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Im historischen Städtchen Lübeck, hoch im Norden an der Ostsee, blafft der katholische Pfarrer Hannes Janssen als Sprachrohr des himmlischen Vaters, dessen löbliche und warnende Worte, nicht immer zum Vergnügen seiner Zuhörer, von der Kanzel. Stets auf der Flucht vor den Verbalattacken seiner Mutter und den verwirrenden Gefühlen zu einer Frau, namens Gela. Eines Tages brennt das Pfarrhaus ab und er findet mit seiner feinsinnigen Haushälterin Magda Unterschlupf bei einem homosexuellen Liebespaar, Elli und Hinnerk.
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Seitenzahl: 344
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Martina Einbeck, Jahrgang 1960, lebt mit ihrem Mann in Wermelskirchen, NRW. Sie ist Katermutter und liebt alles Mögliche. Überzeugt von der Existenz des 25.Schriftzeichens des Alphabets, forschte sie in jungen Jahren vergeblich danach. Beinahe 5 Jahrzehnte später sezierte sie dann die restlichen 24 Buchstaben nach ihrem Gusto und kreierte einen Krimi daraus.
Dreh dich ruhig um ist ihr erster Versuch einem Kommissar einen selbst konstruierten Fall zu servieren, den er und sein Mitarbeiter, in diesem Fall unentgeltlich weil erfunden, zu knacken haben. Möge es ihnen trotz Unterbezahlung gelingen!
Beschwerden arbeitsrechtlicher Art oder Hinweise zur Lösung dieses Falles richten Sie bitte vertrauensvoll an:
Diese Geschichte und ihre Charakteren sind frei erfunden! Das versichere ich! Haus Memel und Skipper Haus beide am Timmendorfer Strand ansässig, allerdings ohne die fiktiven Bewohner. Pfarrer Janssen ist ebenso wie die anderen Figuren, aus der Luft gegriffen. Die Propsteikirche und das Saxophonquartett Forseti existieren ebenso. Geliehen habe ich mir von David Haas, die Erwähnung seines Songtitels: You´re mine, I will come to you in the silence. Falls jemand das Buch >Melken für Dummies< erwerben möchte, so empfehle ich es erst einmal zu schreiben. Falls jemand die Melkanleitung ausprobieren möchte, ohne Melkerfolgsgarantie! Wie jedermann weiß, braucht man zum Melken eine Kuh und zum Ausprobieren eine besonders Geduldige! Zu hoffen ist das die folgende Geschichte niemals geschehen wird! Ich glaube jetzt habe ich alles!?
O.C. erhebt keinen Anspruch auf korrekte polizeiliche Ermittlungsmethoden, schließlich sind der Hauptkommissar und sein Team, von mir in diesen Krimi hineingeschubst worden!
Viel Spaß beim Lesen und/oder Melken!
Ihre Martina Einbeck (Nichtmelkerin, aber Kuhliebhaberin.)
Im historischen Städtchen Lübeck hoch oben im Norden an der Ostsee, in einer der sieben, aber garantiert mehr Kirchen, blafft Pfarrer Janssen als Sprachrohr des himmlischen Vaters, dessen löbliche und warnende Worte auf seine Art und Weise, nicht immer zum Vergnügen seiner Zuhörer, von der Kanzel herunter. Immer wieder wird er Opferlamm seiner schrillen, beißwütigen Mutter, die ihm stets und ständig an den Fersen knabbert. Stets auf der Flucht vor ihren Verbalattacken steht eines Tages das Pfarrhaus in Flammen. Mit seiner feinsinnigen Haushälterin Magda findet er Unterschlupf bei einem, nicht im Sinne der katholischen Kirche und seiner Mutter, homosexuellen Liebespaar namens Hinnerk und Elli in Niendorf am Timmendorfer Strand. Eines Tages jedoch verschwindet Elli spurlos. Alles deutet auf eine Entführung hin. Dann schlägt der Feuerteufel erneut zu. Eine blutige Notiz des Entführers in der gemeinsamen Wohnung bringt Hinnerk fast um den Verstand. Hauptkommissar Dieken, von seinen Kollegen Ostholsteinischer Columbo(O.C.) genannt, wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem amerikanischen TV- Ermittler, stöbert im Dunkeln. Die Zeit läuft davon. Doch Elli bleibt unauffindbar.
Ich schenke euch ein neues Herz
und
lege einen neuen Geist in euch
Ich nehme das Herz von Stein aus
eurer Brust
und
gebe euch ein Herz von Fleisch
Ezechiel 36,26
Haus Memel……… liegt still in Niendorf an der Strandpromenade
Skipper Haus……. ebenfalls dort, nicht ganz so still
Bonno Dieken………….Hauptkommissar, alias O.C. Ostholsteinischer Columbo, ist des Öfteren selber auf der Flucht
Andrea Dieken……… immer wieder brave Ehefrau des Hauptkommissars
Mareike u. Lorena Dieken……Zwillingstöchter der oben genannten Eltern
Andrea II………..Fluchtbrille des Hauptkommissars
Manno Friedrichson……….Polizist und Arbeitskollege von O.C. Fällt noch nicht so auf
Kluntje……….. bayrischer Polizist und Flurfunkaufschnapper
Fynn Hinrichsen..…… leitender Polizeidirektor, ist dann noch weg
Prof. Dr. Hauke Stoffers……alias Gmag, Gerichtsmediziner, hat´s unbewusst mit den Vögeln
Beate…………………………. Freundin von alias Gmag
Jeremias Kryll…….. Staatsanwalt, kann sich kaum retten vor der Liebe, zu sich selbst
Hannes Janssen…… Pfarrer in der Propsteikirche Lübeck, spricht mit Gott und der Welt, missverstandener Sohn von Evje und Renke
Ele Janssen….. Zwillingsbruder von Hannes und Sohn von Evje und Renke, ebenfalls missverstanden
Evje Janssen….. Mutter des Zwillingspaares und Ex-Ehefrau von Renke, weiß immer bestens Bescheid wo es für andere lang geht
Ernesto………….Liebhaber von Evje, sieht schlecht
Renke Janssen…… Vater des Zwillingpaares und Ex-Ehemann von Evje, auch nette Männer greifen zur falschen Frau
Teelke…… Stiefmutter von Hannes und Ele, stille Mitwirkende
Hetti……… Schwester von Evje, kommt nicht zu Wort
Gela…….. Chormitglied und Möchtegerngeliebte des Pfarrers, würde gern mit ihren Reizen geizen
Nannette…………………geschwätziges Chormitglied
Thies……. Bekannter von Hannes, versteht das Euter nicht mehr
Sigrid…… Thies Ehefrau, erstickt jeden Keim im Ansatz
Rudolfa……. geduldige Kuh von Thies und Sigrid. Würde Milch geben, wenn sie sich selber melken könnte
Nico Meisenkaiser…………Notärztin in einer Timmendorfer Klinik
Dr. Örly…… vorgesehener Psychologe für Hannes, traut seinen Öhrlis kaum
Brigitte Börchers……. alias Froo Düllkopp, Terminatorin vor dem Herrn
Elli Engeland......aus England und Geliebter von Hinnerk, Saxophonist, weiß nicht mehr wo die Musik spielt
Tracy Engeland………entsetzt und Mutter von Elli
Jack Russel…… alias Bay, Ellis Ziehvater, auch Schwule brauchen Sehverschärfer
Anthony…… Ellis Ex-Geliebter, wie kann ich mich freundlich rächen?
Maggie…………Sekretärin und Ex- Kollegin von Elli
Hinnerk Kleissen…… Inhaber von Haus Memel und Geliebter von Elli, von Katie eingenordet Matte und Göntje………Adoptiveltern von Hinnerk
Aro und Pharo, goldige Maine Coon Kater, leben mit Hinnerk und Elli
Hugbert Mittelheck…… alias Hugi, Feriengast im Haus Memel. Dialektelt vor sich hin
Katie Jönerwein…… Hinnerks Psychologin, beruflich ausgeschieden, aber nicht ver- schieden Magda Gowlaj…… Hannes feinsinnige Haushälterin, liefert die Luft für ihr Saxophon
Svetlana Gowlaj…… Magdas ver (w) irrte Tochter
Olga……… kennt den Weg zur Wolga, sehr Naturbelassene
Optiker............sprachlos und doch wortgewandt Lilli…………………..obszöne Tochter des Optikers Wiebke…… Wohngemeinschaftsmitglied und Nachbarin von Hinnerk u.Elli, gemein- sein ist besser als gemein-sam
Fiken...........lebt mit Wiebke zusammen, auch gemein
Jelda…… lebt mit Wiebke und Fiken zusammen, ebenfalls gemein
Und natürlich der Mörder………….. Wer bin ich?
Der Entführer………Mach ich sowas oder was?
Der Gevatter Tod…… früher oder später kriege ich euch alle!
Und die Liebe……… die uns immer alle stolpern lässt.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Epilog
Alles begann recht harmlos und eigentlich harmonisch: Hinnerk Kleissen verlor seine Lesebrille, oder doch nicht? Aber statt sie zu suchen, wie jeder normale Mensch auf diesen Verlust reagieren würde, lachte er nur: Ich habe meine Brille verloren, dabei ließ er sich in einen seiner gemütlichen Strandkörbe fallen und begann sich albern zuzuprosten: Er hat mal wieder seine Brille verloren Prösterchen, Trösterchen und schlürfte den halbtrockenen Sekt direkt aus der Flasche. Eigentlich war er ein Alleinlebender oder etwa nicht? Pfeife rauchender, na ja hin und wieder, älterer, wie man´s nimmt, 58 Jähriger. Was sich in Kürze ändern würde, denn dann rutschte neben die Fünf eine Neun. Aber das störte ihn nicht weiter. Er hatte eine Schwäche für alles leicht gelblich durchsichtige, was ordentlich perlte und in seinem Kopf einen leichten Nebel hervorrief. Das bedeutete für ihn Gemütlichkeit. Leicht besäuselt sah die Welt viel rosiger aus als sie eigentlich war. Und aus dem Strandkorb heraus, der auf seiner großzügigen Terrasse seiner Pension stand, von wo aus er einen phantastischen Blick über die Ostsee hatte, ließ es sich mit dem perlenden Getränk in der Hand und später im Kopf ganz wunderbar träumen. Das soll nicht heißen, dass er ein Alkoholiker war. Mitnichten. Er war ein Genießer durch und durch. Hinnerk Kleissen liebte das Leben, die Menschen, Katzen und seinen Elli, der ihm in dieser Geschichte Sorgen bereiten würde, von denen er scheinbar noch nichts ahnte.
Gedankenverloren kratzte er sich über sein kariertes Flanellhemd, unter das sich sein behaarter Bauch wölbte. Der weiche Stoff verrutschte bei dem Versuch, den nicht vorhandenen Juckreiz zu stillen und gab einen Blick auf seinen tiefen Bauchnabel frei. Der allerdings in der letzten Zeit immer tiefer zu rutschen schien. Für den Betrachter hinterließ sein nackter Bauch einen irritierenden Eindruck. Warum? Nun, Herr K. hatte vorgesorgt. Schließlich musste man Vorsorge betreiben, sozusagen für die Zukunft, wenn „Mann“ älter wurde. Um seinen Bauchnabel herum prangte eine tätowierte Lesebrille. So konnte er mit dem Bauch sehen, denn es hieß doch immer, man solle auf sein Bauchgefühl hören bzw. achten, quasi sehen. Außerdem hatte er sie immer dabei und musste nicht, wie andere, wirr herumschwirren um sie zu finden. Ja das war seine „ver-kleiss-te“ Lebensphilosophie. Sorge in jungen Jahren vor und du hast im Alter Spaß. Ach ja, er liebte goldumrandete Bücher und sein Elli behauptete immer, dass er einen unbeschreiblichen Sinn für Humor habe.
Elli war in seinen Augen nicht viel anders, fand er. Genau das brachte ihnen oft köstliche Unterhaltung und herrlichen Spaß ein.
Genüsslich und amüsiert rieb er über sein behaartes Okular. Ach sein Elli. Wehmut überkam ihn.
Maunzend machte sich Pharo, ein Maine Coon Kater neben ihm bemerkbar und stupste leicht mit der Nase gegen seinen Arm. „Du bist ein wundervolles Tier“, stellte er wieder einmal fest und streichelte sanft über sein weiches, braun- schwarzes Fell. „Du solltest wohl ein Hund werden!“ „Was du immer anschleppst!“ Mit diesen Worten nahm er dem Vierbeiner etwas golden Glänzendes aus dem Maul.
Wenn Pharo mit ihm spielen wollte schleppte er, wie ein Hund, einen kleinen bunten Ball im Maul heran und ließ ihn auf den Boden fallen. Dies als sein Zeichen des bitteschön sofortigen Spielbeginns. Das fellige Riesenknäuel begann laut zu maunzen und heulte wie ein Wolf, wenn keiner sich bemühte. Das war derartig nervig sodass jeder freiwillig mit dem erpresserischen Rabauken spielte. So verschleppte er Brillen, indem er sie vom Tisch schupste und vom Boden aus rückwärtsgehend hinter sich herzog, auf fast Nimmerwiedersehen. Eines Tages konnte Herr K. gerade noch verhindern, dass das Raubtier sich sein Stück Apfelkuchen einverleibte. Wie Pharo es geschafft hatte das gesamte süße Teil im Ganzen unter den Tisch zu ziehen, blieb ihm ein Rätsel.
„Wo ist denn dein Bruder, streunt der noch draußen herum?“
Aro nannte er insgeheim El Nervo, weil er ständig laut miauend Aufmerksamkeit einforderte. Oft strapazierte ihn dieser mit seinem Rumgemaunze. Manchmal fühlte er sich regelrecht verfolgt von dem Kater, wenn der so plötzlich und lautlos neben ihm erschien und er ihn wieder einmal nicht gehört hatte. Kaum zu Ende gedacht sprang El Nervo auf seinen Schoß und miaute ihn vorwurfsvoll an. Aros Fell war so dicht und buschig das Hinnerk sich des Öfteren fragte ob eines seiner Geschwister nun nackt herumlaufen müsse, weil er kein Fell abbekommen hatte.
„Ja, ja, du Schlawiner!“ „Du warst aber lange unterwegs!“
„Maaaooohh“, schnurrte es postwendend.
„Sag mal, hab ich vergoldete Kater, oder was?“ befreite er ihn von einem kleinen Ast, der sich in seinem Schwanz verheddert hatte und an dem eine goldene Damenarmbanduhr hing. Staunend betrachtete er das schöne Schmuckstück. „Na wenn die mal nicht teuer war!“ legte er sie neben den Ohrring, den er von Pharos Reißzahn gezogen hatte.
„Ihr Zwei seid ja Raub-und Fluchttiere.“ „Habt wohl einen Juwelierladen ausgeraubt und seid auf der Flucht, was?“ Ha, ha, ha lachte Hinnerk über seinen eigenen Witz.
Und schon waren seine Gedanken wieder bei Elli. Wie schön doch ihre Beziehung war. Und lachen, lachen konnten sie miteinander das sich die Dünengräser bogen. Zwanzig Jahre kannten sie sich nun. Damals lag Schnee. Ein sonniger, eiskalter Tag an dem sie sich kennenlernten. Gelacht hatten sie von Anfang an. Uns hat einer übereinander gelegt, pflegte er zu erzählen, wenn er nach ihrem Zusammenkommen gefragt wurde…….
Die von ihm unbemerkte Eisfläche auf der abschüssigen Straße brachte ihn, mitsamt seiner vollgepackten Papiertüte, vom Lebensmitteleinkauf, zu Fall. Die er, damit die Henkel nicht ausrissen, auf den Armen balancierte. Ihm aber nun den Blick auf die, vor ihm liegende, Gehfläche versperrte. Ergo rutschte und schleuderte er völlig überrascht, riss dabei erschrocken die Arme nach oben und vergaß, mehr an seine Balance denkend, denn an seinen Einkauf, die Tüte. Diese wiederrum, plötzlich auf sich selbst gestellt, flog zunächst hoch in die Lüfte, wurde aber von einem herbeieilenden Passanten mit beiden Händen aufgefangen. Der Retter allerdings, mit zwar sichergestelltem Erwerb, fand sich urplötzlich breitbeinig auf dem Rutschweg wieder und wurde kurzerhand von Hinnerk mitgerissen. Auf dem Gehweg abwartende Beobachter dieser filmreifen Gleitpartie, verfolgten zwei wild gestikulierende Männer, die aufeinanderliegend die Straße bis zum Ende hinunter hobelten. Unten angekommen blieben sie für einen kurzen Moment aufeinandergestapelt reglos liegen. Kurze Zeit später sah und hörte man, mitten auf der Straßenkreuzung, zwei sich auseinander sortierende Bemantelte, die in wildes Gelächter ausbrachen. In Erinnerungen schwelgend, kontrollierte Hinnerk kurz sein Hinterteil. Meine Güte, tat ihm sein Allerwertester danach weh, schmunzelte er. Tagelang konnte er nicht richtig sitzen. So oft es ging fummelte er sich damals eine Wärmeflasche in die Hose. Das platschte und schwabbelte beim Gehen, sodass er laufend aufs Klo musste. Erneut kicherte er vor sich hin. Ne war das komisch.
„Darf ich mich vorstellen?“ akzentelte es neben ihm. „Mein Name ist Elliot, Elliot Engeland from England.“ „Aber alle auf denen ich schon mal gelegen habe, dürfen mich Elli nennen.“
Der nächste Heiterkeitsausbruch erfolgte. Elli kicherte wie ein pubertierendes Mädchen.
„Hinnerk“, prustete es von der anderen Seite. Nach Luft japsend fragte er: „Und was machen Sie, sorry du……..ähh you here?“
„O, I am looking for freedom.“
Jetzt war es um Hinnerk geschehen. Er pinkelte sich vor Lachen in die Hose.
„O, you are incontinent, oder wie sagt man?“ „You are undicht?“ Dabei hielt ihm Elli das Toilettenpapier aus seiner Einkaufstüte unter die Nase.
Die Albernheiten hätten so weitergehen können, wenn nicht, wie aus dem Nichts, die sonore Stimme eines Polizisten erklungen wäre.
„Kaffee, Cappuccino, Espresso, Tee meine Herren?“ „Was darf´s sein?“ tönte es hinter ihnen.
„O, my god, yes, a good idea!“ lächelte Elli den Ordnungshüter ironisch an. „Come on Hinnerk, lets go to drinken eine deutsche Kaffee with milk and a little bit lecker sugar!“
„Sorry, ächzte der Angesprochene, aber ich bin vorne-und hintenherum nass und muss mich erst einmal trocken legen.“ „Deine Abfahrt war ja viel trockener und wesentlich gemütlicher.“
Jetzt stimmte sogar die wachsame Gesetzesstimme ins erneute Gelächter mit ein. Hatte er doch zu den stillen Augenzeugen dieser kreischenden Abwärtsfahrt gehört. Glucksend erhoben sich die Ausgerutschten. Die belustigten Zuschauer hatten derweil den Einkauf wieder eingesammelt.
Hinnerk lud Elli auf einen Kaffee zu sich nach Hause ein und so zogen die Beiden immer wieder auflachend, aber vorsichtig über die unberechenbare Schneedecke tapsend, davon. Hinter ihnen erhob sich ein kräftiger Applaus für ihr unfreiwilliges Entertainment.
Von diesem Tag an trafen sie sich regelmäßig und wurden nach und nach zu einem unzertrennlichen Gespann und Liebespaar.
„Hallo Hinnerk, ist das nicht ein schöner Tag heute?“ vernahm er Hannes tiefe Stimme neben sich. „Alles gut bei euch?“ Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort. „Ich komme gerade vom Surfen, ´ne war das wieder göttlich, hi, hi“, lachte Hannes ironisch. „Da konnte ich der Jugend mal wieder zeigen was so ein alternder Priester alles nicht drauf hat!“
„Na du wellenreitender Dompfaffe!“ „Wie immer ungestüm unterwegs, wa?“ grinste Hinnerk breit.
„Wat mut dat mut“, schulterte Hannes seine Sporttasche. „So, gleich ist Gottverehrung, da will ich mal wieder antreten.“ „Muss ja meine Schäfchen zusammenhalten, sonst grasen die noch in den evangelischen Gärten.“ „Die sollen gutes, katholisches Grünzeug futtern, gespickt mit religiöser Unterhaltung!“
Hannes Janssen war seit einiger Zeit Pfarrer der Propsteikirche in Lübecks Hansestadt. Er und Elli hatten ihn in einem Bistro, als einen leidenschaftlichen Verfechter seines katholischen Glaubens, kennengelernt. War man anderer Meinung als er, konnte der Prediger sehr penetrant und hitzköpfig werden. Schon bei ihrem ersten Gespräch gerieten sie in eine heftige, nicht enden wollende, Diskussion über Gott und seinen Sohn. Wäre nicht die Kellnerin an ihren Tisch gekommen, an den sich Hannes einfach ohne zu fragen niedergelassen hatte, hätte es eine Keilerei gegeben. Das war seine dunkle Seite, ansonsten verstanden die drei sich blendend. Na ja, was Männer eben unter blendend verstehen. Immer einen Spruch auf den Lippen, ob der passte oder nicht. Hannes sagte was er dachte. Elli befand ihn für zu aggressiv und verbohrt. Obwohl er ihn mochte war er stets ein wenig auf der Hut vor ihm. Er lachte und plauderte gern, mochte die Menschen und war ein charmanter Unterhalter und Zuhörer. Aber Hannes brutale Wahrheiten stießen ihn ab. Doch der junge Mann wollte tolerant sein und versuchte oft wegzuhören, wenn der Priester mal wieder loslegte. Dafür vergötterte er dessen sensible Haushälterin Magda und deren exzellente Kochkünste.
Magda, eine 60 jährige Polin, faszinierte ihn wegen ihres wunderschönen Gesichts und ihrer blauen Augen, die so feinsinnig und wissend in die Welt schauten. Trotz ihres Alters wurde ihr Haupt immer noch von rotbraun gewellten, glänzenden Haaren geschmückt. Das Faible für Goldschmuck und Musik teilte er mit ihr. Sie tolerierte das er und Hinnerk ein Liebespaar waren. Bei Hannes war er sich da nicht so sicher. Mit Magda konnte Elli über seine Sorgen sprechen, wenn er welche hatte. Des Priesters Perle und auch die Seine, schien alles zu verstehen und gab stets weise Ratschläge. Neben Hinnerk war sie der gutmütigste Mensch den er kannte. Außerdem meinte Elli sei sie viel zu schade für den groben Hannes. Hinnerk bemühte sich oft ihn deswegen zu beruhigen. Hannes schien nach dem Motto zu leben: Wen ich heute kann bekehren, den muss ich morgen in der Kirche nicht entbehren. Damit war das Thema für ihn erledigt, wenn Hannes mal wieder unverfroren zu jeder Tages-und Nachtzeit bei ihnen auftauchte und sich rotweintrinkend ereiferte. Was Hannes nicht wusste, dass seine Bedienstete eine begnadete Altsaxophonistin war und einmal in der Woche mit Elli eine heimliche Jazzsession veranstaltete. Denn der beherrschte sein Tenorsaxophon wie kein anderer. So bebte einmal wöchentlich ihr Sweety Home, so nannte Elli ihr Zuhause und trug ihre smarten Jazzklänge über die Ostsee. Hin und wieder wenn Hannes länger unterwegs war trafen sie sich im Pfarrhaus und kutschierten ihre Instrumente zu einem historischen Gang, dem Bäckergang, in der Altstadt Lübecks, um dort zu musizieren.
Elli liebte den mystischen Musikbeigeschmack und die erlesenen gedämpften Klänge die sich zwischen den eng stehenden Häusern gen Himmel schlängelten und von dort aus in die Altstadt zu ergießen schienen. Auf Magdas mulmiges Gefühl hin antwortete er stets lächelnd: „The spirits needs changes, always the same is doch bloody boring, let´s go!“ (Die Geister brauchen Abwechslung, immer das Gleiche ist doch verdammt langweilig, also los komm).
Nach den ersten Klängen strömten oft Touristenscharen heran und mischten sich unter die gleichfalls angelockten Anwohner, um der klangschönen Musik der Gassensaxophonisten beizuwohnen. Entzückt und entrückt spendeten die Auswärtigen reichliche Tantiemen, die die Musiker stets für die Anwohner zurückließen.
Eines Tages lud Pfarrer Hannes Janssen sich mal wieder selbst ein und stand plötzlich in der Terrassentür. Diesmal kam er nicht allein. Es war ein außergewöhnlich milder Januarabend. Hinnerk und Elli hockten aneinander gekuschelt in einem der drei blauweißen Strandkörbe, die auf der großen Dachterrasse im Halbkreis angeordnet waren. Von dort aus konnte man die Augen entrückt über die Ostsee schweifen lassen und verträumt an dem oft silbern schimmernden Wasser hängen bleiben. Zu beiden Seiten des Terrassengeländers raschelte das noch braune Schilf in der sanften Brise die vom Meer herüberwehte. Hinnerk wie so oft ein Gläschen Sekt in der Rechten, prostete gerade seinem Liebsten zu. Dieser, verrückt nach vorzügliche deutsche Malzebeer, schlürfte genüsslich an seinem schaumigen Getränk.
„Darf ich euch meinen Zwillingsbruder Ele vorstellen?“ fragte Hannes ohne Umschweife, statt einer Begrüßung.
„O, my god gemini!“ (Oh, mein Gott Zwillinge), verschluckte sich Elli beinahe, bei dem Versuch herunter zu schlucken, zu sprechen und aufzuspringen in Einklang zu bringen.
„Wow, was für eine Ähnlichkeit!“ stimmte auch Hinnerk zu. „Ihr seid ja nur an der Kleidung zu unterscheiden!“ Beide bemerkten sehr schnell, das Ele der Stillere, Sensiblere war. Ele lächelte schüchtern und entschuldigte sich mehrmals für ihr unangemeldetes Eindringen.
„Sit down und let´s have eine grundliche view auf euch!“ (Setzt euch und lasst euch gründlich begutachten) schmunzelte Elli.
Elli und die Zwillinge zählten zu den dunkleren Typen, braune Augen und beinahe schwarze, sehr kräftige Haare. Der Unterschied zum freundlichen Aussehen des Engländers bestand darin, dass er sie zehn Zentimeter überragte und einen zarteren Körperbau besaß. Die Brüder wirkten trotz ihrer 180 cm gedrungen und durch ihre unnahbare Aura eher finster. Zwischen den drei Männern stach Hinnerk hervor. Blond, blauäugig, echt friesisch, maß er fünf Zentimeter weniger als Elli und fünf Zentimeter mehr als ihr Besuch. Sein Gesicht braungebrannt und rosig vom leidenschaftlichen Surfen, sein Körper durchtrainiert und seine Bewegungen elastisch und sportlich. Federnden Schrittes marschierte er ins Haus um Weingläser und eine Flasche Rotwein zu holen. Als er zurückkam saß Hannes schwatzend auf seinem Platz an Ellis Seite. Hinnerk ließ sich neben Ele, der steif wie ein Surfbrett im anderen Korb saß, nieder. Hannes besaß kein Feingefühl, im Gegensatz zu Ele, der sich für seinen Bruder entschuldigte. Engel und Teufel, schoss es Hinnerk durch den Kopf und nickte Ele freundlich zu. Der Fliegenfürst war so sehr in seinem himmlischen Monolog mit Elli vertieft, dass er weder Hinnerks missbilligende Miene, noch den wunderschönen Sonnenuntergang über dem Meer wahrnahm.
Sie besaßen in idyllischer Hafennähe von Niendorf, am Timmendorfer Strand, ein Feriendomizil mit dem Namen Haus Memel, deren Wohnungen sie sowohl vermieteten, als auch selbst bewohnten. Ein wunderschönes dunkelrotes Backsteinhaus mit großen, weißen Fensterfronten. Das strandnahe Haus war efeubewachsen und einem Steinwurf vom Meer entfernt. Die meisten der neun Unterkünfte entzückten durch ihren Meeres–und Strandblick. Sieben der Wohnungen verdankten dem Meer und seiner Be–und Anwohner ihre Namen:
Seelord, Seepferdchen, Seeblick, Seestern, Möwe, Meeresblick und Meeresrauschen. Die beiden mit Gartenaussicht hatten sie Schwalbe und Maikäfer genannt. Bei geöffneten Fenstern oder Balkontüren betörte die Ostsee durch ihr Wellenrauschen. Die Sinne wurden durch den Geruch nach Seeluft und dem Geschmack von Meersalz beglückt. Von der Strandpromenade aus ging man, um ins Haus zu gelangen, durch einen kleinen Garten. Vor der Rückseite des Hauses, die durch eine kleine Zufahrtsstraße erreichbar war, gab es Parkplätze. Von dort führte ein gepflasterter Weg zur Gartenterrasse und weiter zu den Domizilen. Die Urlaubsherberge, liebevoll renoviert, vermieteten sie das ganze Jahr über an Feriengäste. Hinnerk und Elli bewohnten das obere Stockwerk mit einer großen Dachterrasse.
„Hannes hat uns nie etwas von dir erzählt“, eröffnete er das Gespräch.
„Mein Bruder spricht viel über seinen Glauben, da kommt das Private wohl zu kurz“, lächelte Ele sanft, ohne den Blick vom Wasser abzuwenden.
Das hörte Hannes und rief seinen Monolog unterbrechend: „Aber er hat ja nun eine Stelle als Konditor in Lübeck und wird erst einmal im Pfarrhaus wohnen.
Lübeck schien das Stichwort für sein Handy zu sein, denn es summte. Noch bevor er seinen Namen ausgesprochen hatte schluchzte Magda bereits aus dem Hörer. Im Hintergrund vernahm er Sirenalarm.
„Es brennt!“ „Das Pfarrhaus brennt!“ stammelte sie verzweifelt.
„Waaaaaaassss?!“ stotterte Hannes. „Waa…..!?“ „Dit geev et doch nich!!“ verfiel er in friesischen Dialekt.
Einen Moment verharrte er in einer Fluchtbewegung und stierte seinen Bruder versteinert an. Doch dann wurde er hektisch.
„Ohh!“ „Nein!“ „Heiliger Vater!“ rief er. „Es brennt!“
Wie auf Kommando drehten sich die drei Männer erschrocken um und starrten auf das hinter ihnen liegende Haus.
„Da….da…das Pfarrhaus brennt!“ japste Hannes aufgebracht. „Ich komme!“ brüllte er ins Telefon und legte auf. „Gott steh mir bei!“ ächzte der Pfarrer im Laufen vor sich hin. Hannes polterte die Treppe hinunter, schwang sich auf seine Harley und raste helmlos und halsbrecherisch dem Ortsausgang entgegen.
„Los kommt, hinterher!“ forderte Hinnerk die anderen auf.
Elli löste sich aus seiner Sprachlosigkeit. „Lasst uns meinen Wagen nehmen, der steht näher!“ brüllte er im Laufschritt.
Hektisch stolperten die Männer davon. Erst auf der Autobahn bemerkten sie das Ele nicht auf dem Rücksitz saß.
Vor Ort wurden sie von Blaulichtern der Polizei-und Feuerwehrautos, hektisch herumeilenden Uniformierten, herumliegenden Wasserschläuchen, herumstehenden Zivilisten und grau-schwarzem, stickig dichten Qualm empfangen. Die Zufahrtstraße zum Pfarrhaus war komplett versperrt. Als sie ausstiegen vernahmen sie das laute Knistern und Knacken des Feuers das sich rücksichtslos über die dargebotene Nahrungsquelle hermachte. Durch das Löschwasser entfachte sich ein immer dichterer Qualm, der sich brutal und schmerzhaft in Augen, Nasen und Lungen verbiss. Die Schaulustigen hielten sich Taschentücher vor ihre Atemwege. Elli entdeckte die weinende Magda am Straßenrand stehend. Kopfschüttelnd und mit beiden Händen sich den Mund zuhaltend stand sie dort und starrte fassungslos auf den Tumult. Als sie HE, so nannte sie insgeheim das Paar, auf sich zueilen sah, begann sie laut zu schluchzen.
„Ohh Hinnerk, Elli, seht euch das an!“ wimmerte sie mit erstickender Stimme.
Ihre Haare standen völlig zerzaust in alle Himmelsrichtungen ab. Ihr Gesicht war ruß- und tränenverschmiert. Ihr Mantel war schräg von der Schulter gerutscht. Ihre Schürze ragte einseitig fast bis auf den Boden und am linken Fuß fehlte ein Schuh.
„Wie konnte er nur und warum macht ein Mensch so etwas?“ brachte sie im Stakkato hervor. „Ich habe ihn gesehen!“ „Er lief mit einem Behälter ums Pfarrhaus herum und hat etwas verschüttet!“ empörte sie sich. „Warum?“ spie sie geradezu aus.
Sicher, der Herr Pfarrer war, für einen Gottesmann, viel zu frech und unbeherrscht. Und Manieren, Manieren hätte er auch noch zu erlernen. Sein Bruder hingegen, so befand sie, ein vollendeter Gentleman. Da gab´s nichts zu meckern! Wieder hielt Magda sich den Mund mit einer Hand zu.
„Du have seen the incendiary?“(Du hast den Brandstifter gesehen?)fragte Elli verwundert. „Unglaublich!“
„Das müssen wir sofort der Polizei melden!“, entrüstete sich Hinnerk, dabei schüttelte er ihren Mantelärmel.
„Yes of course!“(Ja natürlich!) entschied Elli erbost, nahm ihren Arm und zog sie neben sich her.
Nach wenigen Metern entdeckten sie, im sich lichtenden Rauch, einen Beamten.
„Wir möchten eine Aussage machen!“ sprach Hinnerk ihn an.
„Um was geht´s?“ begann der breit zu grinsen.
Auf Anhieb hatte er die beiden Männer wiedererkannt, die damals auf der Straße ausgerutscht waren. Königlich amüsiert hatte er sich, ob des dargebotenen Rutsch-und Sitzspektakels. Natürlich nur heimlich. Als Staatsvertreter musste er sich zusammenreißen. Am liebsten hätte er sich den Beiden angeschlossen, weil er überzeugt war, dass es bestimmt noch mehr zu lachen gab. Doch ein Blick auf Magdas desolaten Zustand holte ihn in die Realität zurück. Ernst nickte der Ordnungshüter ihr zu, tippte an seine Kappe und fragte dann: „Meine Dame, was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe den Brandstifter gesehen!“ erwiderte sie mit Nachdruck.
„Sie haben was?“ „Warum hat man Sie noch nicht vernommen?“ „Warum melden Sie sich erst jetzt?“ „Wer sind Sie?“ buchstabierte er beinahe seine Fragen aufgebracht.
Doch Magdas verzweifelter Gesichtsausdruck stimmte ihn milder. „Geht es Ihnen gut?“ „Brauchen Sie Hilfe?“ Magda schüttelte den Kopf.
„Ich bin die Haushälterin von Pfarrer Janssen.“ „Hannes Janssen!“
„Ach, dem frechen Pfaffen!?“ entfuhr es ihm.
Konsterniert begann sie zu erzählen: „Ich war gerade in der Küche und habe das Fenster auf Kipp geöffnet, damit der gebratene Zwiebelgeruch herauszieht.“ „Plötzlich hörte ich ein seltsames Platschen, als ob jemand etwas aus einem großen Behälter ausschüttet.“ „Als es auch noch nach Benzin roch, öffnete ich das Fenster ganz und lehnte mich hinaus.“ „Ich sah einen Schatten ums Haus schleichen und bekam es mit der Angst zu tun.“ „Also habe ich mir meinen Mantel übergezogen und mich nach draußen geschlichen.“ „Da sah ich dann eine dunkel gekleidete Gestalt.“ „Bestimmt ein Mann!“ „Als ich ihn ansprach und er nicht antwortete, habe ich meinen Schuh nach ihm geworfen.“ „Aber leider habe ich ihn nicht getroffen!“ „Im selben Moment lässt der ein brennendes Feuerzeug fallen und rennt weg.“ „In Sekundenschnelle brannte es überall!!“ „Ich kam gar nicht so schnell weg!!“ „Dann bin ich über das Feuer gesprungen, um das Telefon zu holen.“ „Nachdem ich die Feuerwehr verständigt hatte, habe ich noch versucht den Gartenschlauch anzuschließen um zu löschen.“ „Aber alles ging so rasend schnell!“ „Überall Feuer!!“ „Furchtbar!!“ „Ich hatte solche Panik!!“ fing die arme Frau erneut an zu schluchzen.
„Jetzt beruhigen Sie sich doch!“ „Sie haben sich vorbildlich, mutig, aber natürlich auch sehr leichtsinnig verhalten!“ „Ich bitte Sie morgen zur Polizeidirektion zu kommen damit wir Ihre Beobachtung aufnehmen können!“ antwortete der Kommissar nach einer Weile des Grübelns. „Ich hoffe wir finden den Verursacher!“ fügte er grimmig hinzu. „Noch eine Frage: „Konnten Sie sein Gesicht erkennen?“
„Leider nein!“ schüttelte Magda den Kopf. „Es war viel zu dunkel!“
„Wo kann ich Sie erreichen?“
„Bei uns!“ mischte sich Hinnerk in das Gespräch ein und gab ihm seine Visitenkarte.
Als sich der Polizist verabschiedete, nachdem er Magda auch seine Dienstkarte überreicht hatte, grinste Elli schief: „Sieht der nicht wie dieser Inspektor Columbo aus!?“
Erneut öffnete er den Mund, als er von Magda unterbrochen wurde, die gerade: „Bonno Dieken, Hauptkommissar Lübeck“ vorlas, meinte er doch an der gegenüberliegenden Hauswand ein bekanntes Gesicht zu erkennen. Wieso kam der nicht zu ihnen? Seltsam, wunderte er sich stirnrunzelnd.
Am nächsten Morgen, sie hatten kaum ein Auge zugemacht, klopfte es an der Wohnungstür. Ein Urlaubsgast der, als sie am frühen Morgen zurückkamen, rauchend im Garten gesessen hatte brachte ihnen Trostbrötchen, wie er liebevoll bemerkte.
Entzückt nahm Elli ihm die große Bäckertüte ab und küsste ihn dankbar auf die Wange.
Irritiert zuckte der zurück und wischte sich seine Wange trocken. Das war dann doch zu viel des Guten.
Elli kicherte.
Hannes und Ele hatten die Nacht ebenfalls in der Pension verbracht. Sie waren gerade dabei, es sich auf der Dachterrasse gemütlich einzurichten, als Hannes Handy sich bemerkbar machte.
„Pfarrer Janssen“, meldete er sich mit müder Stimme.
„Was ist denn bei euch los?“ vernahm er die schrille Sopranstimme seiner Mutter. „Tante Hetti hat mir gerade erzählt, bei euch hat´s gebrannt?“
„Jooo!“ zu mehr kam er nicht.
„Hat deine tolle Haushaltsperle mal wieder was anbrennen lassen, wa?“ „Die sollte sich mal angewöhnen beim Kochen in der Küche zu bleiben!“ hetzte Evje weiter. „Bestimmt hat die wieder auf ihrem Dingsda, dieser komischen Hupe mit den Knöppen, rumgetrötet!“ „Nicht zu fassen, die gehört weggesperrt!“ bog sie sich ihre Geschichte zurecht. „Aber garantiert kommt die ja jetzt ins Gefängnis und muss obendrein auch noch für den ganzen Schaden aufkommen!“ „Schmeiß die raus, bevor es zu spät ist und alle mit dem Finger auf dich zeigen, weil du eine Straffällige bei dir beschäftigst!“ ruderte ihre Stimme weiter. „Tante Hetti wolltest du ja nicht!“ stichelte sie vorwurfsvoll. Bevor Hannes sich für Magda als Bedienstete entschied, hatte ihn Evje penetrant versucht zu überreden, ihre Schwester bzw. seine Tante, einzustellen. Doch die Vorstellung dann jeden Tag seine Mutter im Pfarrhaus sitzen zu haben, hielt ihn schwer davon ab. Das nahmen beide ihm sehr übel. Was ihm wiederrum völlig gleichgültig war. Er wollte seine Ruhe und kein ständiges Einmischen in sein Leben.
„Siehst´e wast´e davon hast!“ frohlockte seine Mutter.
Hannes verdrehte die Augen.
„So, ich muss los!“ Tuuuuuut, tuuuuuut erklang es aus der mattgelegten Leitung.
„Hast du deine lovely mother an die Ohr gehabt?“ lachte Elli ironisch, als er seinen schwer tangierten Gesichtsausdruck sah.
Elli hatte schon oft ein Telefonat zwischen ihm und seiner Mutter mitbekommen. Meistens sah man dann Hannes nur zuhören, gelegentlich den Kopf schütteln, die Augen verdrehen, sein Mienenspiel entfaltete im Laufe des Telefonats Bühnenreife und anschließend war er schlechter Laune. Das konnte nur seine Mutter gewesen sein.
„Olle Kanalforelle!“ brummte Hannes unpäpstlich zur Bestätigung.
Der Engländer hatte da mehr Glück, mit seiner liebevollen Mutter. Sie blieben lange zu zweit, nachdem sein Vater sehr jung ums Leben kam. Er lernte ihn nicht bewusst kennen, weil er erst ein Jahr alt war, als dieser bei einem Autounfall ums Leben kam. Jemand nahm ihm an einer Autobahnauffahrt die Vorfahrt. So musste der in der Blüte seines Lebens stehende Mann, bei stark erhöhtem Tempo, plötzlich abbremsen und geriet dabei ins Schleudern. Sein Vater verstarb noch an der Unfallstelle. Der Verursacher wurde nie gefunden. Lange Zeit trauerte seine Mutter. Erst als Elli eingeschult wurde und sie sich mit seinem Lehrer anfreundete, kehrte die Fröhlichkeit in ihr Haus zurück. Jack war schwul und er liebte ihn über alles. Als er dann auch noch in die Wohnung über ihnen zog war sein kindliches Glück perfekt. Fortan hatte er ein zweites Zuhause. Jack, Jack Russel, wie die Hunderasse, lächelte Elli geistesabwesend. Sie nannten ihn Bay, was dumpfes Bellen bedeutete, wegen seiner leicht heiseren Stimme. Have you lost your marbles? (Habt ihr noch alle Murmeln zusammen?) donnerte sein Ziehvater regelmäßig los, wenn er sich über etwas ärgerte. Meistens wenn seine little pupil (kleine Schüler)so nannte er seine Grundschüler liebevoll, während des Unterrichts herumschwatzten oder Blödsinn machten. Leider kam sich niemand ausgeschimpft vor wenn der Lehrer loslegte. Ein einleitendes Schimpfritual, schmunzelte Elli. Was natürlich dazu führte, dass Bay nicht so ernst genommen wurde, wie er sich das wünschte. Stets erinnerte sich der Grundschullehrer an seine Schulzeit. Obwohl er oft missgestimmt war weil er sich nicht durchsetzen konnte, verstand er die Temperamentsausbrüche seiner Schüler. Trotz ihrer väterlichen Beziehung behandelte er Elli nie bevorzugt. Dass Bay homosexuell war entdeckte dieser durch Zufall. Eines Tages beobachtete der Junge ihn als er einen Mann küsste. Bay ließ stets seine Wohnungstür unverschlossen, damit Elli jederzeit hinein konnte. Verdattert stand er vor den Beiden und schaute ihnen beim zärtlichen Austausch zu. Als die Männer ihn bemerkten ließen sie erschrocken voneinander ab. Nachdem sich Bay von seiner Entdeckung erholt hatte, sprach er ganz offen mit ihm über seine andersartige Neigung. Nachdem auch seine Mum eingeweiht war, akzeptierten sie die Neigung ihres Freundes, die auch in Elli schlummerte. Diese Offenheit klärte die Fronten zwischen den Erwachsenen und von da an vertiefte und entspannte sich ihr Dreierverhältnis komplett. Eine schöne Zeit, sinnierte Elli. Nie hatte er das Gefühl etwas zu vermissen. Seit der Schulzeit wuchs er einigermaßen unbeschwert auf und studierte später Design. Nach dem Abschluss startete er sein Berufsleben bei einem Autohersteller in Oxford. Die Arbeit machte ihm große Freude und Elli verliebte sich fatalerweise in seinen Vorgesetzten. Anthony entpuppte sich als fürchterlich besitzergreifend und manisch eifersüchtig. Schon nach kurzer Zeit litt Elli unter unerklärlichen Panikattacken und wollte nur noch raus aus dieser Beziehung. Doch Anthony verstand es ihm weiszumachen, dass er Probleme habe Nähe zuzulassen und er nur geduldig sein müsse bis er, als sein Partner, das behoben habe. Er müsse sich nur ganz und gar auf ihn einlassen. Keine Freunde und Familie besuchen, sondern nur sie Beide. Als Paar bekäme man Ellis Probleme schon in den Griff. Nur dürfe sich da niemand einmischen. Elli war so durcheinander, dass er tatsächlich eine Zeitlang Distanz zu allen ihn Nahestehenden hielt. Eines Tages jedoch explodierte sein Bedürfnis nach Freiheit förmlich aus ihm heraus, sein gesunder Menschenverstand brach sich Bahn und er beendete diese kuriose, erdrückende Liaison. Doch wenn Elli hoffte nun endlich seinen Frieden zurückerobert zu haben, täuschte er sich gewaltig. Denn nun wurde Anthony erst recht gemein und hinterhältig. Eine Sache war, dass seine Kollegen anfingen ihn aus unerklärlichen Gründen zu meiden. In der ersten Zeit ignorierte der Gemobbte das noch. Es wäre auch erträglich gewesen, weil Elli dachte wenn sein Ex über die Zurückweisung hinwegkäme wäre wieder alles beim Alten. Die anderen Dinge musste er privat erleiden. Zu Hause klingelte stündlich das Telefon. Wenn er unterwegs war sein Handy. In Pubs tauchte sein Ehemaliger regelmäßig auf und machte ihm leise Szenen. Zu guter Letzt drohte der Verlassene ihm sogar damit seinen Einfluss geltend zu machen, sodass er nie wieder einen Job in England finden würde. Komm zu mir zurück und alles ist wieder gut, waren dessen Argumente auf Ellis Bitten doch vernünftig zu werden. Eine nervliche Zerreißprobe für den ansonsten optimistischen Designer. Sein ehemaliger Geliebter wurde das Wahrzeichen für Albträume und Panikattacken. Seine Kreativität litt immer mehr unter diesem Verfolgungswahn. Doch sein Jäger kam nie über eine Zurückweisung hinweg. Er dürstete nach Rache und hoffte so seinen Ex zurückzugewinnen.
Anthony stammte aus einer kinderreichen Familie und war der Jüngste von sieben Brüdern und zwei Schwestern. Wie Elli wuchs auch er in Oxford auf. Sein Vater ein Alkoholiker, hatte große Mühe den spärlichen Lohn nicht am Monatsende ins Pub zu tragen. Die älteren drei Brüder mussten ihn, wenn es Auszahlung gab, von der Arbeit nach Hause dirigieren. Ein Konto konnten sie sich nicht leisten. Jedes Pfund musste zusammengehalten werden, damit die Familie über die Runden kam. Jeder trug, so früh er konnte, zum Lebensunterhalt bei. Seine Mutter eine Näherin, saß Tag und Nacht an der Nähmaschine. Dennoch kaufte ihr Mann sich Alkoholika. Ständiger Geldmangel zwang die Mutter im Discounter anschreiben zu lassen oder Lebensmittel von den Nachbarn zu borgen. Anthony hasste diese Armut, hasste es immer die abgetragene oder zu klein gewordene Kleidung seiner Brüder auftragen zu müssen. Nie bekam er Neue. Trotz seiner ungewöhnlichen Intelligenz wurde er von seinen Mitschülern wegen ihrer Armut geächtet. Umso verbissener lernte er den Schulstoff, um es allen zu beweisen. Der mittellose Junge wurde oft auf dem Schulweg gehänselt und verprügelt. Wartet ab, eines Tages werdet ihr zu mir aufschauen! Und dann, ja dann, werde ich euch zertreten, auseinander nehmen, jagen und quälen! drohte er ihnen verbittert wenn er mal wieder Vier gegen Einen, Prügel bezogen hatte und völlig verdreckt, mit zerrissener Kleidung, heulend nach Hause kam. Dort gab es kein Verständnis. Keine liebevollen, tröstenden Arme die ihn auffingen. Wehr dich, so sein Vater. Wie du wieder aussiehst, die Mutter. Keine Zeit für Gefühle, zumindest keine liebe-oder verständnisvollen. So jung, so früh schon alleingelassen, auf sich gestellt, verschloss er sein Innerstes. Seinen weichen, verletzlichen Kern ganz tief in einem Tresor und warf den Schlüssel weg. So hatte auch er keinen Zugang mehr zu dieser Seite. Wurde hart, kontrollierend und unberechenbar, sobald ihm jemand zu nahe kam. Bis an die Spitze brachte er es beruflich. Er trug edle Kleidung, aber blieb einsam weil er niemandem vertraute. Wie ein Schauspieler lernte er sich darzustellen. Spielte seine Rolle. Perfektionierte sie im Laufe der Zeit. Würzte sie mit vorgespieltem Charme. Alle, alle fielen darauf herein. Zunächst. Privat, wenn er versuchte sich auf jemanden einzulassen, zeigte sich die Ruine seiner kindlichen Seele und alle nahmen Reißaus. Da verlor er dann die Kontrolle. Jedes Mal, unaufhaltsam. Denn dann pochte es an seiner Tresortür und vergangene, seelische Wunden machten sich bemerkbar, doch der Schlüssel war nicht greifbar. Zugang verwehrt für Jedermann, auch für ihn. Und so blieb er einsam und holte sich die negative Aufmerksamkeit der Anderen durch das Spinnen von Intrigen, Stalking, Erpressung und das Veruntreuen von Geldern. Denn Geld, Geld konnte er nie genug haben. Das lernte er gründlich. Mit genug Geld ist die Welt anders. Sind die Menschen anders zu ihm. Anders als die aus seiner Kindheit. Mit Geld konnte er sich die Sympathien kaufen, so glaubte er. Nur Elli war anders. Den schien er nicht großartig damit beeindrucken zu können. Was ihm wiederrum sehr imponierte. Sein Partner verunsicherte ihn. Er wollte ihn nicht verlieren. Alle Mittel waren ihm recht, um ihn zu halten. Doch Anthony merkte, dass sein Spiel verloren war. Eines Tages kündigte sein Geliebter fristlos und verschwand aus dem Land. Später erfuhr er, dass dieser eine Stelle in seinem Beruf im Schleswig Holsteinischem Norddeutschland gefunden hatte. Etwas in ihm verstand Elli, ein anderer Teil schrie verzweifelt nach Vergeltung.
Magda entdeckte am nächsten Morgen ihren geschwollenen, in allen möglichen und unmöglichen Farben, schillernden Fußknöchel der höllisch schmerzte. Vor lauter Aufregung in der gestrigen Nacht hatte sie ihren Schmerzen keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet. Doch nun forderten sie ihr Recht auf Behebung.
„Jetzt fahren wir zuerst zur Polizeidirektion nach Lübeck und dann zum Arzt!“ unterbrach sie Ellis Überredungsversuch zur umgekehrten Reihenfolge energisch.
Nachdem sie ihre Aussage zu Protokoll gegeben hatte und sich auch noch nichts Neues zum Tatgeschehen herausstellte, fuhren sie in die Notaufnahme des Timmendorfer Krankenhauses. Mittlerweile konnte sie gar nicht mehr auftreten und ihr Knöchel, so schien es, war auf die doppelte Breite angeschwollen.
„Nico Meisenkaiser“, begrüßte sie die Notärztin freundlich. „Ach herrje, Sie Arme!“ „Das müssen ja furchtbare Schmerzen sein!“, rief sie mit Blick auf den überstrapazierten, bunten Fuß. „Ich gebe Ihnen erst einmal ein Schmerzmittel!“
Nach der Spritze befragte sie die geschundene Haushälterin nach dem Unfallhergang. Entrüstet verarzteten die behandschuhten Hände Magdas Fußknöchel.
„Soweit ich das ohne Röntgen beurteilen kann, haben Sie sich eine Verstauchung eingehandelt und sollten, wenn die Schwellung abgeklungen ist, noch einmal zum Durchleuchten vorbeikommen!“
Wie sich herausstellte kam die Ärztin ebenfalls, wie Magda, aus Polen und war der Liebe wegen nach Deutschland übergesiedelt. Die hatte leider die Strapazen des Alltags nicht überlebt und so zog sie nach der Scheidung in den Norden Deutschlands.
„Das Meer, ich brauche das Meer, das Wasser, die Seeluft, die Möwen, das Licht, den Salzgeruch!“ geriet diese nun ins Schwärmen. „Und für meine beiden Kinder den Strand.“ „Es ist herrlich hier oder nicht?“ Mit leuchtenden Augen schaute sie die Beiden an. „Ich fühle mich hier so wunderbar befreit!“ freute sich die 48-Jährige. „Wissen Sie, ich gehöre zu den sogenannten Spätgebärenden.“ „Meinen jetzigen Mann habe ich erst mit Ende Dreißig kennengelernt.“ „Mir war sofort klar, dass ich mit ihm Kinder haben wollte“. „Also, grinste sie verlegen, haben wir quasi gleich losgelegt.“ „Nun sind wir Eltern zweier Wunschkinder!“ „Es ist nicht immer einfach, aber wir sind zufrieden!“ „So jetzt aber Schluss mit meinen privaten Ausschweifungen!“ ermahnte sie sich selbst.
„Ach, wie schade!“, entgegnete ihre, inzwischen schmerzfreie, Landsmännin. „Ich würde Sie ja gerne einmal zu mir einladen, habe aber leider gerade meine Bleibe verloren“, bemerkte Magda bekümmert.