Drive Me Home - Carly Robyn - E-Book

Drive Me Home E-Book

Carly Robyn

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Beschreibung

Ein Formel-1-Star, dem das Herz gebrochen wurde, eine Collegeabsolventin, die ihren Weg sucht, und verboten heiße Gefühle Charlotte Walker hat ihren Uniabschluss in der Tasche, allerdings keinen Plan, was sie mit ihrem Leben anstellen soll. Während sie dies herauszufinden versucht, begleitet sie ihren Bruder Theo für eine Rennsaison. Gibt es etwas Aufregenderes, als neue Städte zu entdecken und die Welt zu bereisen? Charlotte fällt da nur eines oder besser gesagt jemand ein: Lucas Adler, den Topfahrer von AlphaVite. Schon seit Langem ist sie in den sexy, tätowierten Formel-1-Star verliebt. Die Chemie zwischen ihnen ist unbestreitbar, aber er ist einer der besten Freunde ihres Bruders. Doch wer nichts riskiert, kann auch nicht gewinnen – weder auf der Rennstrecke noch in der Liebe. Mitreißend und unwiderstehlich  – das Finale der TikTok-Trilogie »Drive Me« Die Romane sind auch unabhängig voneinander ein großer Lesespaß.

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Seitenzahl: 494

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Carly Robyn

Drive Me Home

 

Aus dem amerikanischen Englisch von Sybille Uplegger

 

Über dieses Buch

 

 

Lucas behält immer die Nerven und einen kühlen Kopf in seinem Formel-1-Wagen. Doch diese Rennsaison wartet auf Lucas eine echte Herausforderung – und die heißt Charlotte Walker. Mit ihrem sonnigen Wesen, den unglaublichen Kurven und den witzigen Kommentaren heizt sie Lucas ordentlich ein. Denn sie ist die kleine Schwester einer seiner besten Freunde und somit tabu für ihn. Bro-Code-Regel! Lucas musste erst selbst erfahren, was es einen kosten kann, wenn gewisse Grenzen überschritten werden. Aber wie lange kann Lucas der Versuchung noch widerstehen – und ist er bereit, den Preis zu zahlen, wenn er auf sein Herz hört?

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Carly Robyn schreibt Romances mit Herz und Humor. Wenn sie nicht gerade schreibt oder liest, verbringt sie Zeit mit ihrer Familie, scrollt durch TikTok, erkundet die Restaurantszene in Chicago, schaut Formel-1-Rennen, schießt eine Million Fotos von ihren Hunden oder streamt alles, was mit True Crime zu tun hat, während sie Cola light trinkt. Auf Instagram und TikTok ist sie unter @carlyrobynauthor aktiv.

Impressum

 

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

Die Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »Drive Me Home«. Copyright © 2025 by Carly Robyn All rights reserved.

Für die deutschsprachige Ausgabe: © 2025 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt am Main

Redaktion: Christiane Branscheid

Vignetten: freepik.com

Covergestaltung: www.buerosued.de

Coverabbildung: Carly Robin

ISBN 978-3-10-492174-7

 

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Inhalt

[Widmung]

[Hinweis]

Playlist

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Lucas

Charlotte

Danksagung

Für meinen Poppop Arnie.

Eine Liebe wie deine zu Mimi gibt es sonst nur in Romanen.

Anmerkungder Autorin

Dieses Buch ist in einem leichten, humorvollen Stil geschrieben, enthält allerdings stellenweise freizügige Sprache und Bezüge zum Tod eines Elternteils (in der Vergangenheit). Es handelt sich um eine Slow-Burn-Open-Door-Romance mit expliziten sexuellen Inhalten. Ich bitte dies zu beachten!

 

Im Zentrum der Handlung stehen fiktionale Figuren und Ereignisse innerhalb der Welt des Formel-1-Sports; Abweichungen im Grand-Prix-Kalender und bei den Rennstrecken sind beabsichtigt und erfolgen aus erzählerischen Gründen.

Playlist

Lover | Taylor Swift

Vienna | Billy Joel

Espresso | Sabrina Carpenter

What a Girl Wants | Christina Aguilera

Lose Control | Teddy Swims

From Eden | Hozier

Unwritten | Natasha Bedingfield

Beautiful Things | Benson Boone

Stick Season | Noah Kahan

Gorgeous | Taylor Swift

Dancing In The Flames | The Weeknd

Talk Too Much | COIN

Kiwi | Harry Styles

Kapitel 1

Charlotte

Ich hoffe, dass derjenige, der mich da gerade aus meinen Träumen reißt, dazu verdammt ist, für den Rest seines Lebens jeden Morgen im Coffeeshop den falschen Kaffee serviert zu bekommen. Stöhnend ignoriere ich das Schrillen des Hoteltelefons und vergrabe mich tiefer unter meiner Decke. Leider habe ich an der Rezeption darum gebeten, es so lange klingeln zu lassen, bis ich rangehe, deshalb verstummt das grässliche Geräusch nur kurz, ehe es von neuem losgeht.

Ich bin kein Morgenmensch. Ganz und gar nicht. Um ehrlich zu sein, bin ich vollkommen unausstehlich, ehe ich nicht zwei Kaffee intus habe. Minimum. Als ich noch ein Kind war, hat mein Dad mich immer mit »Morgenstund hat Gold im Mund!« geweckt, einfach nur, um mich zu ärgern.

Schweren Herzens verabschiede ich mich von meinem Traum – in dem sich Jason Momoa mit Ryan Reynolds darum geprügelt hat, wer von den beiden mir meine erste Birkin Bag kaufen darf – und melde mich mit einem verschlafenen »’llo?«.

»Guten Morgen, Ms. Walker. Hier ist Khan von der Rezeption mit Ihrem Weckruf.«

»Ja, danke, alles klar«, murmle ich und reibe mir den Schlaf aus den Augen.

Eine kurze Pause tritt ein, ehe er fortfährt: »Soll ich in zehn Minuten noch einmal anrufen?«

Verwirrt hebe ich eine Augenbraue. »Äh, wieso?«

»Um mich davon zu überzeugen, dass Ihr … Wachzustand anhält«, antwortet er unsicher. »Ihr Ehemann hat uns darum gebeten, Ihr pünktliches Erscheinen an der Rennstrecke sicherzustellen. Ihr Wagen steht in dreißig Minuten bereit.«

Mein Magen zieht sich zusammen. So weit kommt’s noch. Ich seufze. »Mein Bruder.«

»Wie bitte?«

»Theodore ist nicht mein Ehemann, sondern mein Bruder.« Mein Zukünftiger ist hoffentlich klug genug zu wissen, dass er besser nicht die Hotelangestellten einspannt, um mich aus dem Bett zu kriegen. »Aber nein, Sie müssen nicht noch mal anrufen. Ich stehe schon auf. Danke.«

»Gut. Dann wünsche ich Ihnen einen wunderschönen Tag, Ms. Walker.«

»Gleichfalls, Khan. Und meinen Fluch in Bezug auf Ihre zukünftigen Kaffeebestellungen nehme ich zurück.«

Sobald ich aufgelegt habe, stoße ich eine Reihe von Kraftausdrücken hervor, die so schillernd sind, dass Shakespeare davon beeindruckt wäre. Dann quäle ich mich aus dem Bett, um mit der Geschwindigkeit eines griesgrämigen, arthritischen alten Mannes meine Morgenroutine zu starten. Nachdem ich mir das Gesicht eingecremt, die Zähne geputzt und meine Locken halbwegs gebändigt habe, gehe ich zu meinem Koffer. Ich ignoriere das AlphaVite-Poloshirt, das mein Bruder mir gegeben hat – dieses fiese Polyester-Teil ziehe ich auf gar keinen Fall an –, und hole drei meiner potenziellen Renn-Outfits heraus, die ich mitgebracht habe. Nach reiflicher Überlegung entscheide ich mich für ein cremefarbenes Midikleid aus Strick. Es ist elegant, lässig und dank des leichten Materials perfekt für das Wetter in Bahrain. Dazu kombiniere ich meine beigefarbenen Nike-Sneaker – ich glaube, offiziell heißt die Farbe »Light Bone«, aber das finde ich schräg, weil es irgendwie … archäologisch klingt. Ich schiebe mein Gepäck auf die andere Seite des Zimmers, damit es auf dem Spiegel-Selfie, das ich für Social Media mache, nicht zu sehen ist. Dann gehe ich nach unten, verlasse das Hotel und steige in das wartende Auto.

Als wir an der dafür vorgesehenen Stelle in der Nähe der Rennstrecke halten, bin ich nur fünfunddreißig Minuten zu spät – ziemlich gut, wenn man bedenkt, dass mich der Jetlag plagt, ich ein ausgewiesener Morgenmuffel bin und generell Probleme mit dem Zeitmanagement habe. Ich setze mir die Sonnenbrille auf und steuere das Drehkreuz am Eingang zum Fahrerlager an. Es ist erst neun Uhr, doch das Sonnenlicht ist bereits gleißend hell.

Ein riesiges Banner mit dem Formel-1-Emblem und diversen Sponsoren-Logos hängt über mir, als ich nach meinem VIP-Ausweis suche. Er ist an einem neonorangefarbenen Schlüsselband befestigt, sollte daher also nicht schwer zu finden sein. Dummerweise trage ich eine Reinkarnation von Mary Poppins’ Reisetasche mit mir herum. Hübsche kleine Clutches sind nichts für mich. O nein. Bei manchen Fluggesellschaften gilt meine Tasche schon als Handgepäckstück.

Als ich den Ausweis endlich gefunden habe, halte ich ihn vor den Scanner. Das Licht am Drehkreuz leuchtet grün und gewährt mir Zutritt. Das Fahrerlager, hinter der Boxengasse gelegen, ist Arbeitsplatz und Sich-sehen-lassen-Meile zugleich. Hier erledigen die Formel-1-Teams und ihre Mitarbeiter einen Großteil ihres Jobs, aber auch Sponsoren, Reporter und geladene Gäste tummeln sich dort vor und nach den Events eines Rennwochenendes. Die genaue Anordnung des Fahrerlagers unterscheidet sich je nach Veranstaltungsort, aber egal, wo man ist, es gleicht immer einem millionenschweren Minidorf.

Lächelnd gehe ich den Hauptweg entlang zum AlphaVite Motorhome und lasse die Umgebung auf mich wirken. Der große Preis von Bahrain ist weiß Gott nicht mein erstes Rennen. Meinen ersten Grand Prix habe ich im zarten Alter von acht Monaten besucht, und seitdem tue ich es jedes Jahr. Wie immer versetzen mich der leichte Geruch von Motoröl und das Mosaik der verschiedenen Teamfarben in gute Laune. Reporter bauen ihre Kameras und sonstige Ausrüstung auf, diverse Formel-1-Mitarbeiter begleiten Sponsoren zu den Besucherlounges, wo es Champagner und Kaviar gibt, und Mitglieder der einzelnen Teams eilen zu Meetings in ihre jeweiligen Motorhomes.

Die Fassade des AlphaVite-Motorhomes ist schiefergrau mit großen, getönten Fensterscheiben und dem allseits bekannten Blitz-Logo über dem Eingang. Im Erdgeschoss befinden sich ein paar Büros, wobei ein Großteil der Räumlichkeiten von der Cafeteria eingenommen wird, in der zahlreiche Mitarbeiter im typischen Kobaltblau des Rennstalls gerade ihr Frühstück genießen. Die privaten Suiten der Fahrer liegen normalerweise im ersten Stock, also nehme ich, ohne meine Schritte zu verlangsamen, die Treppe nach oben. Mein Fuß hat soeben die letzte Stufe berührt, als die dröhnende Stimme meines Bruders durch den Flur schallt. Ich würde mich beschweren, wenn ich nicht genauso laut wäre.

Ich überlege ungefähr eine halbe Sekunde lang, ob ich anklopfen soll, aber dann denke ich mir: Scheiß drauf, und gehe einfach rein. Theo sitzt breitbeinig auf dem kleinen Sofa und unterhält sich lebhaft am Handy. Seinem breiten Grinsen nach zu urteilen, muss seine Freundin am anderen Ende sein. Ich habe wirklich großes Glück mit meiner zukünftigen Schwägerin und sage meinem Bruder bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass das Beste, was ihm im Zusammenhang mit der Formel 1 jemals passiert ist, nicht die Weltmeistertitel sind, die er gewonnen hat. Sondern Josie. Sie hat in der Marketingabteilung von McAllister gearbeitet, für die er bis vor kurzem noch gefahren ist, und im Laufe des letzten Jahres ist aus einer langjährigen Freundschaft eine ebenso herzerwärmende wie ekelhaft kitschige Liebesgeschichte geworden.

»Charlotte ist endlich da«, sagt er ins Telefon.

Bei dem Wort endlich verdrehe ich die Augen. Ich weiß genau, dass er nicht herumgesessen und Däumchen gedreht hat.

»Ja«, fährt er fort. »Okay, klar. Du fehlst mir auch. Ich rufe dich später noch mal an, einverstanden? Mm-hmm. Liebe dich, Angel.«

Er beendet die Verbindung und begrüßt mich mit einem herzlichen »Du solltest echt anklopfen«.

»Und du solltest ›Worcestershire‹ nicht so aussprechen, als wäre es ein Hobbit-Dorf aus Herr der Ringe«, entgegne ich achselzuckend. »Aber die Dinge sind nun mal so, wie sie sind.«

Sein Kopf schnellt zu mir herum, und er runzelt die Stirn. »Wo ist das Poloshirt, das ich dir besorgt habe?«

»Ich trage grundsätzlich keinen Team-Merch«, teile ich ihm mit, ehe ich mich auf die Tischkante hocke.

Ich liebe Mode, seit ich die allererste Folge von Sex and the City gesehen habe. Die Affären oder Dates, die Miranda, Charlotte, Samantha und Carrie mit den Männern von Manhattan hatten, haben mich nie interessiert. Nein, für mich waren die einzig relevanten Liebesaffären die zu Stoffen, der berühmten Baguette Bag von Fendi und all den tollen Boutiquen. Wie Rachel Zoe einst sagte: »Stil ist eine Art, auszudrücken, wer man ist, ohne etwas sagen zu müssen.« Sosehr ich das Team meines Bruders auch unterstütze, auf ihre schlecht geschnittenen, kratzigen Poloshirts kann ich verzichten.

»Bist du bereit fürs Rennen?«, frage ich. Ich habe heute keine Lust, über Klamotten zu diskutieren. »Wie geht’s dir?«

»Schau nicht so besorgt, Lottie.« Er lacht. »Klar, es ist ein bisschen beängstigend, für ein neues Team zu starten, aber meine Fans sind meine Fans, ganz egal, welche Farbe ich trage.«

»Stimmt«, sage ich gedehnt. Für mich ist es immer ein bisschen seltsam, seinen verzückten Fans zu begegnen. Aber es kommt ständig vor, dass jemand Theo auf der Straße anspricht und ein Autogramm oder ein Selfie von ihm will.

Er zwinkert mir zu. »Wenn ich mutig genug war, deine Windeln zu wechseln, als du klein warst, werde ich hiermit garantiert auch klarkommen.«

Ich schüttle den Kopf. »So ein Schwachsinn, Theodore. Einmal hast du beim Babysitten sogar die Notrufnummer des Jugendamts angerufen, weil ich mich übergeben hatte und du dich so sehr geekelt hast, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest.«

»Aber doch nur weil …«

»Morgen, Roo«, erklingt eine Stimme von der Tür her. Kurz darauf betritt ein griechischer Gott den Raum. Lucas Adler, der beste Freund meines Bruders und ein Mann, in den ich verknallt bin seit … na ja, eigentlich seit immer. Sehnsüchtig betrachte ich seine athletische Gestalt, als wäre er ein exquisiter Wein und ich eine weltbekannte Sommelière. Seine unordentlichen blonden Locken fallen ihm in die Stirn, und das Sonnenlicht, das durchs Fenster hereinscheint, bringt die goldenen Sprenkel in seinen flaschengrünen Augen zum Leuchten. Ich muss mich am Riemen reißen, um mir nicht genüsslich die Lippen zu lecken.

Als Lucas, der ebenfalls für AlphaVite fährt, mich ansieht, grinst er träge, so dass um seine Augen herum lauter kleine Fältchen sichtbar werden.

Er hat angefangen, mich Kangaroo zu nennen, als ich noch ein Kind war, weil ich ständig wie das australische Wappentier durch die Gegend gesprungen bin, und im Laufe der Jahre hat sich daraus die Kurzform Roo entwickelt.

Ich spüre, wie mir eine verräterische Röte ins Gesicht steigt, als ich ihm winke. »Hi.«

»Theo hat gesagt, dass du kommst, deshalb habe ich dir einen Kaffee und ein Croissant mitgebracht. Falls dein Blutzuckerspiegel zu hoch ist, kannst du sie ja für später aufheben.« Er hält mir einen AlphaVite-Kaffeebecher und eine weiße Papiertüte hin. »Doppelter Espresso mit Milchschaum und zwei Portionen zuckerfreiem Vanillesirup, richtig?«

Es hat keinen Sinn, mich an einem koketten Lächeln zu versuchen, dafür freue ich mich viel zu sehr. Also grinse ich von einem Ohr zum anderen. »Du weißt, wie ich meinen Kaffee trinke?«

Seine Wangen bekommen einen rosigen Hauch. Es ist wahnsinnig süß zu sehen, wie dieser erwachsene Mann mit einem Körper voller Tattoos und jeder Menge Ringe an den Fingern rot wird. Ich nehme mir vor, in Zukunft häufiger dafür zu sorgen.

Er tritt zu mir und reicht mir den Kaffee. Ich fühle die Wärme des Getränks durch das Styropor. »Wahrscheinlich habe ich einfach nur ein gutes Gedächtnis.«

Ich trinke einen Schluck und seufze wohlig, als der vertraute Geschmack meinen Mund erfüllt. Meine Eierstöcke führen vor lauter Dankbarkeit einen Cancan auf. »Du bist der Beste. Ungelogen. Wenn ich nicht schon eine Liste mit Babynamen auf meinem Handy hätte, würde ich dir erlauben, den Namen für mein Erstgeborenes auszusuchen.«

Oder mein Erstgeborenes zu zeugen.

»Was ist mit dem zweiten Vornamen?«, entgegnet Lucas lachend.

Ich hebe den Becher an die Lippen, um mein Lächeln zu verbergen, und nicke. »Dafür wäre ich offen.«

Ich habe in meinem Leben schon so manche nicht besonders intelligente Entscheidung getroffen: Ich habe meinem Ex geglaubt, als er sagte, ich müsse mir wegen dieser einen Frau keine Sorgen machen. Ich habe gedacht, ich könnte Low Rise Jeans tragen. Ich habe mir einen Pony schneiden lassen und einen Vertrag für ein teures Fitnessstudio abgeschlossen, in der Hoffnung, das würde mich dazu motivieren, mehr Sport zu treiben. Die Liste ist länger als mein Kassenzettel, wenn ich in der Drogerie gewesen bin. Aber mit meinem Bruder für die Dauer dieser Formel-1-Saison um die Welt zu reisen, während ich herauszufinden versuche, was ich mit meinem Leben anfangen will, gehört definitiv nicht dazu. Wenn man bedenkt, dass ich meine Wochenenden mit Lucas Adler verbringen darf, war es womöglich sogar die klügste Entscheidung meines bisherigen Lebens.

Kapitel 2

Lucas

Wenn meine Mutter eins gut kann, dann mir ein schlechtes Gewissen machen. Sie schmiert mir ihre Enttäuschung so dick aufs Brot wie Frischkäse auf einen Everything-Bagel. Als ich in meiner Jugend das erste Mal abends nicht zur vereinbarten Zeit nach Hause kam, war die Standpauke, die sie mir hielt, so ausführlich und beängstigend, dass ich mich danach nie wieder verspätete. Meine Brüder und ich nennen solche Ansprachen immer ihre »Oscar-Reden«, weil sie dem einen oder anderen damit durchaus schon mal Tränen in die Augen getrieben hat – wenngleich es keine Tränen der Rührung waren.

Ich habe mich bereits zweimal dafür entschuldigt, dass ich so schwer zu erreichen bin, aber ironischerweise hat sie kaum anerkannt, dass ich jetzt in diesem Moment mit ihr telefoniere. Weil ich weiß, dass es das Beste ist, einfach abzuwarten, bis sie sich wieder beruhigt hat, mache ich es mir auf der Couch in meiner Suite gemütlich. Es ist unmöglich zu sagen, wie lange das Ganze dauern wird, und nachdem ich eine Woche lang nicht auf ihre Anrufe reagiert habe, möchte ich sie jetzt ungern abwürgen.

»Ich habe Wichtigeres zu tun, als dir hinterherzutelefonieren, als würde ich dir irgendwas andrehen wollen«, bringt sie schnaubend hervor. Ich muss sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie eine Hand in die Hüfte gestemmt hat und im Wohnzimmer auf und ab geht. »Ist es so schwer, ans Telefon zu gehen, wenn die eigene Mutter anruft? Sechsunddreißig Stunden lag ich mit dir in den Wehen, und ich rede öfter mit deiner Mailbox als mit dir.«

»Mom …«

»O nein, nein, nein. Komm mir bloß nicht so, Lucas Noah Adler. Es ist über eine Woche her, seit wir uns zuletzt gesprochen haben. Und du antwortest fast nie auf meine Textnachrichten.«

Vielleicht weil ihre Textnachrichten sich auf »Hi« oder »Vermisse dich« beschränken und keinerlei wichtige Informationen enthalten – wobei ich diese Meinung wohlweislich für mich behalte. Erst als sie endlich Luft holen muss, erinnere ich sie vorsichtig: »Es ist Saisonbeginn, Ma, und ich habe wahnsinnig viel zu tun. Aber es tut mir leid, okay? Ich versuche, mich künftig häufiger zu melden.«

»Hm.« Doch gleich darauf wird ihr Tonfall sanfter. »Ich mache mir Sorgen um dich, weil du so weit weg bist. Ich höre einfach gern deine Stimme. Dann weiß ich, dass es dir gutgeht.«

»Ich weiß«, antworte ich, und mir wird das Herz ein wenig schwer. Ich höre ihr an, dass sie es ernst meint. Ich drehe den silbernen Ring an meinem Mittelfinger. »Ich verspreche dir, mich zu bessern und öfter ans Telefon zu gehen.«

»Gut«, sagt sie. »Dann wäre das ja geklärt. Und? Hast du schon nach Flügen geschaut?«

Ich lasse den Kopf gegen die Rückenlehne der Couch sinken. Das ist der Grund, weshalb ich ihre Anrufe ignoriert habe. »Ja. Wahrscheinlich könnte ich im Mai oder Juni nach Hause kommen.«

Sie gibt ein durchdringendes Summen von sich wie der Buzzer in einer Gameshow. Es ist so laut, dass ich unwillkürlich zusammenzucke und das Handy von meinem Ohr weghalte.

»Nein. Falsche Antwort«, sagt sie. »Du wirst kommen. Wann warst du zuletzt hier? Letzten Sommer?«

»Wir haben uns doch erst im Dezember gesehen.«

Sie und mein Dad haben mich in Monaco besucht. Wir waren eine Woche lang segeln so wie früher während meiner Kindheit vor Cape Cod. Als einer von fünf Brüdern habe ich meine Eltern nicht oft für mich allein, aber sie geben sich Mühe, und ich werde ihre Anwesenheit nie als selbstverständlich betrachten.

»Tu nicht so«, sagt sie verschnupft. Ich sehe sie bildlich vor mir, wie sie mit vorgerecktem Kinn mitten im Zimmer steht. »Es wird höchste Zeit, dass du mal wieder länger als für ein oder zwei Tage nach Hause kommst.«

Bei dem Gedanken spüre ich ein Engegefühl in der Brust. »Das ist alles nicht so einfach, wie du denkst, Ma. Ich habe Verpflichtungen, und weil die Saison gerade …«

»Das weiß ich doch, Schatz«, unterbricht sie mich mit einem Seufzer. »Aber es würde uns wirklich viel bedeuten, wenn du dir hin und wieder die Zeit nehmen würdest, nach Hause zu kommen. Vor allem mir. Die ganze Familie kommt im Mai nach Montréal zum Grand Prix. Was, wenn du danach mit uns zurückfährst? Du könntest eine Woche bei uns bleiben. Du fehlst uns allen so sehr.«

Ich lasse den Kopf hängen und seufze niedergeschlagen. Ich bin niemand, der vor anderen seine schmutzige Wäsche wäscht, deshalb weiß meine Mutter nicht, warum ich es in den letzten Jahren vermieden habe, nach Boston zu kommen. Will ich sehen, wie mein Bruder Jesse meine Exfreundin datet? Die Exfreundin, mit der ich gerne wieder zusammengekommen wäre? Nein. Ich würde behaupten, das ist ein ziemlich guter Grund, meiner Heimatstadt fernzubleiben.

Aber Mom hat natürlich recht, es ist viel zu lange her, dass ich Zeit mit der Familie verbracht habe. Wenigstens mit denjenigen Familienmitgliedern, die ich gerne wiedersehen würde. Also lenke ich ein. »In Ordnung. Ich schaue mal, was mein Team da machen kann.«

»Mehr verlange ich ja gar nicht«, sagt sie zufrieden. »Es ist so schön, wenn alle meine Jungs mal wieder zu Hause sind.«

Ich lasse die Schultern hängen. Boston hat sich schon lange nicht mehr wie mein Zuhause angefühlt, doch das verrate ich ihr nicht.

»Dann will ich dich jetzt nicht länger aufhalten«, meint sie. »Viel Glück heute, mein lustiger Löwe. Wir feuern dich an.«

Als ich den peinlichen Spitznamen höre, muss ich mir eine Grimasse verkneifen. Wir haben alle einen: Grayson die gutmütige Giraffe, Lucas der lustige Löwe, Jesse der juchzende Jaguar, Ezra der elegante Elefant (ihn hat es mit Abstand am härtesten getroffen) und Finn der flinke Fuchs. »Danke, Ma. Hab dich lieb.«

Sobald ich aufgelegt habe, schreibe ich meinem Manager Mitchell und meiner Assistentin Natalie eine Textnachricht, in der ich sie bitte, die entsprechenden Vorkehrungen für die Reise zu treffen. Jetzt kann ich keinen Rückzieher mehr machen.

Um das Gespräch zu vergessen, schlüpfe ich in meinen maßangefertigten Rennanzug, der mit Sponsoren-Logos vollgepflastert ist. Den Reißverschluss ziehe ich vorerst nur zur Hälfte zu, denn darunter trage ich noch das obligatorische feuerabweisende Unterhemd. Es ist heiß draußen, und ich muss tun, was ich kann, um nicht zu überhitzen.

Mein Helm ist farblich auf den Anzug abgestimmt, auch wenn er an den Seiten ein paar hellblaue Akzente, eine amerikanische Flagge und meine Glückszahl 17 trägt. Eine Seite ist voller Kratzer vom Training, aber genau wie die Tattoos an meinen Armen und Beinen erzählt jede einzelne dieser Schrammen eine Geschichte.

Als ich in die Box komme, nehme ich mir zunächst einen Moment Zeit, um die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen. Mechaniker und Ingenieure kontrollieren die Einstellungen an meinem Fahrzeug, prüfen den Reifendruck und justieren jedes noch so kleine Detail an meinem schnittigen Boliden. Das entfernte Dröhnen von Motoren erfüllt die Luft und begrüßt mich wie ein alter Freund. Ich nicke Bekannten zu und wechsle ein paar Worte mit ihnen, ehe ich Kurs auf Charlotte nehme, die neben meinem Renningenieur steht und sich von ihm irgendetwas erklären lässt.

Sie hat Kurven an all den richtigen Stellen, und das dunkelbraune Haar – ein starker Kontrast zu ihrer hellen Haut und den blauen Augen – reicht ihr bis über die Schultern. Die Wangen in ihrem herzförmigen Gesicht sind von Natur aus immer leicht gerötet. Rein objektiv betrachtet, kann ich vollkommen verstehen, dass sie die Saison bei AlphaVite verbringt. Warum sollte sie nicht die Gelegenheit nutzen, um die Welt zu reisen, während sie sich Gedanken über ihre Zukunftsplanung macht? Aber subjektiv? Das ist eine ganz andere Geschichte.

Theo ist ein lockerer Typ, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt – ganz im Gegensatz zu Blake. Wenn er allerdings wüsste, dass ich insgeheim auf seine kleine Schwester stehe, würde er garantiert ausrasten. Jesse sei Dank weiß ich nur zu gut, dass ein Bruch des Bro-Codes eine Freundschaft zerstören kann, und ich werde nicht mein Verhältnis zu Theo riskieren, nur weil seine Schwester ein Lächeln hat, das mich dazu bringen könnte, zu allem ja zu sagen, ihr Lachen samtiger und wärmer ist als im Eichenfass gereifter Whiskey und ich mich danach sehne, ihren ganzen Körper mit der Zunge zu erkunden.

Ich atme langsam aus, um die Gedanken abzuschütteln, dann trete ich zu Charlotte und begrüße sie, indem ich sanft an einer ihrer Locken ziehe.

Sie wirbelt mit einem missmutigen Stirnrunzeln herum, doch sobald sie sieht, wer vor ihr steht, verziehen sich ihre Lippen zu einem Lächeln.

»Ach, du bist es«, sagt sie und winkt. »Hallo. Bist du bereit?«

»Komm schon.« Ich stoße ihr den Ellbogen in die Seite. »Am Renntag bin ich immer bereit.«

»Dachte ich mir. Ich fand es nur höflich zu fragen.«

Ihre blauen Augen funkeln. »Mein Fantasy-Team und ich zählen übrigens darauf, dass du heute rasierst.«

Ich lache leise. »Wie heißt denn dein Fantasy-Team? Walker this Way?«

Das breite Grinsen, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitet und ihre Grübchen zum Vorschein bringt, wärmt mich von innen heraus. Ich habe das Gefühl, das Rennen bereits gewonnen zu haben, dabei hat es noch nicht mal angefangen.

»Nein, es heißt Holy-Walker-Moly, aber deine Idee ist auch nicht schlecht. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten. Walker on the Wild Side,Walker-ness Monster. Oh! Oder Walker on Sunshine. Ein Klassiker, aber immer gut.«

»Wow. Im Vergleich dazu war mein Vorschlag ja ziemlich unspektakulär.«

»Auch nicht schlimmer als deine Crocs«, neckt sie mich und mustert mit hochgezogenen Brauen meine Füße, obwohl ich meine Lieblingslatschen heute gar nicht trage. »Hey, Crocs sind lässig und bequem.« Ich wackle mit den Augenbrauen. »Außerdem darfst du dich nicht über jemanden lustig machen, der weiß, wie du deinen Kaffee trinkst. Kennst du die Regel nicht?«

Wieder tauchen diese Grübchen auf. »Ach ja? Ich rede so viel, da ist es schön zu wissen, dass jemand zuhört.«

Ich werde ihr ganz sicher nicht gestehen, dass ich mich an so ziemlich alles erinnere, was Charlotte Walker jemals zu mir gesagt hat – schon lange bevor ich anfing, mehr in ihr zu sehen als Theos Schwester. Ich weiß, dass sie ihren Toast am liebsten leicht verbrannt mag, sie es nicht leiden kann, wenn Fuß- und Fingernägel in derselben Farbe lackiert sind, und dass sie als Spielfigur beim Monopoly immer die Handtasche nimmt.

Ehe ich mir eine geistreiche Erwiderung einfallen lassen kann, stößt unser Teamchef David Green ein lautes Pfeifen aus, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Er steht mit Theo einige Meter hinter Charlotte draußen in der Boxengasse.

Aha. Es ist Zeit für seine Motivationsrede, oder wie ich sie mittlerweile nenne: seine »Al Pacino in An jedem verdammten Sonntag«-Nummer.

»Viel Glück da draußen«, sagt Charlotte und drückt sanft meinen Oberarm.

»Dir auch«, erwidere ich und verziehe gleich darauf das Gesicht, als mir klarwird, wie sinnbefreit das war. O Gott. »Ich meine … viel Spaß beim Zuschauen.«

Was redest du da?

Charlotte legt den Kopf in den Nacken und lacht. »Holy-Walker-Moly will, dass du ordentlich Punkte holst, also reiß dich zusammen, Adler.«

Wenn ich die ganze Saison in ihrer Nähe verbringen will, muss ich mich definitiv zusammenreißen.

Kapitel 3

Charlotte

Ich bin kaum athletisch genug, um meine Brüste in einen Sport-BH zu zwängen, während mein Bruder ein mehrere Millionen Dollar teures, 375 Stundenkilometer schnelles Auto steuert, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Die Wunder der Genetik versetzen mich immer wieder in Erstaunen. Auf dem Monitor verfolge ich, wie Theo vor einer Haarnadelkurve die Geschwindigkeit erst spät drosselt, um dann erst im letzten Moment das Lenkrad herumzureißen.

Mir stockt der Atem, als die in Echtzeit aus dem Cockpit übertragenen Fahrzeugdaten anzeigen, wie der Bremsdruck in die Höhe schnellt, was darauf hindeutet, dass auf seinen linken Vorderreifen eine extrem starke Belastung ausgeübt wird, als Theo in die Kehre schießt.

Als er nach der Haarnadelkurve wieder auslenkt und seinem Konkurrenten von Ithaca, der einige Sekunden Vorsprung hat, immer näher kommt, klatsche ich vor lauter Aufregung in die Hände.

»Super gemacht«, lobt David meinen Bruder über Funk. »Nach Kurve elf stell auf der Geraden den Heckflügel flach.«

Ich rücke meine klobigen Noise-Cancelling-Kopfhörer zurecht, ehe ich mich einem anderen Monitor zuwende. Auf jedem ist ein anderer Teil der Rennstrecke zu sehen. Das ist einer der Vorteile, wenn man sich das Rennen von hier aus anschaut statt von der Tribüne.

Als ich noch jünger war, habe ich immer lieber auf den Rängen gesessen. Mein Dad hatte sich schon vor meiner Geburt aus dem aktiven Rennsport zurückgezogen, aber er ist jedes Jahr mit mir zum Großen Preis von Melbourne gefahren. Obwohl er früher mal Weltmeister gewesen war, saßen wir wie ganz normale Leute mit den anderen Fans auf der Tribüne, haben Popcorn und Süßigkeiten gegessen und den Fahrern zugejubelt, die unten vorbeirasten. Ohne ihn ist es irgendwie nicht mehr dasselbe, deshalb schaue ich mittlerweile fast immer von der Box aus zu.

»Gutes Rennen bislang, was?«

Ich blicke in die Richtung, aus der die tiefe Stimme gekommen ist, und muss den Kopf in den Nacken legen, denn der Mann, der auf mich zukommt, ist so groß wie ein Nationaldenkmal. Im Ernst. Er muss über zwei Meter groß sein. Und sein dreiteiliger dunkelgrauer Anzug ist garantiert maßgeschneidert, denn seine breiten Schultern würden einen Anzug von der Stange sprengen. Guter Gott, er muss als Riesenbaby auf die Welt gekommen sein. Ich erschauere, als ich an seine arme Mutter denke, die ihn rauspressen … konzentrier dich, Charlotte!

»Äh, ja. Sieht so aus, als würde es einer aus dem Team aufs Treppchen schaffen«, antworte ich, während ich mir das Hirn nach seinem Namen zermartere. Theo hat mich am Tag meiner Ankunft jedem Teammitglied vorgeführt, als wäre ich ein Zirkuspony, und die meisten Namen habe ich mir auch gemerkt, aber bei ihm ist mein Kopf völlig leer. Eigentlich erstaunlich. Jemand von seiner Körpergröße müsste einem doch im Gedächtnis bleiben.

Er streckt mir die Hand hin. »Mitchell Abramson.«

»Lucas’ Mom-ager«, stoße ich hervor und schüttle ihm kräftig die Hand.

»Mom-ager?«

Hitze kriecht mir den Hals hinauf, aber ich schenke ihm ein zaghaftes Lächeln. »Dad-ager wäre vermutlich richtiger, aber Mom-ager lässt sich etwas leichter aussprechen.« Ich zucke mit zur Seite geneigtem Kopf die Achseln. »Natürlich ist er nicht Ihr Kind, aber Sie managen ihn, und ich glaube, Sie kennen sich, seit er zwölf ist? Als er die US-Kart-Meisterschaft gewonnen hat, haben Sie sein Potenzial erkannt, also haben Sie die Rolle als sein Vormund übernommen, damit er um die Welt reisen und auch an internationalen Rennen teilnehmen konnte und so weiter und so fort, richtig?«

Er mustert mich einen Moment lang mit nach unten gezogenen Mundwinkeln. »Woher wissen Sie das alles?«

»Das steht auf Lucas’ Wikipedia-Seite«, antworte ich und beuge mich verschwörerisch zu ihm. »Als sein größter Fan lese ich die jeden Tag durch und suche nach neuen Infos. Wussten Sie, dass er das rote Gatorade lieber trinkt als das blaue – ein absoluter Frevel in meinen Augen – und dass er allergisch gegen Daunenkissen ist?« Langsam blinzelnd schüttle ich den Kopf. »Nicht gerade die coolste Allergie für jemanden, der am liebsten Lederjacken trägt. Aber ich will mir da kein Urteil anmaßen.«

Das ist gelogen. Ich maße mir absolut ein Urteil an.

Mitchells Brauen verschmelzen fast mit seinem Haaransatz. »Sie … Moment mal, was?«

»Ich nehme Sie auf den Arm, Mitchell«, sage ich grinsend und gehe wieder auf Höflichkeitsabstand. »Ich weiß das alles, weil er es mir erzählt hat. Was denn sonst?«

Obwohl ich mir gut vorstellen kann, dass man einige dieser Infos auch online finden würde. Lucas ist der einzige amerikanische F1-Fahrer und somit eine Art Einhorn. Die meisten Amerikaner sind eher Fans von NASCAR oder IndyCar, denn um es in der Formel 1 zu etwas zu bringen, muss man viel Zeit in Europa verbringen und dort an Kart-Meisterschaften und Single-Seater-Rennen teilnehmen. Zum Glück für Lucas hat Mitchell sein Talent früh erkannt. Und jetzt sind wir hier.

»Sie sind Theos Schwester.« Mitchell schnippt mit den Fingern und zeigt auf mich.

»Charlotte«, korrigiere ich ihn, wenngleich weniger giftig als sonst. Schließlich habe ich ihn gerade eben als Lucas’ Mom-ager bezeichnet.

Ganz im Ernst, wenn ich für jedes Mal, dass mich jemand »Theos kleine Schwester« oder »die andere Walker« nennt, einen Penny bekäme, dann … na ja, dann wäre ich zwar nicht unbedingt reich, aber ich könnte mir definitiv die Anzahlung auf eine Classic Flap Bag von Chanel leisten. Ich stehe schon mein ganzes Leben im Schatten von Theos Erfolg. Nicht, dass ich ihm seine Karriere missgönnen würde – aber es ist schwer, in seine Fußstapfen zu treten, wenn ich weiß, dass ich mir beim bloßen Versuch sofort den Knöchel verstauchen würde. Meine Familie hat mir nie das Gefühl gegeben, weniger wert zu sein als er, aber wie soll ich jemals mit einem Mann mithalten, der genauso extrovertiert ist wie ich und dessen Name und Talent darüber hinaus auf der ganzen Welt bekannt sind?

Mitchell nickt. »Richtig. Charlotte. Lucas hat erwähnt, dass Sie Ihren Bruder diese Saison begleiten.«

Bei diesen Worten kann ich meine Irritation nur noch mühsam zurückhalten und rümpfe die Nase. »Begleiten – das klingt so unselbständig. Ich ziehe es vor zu sagen, dass ich ihn ausnutze, um mich einmal um die ganze Welt essen, trinken und shoppen zu können.«

Mein trockener Ton entlockt ihm ein kleines Schnauben. Ich schäme mich nicht dafür, dass ich Zeit brauche, um Ordnung in mein Leben zu bringen, aber ich schulde weder ihm noch sonst jemandem eine Erklärung. Und obwohl Theo mir finanziell unter die Arme greift, tut er dies nur, weil er selbst darauf bestanden hat. Das ist kein Witz. Als ich versucht habe, mit meiner eigenen Kreditkarte ein Hotelzimmer zu buchen, hat er drei Wochen lang nicht mit mir gesprochen. Mein Bruder ist der einzige Mensch auf der Welt, der noch störrischer sein kann als ich.

Mitchell nickt und verzieht die Mundwinkel nach oben. »Wenn mir die blauen Augen und das Lächeln nicht aufgefallen wären, hätte ich es definitiv an Ihrem Charme gemerkt. Die Walkers fliegen nicht unter dem Radar, das steht mal fest.«

Ich muss mir ein Schmunzeln verkneifen. »Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber Sie auch nicht. Sie sind wie der Mount Everest auf zwei Beinen.«

Als er den Kopf in den Nacken legt und dröhnend lacht, übertönt er mühelos den Lärm in der Box. »Sie meinen, weil ich so groß bin?«

»Äh, ja. Wenn ich Sie besteigen wollte, würde ich wahrscheinlich eine Sauerstoffmaske brauchen.«

Er gibt einen erstickten Laut von sich, und abermals schnellen seine Augenbrauen in die Höhe.

Erst jetzt wird mir klar, was ich da unbeabsichtigt gesagt habe. »Nicht, dass ich Sie besteigen wollen würde«, füge ich mit gespielter Nonchalance hinzu, auch wenn sich mein Magen verkrampft. »Nichts für ungut, aber Sie sind zu alt für mich, und ein Vaterkomplex wäre nun doch ein bisschen zu viel des Guten. Ich meinte damit lediglich, dass ich eine ganze Weile brauchen würde, bis ich oben angekommen bin.«

Einen Moment lang starrt Mitchell mich einfach nur an, ehe er lachend den Kopf schüttelt. »Ich kannte Ihren Vater, als er noch für McAllister gefahren ist.«

Auf einmal werde ich hellhörig. »Wirklich?«

»Ja. Damals habe ich für den Manager seines Partners gearbeitet«, bekennt er mit einem kleinen Lächeln. »Er war ein toller Mann. Immer freundlich.«

»Ja«, sage ich und muss ebenfalls grinsen. Die Formel 1 ist ein unauslöschlicher Teil unserer Familiengeschichte. Für meinen Vater war der Sport der Mittelpunkt seines Lebens. Für Theo grenzt er an Obsession. Für mich persönlich nimmt er keine so bedeutende Stellung ein, aber ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht auch deshalb beschlossen habe, Theo während seiner ersten Saison bei AlphaVite zu begleiten, weil ich den Zauber der Formel 1 hautnah erleben wollte.

Als unsere Unterhaltung ins Stocken gerät, richten wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Monitore und bekommen den Moment mit, in dem der Everest-Fahrer Harry Thompson Lucas in einer Rechtskurve überholt.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass der Rest des Rennens hochspannend verläuft, aber dem ist leider nicht so. Blake Hollis, der beste Freund und ehemalige Teampartner meines Bruders, verteidigt bis zum Ende erfolgreich seine Spitzenposition. Theo hat Mühe, den Fahrer vor ihm zu überholen, und Lucas und Harry kämpfen um den zweiten Rang, wobei Lucas in der vorletzten Runde das Nachsehen hat.

Voller Stolz sehe ich zu, wie mein Bruder aus seinem Wagen steigt und den Fans hinter der Barriere zuwinkt, ehe er seinem Team für die gute Arbeit dankt. Nach außen hin lässt er sich nichts anmerken, aber ich weiß genau, dass er mit seiner Leistung nicht zufrieden ist. Solange er nicht auf dem Treppchen steht und einen Pokal in den Händen hält, findet er, dass er nicht gut genug war. Ich selbst entwickle nur bei Brettspielen einen gewissen Ehrgeiz, deshalb kann ich mir nicht ansatzweise vorstellen, unter welchem Druck man stehen muss, wenn es um echte Millionenbeträge geht, nicht bloß um Monopoly-Geld.

Theo gratuliert den anderen Fahrern und signiert ein paar Baseballkappen, ehe er mich zu sich winkt. »Das einzig Gute daran, dass du kein Blau trägst, ist, dass man dich sofort sieht.«

Ich tue meinen Unmut durch ein halblautes Grummeln kund, während ich ihn flüchtig umarme. Er ist verschwitzt, und ich kann schon meinen eigenen Schweiß nicht ausstehen – daher auch meine Abneigung gegen jede Art von Sport. Seinen will ich ganz sicher nicht am Körper haben.

»Du bist gut gefahren.«

Er zieht die Brauen zusammen, und ein Anflug von Enttäuschung huscht über sein Gesicht. »Wohl kaum. Aber trotzdem danke.«

»Für einen fünften Platz kriegt man trotzdem Punkte«, rufe ich ihm ins Gedächtnis. »Und es war das erste Rennen. Du hast noch viel Zeit, um es aufs Treppchen zu schaffen.«

»Ja, wahrscheinlich«, murmelt er. »Aber ich hätte aggressiver fahren sollen.«

»Grrr«, mache ich im Scherz.

Das bringt mir ein Lächeln von ihm ein, und diesmal ist es echt. »Du spinnst! Ich rufe schnell Jos an, bevor alle kommen und Interviews haben wollen. Kommst du klar?«

Ich recke einen Daumen in die Höhe. »Du musst dich nicht um mich kümmern, Theo. Ich finde mich allein zurecht.«

»Alte Angewohnheit«, meint er lachend. »Dann bis später.«

Als er losgeht, um seine Freundin anzurufen, wende ich mich dem Mann zu, den ich bereits während der letzten Viertelstunde heimlich beobachtet habe. Es wäre auch schwer, Lucas nicht zu bemerken. Er ist nicht brummig wie Blake oder laut und extrovertiert wie mein Bruder, aber trotzdem zieht er alle Blicke auf sich. Er steht neben seinem Auto und unterhält sich gerade mit einem Reporter mit ESPN-Mikrophon in der Hand.

Weil ich ihn nicht stören will, bleibe ich ein Stück entfernt stehen und sehe zu, wie er ruhig und sachlich die Fragen nach dem Rennen beantwortet.

Die Boxengasse ist ein organisiertes Chaos voller Menschen, die ihren Erfolg mit Siegesgesten und Jubelrufen feiern oder über Verbesserungen fürs nächste Rennen beraten, deshalb rechne ich nicht damit, dass er mich bemerkt. Doch als könnte er mich spüren, dreht er den Kopf in meine Richtung und fixiert mich mit seinem Blick. Er nickt dem Reporter auf eine Art und Weise zu, die gleichzeitig »Wir sind hier fertig« und »Vielen Dank« signalisiert, ehe er in meine Richtung geschlendert kommt.

Hallo, mein Hübscher.

»Hey, Roo«, sagt er und öffnet den Reißverschluss seines Rennanzugs. Obwohl er dadurch lediglich das Hemd entblößt, das er darunter trägt, kommt es mir so vor, als würde er einen Striptease für mich hinlegen.

»Wie geht’s Theo?«

Nur Lucas ist es wichtiger zu fragen, ob Theo mit seinem fünften Rang zufrieden ist, als seinen eigenen Treppchenplatz zu feiern.

»Wie geht es dir? Fünfzehn Punkte gleich zu Beginn der Saison. Ein sauberer Start, Adler.«

Sein vom Rennen erhitztes Gesicht wird noch roter. »Ich mache nur meine Arbeit.«

»Bescheiden wie immer.« Ich seufze. »Ich schwöre dir, wenn ich nur ein Viertel deines Talents hätte, würde ich so hart damit angeben, dass du mich knebeln wollen würdest. Nicht im Sinne von … also, du weißt schon. Nicht so.« Ich mache eine bewusst flapsige Handbewegung. »Oder vielleicht doch. Ich habe ja keine Ahnung, worauf du stehst.«

Habe ich gerade angedeutet, dass er BDSM mögen könnte?

Er zieht die Brauen hoch und lacht hustend. »Du hast Talent, Char.«

Ich zucke mit den Schultern. »Die Fähigkeit, jede Textzeile aus Der Teufel trägt Prada auswendig herzusagen, kann man wohl kaum als Talent bezeichnen. Aber na ja, vielleicht ist das Ansichtssache.«

»Der Helm, den du für Theo entworfen hast, sieht richtig toll aus«, hält er dagegen. »So was Künstlerisches könnte ich niemals machen.«

»Danke.« Jetzt bin ich diejenige, die rot wird. Ich helfe seit Jahren beim Design von Theos Helmen. Meine Entwürfe sind nichts Bahnbrechendes, aber die Arbeit daran macht mir eine Menge Spaß. Dieses Jahr hat sein Helm einen schwarzen Sternenhimmel vorn, der nach hinten allmählich in blaue Wolken übergeht. In der Mitte ist die australische Flagge abgebildet, und in den goldenen Verzierungen an den Seiten verstecken sich einige J’s sowie die Fahrernummer unseres Vaters.

»Musst du zurück zu deinen Interviews?«, frage ich und deute mit einem Kopfnicken hinter ihn. »Da ist so eine blonde Reporterin, die mich ansieht, als hätte ich ihr die letzte Brioche vor der Nase weggekauft.«

Lucas reckt den Hals, und als die Frau sieht, wie er in ihre Richtung schaut und sich gleich darauf wieder zu mir umdreht, wird ihr Blick regelrecht mörderisch. Ich schenke ihr trotzdem ein Lächeln. Ich bin eben freundlich. Und nachtragend.

»Das ist Miranda«, sagt Lucas stöhnend. »Ella nennt sie immer den Satan in Satin.«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und muss mir ein Grinsen verkneifen. Das mit dem Satin ist offensichtlich, da sie eine Bluse aus besagtem Material trägt, die sich über ihrer Brust dermaßen spannt, dass es mich wundert, dass ihr noch kein Knopf abgesprungen ist. Aber Satan? Meine Neugier ist geweckt. »Wie ist sie denn zu dem Spitznamen gekommen?«

Lucas fährt sich mit der Hand durchs Haar. Ohne seine Silberringe sehen seine Finger seltsam nackt aus. »Sie hat angedeutet, dass Ella nur deshalb als Podcasterin Erfolg hat, weil sie mit Blake zusammen ist. Angeblich würde er ihr im Bett alle möglichen brisanten Interna verraten.«

Ich schnalze mit der Zunge und bin stellvertretend für Ella entrüstet. »Warum sollten Ella und Blake im Bett über G-Kräfte sprechen, wenn sie sich stattdessen mit dem G-Punkt beschäftigen können?«

Lucas lacht, und es klingt so schön, dass es ihm glatt einen Grammy einbringen könnte. Sein Lachen ist tief und einladend und geht mir durch den ganzen Körper. Leider verstummt er viel zu früh, als ein PR-Mitarbeiter aus dem Team – Alex, vielleicht? Alfredo? Anthony? – ihm mitteilt, dass es Zeit wird für die Pressekonferenz.

»Kommst du zuschauen?«, fragt Lucas hoffnungsvoll. Ehe ich antworten kann, setzt er hinzu: »Ach, du hast bestimmt was Besseres zu tun, und Theo ist ja auch gar nicht dabei. Kein Druck also.«

Zuzuhören, wie Fahrer Fragen über Differenziale und Drehmomente beantworten, steht in der Tat nicht unbedingt auf der Liste meiner Lieblingsaktivitäten, aber ich will auf gar keinen Fall eine Gelegenheit ungenutzt lassen, Lucas eine halbe Stunde lang ungestört anschmachten zu können. »Ich werde da sein.«

Kapitel 4

Lucas

Ich trinke mein Bier und lasse von meinem Platz an der Bar aus den Blick durch den Ballsaal des Hotels schweifen. Man sieht sofort, dass für diese Party keine Kosten und Mühen gescheut wurden. Nicht, dass mich das überrascht. Was den Glamour-Faktor angeht, schießt die Formel 1 den Vogel ab … beziehungsweise gleich den ganzen Schwarm. Die Stehtische sind mit weißem Stoff drapiert und mit eleganten Blumenarrangements geschmückt. Auf der breiten Freitreppe an der gegenüberliegenden Saalseite spielt ein kleines Orchester, und weiß behandschuhte Kellner schlängeln sich zwischen den Partygästen hindurch und bieten Canapés und Champagner an. Wie gesagt: Glamour pur.

Ich öffne meinen oberen Hemdknopf und konzentriere mich auf das Gespräch zwischen Theo und Blake, die darüber diskutieren, ob sich die Reifenstrategie von Everest im vergangenen Rennen ausgezahlt hat. Wobei »diskutieren« vielleicht nicht das richtige Wort ist. In Wahrheit stellt Theo wilde Behauptungen auf und gestikuliert mit den Händen, um seine Aussagen zu unterstreichen, während Blake die Augen gen Himmel verdreht und ihm gelegentlich widerspricht.

Ich habe die Unterhaltung gerade wieder ausgeblendet, als Theo mich in die Seite knufft. »Mann, die Barkeeperin zieht dich schon seit einer halben Stunde mit ihren Blicken aus.«

Ich muss nicht erst fragen, wen er meint. Seit ich mich hingesetzt habe, starrt die Frau mich an. Obwohl ich genau weiß, worauf das Gespräch hinauslaufen wird, seufze ich und beschließe, mitzuspielen. »Und?«

»Lässt du dir ihre Nummer geben? Du könntest deinen Erfolg auf der Strecke doch mit einem Sieg zwischen den Laken feiern.«

Bei seiner Formulierung schüttelt es mich innerlich. »Wenn die Party vorbei ist, gehe ich schlafen. Allein.«

»Okay«, meint er achselzuckend.

Das war’s. Kein Widerspruch, kein nerviges Nachhaken.

Der ausbleibende Widerstand macht mich sofort argwöhnisch. Während unserer mittlerweile mehr als zwanzig Jahre währenden Freundschaft hat Theo noch nie ein Gesprächsthema einfach fallenlassen, ohne seinen Senf dazuzugeben.

Blake grinst, als ginge ihm dasselbe durch den Kopf. Als wüsste er, dass noch was kommt.

Und er soll recht behalten. Einen Augenblick später trommelt Theo mit den Händen auf den Tisch und verkündet: »Wenn du kein Interesse mehr an One-Night-Stands hast, könnten wir ein paar Dates für dich klarmachen.«

Da haben wir’s.

Blake nickt. »Ella hat ein paar Freundinnen, die du bestimmt mögen würdest.« Er hebt den Kopf und hält suchend Ausschau.

Ella begleitet Blake nicht nur, um ihn zu unterstützen, sondern auch um Fahrer, Ingenieure und Fans für ihren Podcast Coffee with Champions zu interviewen. Deshalb sitzt sie im Moment auch nicht bei uns an der Bar, sondern knüpft fleißig Kontakte.

»Ich habe keine Ahnung, wo sie steckt, aber sie hat schon mehrfach angeboten, dich zu verkuppeln«, erklärt Blake, ehe er sein Whiskeyglas an die Lippen hebt.

»Josie auch«, ergänzt Theo.

Blake stellt sein Glas auf den lackierten Bartresen. »Optionen hättest du auf jeden Fall.«

»Wir könnten ein Dreierdate machen, dann würdest du dich endlich nicht mehr wie das fünfte Rad am Wagen fühlen.«

Ich muss mir ein spöttisches Schnauben verkneifen. Wie unglaublich subtil. Typisch Theo.

»Du meine Güte«, gibt Blake brummend von sich. »Was der Arsch damit sagen will, ist: Falls du an einer festen Beziehung interessiert bist statt an …«, er deutet in Richtung Barkeeperin, »… einer zwanglosen Affäre, können wir das für dich in die Wege leiten.«

Theo nickt. »Nicht alle Frauen sind wie Kylie, weißt du?«

Blake und Theo sind die Einzigen, die wissen, warum Jesse und ich uns überworfen haben. Ich habe es ihnen letztes Jahr nach dem Grand Prix von Singapur im Suff erzählt. Wenn man nüchtern ist, gibt es einfach keine charmante Art zu sagen, dass der eigene Bruder die Exfreundin datet. Na ja, im Grunde gibt es die auch nicht, wenn man betrunken ist. Aber der Wodka hat zum Glück meine Erinnerungen an den Abend getrübt. Ich weiß nur noch, dass Theo am nächsten Morgen ein Veilchen hatte und Blake eine Platzwunde an der Lippe. Angeblich hat er versucht, einen Flug nach Boston zu buchen, um »diesen schwanzgesteuerten Wichser umzubringen«, und Theo hat sein Handy gegen die Wand geworfen, um ihn daran zu hindern.

Ganz ehrlich, ich mache Kylie nicht mal einen Vorwurf daraus, dass sie sich so schnell anderweitig orientiert hat. Obwohl ich es ihr übelnehme, dass sie sich ausgerechnet mit meinem Bruder eingelassen hat, muss ich zugeben, dass ich kein besonders aufmerksamer Partner war. Ich war fast nie da, und wenn doch, richtete sich immer alles nach meinen Bedürfnissen. Ich habe mir nie wirklich Mühe gegeben, mich in ihren Alltag zu integrieren oder umgekehrt. Gott, meine Eltern wissen bis heute nicht, dass ich überhaupt mit ihr zusammen war.

»Ihr braucht für mich nicht die Kuppler zu spielen«, sage ich genervt. »Mir geht’s gut.«

»Stimmt nicht.« Blake sieht mich mit seiner typischen Gewittermiene an, dann wechselt er einen Blick mit Theo, wie um zu sagen: Du bist dran.

Theo verliert natürlich keine Zeit. Er legt sein Smartphone mit dem Display nach oben auf den Tisch und schiebt es mir hin. Die Location-Sharing-App, die wir alle nutzen, ist eingeschaltet, und man sieht die einander überlappenden Pins, die Blake, ihn und mich repräsentieren.

Ich werfe einen flüchtigen Blick darauf und runzle die Stirn. »Keine Ahnung, was genau du mir zeigen willst.«

»Deinen Standort.«

Ich verspüre, wie eine gewisse Gereiztheit in mir wächst. »Ich weiß auch so, wo ich bin«, sage ich unwirsch. »Warum zeigst du mir das?«

Theo nimmt das Handy wieder an sich und sieht mich mit einem Blick an, den er vermutlich für furchteinflößend hält, der in Wahrheit aber eher nach akuter Verstopfung aussieht. »Ich zeige dir das, weil es bedeutet, dass ich jederzeit sehen kann, wo du dich aufhältst.«

»Stalkst du mich etwa?«, frage ich, nur halb im Scherz. »Creepy.«

Er hat diese App seit Jahren, und ich habe nie einen Gedanken daran verschwendet. Er meinte, sie sei ausschließlich »für Notfälle« gedacht, aber jetzt frage ich mich, wie klug es war, ihm jederzeit Zugriff auf meinen Standort zu gewähren.

»Wenn es dir nicht gutgeht, machst du eine von zwei Sachen«, führt er aus und sieht mich bei dem Wort gut bedeutungsvoll an. »Du verbringst Zeit in Monaco, oder du lässt dir ein neues Tattoo stechen.«

»Du warst die letzten zwei Monate durchgehend in Monaco, und du hast ein neues Tattoo«, ergänzt Blake, als wäre Theos Erklärung nicht verständlich genug gewesen.

Es behagt mir gar nicht, dass dieses Gespräch allmählich in Richtung einer Intervention zu kippen droht. Zugegeben, in letzter Zeit habe ich mich ein bisschen einsam und haltlos gefühlt, aber alles in allem habe ich ein phantastisches Leben: Meine Karriere befindet sich auf ihrem Höhepunkt, meinen Freunden geht es gut, meine Familie ist gesund und finanziell abgesichert. Welches Recht habe ich, mich darüber zu beschweren, dass mein Leben aus dem immergleichen Trott besteht?

»Danke für eure Anteilnahme, aber ich schwöre, es geht mir gut«, beteuere ich mit einem Lächeln, das sich eher wie eine Grimasse anfühlt. »Falls sich das ändern sollte, seid ihr die Ersten, die es erfahren.«

Ihre Mienen sagen, dass sie mir kein Wort glauben, doch zum Glück taucht Charlotte auf und macht dem Gespräch ein Ende.

»’n Abend, Jungs«, sagt sie und lächelt.

»Was hast du da an?«, stammelt Theo und stellt sein Glas etwas zu schwungvoll auf dem Tresen ab.

»Ach, das hier?« Charlotte dreht sich einmal im Kreis, damit wir ihr Outfit von allen Seiten bewundern können. Ihr Lächeln wird noch strahlender.

Das figurbetonte Kleid lenkt meine Aufmerksamkeit auf jede Kurve ihrer tollen Figur, die durch silberne Sandaletten mit wadenhoher Schnürung noch mehr akzentuiert wird. Nur unter äußerster Anstrengung gelingt es mir, ihr wieder ins Gesicht zu blicken, statt ihr in den Ausschnitt zu glotzen, denn Mann, sie sieht absolut umwerfend aus.

»Ist es nicht total schön? Das habe ich gekauft, als ich letztes Jahr mit Mum shoppen war, bisher hatte ich bloß noch keine Gelegenheit, es zu tragen.«

Theo reißt theatralisch die Augen auf, und ich könnte schwören, dass er ein wenig schwankt. »Mum hat dir erlaubt, so was zu kaufen?«

»Es war reduziert«, sagt Charlotte kokett lächelnd. »Und du weißt doch, Mum liebt Schnäppchen fast so sehr wie uns.«

Ich halte mir die Hand vor den Mund, um mein Lachen zu verbergen. Charlotte weiß ganz genau, dass Theo sich auf den Ausschnitt des Kleides bezieht, nicht auf den Preis.

»Du hast dich doch beschwert, dass ich keine AlphaVite-Farben trage«, ruft sie ihm ins Gedächtnis. »Und das Kleid ist blau, insofern absolut angemessen.« Sie zuckt mit ihren nackten Schultern. »Freu dich doch.«

»Die Farbe ist auch das Einzige, was an dem Teil angemessen ist«, brummelt Theo und zieht die Brauen zusammen. »Wo warst du überhaupt die ganze Zeit? Du hättest schon vor einer Stunde hier sein sollen.«

»Warum tust du so, als hätte ich irgendwas Dubioses getrieben?«, fragt Charlotte entrüstet und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich spüre ein Kribbeln an meinem Rückgrat, weil durch die Bewegung ihre Brüste hochgedrückt werden.

Glotz ihr nicht auf die Brüste, Lucas.

»Weil du für deinen Leichtsinn bekannt bist«, entgegnet er und ballt die Hand auf dem Tresen zur Faust.

»Für meinen Leichtsinn?« Charlotte verdreht die Augen. »Ist das dein Ernst?«

»Du hast mal aus Versehen ein Flugticket nach New Brunswick statt nach New Caledonia gekauft und bist trotzdem geflogen.«

Sie zuckt unbekümmert die Achseln. »Ich hatte eine tolle Zeit in Kanada. Außerdem hast du kein Recht, dich zu beklagen. Der Sirup, den ich dir mitgebracht habe, hat dir sehr gut geschmeckt.«

»Und als du dann endlich in New Caledonia warst, musstest du ein absurd hohes Bußgeld zahlen, weil …«

»Es war nicht eindeutig ausgeschildert, dass es sich um einen Privatstrand handelt«, hält sie dagegen, während auf ihrer Stirn eine steile Falte erscheint. »Die Schilder waren klein und leicht zu übersehen.«

»Okay«, sagt er gedehnt. »Und was ist mit dem Quokka, das du gestohlen hast?«

»Ich habe es nicht gestohlen, Theodore. Es ist in meine Tasche gekrabbelt, als ich nicht hingesehen habe. Was kann ich dafür, wenn es da drin einschläft?«

Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen.

Charlotte wirft ihrem Bruder einen bitterbösen Blick zu, bei dem meine Eier auf die Größe von Rosinen zusammenschrumpeln würden, gälte er mir, und schwingt sich dann auf den freien Hocker zu meiner Rechten. Sie winkt einem Kellner, was dem Gespräch ein Ende setzt. Ihre Bestellung, ein Espresso Martini, veranlasst mich zu einem belustigten Kopfschütteln.

Sie stößt mir den Arm in die Rippen und sieht mich leicht spöttisch an. »Sag nichts, Lucas. Es gibt wesentlich schlimmere Dinge, von denen man abhängig sein könnte, als Kaffee. Du weißt schon: Drogen, Zigaretten, Pornos.«

»Stimmt«, räume ich lachend ein. »Ich kann nach vierzehn Uhr keinen Kaffee trinken, sonst ist mein Schlafrhythmus im Eimer.«

»Ich bin eine Nachteule«, meint sie. »Ich fand es immer schon komisch, dass Kaffee wacher und aktiver macht, aber der Sinn und Zweck von Coffeeshops ist, dass man darin zur Ruhe kommen und relaxen soll.«

Als Charlottes Drink vor sie hingestellt wird, probiert sie einen Schluck, und der Schaum hinterlässt einen kleinen Schnurrbart auf ihrer Oberlippe. Als sie ihn mit der Zungenspitze ableckt, bin ich dankbar, dass ich sitze, weil so wenigstens niemand sieht, wie eng es auf einmal in meiner Hose wird.

»War es ein gutes erstes Rennwochenende?«, erkundigt sie sich. Sie ahnt nichts von meinem Hosenproblem.

Ich nehme einen tiefen Schluck von meinem Bier, um mich abzulenken. »Mm-hmm. Ein überzeugender Start, wenn man das Desaster auf der Pressekonferenz am Donnerstag mal ausklammert.«

Blake hat den Satan in Satin konsequent ignoriert und sich geweigert, ihre Fragen zu beantworten, und Theo, der in Interviews normalerweise immer gut aufgelegt ist, reagierte ziemlich kratzbürstig auf die Frage nach seinem Verhältnis zum Teamchef seines ehemaligen Rennstalls. Es war, als könnte sich keiner der beiden noch an das erinnern, was sie während des umfassenden Medientrainings gelernt hatten, das jeder Fahrer über sich ergehen lassen muss. Am Ende habe ich einen Großteil der Fragen beantwortet, was okay war, auch wenn ich im Gegensatz zu vielen anderen Fahrern nicht gern im Rampenlicht stehe. Ich hasse den Druck, immer das Richtige sagen oder tun zu müssen. Ich will Rennen fahren, sonst nichts.

Charlotte nickt, aber ihr Blick driftet unstet zur Seite. »Ja. Das war was.«

»Nicht zu fassen, dass sich die beiden Ithaca-Fahrer beinahe geprügelt hätten«, lüge ich, um meine Vermutung zu bestätigen. »Und noch dazu wegen einer Frau.«

Ihre Augen werden kugelrund, und sie schüttelt so hastig den Kopf, dass ich mir Sorgen mache, sie könnte Kopfschmerzen bekommen. »O ja, das war wild. Aber so sind Männer eben.«

Ich fixiere sie mit vielsagender Miene. »Noch wilder ist, dass es nie stattgefunden hat.«

»Oh …« Sie zögert. »Mist.«

Ich lache leise. Ihre Reaktion ist so süß, dass mir ganz warm ums Herz wird. »Dein Pokerface ist grauenvoll, Roo.«

»Aber ich kriege trotzdem ein paar Punkte, weil ich mich bemüht habe, oder?« Sie verzieht das Gesicht, und als sie sich vorbeugt, umweht mich ein Hauch ihres nach Geißblatt und Sommer duftenden Parfüms. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«

Für sie? Keine Frage. »Pfadfinderehrenwort.«

»Du warst bei den Pfadfindern?«, fragt sie ungläubig.

»Ja.« Ich nicke. »Ich habe noch alle meine Abzeichen.«

»Hm.« Sie legt den Kopf schief und mustert mich. »So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.«

»Warum nicht?«

Sie wedelt mit der Hand vor mir herum. »Versteh mich nicht falsch, die Tattoos und die Ringe und so sind heiß, aber sie lassen nicht gerade auf Survival- und Wildniskompetenz schließen, wenn du verstehst, was ich meine. Du siehst eher nach Sons of Anarchy aus als nach Survivor.«

Ich muss herzhaft lachen, während ich mit dem Ring aus Sterlingsilber an meinem Daumen spiele. »Du findest, ich sehe aus wie ein Biker?«

»Nicht direkt, aber du versprühst definitiv diese Bad-Boy-Vibes. Du weißt schon: Sieh mich einmal schief an, und ich breche dir das Genick.«

Ich schnaube. »Ich spende für wohltätige Zwecke und trenne meinen Müll, Char. Ich bin alles andere als ein Bad Boy. Ich hatte eine Bar-Mizwa mit Star-Wars-Motto.«

Sie wackelt mit den Augenbrauen. »War Prinzessin Leia deine erste Liebe?«

»Vielleicht«, erwidere ich augenzwinkernd. Auf gar keinen Fall werde ich ihr verraten, dass ich früher für Prinzessin Fiona aus Shrek geschwärmt habe – in ihrer menschlichen Gestalt, nicht als Oger, versteht sich. »Was für ein Geheimnis soll ich denn jetzt für mich behalten?«

Charlotte schaut sich um, weil sie sich vergewissern will, das Theo in ein Gespräch mit Blake vertieft ist, dann gesteht sie mir: »Ich war gar nicht auf der Pressekonferenz.«

»Ja, das dachte ich mir schon, Roo. Ich versteh bloß nicht, warum du so eine große Sache daraus machst.«

»Es war Theos erster großer Auftritt als Fahrer für AlphaVite«, sagt sie schuldbewusst. »Er war nervös und hat mich gebeten, dabei zu sein.«

Obwohl ich überrascht bin, behalte ich meinen neutralen Gesichtsausdruck bei. Theo hat mir gegenüber nichts von seiner Nervosität erwähnt, dabei neigt er sonst dazu, eher zu viele persönliche Informationen preiszugeben.

»Und das hatte ich auch vor«, fährt Charlotte fort. »Aber mein Blutzucker ist plötzlich abgesackt. Normalerweise habe ich Traubenzuckertabletten oder einen Riegel dabei, aber ich hatte im letzten Moment die Handtasche gewechselt und muss vergessen haben, sie einzupacken.« Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Also bin ich schnell zum Fahrerlager gegangen – Rennen ist was für Marathons oder wenn man von einem Serienmörder gejagt wird –, und auf dem Weg dorthin bin ich einem Fotografen begegnet. Dieser eine, der richtig gute Fotos macht.«

»Kyle.« Ich nicke.

»Genau. Kyle. Also habe ich mich ihm vorgestellt und ihn gefragt, ob er ein Foto von mir machen könnte – natürlich nicht mit seiner Profikamera, nur mit meinem Handy.« Sie holt tief Luft. »Und weil ich nicht wollte, dass das neonfarbene VIP-Schlüsselband das Bild ruiniert, habe ich es abgenommen und dann total vergessen, dass ich es irgendwo hingelegt hatte. Ich habe mir also einen Snack besorgt, und hinterher wollte mich die Security nicht mehr reinlassen, und ich konnte meinen VIP-Pass nicht finden, also musste ich mir einen neuen ausstellen lassen. Und als ich den endlich hatte, war die Pressekonferenz schon fast vorbei.«

Ich trinke einen Schluck von meinem Bier, um mein Schmunzeln zu verbergen. »Hört sich nach einem echten Abenteuer an.«

Sie seufzt. »Ja, aber jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Theo …«

»Worüber tratscht ihr?«, unterbricht uns mein Bruder und winkt der Barkeeperin. »Blake hat mich sitzengelassen und ist Ella suchen gegangen.«

»Überrascht mich nicht«, sagt Charlotte mit einem zuckersüßen Lächeln. »Sie ist viel hübscher als du.«

»Haha.« Theo stößt ihr den Ellbogen in die Rippen. »Und? Was sind die neuesten Gerüchte? Sprechen die Leute darüber, wie gut ich in meinem blauen Rennanzug aussehe? Ist ihnen aufgefallen, dass die Farbe meine Augen zum Strahlen bringt? Oder haben sie darüber geredet, dass Lucas bei dem Event gestern Abend aus Versehen seinen Hosenstall offen hatte und ihm das erst aufgefallen ist, als ein Fotograf ihn darauf hingewiesen hat?«

Er kriegt gleich eine vor den Hals.

»Darüber haben wir ganz sicher nicht gesprochen«, sage ich genervt. »Aber danke, dass du es noch mal erwähnt hast.«

»Wozu sind Freunde da, wenn nicht dazu, einen an Momente zu erinnern, die man lieber vergessen würde?«