Hoffnung – oder so ähnlich - Peik Volmer - E-Book

Hoffnung – oder so ähnlich E-Book

Peik Volmer

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Beschreibung

Professor Dr. Egidius Sonntag ist ein wahrlich ungewöhnlicher Chefarzt, überaus engagiert, aber auch mit kleinen menschlichen Fehlern behaftet. Sie machen diese schillernde Figur ganz besonders liebenswert, aber auch verletzlich. Manchmal muss man über ihn selbst den Kopf schütteln, wenn er etwa den 15. Hochzeitstag vergisst und seine an Brustkrebs erkrankte Ehefrau töricht vernachlässigt. Er tut dies nicht aus Lieblosigkeit, aber er ist auch nicht vollkommen. Dr. Sonntag ist der Arzt, der in den Wirren des Lebens versucht irgendwie den Überblick zu behalten – entwaffnend realistisch geschildert, aber nicht vollkommen. Diese spannende Arztserie überschreitet alles bisher Dagewesene. Eine Romanserie, die süchtig macht nach mehr! Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser? Den Sekt haben Sie kaltgestellt? Der Käseigel ist angerichtet? Die Salzstangen und die Chipsletten stehen in geschmackvollen Gefäßen bereit? Die Platten mit den Schnittchen befinden sich, hübsch dekoriert, in der Küche? Dann kann es ja losgehen mit unserer Party! Lassen Sie uns unser Einjähriges feiern! Oder ist Ihnen womöglich gar nicht nach Feiern zumute? Ich muss zugeben: Mir steckt diese Sache mit der Frau Rixner ja auch noch ein wenig in den Knochen! Ich meine, ich glaube ja nicht an Wahrsagerinnen und diesen ganzen Eso–Kram. Allerdings hat sie recht gehabt mit der Partnerschaft von Frau Fürstenrieder, die jetzt Kreuzeder heißt, und es stimmte auch, dass Egidius' Kinderjacke mit den beiden goldenen Eheringen ein Geheimnis in sich trug. Sollte es doch mehr geben zwischen Himmel und Erde? Aber lassen Sie uns anfangen. Sie wissen ja, wir haben nur 64 Seiten Platz für eine Geschichte, die wir da vermutlich gar nicht komplett untergebracht bekommen, auch wenn ich immer versuche, das Unwichtige wegzulassen. Das ist beim Schreiben sowieso das Schwierigste. Das haben wir ja nun schon mehr als einmal erlebt, oder? Dass das, was ganz unwichtig wirkte, später plötzlich doch wichtig wurde! Hätten wir es weggelassen, hätte man alles mehrere Zeilen lang erklären müssen … Nein, dann lieber gleich alles ordentlich aufschreiben. Was war das Letzte? Ach ja, richtig.

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Dr. Sonntag – 12 –

Hoffnung – oder so ähnlich

Wird man aus Schaden klug?

Peik Volmer

Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser? Den Sekt haben Sie kaltgestellt? Der Käseigel ist angerichtet? Die Salzstangen und die Chipsletten stehen in geschmackvollen Gefäßen bereit? Die Platten mit den Schnittchen befinden sich, hübsch dekoriert, in der Küche? Dann kann es ja losgehen mit unserer Party! Lassen Sie uns unser Einjähriges feiern!

Oder ist Ihnen womöglich gar nicht nach Feiern zumute? Ich muss zugeben: Mir steckt diese Sache mit der Frau Rixner ja auch noch ein wenig in den Knochen! Ich meine, ich glaube ja nicht an Wahrsagerinnen und diesen ganzen Eso–Kram. Allerdings hat sie recht gehabt mit der Partnerschaft von Frau Fürstenrieder, die jetzt Kreuzeder heißt, und es stimmte auch, dass Egidius’ Kinderjacke mit den beiden goldenen Eheringen ein Geheimnis in sich trug. Sollte es doch mehr geben zwischen Himmel und Erde?

Aber lassen Sie uns anfangen. Sie wissen ja, wir haben nur 64 Seiten Platz für eine Geschichte, die wir da vermutlich gar nicht komplett untergebracht bekommen, auch wenn ich immer versuche, das Unwichtige wegzulassen. Das ist beim Schreiben sowieso das Schwierigste. Das haben wir ja nun schon mehr als einmal erlebt, oder? Dass das, was ganz unwichtig wirkte, später plötzlich doch wichtig wurde! Hätten wir es weggelassen, hätte man alles mehrere Zeilen lang erklären müssen … Nein, dann lieber gleich alles ordentlich aufschreiben.

Was war das Letzte? Ach ja, richtig. Frau Kreuzeder war von Egidius beauftragt worden, zwei Termine zu vereinbaren – einmal mit Frau Dr. Constanze Schickenreuth, womöglich sogar mit ihrem Chef, Professor Antretter, und mit dem Küchenchef, über dessen Leistungen die Patienten zunehmend verstimmt sind.

Was war das? Ich höre Stimmen im Vorzimmer unseres Chefarztes, unter anderem die von einer meiner Lieblingsfiguren, der liebenswürdigen Frau Kreuzeder …

Ein Machtwort

»Bitte, treten Sie doch ein, verehrter Herr Kollege! Schön, dass sie sich die Zeit nehmen konnten! Frau Kollegin … Bitte nehmen Sie Platz!«

Unaufgefordert kam Frau Kreuzeder mit dem Teetablett und diversen Gebäckstücken herein.

»Vielen Dank, Frau Kreuzeder, wir bedienen uns selbst«, sagte Egidius.

»Ich will ohne viel Umschweife zum Kern kommen. Mir ist bewusst, Frau Schickenreuth, dass Sie von Herrn Kollegen Antretter als Weiterbildungsassistentin der gynäkologischen Abteilung eingestellt wurden. Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie sich bereit erklärt haben, in den nächsten vier Wochen in der Notfallambulanz auszuhelfen, solange Herr Lechner beurlaubt ist und Herr Süden stufenweise wiedereingegliedert wird. Darf ich fragen, wie Sie mit dieser neuen Aufgabe zurechtkommen?«

»Es stellt mich nicht vor nennenswerte Herausforderungen, Herr Professor Sonntag.«

»Sehen Sie, da habe ich ganz andere Informationen. Ich vermag nicht zu sagen, wie Sie in der Uniklinik Tübingen gearbeitet haben. Mir ist allerdings zugetragen worden, dass sie eine akute Pankreatitis als Gastritis gedeutet haben – wegen des Übergewichts des Patienten, und dass Sie, weil Sie einem Patienten und seiner Angehörigen moralische Vorträge hielten, einen drohenden Herzstillstand nicht verhinderten.«

»Bei dem ersten Patienten fehlten mir die Blutwerte, und wegen seiner – nun ja – Ummantelung konnte der Ultraschall keine zuverlässige Diagnose liefern. Und ich habe keine moralischen Vorträge gehalten!«

Professor Sonntag blieb freundlich.

»Sehen Sie, zufällig handelt es sich bei der Angehörigen des zweiten Patienten um Schwester Maria, die leitende Oberschwester der chirurgischen Abteilung. Ich bin sicher, dass die keine Anschuldigung formuliert hätte, wenn nichts vorgekommen wäre. Und auch Frau Dr. Schattenhofer hat sicher kein Interesse daran, Sie in ein schlechtes Licht zu rücken, Frau Kollegin. Dafür ist sie viel zu glücklich darüber gewesen, dass sie eine Hilfe für die Arbeit in der Notfallambulanz bekam. Aber es geht nicht an, ein Urteil über Patienten zu fällen, die man weder kennt noch ordentlich untersucht hat. Wir müssen nicht diskutieren, dass Adipositas keine gute Ausgangsposition ist. Aber nicht jede gesundheitliche Störung ist mit Fettleibigkeit vergesellschaftet. Das weiß man doch auch in Tübingen, oder irre ich mich?«

Frau Dr. Schickenreuth presste die Lippen aufeinander und senkte den Kopf.

»Ich muss hier einmal eingreifen, Herr Sonntag«, begütigte Felix Antretter. »Stellen wir doch in Rechnung, dass die Kollegin gerade so viel hinter sich hat, mit dem Umzug nach Schliersee, der neuen Stelle, neue Kollegen, vielleicht sogar im Privaten. Und dann gleich ins kalte Wasser geworfen zu werden, ist doch etwas kompliziert, oder?«

»Ich denke, dass ich den Anforderungen eines Kreiskrankenhauses gewachsen bin.«

Die Chefärzte sahen sich überrascht an.

»Kann es sein, dass da in ihrer Stimme eine gewisse Verachtung mitschwang?«, erkundigte sich Egidius liebenswürdig. »Wenn Sie Ihre Anstellung hier als Karriereknick ansehen, warum haben Sie sich dann auf die Stelle beworben? Wir haben Sie nicht gebeten, uns hier mit Ihrer Gegenwart zu beehren, Frau Kollegin, oder irre ich mich? Sie wollten kommen!«

»Meine Bewerbung hier hat persönliche Gründe.«

»Schade, dass Sie die Stelle einem Bewerber weggenommen haben, der die Anstellung hier als Auszeichnung empfunden hätte. Herr Antretter, ist mit der Kollegin ein Probevierteljahr vertraglich vereinbart?«

»Ja, das ist der Fall!«

»Nun gut. Ich werde Sie im Auge behalten, Frau Kollegin. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Bis jetzt haben Sie nicht gezeigt, dass sie bereit sind, unsere Arbeit im Geiste der Klinik St. Bernhard mitzutragen. Sie verhalten sich unkollegial, und Ihre medizinischen Leistungen rechtfertigen Ihre Anmaßung bisher nicht. Ich führe Ihren verunglückten Einstieg hier auf private Umstände zurück. Ich möchte Sie hier nicht noch einmal zu einem solchen Gespräch einladen müssen.«

»Sie können mich jederzeit ansprechen, Frau Schickenreuth«, ergänzte Professor Antretter. »Nicht nur bei beruflichen Problemen.«

Dort, wo üblicherweise die Lippen saßen, sah man bei Constanze Schickenreuth in diesem Augenblick nur einen fadendünnen Strich.

*

»Ich hasse solche Gespräche«, bemerkte Egidius gegenüber seiner Sekretärin. »Und mir ist völlig schleierhaft, wie die junge Frau es fertigbringt, einmal quer durch die Klinik zu laufen und alle gegen sich aufzubringen! Ich muss morgen mal in Tübingen anrufen. Könnten Sie für mich herausfinden, ob sie dort schon auf der Frauenstation gearbeitet hat?«

»Selbstverständlich, Herr Professor. Übrigens: Das nächste unangenehme Gespräch wirft seine Schatten voraus!«

»Ach Gott! Das ist einfach nicht mein Tag heute! Schicken Sie den Mann hinein, Frau Kreuzeder!«

Auch diese Unterredung verbesserte die Laune des chirurgischen Chefarztes nicht sonderlich. Der Küchenchef gab zu, dass die Qualität des Essens sich verschlechtert hatte, führte dies allerdings auf empfindliche Budgetkürzungen zurück.

»Für die paar Cent, die mir pro Mahlzeit zur Verfügung stehen, können Sie nicht jeden Tag Gesottenes und Gebratenes erwarten«, war seine Konsequenz.

»Aber vernünftiges Essen ist wichtig für das Wohlbefinden der Patienten! Die Kriterien, nach denen ein Patient seinen Klinikaufenthalt bewertet, haben ja nichts mit der medizinischen Behandlung zu tun. Das Krankenpflegepersonal und wir Ärzte geben alles. Aber das können die Kranken nicht beurteilen. Die sehen nur: Das Zimmer ist freundlich und sauber, die Schwestern nett und hübsch, das Essen ist gut, und die Ärzte haben Zeit für mich. Und wenn eins von diesen Kriterien wegbricht, kann das für uns zur existenziellen Bedrohung werden!«

*

Aglaja schlug die Augen auf. Sie hatte den klassischen Narkosearzt–Satz gehört. »Die Operation ist vorbei, Frau Tauber, alles fertig! Schön tief Luft holen!« Das tat sie. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, weil Frau Dr. Pahlhaus gerade den Tubus aus ihrer Luftröhre entfernt hatte. Der HNO–Kollege war guter Dinge.

»Ich bin sicher, dass der Übeltäter uns keine Probleme mehr machen wird, Frau Tauber. Heute Abend sehe ich noch mal nach Ihnen. Vier Chefärzte kümmern sich um Sie, ich kann getrost in meine Praxis gehen!«

Elenore Pahlhaus lachte.

»Der Kollege hat nicht unrecht! Ich habe den Chef vom Ganzen schon gesehen, dazu Herrn Antretter. Naja, und ich bin natürlich auch noch da! Also, wenn was ist, sagen Sie Bescheid!«

»Mach' ich«, krächzte die Patientin, die nach der Intubation noch etwas heiser war. Jemand ergriff ihre Hand. Vermutlich verabschiedete sich Frau Pahlhaus. Sie drückte sie dankbar, um sie dann loszulassen. Der Druck den anderen Hand jedoch wurde fester in dem Maße, in dem der Ihre sich abschwächte. Sie öffnete die Augen.

»Richard!«

»Ich freue mich so, Aglaja. Der Kollege meinte, dass du noch mal Glück gehabt hast! Es ließ sich gut entfernen, und die Narbe, die du zurückbehalten wirst, ist nicht annähernd so groß, wie du es befürchtest! Natürlich müssen wir noch die Histologie abwarten, aber der Kollege ist erfahren genug, um zu wissen, wann Gefahr im Verzug ist!«

»Richard ... Ich danke dir ... Du hast gestern – ich wollte dir noch sagen, dass du …«

»Störe ich, ihr beiden Turteltauben?« Professor Antretter hatte auf leisen Sohlen den Aufwachraum betreten, beugte sich über die Zukünftige und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Und? Alles gut gelaufen, höre ich! Aber damit war ja zu rechnen, oder?«

»Ihr Optimismus in allen Ehren, Herr Kollege. Aber wissen nicht wir beiden am besten, dass vieles passieren kann, mit dem man nicht rechnet? Und wissen wir nicht beide, dass man sich um Angehörige Sorgen macht, unabhängig von den Dimensionen des Eingriffs? Egal, ob ein Zehennagel entfernt oder ein Eingriff am offenen Herzen durchgeführt wird, das Narkoserisiko bleibt – bei aller Kompetenz der hiesigen Anästhesistin!«

Gerade, weil Professor Tauber so ruhig gesprochen hatte, fern von jeder Empörung oder Unwillen, verfehlten seine Worte ihr Ziel nicht. Felix Antretter straffte sich, blickte verunsichert zwischen den beiden hin und her.

»Ich komme später noch einmal zu dir«, stellte er sachlich fest. »Wenn nicht so viel los ist.«

Mit der flachen Hand klopfte er ungelenk auf die Bettdecke, unter der man an dieser Stelle Aglajas Bein vermuten konnte.

*

Ein wirklich gebrauchter Tag. Egidius musste dringend auf andere Gedanken kommen.

»Corinna, ich bin’s, dein Gatte! Ich wollte nur ankündigen, dass wir essen gehen. Sag bitte auch Lukas und Max Bescheid. Ich hole euch in ungefähr zwanzig Minuten ab. Wir haben einen Tisch im Bräustüberl!«

»Nanu? War was in der Klinik?«

»Hör bloß auf. Irgendwann mal, wenn wir alt und grau sind, erzähle ich dir davon. Jetzt träume ich gerade von ›sous vide‹ gegartem Zander!«

»Ganz schön elitär, der Herr!«

»Ich bin Chefarzt. Ich darf das.«

*

Herr Weber kümmerte sich, wie immer, persönlich um seinen Lieblingsgast.

»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Herr Professor: Sie sehen erschöpft aus. Darf ich Ihnen und Ihrer Gattin einen Aperitif …?«

»Das ist sehr liebenswürdig, aber meine Frau darf zurzeit keinen Alkohol, und ich will mir das Saufen gar nicht erst angewöhnen! Es berührt sogar Ihr Metier, Herr Weber. Unser Koch ist das Problem.«

Egidius schilderte seine Probleme in wenigen Worten.

Herr Weber legte einen Zeigefinger an seine Nase.

»Es steht mir nicht zu, Ihnen zu raten. Aber käme so etwas hier vor, müsste der Mann gehen. Es gibt genügend tüchtige und kreative Köpfe in diesem Beruf. Ich habe da sogar schon eine Idee ...«

Als die Sonntags das Restaurant verließen, bat der Maître um einen Moment Geduld. »Darf ich Ihnen Herrn Barbrack vorstellen? Herr Barbrack ist Sous–Chef und wünscht, sich beruflich zu verändern.«

»Herr Weber, künftig frage ich gleich Sie, wenn ich Probleme habe! Wie sind Sie telefonisch zu erreichen, Herr Barbrack? Meine Sekretärin ruft Sie morgen an, und wir unterhalten uns mal, ja?«

*

»Tu' mir den einen Gefallen und sage deinem Daniel, dass er das alles ein wenig schönen soll, ja? Das ist ja alles andere als gut für mein Image!«

»Was meinst du, Egidius?«

»Ich habe heute diese neue Kollegin zur Schnecke gemacht, und jetzt feuere ich auch noch unseren Küchenchef!«

»Schneckenreuth«, lachte Lukas.

»Jetzt fang du nicht auch noch an, mein Sohn. Bitte, Corinna. Sag Daniel, dass er mich gut wegkommen lassen soll bei der Szene. Vielleicht, dass ich meine Hand auf ihre Schultern gelegt habe, und durch diesen ›magic touch‹ spürte sie, dass ihr Schicksal bestimmt sein würde von Güte und Weisheit. Oder so. Und für den Koch habe ich mir ausgedacht, dass er zu einem sozialen Projekt in die Dritte Welt auswandern möchte, um dort sein segensreiches Werk fortzusetzen!«

»Willst du ihn zwingen zu lügen, Egidius?«

»Ach, das ist doch keine Lüge, wenn man die Wahrheit ein wenig angleicht! Das, was er da schreibt, ist ein Arztroman, Corinna. Die Leserinnen und Leser verstehen da keinen Spaß! Denk an die anderen Kollegen, die man in anderen Werken besingt! Das sind Heilige, denen nie was schiefgeht. Und wenn, dann stellt sich später heraus, dass das gut war, dass es schiefgegangen ist!«

»Ja, aber wenn du gern so ein Langweiler sein möchtest, warum bist du dann ganz anders?«

»Sag du es mir, mein Schatz. Ich verstehe es selber nicht. Aber deswegen hatte ich gehofft, dass der Autor mich etwas aufpolieren könnte!«

»Gib dich keinen Illusionen hin. Das tut er nicht. Ich habe es auch schon versucht.«

»Du? Warum?«

»Ich wollte eine Supermodel–Figur, und berückend schöne, volle, kräftige blonde Haare. Und? Ich habe immer noch diese dünnen Fusseln auf dem Kopf und bin von einer Wespentaille weit entfernt!«

»Komisch. In meinen Augen bist du die schönste, wunderbarste, attraktivste Frau der Welt!«

»Ja, wirklich komisch. In meinen Augen bist du nämlich der großartigste, klügste, gescheiteste Arzt. Und wenn ich mir was wünschen könnte, würde ich mir meinen Mann wieder so aussuchen, wie du bist!«

»Und was ist mit den Lesern?«, mischte sich Lukas ein.

»Ich glaube, dass die klüger sind, als man denkt. Natürlich wünscht man sich Happy Ends. Aber manchmal stellt sich eben ein Ende mit Schrecken eben doch als das eigentliche Happy End heraus! Wie im wirklichen Leben!«

Ich hab’s verdient!

Die komplette Film–Crew hatte sich um das Bett von Tassilo Resch versammelt. Der Regisseur trug einen recht ansehnlichen Präsentkorb vor sich her.

»Ihr seht aus, als würdet ihr gleich singen«, spottete der Patient.

»Wenn du möchtest, Kollege«, grinste der Aufnahmeleiter, und hob die Hände wie ein Dirigent. »Ich bin erblich vorbelastet. Mein Vater hat auf Volksfesten immer die ›Alten Kameraden‹ dirigiert! Also dann: C–Dur! Miiiii!«

»Um Himmels willen! Sofort aufhören! Die schmeißen mich hier ’ raus, wenn ihr so weitermacht«, lachte Tassilo. »Aber den schönen Korb lasst ihr bitte dort stehen, ja? Ich danke euch!«

»Sagen Sie mal«, sagte einer der Schauspieler, »könnte man den Herrn Resch nicht irgendwie einbauen, als Patienten?«

»Bestimmt. Aber das hier ist ja eine Chirurgie, keine Psychiatrie!«

Alle lachten.

»Furchtbar komisch, Kollegen, wirklich! Mach euch nur lustig! Ich bin gerade noch mal dem Tod von der Schippe gesprungen, dass das nur klar ist! Herzstillstand. Und wenn ihr so frech seid, dann lade ich keinen zu meiner Beerdigung ein!«

Gerade, als einer der Azubis seine neugierige Frage stellte, betrat Schwester Maria das Zimmer.

»Was war denn überhaupt los mit dir, Tassilo? So ein Herz bleibt doch nicht einfach so stehen? Und warum liegst du hier auf der Chirurgie und nicht auf der Inneren Abteilung?«

Die Schwester schüttelte energisch den Kopf.

»Erstaunlich. Da produzieren Sie nun eine Arztserie, und keiner hat auch nur im Mindesten Ahnung von dem, was er tut. Überraschend, wie leicht die Zuschauer sich übertölpeln lassen! Aber die Schauspieler erzählen ja sogar, dass Menschen sie auf der Straße ansprechen und um Diagnose und Behandlung bitten!«

»Und was war nun mit unserem Tassilo, Schwester? Vor allem: Kann das noch mal passieren?«

»Herr Resch hat wohl eine Kopfschmerztablette genommen und etwas Rotwein dazu getrunken. Das hat er nicht vertragen. Aber gottlob, nun ist alles wieder in Ordnung! Der Patient kann morgen entlassen werden. Ach ja, und er liegt hier, um in der Nähe seines Teams zu sein! Er gehört nämlich zu den schrägen Vögeln, die ihre Arbeit lieben!«

Vergnügt frotzelten alle vor sich hin, um der peinlichen Gefühle und persönlichen Ängste, die einen berühren, wenn man einen ungefähr Gleichaltrigen in der Rolle des Patienten sieht, Herr zu werden und sie wegzulachen. Männern sind Gefühle ja meistens peinlich. Wenigstens die, die man als Schwäche auslegen konnte.

»So, meine Damen und Herren, ich darf Sie nunmehr bitten, dies gastliche Haus zu verlassen. Herr Resch braucht noch ein wenig Erholung, bevor er sich wieder ins Arbeitsleben stürzt!« So, wie Schwester Maria sich anhörte, schien es unklug, ihr zu widersprechen.

»Du musst mich für einen Trottel halten, Maria. Bitte verzeih mir, dass ich dir so viel Sorgen bereitet habe. Aber ich wollte einmal der Held sein, weißt du? Einmal dich so richtig – «, er pausierte kurz, und errötete » – naja, dich so richtig rannehmen, dass dir Hören und Sehen vergeht! Und dass du unseren Kindern eines Tages erzählen kannst, euer Papa hat es voll gebracht, als er euch gezeugt hat!«