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Anhand einer deutsch-englischen Familientragödie werden die Kriegsfolgen des 20. Jahrhunderts aufgegriffen. Die Botschaft des Werkes zeigt den Machtkampf der unterschiedlichen Regime und deren Unversöhnlichkeit, darunter die Aggression des Hitlerregimes gegen die Rüstungsindustrie, die 1940 in Coventry auf Hochtouren arbeitete. In einem deutschen Blitzangriff wurden die Stadt Coventry und die Kathedrale zerstört. Am 13. Februar 1945 zerstörten britische und amerikanische Bomber in nur 20 Minuten die historische Innenstadt von Dresden. Angeblich waren diese Angriffe den Russen, die bereits vor den Toren von Dresden standen, in Jalta versprochen worden, wofür die Beweise bis heute fehlen. Churchill gab später zu, mit der völligen Zerstörung der Stadt, den Russen die Kampfkraft der westlichen Alliierten dokumentiert zu haben. Strategisch war der Angriff sinnlos, alle Eisenbahnbrücken blieben unzerstört. Dafür starben im Bombenhagel unschuldige Bürger der Stadt, Tausende von Flüchtlingen und unschätzbare Kulturgüter. Die Kathedrale von Coventry wurde mit deutscher Hilfe "Aktion Sühnezeichen" von 1956, nur innerhalb von 16 Jahren wieder aufgebaut und gehört zu den legendären Stätten der Menschheit. Hingegen der Aufbau der Dresdner Frauenkirche erfolgte erst nach dem Fall der Mauer. Mit dem Aufsetzen des Turmes im Jahr 2004 gehörte das Elbtal um Dresden zum Weltkulturerbe, das die Stadt durch den Bau der Waldschlösschenbrücke 2009 wieder verlor.
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Personen, Handlungen und Orte sind fiktiv.
Eine ähnliche Geschichte hat sich tatsächlich ereignet.
EINLEITUNG
DRUGBILD
ERINNERUNGEN
ZERSTÖRUNG DER STADT DRESDEN
HEIMWEH
MARYS FAMILY STORY
LIEBE IN SÜDAFRIKA
DIE TEUFELIN
FAMILIENBANDE
DAS ERBE
DIE LETZTE WAHRHEIT
AUTORENVITA
Anhand einer deutsch - englischen Familientragödie werden die Kriegsfolgen des 20. Jahrhunderts aufgegriffen.
Die Botschaft des Werkes zeigt den Machtkampf der unterschiedlichen Regime und deren Unversöhnlichkeit, darunter die Aggression des Hitlerregimes gegen die Rüstungsindustrie, die 1940 in Coventry auf Hochtouren arbeitete. In einem deutschen Blitzangriff wurden die Stadt Coventry und die Kathedrale zerstört.
Am 13.Februar 1945 zerstörten britische und amerikanische Bomber nur in 20 Minuten die historische Innenstadt von Dresden.
Angeblich waren diese Angriffe den Russen, die bereits vor den Toren von Dresden standen, in Jalta versprochen worden, wofür die Beweise bis heute fehlen. Churchill gab später zu, mit der völligen Zerstörung der Stadt, den Russen die Kampfkraft der westlichen Alliierten dokumentiert zu haben. Strategisch war der Angriff sinnlos, alle Eisenbahnbrücken blieben unzerstört. Dafür starben im Bombenhagel unschuldige Bürger der Stadt, Tausende von Flüchtlingen und unschätzbare Kulturgüter.
Die Kathedrale von Coventry wurde mit deutscher Hilfe „Aktion Sühnezeichen“ von 1956 nur innerhalb von 16 Jahren wieder aufgebaut und gehört zu den legendären Stätten der Menschheit.
Hingegen der Aufbau der Dresdner Frauenkirche erfolgte erst nach dem Fall der Mauer. Mit dem Aufsetzen des Turmes im Jahr 2004 gehörte das Elbtal um Dresden zum Weltkulturerbe, das die Stadt durch den Bau der Waldschlösschenbrücke 2009 wieder verlor.
Englandreisende hatten in der Londoner Paulskirche entdeckt, dass Carl Maria von Weber, nach seinem Tod im Jahr 1826, rücksichtslos in einem abgelegenen Raum bestattet worden war.
In der Bevölkerung wurden Stimmen laut, dass es ein Frevel sei, so einen großen Künstler, wie Carl Maria von Weber, nicht nach Dresden zu überführen. Es wurde ein Komitee ins Leben gerufen, das die Übersiedlung der sterblichen Überreste von London nach Dresden vorantrieb. Gegen den Willen des Königs, der in einer Übersiedlung die Störung der Ruhe eines Toten sah, setzten sich die künstlerischen und wissenschaftlichen Autoritäten durch.
Sie organisierten Spendensammlungen, um die Kosten für die Übersiedlung, die Bestellkosten für eine Gruft und ein Grabmal zu finanzieren. Webers ältester Sohn fuhr nach England, um die Gebeine seines Vaters heimzuholen. Der Sarg wurde per Schiff auf der Elbe nach Dresden transportiert. In der Abenddämmerung traf der Sarg ein. Im Fackelschein und Trauermusik fuhr der Sarg durch die Straßen der Friedrichstadt zum Katholischen Friedhof.
Der Vorsitzende des Komitees, Hofrat Schulz hielt am Abend eine kleine Trauerrede und Frau Devrient hatte einen großen Kranz gespendet.
Am 16. Dezember versammelte sich die Künstlerschaft zu einer kleinen Trauerfeier und Richard Wagner hielt seine berühmte Trauerrede.
„Du konntest uns nie verraten.
Sieh nun lässt der Brite dir Gerechtigkeit widerfahren,
es bewundert dich der Franzose,
aber lieben kann dich nur der Deutsche!“
Die trauernden Künstler fanden sich nach der Feier zu einem besinnlichen Leichenschmaus im Brauhaus ein. Hier fachsimpelten sie und nahmen Rückschau.
Dass Carl Maria von Weber als Kapellmeister nach Dresden kam, hatte er einer Intrige vom Kabinettsminister Graf von Einsiedel zu verdanken. Dieser engagierte mit viel List und Diplomatie Carl Maria von Weber an die Hofoper. Den Kammerherrn Graf Heinrich Vitzthum von Eckstädt überzeugte er damit, dass Dresden neben italienischen Kapellmeistern auch einen deutschen Kapellmeister braucht und dafür gebe es keinen Geeigneteren als Carl Maria von Weber. Daraufhin förderte Graf Vitzthum von Eckstädt die Anstellung von Weber und stieg dabei in der Gunst der Bevölkerung.
Dadurch entstand wiederum ein Streit zwischen den Verfechtern der italienischen und der deutschen Oper. Carl Maria von Weber war als Patriot bekannt. Er hatte Theodor Körners „Lützows wilde, verwegene Jagd“, während der Partnerschaft des sächsischen Königs mit Napoleon vertont.
Kurt Schwarz (Black), der Loser
„Mister Miller am Telefon ist der Bestatter von Dartmoor, es geht um die Einäscherung von Kurt Black“, übergibt die Sekretärin den Telefonhörer dem Unterhausabgeordneten.
Bill Miller läuft hochrot an. Dieser Loser wird nicht in englischer Erde bestattet. Black hat meinen Vater auf dem Gewissen, sich mit Lug und Trug in meine Familie eingeschlichen und uns viel Leid zugefügt. Er soll da verscharrt werden, wo er herkommt. Organisieren sie die Überführung nach Dresden, ich übernehme die Kosten.
So wurde Kurt Black, der mit 17 Jahren auszog ein Krieg gegen die Alliierten zu gewinnen nach 60 Jahren auf einem Friedhof seiner Heimatstadt, neben seinen Eltern, beigesetzt.
Im gepflegten Vorort der Kleinstadt liegt das Haus, fast ganz am Ende der Saint Bartholomew Road. An der Einmündung der kleinen Nebenstraße weisen Schilder mit dem Text „Neighbourhood watched Area“ darauf hin, dass man hier in einer ordentlichen Wohngegend ist. Und ordentlich in Reih und Glied stehen hier die Häuser, in ihren aufgeräumten Vorgärten mit prächtig blühenden Blumen, unter Bäumen mit herbstlich buntem Laub.
Der Garten vor der Nummer achtundsiebzig sticht beim Näher kommen von den Nebenstehenden ab. Der Rasen wurde sicher den ganzen Sommer über nicht gemäht und die Rasenkanten wohl ebenso lange nicht gestochen. Hoch steht das Gras in Saat und rosarot, gelb und weiß lugen trotzig die letzten Nesseln, Löwenzahn und Gänseblümchen aus den kniehohen Grashalmen. Der Rasen erobert allmählich die Platten des gewundenen Zuweges, dessen Verlauf unter den Schichten von Herbstlaub kaum zu erkennen ist. Auch das Beet mit den verblühten Rosen hat das Unkraut erobert und Würgeranken haben die Stöcke fest im Griff.
Hier fehlt schon seit langer Zeit die ordnende Hand, als Briefträger hat man dafür einen Blick. Feine Landlords, aber Post vom Kontinent bekommen, tsz, tsz… Die zwei Briefe kommen nicht eingeschrieben und so muss er nicht bis an die Haustür. Er steckt die Umschläge in den Kasten an der Gartenpforte und klappt den Wimpel hoch. Daher kann er nicht ahnen, dass auch im Innern des Hauses schon lange vieles im Argen liegt.
Mister Black bekommt nur noch selten Post und wenn sich etwas in seinen Postkasten verirrt, dann sind es Werbebriefe oder Angebote auf Flyer, die ihn ohnehin nicht interessieren. Nur die Zeitung kommt tagein, tagaus in schönster Regelmäßigkeit. So öffnet sich auch heute Morgen pünktlich um halb neun die Haustür zunächst einen Spaltbreit, dann etwas weiter. Ein kleiner kahlköpfiger Mann steht fröstelnd auf der Schwelle, blinzelt kurzsichtig zum Briefkasten hinüber, zieht die Strickjacke fester um die Schultern und trippelt den Zuweg hinunter. Bedächtig stippt er durch die Lagen der bunten Blätterpracht am Boden, immer darauf bedacht, die Hausschuhe mit den herunter getretenen Hacken nicht zu verlieren.
Wie erwartet die Zeitung und zwei Briefe vom Kontinent. Vorsichtig macht der alte Mann kehrt, geht den Weg zurück und nimmt die Flasche mit der Milch von der Stufe mit ins Haus. Fast hat er die Tür hinter sich geschlossen, da dreht er sich noch einmal um und lässt prüfend den Blick die Straße hinauf und hinab gleiten. In dieser Straße tut sich nie viel und fremde Autos würden ihm sofort auffallen. Nass ist der Morgen und der Nebel macht den November noch trübsinniger als sonst. Die Kälte beißt durch die dünnen Hausschuhe in die Zehen. Bedächtig geht Mr. Black ins Haus zurück und verschließt sorgfältig die Tür.
Als er die Milch in den Kühlschrank stellt, wird ihm bewusst, was eigentlich so schmerzlich fehlt. Im letzten Jahr hätte seine Frau um diese Zeit hier in der Küche gewerkelt und das Frühstück zubereitet.
„Wie möchtest du heute die Eier …?“, das wird er nie mehr hören. „Ich hätte feste Schuhe anziehen sollen, die Spitzen der Hausschuhe sind durchnässt, die Zehen sind immer noch kalt, und der ungemütliche Fliesenboden tut sein Übriges!“
Statt eines ganzen Frühstücks bereitet er sich einen Becher Tee und zwei Scheiben Toast zu. Die Sache mit gebratenen Eiern und koscherem Bacon ist zu viel Aufwand und überhaupt lohnt sich das nicht. Wenn nur das Wasser schon kochen würde, ich möchte ins Warme.
Im Esszimmer will er sich gerade mit seinem Teebecher und den gebutterten Toast am Tisch niederlassen, als ihm die Zeitung einfällt. Auch wenn ihm auf der Titelseite nichts Interessantes ins Auge gefallen war, vielleicht steht etwas Lesenswertes drin. Zwei Briefe waren noch gekommen, weiß der Teufel, wer da schreibt.
Ausgerechnet aus Deutschland, Sabine hatte ihn bei seinem letzten Besuch dort eiskalt abserviert. Die will sich jetzt einschleimen, aber nicht mit mir. Dresden ist weit, das Erbe verteilt und damit Basta. Wo ist der Brieföffner wieder geblieben. Seit Mary nicht mehr ist, finde ich nichts in diesem Haus wieder. Dann geht es wohl auch so und er schlitzte den Umschlag mit dem Buttermesser auf.
„Klein-Ulla, was hast du auf dem Herzen? Diese kleinbürgerliche Mischpoke, schrieb wie immer nur Müll. Gibt es nicht genug Arbeit? … waren letzte Woche im Kino! Mein Gott, wen interessiert das hier in Merry Old England! Die Testamentseröffnung, Erbengemeinschaft, das hatten wir schon alles durchgekaut. Warum wärmt sie den kalten Kaffee noch einmal auf!“
Hatte er eben noch herzhaft in eine Scheibe Toast gebissen und sich behaglich über das drollige Schreiben seiner kleinen Schwester amüsiert, so erschrocken wirkt er jetzt beim Öffnen des zweiten Briefes.
Mit einem Ruck sitzt er kerzengerade auf seinem Stuhl. „Dammned, hat sich die blöde Kuh das tatsächlich gemerkt. Sie möchte wissen, wie das gemeint war mit den zwei Russen. Wieso erschossen? Sie hat das nicht begriffen. Ich ein entlassener Soldat aus angloamerikanischer Gefangenschaft prallte 1949 in Erfurt auf Bolschewiken, die mit mir den Kalten Krieg anzetteln wollten. Na und?“
Die zwei eng mit der Schreibmaschine beschriebenen Bögen Papier zittern in seinen Händen und so sehr sich Kurt auch zur Ruhe zwingen mag, es will ihm nicht gelingen. Langsam lässt er die Seiten sinken, aschfahl ist sein Gesicht.
„Mein Gott, wenn sie damit an die entsprechenden Stellen geht …!“
Der alte Mann sitzt allein im Zimmer seines kleinen Hauses. Das Zimmer ist schlicht, weiße Wände ohne jeglichen Schmuck, eine Sitzecke, ein Schrank und ein Fernsehapparat sind die einzigen Gegenstände in dem großen Raum. Das Haus hat noch ein einfach eingerichtetes Schafzimmer. Das Bett neben ihm ist leer. Seine Frau war vor einigen Monaten an Krebs gestorben, er fern der Heimat, ist einsam. Das Einzige was er liebte war seine schöne Frau, die ihm Halt und ein ruhiges Gewissen gab.
Er grübelt, der Brief aus der Heimat treibt ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Seine nassen Hände suchen Halt. Immer wieder versuchte er sie an einem Taschentuch zu trocknen. Kurt atmet tief ein, steht auf, geht durch den weiß getünchten Raum, Tränen stehen ihm in den Augen. Seine Mutter starb an Augenkrebs. Der Vater starb, ohne Kurt noch einmal zu sehen, an dem Männerleiden das Kurt heute heimgesucht hat. Alles wiederholt sich nun in seinem Schicksal.
Kurts Heimat, Tausende Kilometer entfernt von dem Ort, den er nach seiner Flucht vor der Verantwortung, Wahlheimat nannte. Er hatte über dreißig Jahre seine Heimat nicht gesehen, die Geschehnisse des Jahres 1949 verdrängt und alle Liebe und Zuneigung seiner Frau geschenkt, nun holt ihn sein schlechtes Gewissen wieder ein.
Kurt sieht sich als Junge in einer deutschen Großstadt. Die Eltern betrieben im eigenen, vierstöckigen Haus im Zentrum der pulsierenden Stadt, zwei Geschäfte. Die Mutter, Erna Schwarz, gebar ihrem Mann sieben Kinder, sechs Mädchen und einen Jungen. Drei Mädchen waren nach der Geburt gestorben. Die zwei größeren Schwestern Elke und Sabine lernten und arbeiteten im Geschäft der Eltern mit. Das Nesthäkchen Ulla und der einzig Sohn Kurt besuchten die Kaufmannschaft, zu mehr reichten die Einnahmen der Familie nicht.
Kurt Schwarz wurde am 30. April 1926 geboren. An dem Tag, als Hitler auf der Versammlung der NSDAP in Berlin Redeverbot hatte. Ein schwarzer Tag für den Führer und seine Gefolgsleute, dem noch viele, 17 Jahre später folgen sollten. Deutschland hatte zwei Millionen Erwerbslose. Auch Kurts Vater war arbeitslos und ernährte seine Familie als Tagelöhner und Gelegenheitsarbeiter. Des Öfteren fuhr er mit dem heranwachsenden Knaben zu seinem Verwandten in die Laussitz und half den Sorben auf den Feldern. Dadurch brauchten die Familie und Freunde keinen Hunger leiden. Er machte seine Ausflüge zur Geschäftsidee und gründete ein Geschäft das Obst, Gemüse und Lebensmittel anbot. Der Vater träumte davon, dass auf dem Schild über der Ladentür eines Tages die Aufschrift „Inhaber: Alwin Schwarz & Sohn“ hängen sollte. In den Schulferien halfen alle Geschwister bei der Ernte und in der Landwirtschaft auf dem sorbischen Bauernhof. So überlebte die Familie, die schweren Jahre der Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Die Arbeitslosigkeit stieg bis 1931 auf vier Millionen, dazu kamen noch einmal vier Millionen Rentner. Im Jahr 1932 hatte die Arbeitslosigkeit die sechs Millionen Grenze erreicht. Seine Familie ernährte zusätzlich stellungslose Akademiker und unterstützte Armenküchen die wie Pilze aus der Erde wuchsen. Kurt war ein aufgeweckter Junge, der alles wissen wollte, vieles aufschnappte, zur falschen Zeit wiedergab und viele Dummheiten im Kopf hatte. Er belauschte das Damenkränzchen seiner Mutter. Tante Eva bemerkte sarkastisch, “Hitler als Monarch wäre ein Gewinn, er müsste heiraten und einen Kronprinzen zeugen, jedoch als Charmeur und Frauenfeind ist er eine Katastrophe!“
So lief Kurt herum und rief, „Hitler ist eine Katastrophe, dieser Frauenheld!“
Die Mutter konnte ihn noch rechtzeitig beruhigen. Ein anderes Mal glaubte Kurt wieder seinen Senf dazugeben, zu können. Der sechsjährige Hosenmatz stieg auf die Kastanie vorm Nachbarhaus und ärgerte lautstark den buckligen Adolph Meyer.
„Hallo Meyer heute gibt es keine Eier! Rot Front nieder, zu Ostern blüht der Flieder! Heil Hitler Herr Marx!“
Dieses Geschrei veranstaltete Kurt eine geraume Zeit, bis es dem Mann zu viel wurde. Meyer setzte sich unter den Baum und wartete, bis der Junge herunterstieg. Er prügelte besinnungslos auf den Knaben ein, bis Kurts Vater aus dem Geschäft gestürzt kam und den aufgebrachten Mann besänftigte.
Kurt wurde auch als Schulkind nicht vernünftig, Streitigkeiten mit den größeren Schwestern, außer Klein-Ulla, war an der Tagesordnung. Er animierte seine Cousins Peter und Paul zu vielen Dummheiten, immer war die vorwitzige Klein-Ulla dabei. Eines Tages rief Kurt seine Bande zusammen. „Was haltet ihr von Kohle Zielwerfen, das ist eine neue Sportart in Amerika!“
Der neugierige Paul rief sofort, „und wie macht man das?“
Kurt stellte sich wichtigtuerisch in die Mitte. „Aus der Dachwohnung eurer Mutter werfen wir Kohle und Klein-Ulla passt vor dem Haus auf, von wem die Stücke am weitesten springen, derjenige hat gewonnen.“
„Toll, toll!“, riefen alle und stürzten lautstark in die Dachwohnung. Richtig Spaß machte es Peter und Paul erst, als die Kohlevorräte der Mutter alle waren. So ordnete Kurt an, die Kohlen aus der Wohnung der Eltern zu holen, die sein Vater mühevoll herauf getragen hatte. Klein–Ulla zählte die Kohlenstücke, dabei wischte sie sich immer mehr den Kohlestaub ins Gesicht. Rein zufällig sah die Mutter aus dem Geschäft. Sie bemerkte entrüstet ihre Kleinste mit Schmutz verschmiertem Gesicht, in der Mitte der Straße stehend.
„Um Gottes willen, was haben die Großen schon wieder mit Ulla angestellt!“, rief sie bestürzt.
„Bloß gut, dass wir im eigenen Haus wohnen. Wir hätten die Stadt schon durch!“, ergänzte sie verzweifelt. Der Vater, der dazugeeilt war, sah die Schweinerei auf der Straße, hörte die hupenden Autos, sah den schimpfenden Straßenbahnfahrer, der an der Kurbel drehte, um die Bahn vor den Wurfgeschossen zum Stehen zu bringen. Den Vater traf ganz zufällig das letzte mittelgroße Stück, pechschwarzer Kohle. Es war eine sehr belebte Straße, Straßenbahnen und Autos befuhren sie. Die Eltern konnten froh sein, dass kein größerer Schaden, wie die Beule an Vaters Kopf entstanden war. Mit einem Taschentuch am Kopf eilte er in das oberste Geschoss, ihm folgte ein Polizist. Kurt war verschwunden und die gesamte Wut des Vaters traf die Söhne der Schwägerin und Klein-Ulla. Wieder wurden die Eltern für den aufgeweckten Jungen zur Verantwortung gezogen.
Kurts Schulklasse hatte keinen guten Ruf. Um Kurt hatte sich eine böse Rasselbande gebildet. Er zettelte ständig Streiche gegen die Lehrerschaft an.