Dr. Norden Bestseller 85 – Arztroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Dr. Norden Bestseller 85 – Arztroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Viola Varnesen führt erfolgreich eine exklusive Boutique, in der auch Fee Norden gern einkauft, weil sie Violas Geschmack vertraut. Viola ist sehr zurückhaltend, und Fee ahnt, daß es in ihrem Leben ein Geheimnis gibt. Viola hat tatsächlich eine große Enttäuschung erlebt. Sie stand kurz vor der Hochzeit, als ihr Verlobter mit ihrer Schwester verschwand. Seitdem kann sie keinem Mann mehr vertrauen. Erneutes Leid wartet auf sie, denn sie erhält einen Brief, daß ihre Schwester nicht mehr lebt und eine kleine Tochter hinterlassen hat, die man ihr bringen will. Viola ist erschüttert, sie glaubt nicht, daß sie das Kind ihres treulosen Verlobten und ihrer Schwester lieben kann. Fee Norden öffnete die Post. Es war Samstag, und sie konnten in aller Gemütsruhe frühstücken, da Dr. Norden tatsächlich mal keine Patienten bestellt hatte. Seine beiden derzeitig schwersten Fälle wollte er später besuchen. »Oh, wie schade«, rief Fee aus, als sie einen dicken Büttenumschlag geöffnet hatte. Daniel Norden blickte auf. »Was ist?« fragte er. »Konsul Roncolle gibt sein Abschiedsessen. Nun verläßt er uns doch.« »Feelein, er hat sich seinen Ruhestand verdient, und ich verstehe es, daß er ihn in der Heimat genießen will. Er muß doch schon siebzig sein.«

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Dr. Norden Bestseller – 85 –

Was geschieht mit Daniela?

Patricia Vandenberg

Viola Varnesen führt erfolgreich eine exklusive Boutique, in der auch Fee Norden gern einkauft, weil sie Violas Geschmack vertraut. Viola ist sehr zurückhaltend, und Fee ahnt, daß es in ihrem Leben ein Geheimnis gibt. Viola hat tatsächlich eine große Enttäuschung erlebt. Sie stand kurz vor der Hochzeit, als ihr Verlobter mit ihrer Schwester verschwand. Seitdem kann sie keinem Mann mehr vertrauen. Erneutes Leid wartet auf sie, denn sie erhält einen Brief, daß ihre Schwester nicht mehr lebt und eine kleine Tochter hinterlassen hat, die man ihr bringen will. Viola ist erschüttert, sie glaubt nicht, daß sie das Kind ihres treulosen Verlobten und ihrer Schwester lieben kann. Doch dann erfährt sie, daß alles ganz anders ist…

Fee Norden öffnete die Post. Es war Samstag, und sie konnten in aller Gemütsruhe frühstücken, da Dr. Norden tatsächlich mal keine Patienten bestellt hatte. Seine beiden derzeitig schwersten Fälle wollte er später besuchen.

»Oh, wie schade«, rief Fee aus, als sie einen dicken Büttenumschlag geöffnet hatte.

Daniel Norden blickte auf. »Was ist?« fragte er.

»Konsul Roncolle gibt sein Abschiedsessen. Nun verläßt er uns doch.«

»Feelein, er hat sich seinen Ruhestand verdient, und ich verstehe es, daß er ihn in der Heimat genießen will. Er muß doch schon siebzig sein.«

»Man sieht es ihm auch jetzt noch nicht an«, sagte Fee. »Ja, dann werde ich mir tatsächlich mal wieder ein neues Abendkleid kaufen müssen.«

»Wieso?« fragte Daniel gedankenlos.

»Weil wir zu diesem Galaabend eingeladen sind und selbstverständlich auch hingehen werden.«

»Selbstverständlich«, sagte Daniel brummig. »Ich würde mich lieber ganz bescheiden persönlich von ihm verabschieden.«

»Das können wir ihm nicht antun. Lies doch, er schreibt sogar persönlich, daß er ganz bestimmt mit uns rechnet.«

»Aber einen Smoking kaufe ich mir nicht«, erklärte Daniel.

»Der alte wird ja noch passen«, meinte Fee fröhlich. »Du hast deine Figur ja sehr brav gehalten, mein Schatz.«

»Du auch, Herzliebchen«, sagte er neckend.

»Willst du damit andeuten, daß ich mir kein neues Kleid kaufen darf?«

»Du darfst alles, mein Liebes. Es soll niemand auf den Gedanken kommen, daß ich dich kurz halte. Bist ja eh so sparsam.«

Für nichts und wieder nichts gab Fee wirklich nicht gern Geld aus. Sie half lieber dort, wo Not am Mann war, und es gab auch in diesem Land noch genug Not, wenn man es auch nicht glauben wollte, wenn man mit offenen Augen sah, wieviel Aufwand manche trieben.

»Weißt du, Daniel, ich werde mir eines von Viola Varnesen anfertigen lassen«, sagte Fee. »Sie hatte tolle Ideen. Sie hat eines für Katja gemacht, das man kurz und lang tragen kann.«

»Wie das?« fragte Daniel staunend, der die ständig wechselnde Damenmode sehr skeptisch betrachtete, obwohl er es sehr gern sah, wenn seine Frau hübsch gekleidet war.

»Ein langer fließender Rock und darüber ein schwingendes, duftiges Kleid! Aber das kannst du dir ja doch nicht vorstellen.«

»Wirklich nicht«, gab er zu. »Und so was braucht Katja? Sie hat doch mindestens zwanzig Abendkleider.«

»Sie braucht sie doch auch. Wenn man mit einem prominenten Künstler verheiratet ist, kann man nicht drei Jahre mit zwei Abendkleidern auskommen.«

»Du kannst dir ja auch jedes Jahr eins kaufen«, sagte Daniel.

»Und wann soll ich es anziehen? Da kaufe ich mir lieber hübsche Nachthemden, die sind nämlich auch nicht billig«, erwiderte sie schelmisch.

Er beugte sich zu ihr herüber und küßte sie auf die Nasenspitze. »Dafür siehst du immer verlockend aus, und ich habe dich ganz für mich allein.«

Sie konnten so reden, weil die Kinder schon im Garten spielten, sonst hätte es von den beiden Buben Danny und Felix Fragen gehagelt, auf die sie nicht immer eine Antwort gewußt hätten.

»Wenn du zu Herrn Schöller fährst, könntest du mich eigentlich mitnehmen. Violas Boutique liegt am Wege, und auf dem Rückweg kannst du mich abholen«, sagte Fee.

»Ich muß auch noch zu Frau Zech«, sagte Daniel.

»Um so besser, dann kann ich mir mehr Zeit nehmen.«

»Warum willst du nicht selbst fahren?« fragte Daniel, plötzlich aufmerksam werdend.

Fee errötete. »Mir ist gestern jemand beim Zurücksetzen in den Wagen gefahren«, gestand sie.

»Mein Gott, du hast mir nichts gesagt«, regte Daniel sich auf.

»Nur keine Panik, mein Schatz, ich saß ja nicht drin. Es war ein netter, anständiger junger Mann. Er hat mir gleich hundert Mark für die Reparatur gegeben, damit ich nicht erst die Polizei hole. Und ich habe den Wagen auch gleich zur Werkstatt gebracht.«

Er warf ihr einen schrägen Blick zu. »Und was wird die Reparatur kosten?« fragte er.

Fee wurde noch ein bißchen kleiner. »So an die zweihundert, aber Herr Köhler kommt mir entgegen«, erwiderte sie stockend.

Daniel lächelte hintergründig. »Aber es war wenigstens ein netter, anständiger junger Mann«, neckte er

sie.

»Er hat sich nicht gedacht, daß es soviel kosten würde«, verteidigte Fee den Fremden. »Du kannst es glauben, Daniel. Er hat sich auch meinen Namen und meine Adresse aufgeschrieben, um nachzufragen. ob es mehr gekostet hat.«

»Na, das gefällt mir«, brauste Daniel eifersüchtig auf. »Er hat sich deinen Namen und deine Adresse aus ganz anderen Gründen aufgeschrieben.«

»Das glaube ich nicht. Ein bißchen Menschenkenntnis besitze ich ja auch.«

»Und du hast seinen Namen auch notiert?«

»Nein, wozu denn?«

»Hat er sich wenigstens vorgestellt?«

»Natürlich hat er sich vorgestellt, aber wann merke ich mir schon mal einen Namen von einem Menschen, der mir nur flüchtig bekannt ist.«

Daniel beruhigte sich, da Fee ganz gelassen blieb. Er hatte sich unter Kontrolle. Er wollte, daß er mit zunehmendem Alter immer eifersüchtiger wurde. Er wußte auch, daß es dafür keinen Grund gab, und doch kam er nicht dagegen an.

»Weißt du wenigstens das Autokennzeichen, Schätzchen?« fragte er.

»Nein, es war ein Münchner Wagen, ein Porsche, ein wunderschönes Grün. Solch ein Grün könnte mir auch als Kleid stehen. Du magst doch Grün, Liebster?«

»Diese Frauen«, stöhnte Daniel, aber dabei lächelten seine Augen. »Also, dann werden wir in einer Viertelstunde starten. Willst du alle Kinder mitschleppen?«

»Mal sehen, welcher Meinung sie sind«, erklärte Fee gelassen. »Ich denke, sie werden lieber spielen und sich von Lenni verwöhnen lassen.«

»Meinst du nicht, daß Lenni unsere Autorität untergräbt?« fragte er.

»Hast du Autorität gesagt?« fragte Fee, und in ihren Augen tanzten tausend Teufelchen.

Die Kinder entschieden sich dafür, bei Lenni zu bleiben, denn sie hatte ihnen an diesem recht heißen Tag Vanilleeis mit Himbeeren versprochen.

Und wenn es um Mamis Kleider ging, waren sie nicht sehr erbaut. Sie fanden es schrecklich langweilig, daß man um Kleider so viel Trara machte. Und außerdem wußten sie ja, daß die Mami immer wieder heimkam. Selten genug ließ Fee ihre Kinder mal allein bei Lenni. Beim Papi war es berufsbedingt, daß er bedeutend seltener Zeit für sie hatte, aber das verstand inzwischen auch die kleine Anneka.

»Papi muß arbeiten«, konnte sie schon sagen. »Viele Leute haben Wehweh.«

Die gute Lenni vergötterte die Kinder. Vielleicht tat sie manchmal des Guten etwas zuviel, aber niemand verübelte ihr das. Wen hatte sie denn schon, den sie sonst lieben konnte, als ihre Nordens und vor allem die Kinder, die ihr ganzes Glück waren, da sie ihren Mann nach einer kurzen, kinderlosen Ehe früh verloren hatte. Lenni hielt auch nicht nach einem anderen Mann Ausschau. Ihr ganzes Leben hatte sie den Nordens geweiht, wenn sie es so theatralisch auch niemals sagte.

Sie hatte Dr. Norden ihr Leben zu verdanken. Er hatte sie in der Stunde schlimmster Not davor bewahrt, ihr Leben wegzuwerfen, weil sie niemanden mehr hatte, als ihr Mann und ihre Mutter tödlich verunglückt waren, durch dir Schuld eines andern. Er und seine Frau Fee hatten sie aufgenommen, ihr ein Heim gegeben. Sie gehörte zur Familie und wurde von den Kindern innig geliebt. Wehe dem, der ihren Lieblingen ein Härchen gekrümmt hätte. Lenni, die so stille, sanfte Frau, wäre zur Furie geworden.

Die kleine Anneka verstand es noch nicht so gut wie die schon größeren Brüder, wenn die Mami plötzlich verschwand. Sie klammerte sich an Lenni.

»Mami kommt wieder?« jammerte sie.

»Natürlich kommt die Mami wieder«, tröstete Lenni liebevoll. »Sie muß sich nur ein Kleid kaufen, Herzelchen.«

»So a Gwand«, sagte Danny. »Wie Tante Katja.«

»Aber soviel ausgehen darf Mami nicht«, erklärte Felix kategorisch.

»Das tut sie ja auch nicht«, sagte Lenni. »Aber ab und zu dürfen Mami und Papi auch mal abends ausgehen. Das gehört sich so, wenn man so berühmt ist.«

Für Lenni war Dr. Norden nämlich der berühmteste Mann, und keiner verdiente es so wie er, geehrt zu werden. Nur machte er sich aus so etwas eben überhaupt nichts. Aber schließlich, und das war auch Lennis Überzeugung, sollte auch eine so bezaubernde Frau wie Fee Norden nicht immer daheimsitzen und nur warten, bis ihr Mann heimkam. Sie sollte auch bewundert werden, vor allem sollten sie beide bewundert werden, weil es so ein schönes Paar nach Lennis Meinung nicht ein zweites Mal gab.

»Wißt ihr überhaupt, was ihr für schöne und gute Eltern habt?« fragte Lenni mit verklärtem Blick, als die Kinder ihr Eis schleckten.

Danny riß die Augen auf. »Ist Papi schön, Felix?« fragte er seinen Bruder.

»Mami ist schön«, sagte Felix. »Das sagte Papi auch.«

»Gut sind sie, sehr gut«, meinte Danny. »Sie hauen nicht und schimpfen selten. Nur, wenn wir mal was angestellt haben, dann ist Mami sauer. Richtig sauer ist sie aber nie.«

»Die Vase, die ich zerschmissen habe, hat tausend Mark gekostet«, sagte Felix betrübt.

»Keine tausend Mark«, warf Lenni ein. »Dreihundert.«

»Ist das mehr oder weniger?« fragte Danny.

»Weniger«, erwiderte Lenni.

»Dann ist es ja gut«, meinte Danny. »Papi hat ja auch gesagt, daß es blöd ist, daß zerbrechliche Sachen so viel Geld kosten.«

»Sie war gar nicht schön«, sagte Felix. »Mein Sparschwein ist viel schöner, aber ich gebe es Mami für die Vase.«

»Die ist ja schon vergessen«, meinte Lenni. »War mal ein Geschenk von einem reichen Patienten.«

»Sie stand bloß so rum«, sagte Danny. »Kann ich noch Eis haben, Lenni?«

»Sie stand dauernd im Weg rum«, murmelte Felix. »Für Kinder ist so was nichts, hat Mami gesagt.«

»Is einfach putt«, mischte sich Anneka ein, um zu verstehen zu geben, daß sie wußte, worum es ging. Und dann fiel ihr Löffel herunter, weil ihr Händchen noch ungeschickt war.

»Geht nicht putt«, sagte sie zufrieden.

So ging es im Hause Norden zu, wenn die Eltern nicht daheim waren. Drei glückliche Kinder, die von der herzensguten Lenni betreut wurden, als wären es ihre eigenen, aber immer wußte Fee, daß sie trotzdem vermißt und heiß ersehnt wurde.

Daniel hatte sie vor der hübschen, sehr attraktiv ausgestatteten Boutique abgesetzt. Dann war er zu Herrn Schöller gefahren.

Fee wußte, wie schwer ihm der Gang zu diesem netten alten Herrn wurde, der nichts mehr ersehnte, als ein gnädiges Ende. Und weil sie daran dachte, betrat sie Viola Varnesens Boutique mit gemischten Gefühlen.

Sie war ihrem Mann als Frau und auch als Ärztin zu sehr verbunden, als daß ein menschliches Schicksal, das Daniel beschäftigte, sie ungerührt lassen konnte.

Viola Varnesen kam ihr entgegen, eine große, sehr schlanke, grazile Erscheinung. Eine Mannequinfigur hatte sie, aber wer ihr Gesicht sah und darin lesen konnte, wußte, daß Viola für diesen Beruf nicht geschaffen wäre.

Ihr schmales Gesicht wurde von großen, melancholischen Augen beherrscht. Melancholisch deutete Fee Norden diesen Ausdruck, andere nannten ihn rätselhaft, bezeichneten Viola als eine Sphinx.

»Ich freue mich, daß Sie einmal zu mir kommen, Frau Dr. Norden«, sagte Viola, die genau wußte, daß Fee sich den Titel selbst erworben hatte.

»Mir fehlt es nur an Zeit, sonst wurde ich öfter herkommen«, erwiderte Fee in ihrer umwerfenden Offenheit und fügte auch noch hinzu: »Und wann sollte ich Ihre zauberhaften Kleider auch tragen! Aber jetzt brauche ich eins, und ich habe auch schon ganz bestimmte Vorstellungen. Für Katja haben Sie eines gezaubert, das mich inspiriert hat. Es müßte nur aus anderen Stoffen sein.«

»Sie können wählen«, sagte Viola. »Wann brauchen Sie das Kleid?«

»Nächsten Freitag.«

Viola lächelte flüchtig. »Der Empfang bei Konsul Roncolle?« fragte sie.

»Sie sind gut informiert«, erwiderte Fee.

»Madame Roncolle gehört zu meinen Kundinnen, und ich bin auch eingeladen.«

»Oh, wie nett!« rief Fee aus. »Dann sehen wir, die Gastgeber ausgenommen, wenigstens ein bekanntes Gesicht.«

»Sie werden schon mehrere bekannte Gesichter sehen«, sagte Viola. »Die Roncolles sind sehr darauf bedacht, daß sich Gleichgesinnte begegnen. Da kann man die, die man nicht übergehen kann, leicht übersehen. – Wenn sie auch nicht übersehen werden wollen«, fügte sie hinzu. »Und ganz gewiß gerät niemand in die Gefahr, daß eine der Damen im gleichen Kleid erscheint.«

Fee wurde verlegen. »Eigentlich ist es ja eine Zumutung, daß ich so kurzfristig noch besondere Wünsche äußere. Ist es überhaupt möglich, daß ich das Kleid, das ich mir vorstelle, bekomme?«

Viola nickte zustimmend. »Sie bestimmt, Frau Dr. Norden. Zufällig habe ich herrliches Material, das genau zu Ihnen passen würde.«

Viola war eine Lady. Fee war es richtig peinlich, ihre Wünsche zu äußern, aber sie konnte schnell feststellen, daß diese mit Violas Vorstellungen fast übereinstimmten. als sie sagte, daß sie wenig Gelegenheit hätte, ein Abendkleid zu tragen und eines haben möchte, das dann nicht die meiste Zeit im Schrank hängen würde.

Es war faszinierend, wie Viola mit ein paar flinken Strichen Fees Vorstellung in einem Entwurf zu Papier brachte. Dann drapierte sie auch die schmeichelnde federleichte Seide so um Fees schlanken Körper, daß sie sich schon die richtige Vorstellung machen konnte, wie das Kleid aussehen würde.

»Sie haben ein großes Einfühlungsvermögen, Frau Varnesen«, sagte sie.

»Sie auch, Frau Dr. Norden«, erwiderte Viola. »Für mich ist es herrlich, wenn so viel Übereinstimmung

herrscht. Dann bin ich restlos glücklich in meinem Beruf. Leider ist es selten, da sich über Geschmack streiten läßt. Ich habe ein Wochenende vor mir, das mich jetzt schon froh stimmt.«

»Sie nähen doch nicht selbst?« fragte Fee etwas erstaunt.

»In diesem Fall schon«, erwiderte Viola. »Es ist alles so einfach. Ich sehe Sie vor mir.«

Das war ein Kompliment, wie es selbst Fee selten zu hören bekam. Nachdenklich ließ sie ihren Blick auf dem feingeschnittenen Gesicht ruhen. Es färbte sich dunkler unter diesem Blick.

»Es wäre gut, wenn Sie am Montag zur Anprobe kommen könnten«, sagte Viola rasch. »Bei einem schwingenden Rock muß die Länge genau stimmen.«

»Und sie hatten am Wochenende nichts Besseres vor?« fragte Fee beklommen.

»Ich habe nie etwas vor«, erwiderte Viola ohne zu zögern und auch ohne einen bitteren Unterton.

Wieder ließ Fee ihren Blick auf ihr ruhen. Diesmal umfaßte er die ganze Gestalt. Eine aparte junge Frau, höchstens sieben- oder achtundzwanzig Jahre alt, makellos gewachsen, nicht nur attraktiv, sondern auch überdurchschnittlich begabt und erfolgreich. Eine Frau, die unbedingt die Blicke der Männer auf sich ziehen mußte, eine begehrenswerte Frau, die einem erfolgreichen Mann alles bedeuten könnte. Aber wahrscheinlich war sie schwer zu erobern, das ging Fee durch den Sinn, und Viola Varnesen war nicht der Typ Frau, die sich um einen Mann bemühte. Doch keinesfalls war sie eine Frau, die sich selbst in den Schatten stellte. Ihre damenhafte Haltung war nicht angeeignet, sie war ihr angeboren. Sie war keine ehrgeizige Geschäftemacherin, keine betont Emanzipierte.

Diese Ansicht wurde Fee später von Daniel bestätigt.

Er hatte indessen Herrn Schöller besucht, diesen liebenswerten alten Mann, der so geduldig und gottergeben auf den Tod wartete, den er jetzt nur noch als Freund betrachtete.

Herr Schöller wurde von Schwester Eusebia gepflegt.

Herr Schöller war kein armer Mann. Er lebte in einer schönen, kostbar eingerichteten Vierzimmerwohnung. Seine Frau war vor zwei Jahren gestorben, nach einer langen, fast fünfzig Jahre währenden aber kinderlosen Ehe. In diesem Jahr hätten sie die Goldene Hochzeit feiern können. Daran hatte der alte Mann ständig gedacht, seit er bettlägerig geworden war.

Manchmal war er völlig abwesend, doch an diesem Vormittag war er ganz klar.

»Es wird Zeit, daß wir mal darüber reden, Herr Doktor. Jetzt dauert es nimmer lang, bis ich bei meiner Marianne bin. Heut nacht hab’ ich von ihr geträumt. Mach’s recht, Karli, hat sie gesagt. Mitbringen kannst mir nichts. Ja, und ich hab’ es doch schon festgelegt, daß alles, was nach mir bleibt, der Insel der Hoffnung zugute kommt. Da wußte ich noch nicht, wie gut Schwester Eusebia für mich sorgen würde und wie nötig ihr Orden ein bissel Geld hat. Ich habe jetzt keine Zeit mehr, meinTestament zu ändern, aber Sie werden schon dafür sorgen, daß sie auch etwas bekommt, gell?«

»Ich werde dafür sorgen, Herr Schöller«, versprach Dr. Norden beklommen.

»Aber die Insel soll auch nicht zu kurz kommen«, sagte der Kranke. »Wir haben dort so schöne Wochen verlebt, meine Marianne und ich. Gerecht sollte es geteilt werden, halbe-halbe, aber dafür werden Sie sorgen. Ich weiß es. Sie sind nicht einer von denen, die ja sagen und dann alles einstecken.«

Dr. Norden hielt die hagere Hand. »Ich werde Schwester Eusebia jetzt gleich aufschreiben, was Sie bestimmt haben, Herr Schöller. Schwester Eusebia wird es Ihnen vorlesen.«

»Das will ich nicht. Ich vertraue Ihnen. Sie haben viel für uns getan. Eusebia hat mich auch um nichts gebeten. Das dürfen Sie nicht denken. Sie hat mir nur erzählt von dem Kindergarten. Wir hatten ja keine Kinder. Nichts bleibt von uns zurück.«

»Es bleibt sehr viel zurück, Herr Schöller«, sagte Daniel. »Die Erinnerung.«

»Das Leben geht weiter«, murmelte der Kranke. »Wir wollen es immer recht machen, Marianne und ich. Wir haben niemanden übervorteilt. Niemand braucht uns böse zu sein, aber jeder stirbt halt für sich allein. Nur Sie sind immer für uns dagewesen, und jetzt hat die gute Eusebia auch manches ausgeglichen. Aber jeder hat halt sein Päckchen zu tragen. Man darf nicht zuviel von den Mitmenschen erwarten. Es ist besser, an ein paar gute Menschen denken zu können, wenn man Abschied nimmt, als an einen ganzen Haufen Schmarotzer. Aber ich rede und rede, und Sie haben nicht viel Zeit.«

»Ich habe Zeit, Herr Schöller«, Dr. Norden, da er dachte, daß es vielleicht das letzte Mal sein würde, daß dieser Mann auf seine Weise Abschied nahm.

»Wissen Sie, so einen Sohn hätte ich haben mögen wie den Dr. Schoeller auf der Insel der Hoffnung. Mit dem Namen hätte es ja fast übereingestimmt, bis darauf, daß er sich mit oe schreibt. Ja, es wäre schon gut, wenn der Name weiterleben würde, aber uns war es nicht beschieden.« Seine Stimme wurde müder, leiser, verhauchte. Er war eingeschlafen. Vielleicht würde er nicht mehr aufwachen. Dr. Norden mußte noch zu Frau Zech.

»Sagen Sie mir bitte Bescheid, Schwester Eusebia«, sagte Dr. Norden. »Ab mittags bin ich daheim zu erreichen. Ich muß nur noch einen dringenden Krankenbesuch machen.

»Sind Sie morgen auch da?« fragte die Schwester.

»Morgen auch«, nickte er.