und nur mit ihnen rede. Sie kommen ohne Vorwarnung, ohne genauen Grund. Zumindest denke ich, dass es nicht immer einen Grund gibt.

Chidera bekommt mit, wie ich mich eben an mich selbst verliere, während ich mit meiner rechten Hand zwecklos mein Bein versuche zu beruhigen. Es stillhalten.

»Greer, ist alles okay?«, fährt ihre Stimme hoch, allerdings leise genug, um den Unterricht nicht zu stören.

Ich nicke einfach nur.

»Willst du raus?«

Mit dem bisschen Stimme, dass ich noch habe, sage ich ihr, dass sie ruhig sein soll, und dass es gleich wieder in Ordnung wäre.

Was ich nicht wusste, ist, dass diese Attacke selbst nach dem Unterrichtsschluss noch bleiben würde.

So stand ich am Haupteingang, warte auf Lexi und Taylor, während ich nicht aus meiner innerlichen Situation entkommen kann. Meine Hände beginnen erneut zu schwitzen, sowohl meine Hände als auch Füße werden von einem Kribbeln überflutet. Als würden tausende von Ameisen über sie laufen, nur um anschließend das Gefühl in ihnen zu verlieren.

Taylor schleicht sich von hinten an, legt seine Hand auf meine linke Schulter, jedoch zucke ich schnell zur Seite.

»Alles okay?«, fragt er.

»Ja klar«, meine Stimme kam langsam zurück zu mir.

Taylor zieht eine seiner Augenbrauen hoch. »Ist es wieder soweit?«

»Schieb dir dein ›wieder‹ dahin, wo die Sonne nie hin scheint, Taylor. Meinst du, ich finde das lustig?!«

»Okay… sorry«. Er schaut auf die Steinplatten unter uns. »Brauchst du was?«

Ich schüttele nur meinen Kopf. Gleich ist Lexi hier. Sie bringt das in Ordnung… irgendwie.

»Kommst du heute Abend auch noch zum Training von Kellan?«

Verdammt. Kellan hat mich das letzte Mal höflich gefragt, ob ich nicht mal vorbeischauen möchte. Und ich habe ihm zugestimmt.

»Ich schreibe dir später.«

Taylor nickt. »Weisst du... ich nehme doch lieber den Bus. Viel Spaß gleich mit Lexi!« Dann geht er zur Haltestelle.

Nervös huscht mein Augenpaar auf Handydisplay. 14:37 Uhr. Wo bleibt sie? Ungeduldig tippe ich mit meinem Fuß auf die lockere Platte, um verzweifelt ein wenig Gefühl in ihn zurückzuerlangen.

So gut wie alle aus meiner Stufe, die um dieselbe Zeit Schluss haben, sind schon fort.

Erschlagen werde ich von dem präsenten Pfefferminz-Geruch.

»Wieso wartest du? Oder wohl eher worauf?« Er stellt sich etwas näher zu mir, was mich meine Augenbrauen zusammenfahren lässt.

»Ich warte auf meine beste Freundin.«

Dorchadas blinzelt mich mit weit geöffneten Augen an, als er meine raue Stimme hört. Nachdem er gemerkt hat, dass ich seine Augen genauer mustere, setzt er sich zügig seine Brille auf. »Ist alles okay?«

»Passt schon. Ich schätze, ich wünsche dir ein schönes Wochenende?«

»Soll ich mit dir warten?« Aus seiner kleinen Tasche am Rucksack holt er seine Zigarettenschachtel hervor, zieht eine von ihnen raus und steckt sie sich an.

Sofort schüttele ich meinen Kopf. »Wieso jetzt so nett?«, frage ich nach einer Weile.

Er zuckt mit seinen Schultern. »Ich könnte es auch lassen.« Langsam bemerke ich, wie ich mich beruhige, wie meine Stimme wiederkommt, dass ich endlich wieder was in meinen Händen und Füßen spüre. Die Ameisen sind weg, meine Hände sind weniger klamm.

Gerade als ich meine Finger in meine Handflächen ziehe, taucht Lexi mit ihrem quietsch gelben Auto auf und hält genau vor der Treppe an. Durch das Fenster zuckt sie mit den Augenbrauen, als ich ihr folgend meinen Mittelfinger präsentiere. Sie zwinkert mir provokant zu.

»Ehm, dann bis Montag oder so…«, verabschiede ich mich von Dorchadas. Er steckt seine Zigarette in den Mund und winkt mir knapp zu, während ich auf die linke Seite von Lexis Wagen laufe.

Ich öffne die Tür, halte kurz inne in meiner Bewegung, ehe ich meinen Rucksack in den Fußraum des Beifahrers werfe und erneut zu Dorchadas laufe. Meine Hand greift nach seiner Zigarette- welche nur wenig abgebrannt istzieht ihm diese aus dem Mund und wirft sie auf den Boden. Dorchadas schaut seiner Droge hinterher und sieht zu, wie ich diese mit meinen Chucks zertrete und über den Asphalt ratsche.

Er schaut erneut hoch, als er auf mein breites Grinsen trifft. Seine Hände steigen in die Luft neben seinem Körper, während ich zurück zu Lexis Auto hopse.

»Wozu war das jetzt?« Eine Augenbraue huscht hinter dem silbernen Rand seiner Brille hervor.

»Man denkt immer, dass es gut aussieht. Aber es schadet dir nur.« Schnell hebe ich meine Hand an meine Schläfe und entferne diese mit zwei Fingern von ihr.

Endlich lasse ich mich in den Wagen von Lexi fallen.

»Ist er das?«, fragt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht, derweil ich meine CD in ihren Player schiebe.

Lexi hat eine extra CD in ihrem Auto mit Liedern, die mir gute Laune bereiten. Unverzüglich beginnt Lexi laut mitzusingen, um mich aufzuheitern.

»Ja, das war er.«

Ihr Blick liegt kurz auf mir. »Süüüüüüüüüüß!! Wann werde ich Patentante?«

Mit ernster Miene blicke ich sie an. »Nie?«

»Jaja, klar. Wir sprechen uns in einem Jahr nochmal.«

Prompt verdrehe ich meine Augen.

»Ach so, wärst du sauer, wenn wir heute Abend zum Training von Kellan gehen?«, frage ich sie.

»Geht es lange?« Sie biegt auf die Hauptstraße ab. »Du musst mir so einiges erzählen, Süße!«

»Lass es anderthalb Stunden sein... bitte Lexi. Ich habe ihm gesagt, dass ich mal vorbeischaue…«

»Ja, machen wir. Brauchst mich nicht gleich so anflehen«, lacht sie, als sie zeitgleich die Musik lauter stellt und wir beide mitsingen.

»Dorchadas wird dir noch den Kopf verdreeeeeheeen…«, leiert Lexi zum Takt der Musik mit.

Kapitel 8

Bei mir angekommen, trägt Lexi ihre Tasche zu mir nach oben ins Zimmer, dicht gefolgt von mir. Sie wirft ihre Taschen an den Treppen nach oben, lässt sich anschließend auf das Eck von der Couch fallen, greift nach der Fernbedienung und macht meinen Fernseher an. Langsam lasse ich mich neben sie fallen.

»Wann müssen wir wieder los?«

»Ich denke es war um 19:30 Uhr Beginn.«

Lexi nickt.

Nach fünf Minuten, in denen keiner was sagte, brach Lexi jedoch wieder die Stille. »Werden sie eigentlich weniger?«

Ich meide ihren Blick, der auf mir liegt. »Du meinst die Attacken?«

Erkenntlich nickt sie.

Noch immer weiche ich ihren braunen Augen aus.

»Wirkt momentan nicht so... aber das wird schon wieder.«

Erzwungen bringe ich ein Lächeln auf meine Lippen zustande.

»Lächle nicht, wenn es nicht ehrlich ist«, sagt Lexi strikt. »Kommt dieser ominöse Junge denn heute auch?«

Ich schmunzle wegen Lexis Wortwahl. »Zum Training?«

Lexi nickt enthusiastisch ihren Kopf in meine Richtung.

»Wohl kaum!«

Sie dreht sich mit dem Körper vom Fernseher weg, öffnet ihr Haarband und legt es auf ihren Schoß. »Er hat schon deine Aufmerksamkeit, oder?«

Meine Augen richten sich rechts auf Lexi. »Es wäre gelogen, wenn ich Nein sagen würde.«

Lexi atmet laut aus. »Komm, erzähl wieso.« Sie nimmt die Fernbedienung und stellt den Fernseher leiser.

Zügig überlege ich meine Wortwahl. »Er wirkt wie ein Rätsel, das ich lösen möchte. Er wirkt so ängstlich und voreingenommen vor der Gesellschaft- und ich weiss nicht Gott verdammt wieso- aber ich will ihm das nehmen können.«