Du schon wieder - Lilly Fröhlich - E-Book

Du schon wieder E-Book

Lilly Fröhlich

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Beschreibung

Anabelle Hausstein, 29, könnte mal ein Blind Date vertragen, findet ihr Bruder Hans und versucht, sie mit dem jüngeren Bruder seines Partners Sven zu verkuppeln. Doch Phineas, der mit zweitem Vornamen 'Thor' heißt, benimmt sich alles andere als heldenhaft oder gar charmant.Phineas Thor Mavelin, knackige 30, ist ebenso wenig begeistert, dass er mit Anabelle anbändeln soll, denn mit ihrem Übergewicht fällt sie überhaupt nicht in sein Beuteschema, auch wenn sie tolle, lange, rote Locken und wunderschöne grüne Augen hat.Und so endet das Date, bevor es überhaupt angefangen hat, denn es kracht ganz gewaltig zwischen dem schlagfertigen 'Nilpferd' und dem selbstbewussten 'Göttersohn'.Allerdings haben sie ihre Rechnung ohne Amor gemacht, denn dieser hat einen Sachbearbeiter im Universum beauftragt, nicht nur für viel Reibereien, sondern auch für ein wachsendes Interesse zwischen den beiden zu sorgen.Aber können die zwei trotz des Fehlstarts noch zueinander finden?

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Inhaltsverzeichnis

Alter vor Name

Achtung, Nilpferd!

Yoga und Co.

Herrlich widerborstig

Sicherheit geht vor

Holla, die Waldfee!

Einmal Prinzessin sein

Oh Schreck!

Amourös

Im Netz des Tantras

Der Störling

So eine Schlange!

Götterkinder

Alter vor Name

»Ich bin dreißig«, begrüßte mich der unbekannte, attraktive Mann vor mir, mit dem ich verkuppelt werden sollte.

»Interessanter Name«, erwiderte ich lächelnd. »Ich bin Anabelle. Meine Eltern haben es leider versäumt, mich ›Neunundzwanzig‹ zu nennen.«

Sven, der langjährige Freund meines Bruders Hans, hatte mir unbedingt seinen jüngeren Bruder vorstellen wollen, dessen Freundin ihn nach zehn Jahren verlassen hatte. Er hatte ihn aufmuntern wollen und da ich ebenfalls wieder unter den Singles weilte, spielte Sven Amor.

Zumindest versuchte er es.

Warum ich seinem Bruder vorher nie begegnet war, wusste ich nicht einmal. Sven und Hans waren immerhin schon seit fünf Jahren ein Paar. Aber bisher hatte Sven immer ein großes Geheimnis aus seinem Bruder gemacht. Und dieser hatte sich stets von Familienfeiern ferngehalten.

Ich wusste nur, dass Sven Kriminalkommissar war und sein Bruder in Uniform Dienst als Polizist schob. Aber ich wusste weder, wie er hieß, noch wie alt er war oder wie er aussah.

Nun ja, bis eben.

Ich war allerdings NOCH NIE jemandem begegnet, der sich mit seinem Alter und nicht mit seinem Namen vorstellte. Aber vielleicht war Monsieur auch einfach nur nervös oder schlichtweg aus der Übung.

»Phin ist momentan etwas durcheinander«, sagte Sven entschuldigend und strubbelte seinem Bruder durch die fast schwarzen Haare. »Mit blutjungen zwanzig hatte er Miriam kennengelernt und vor zwölf Wochen hat sie sich von ihm getrennt. Odin sei Dank! Die letzten zehn Jahre hatte sie ihn in ihrer Höhle gefangen gehalten und ihn von jeglichen sozialen Kontakten abgetrennt. Darum ist er auch bei keiner einzigen Familienfeier dabei gewesen.«

»Sehr witzig, Sven!«, brummte Mr Dreißig.

»Es ist ein Wunder, dass seine Ex-Freundin ihn überhaupt zur Arbeit gelassen hat, wo dort doch auch ›weibliche‹ Kolleginnen herumgesprungen sind«, fügte Sven noch hinzu und wich einer Taschentuchpackung aus, die sein Bruder nach ihm warf. »Gibt es auch ›männliche‹ Kolleginnen, du Hornochse?«

»Er war quasi ihr Leibeigener«, ignorierte Sven die Frage seines Bruders. »Du darfst dich also nicht wundern, Belle, wenn Phin einige menschliche Manieren nicht mehr auf dem Schirm hat.«

Nun warf Svens Bruder gleich eine ganze Küchenrolle nach ihm. »Hör auf, mich als Idioten darzustellen, Loki!

Erst willst du mich verkuppeln, worauf ich überhaupt keinen Bock habe, und jetzt stellst du mich hin wie den größten Idioten der Nation.«

Sven stemmte die Hände in die Hüften. »Phin, ich weiß nicht, wie dich Miriam verhexen konnte, aber sie hat es immerhin geschafft, dass du dich ein ganzes Jahrzehnt von deiner Familie ferngehalten hast.«

»Ich gelobe Besserung. Ich weiß mittlerweile selbst, dass das blöd war«, knurrte Svens Bruder, dessen Namen ›Finn‹ zu sein schien. »Aber das ist noch lange kein Grund, mir eine Frau vorzusetzen, als wenn ich nicht in der Lage wäre, mir selbst eine zu suchen.«

»Wir dachten einfach, wir helfen Amor etwas auf die Sprünge und verkuppeln euch zwei, weil wir der festen Überzeugung sind, dass ihr DAS perfekte Paar seid«, erklärte mein Bruder Hans.

Svens Bruder lachte lauthals los. »So, meint ihr das! Na gut, dann sehe ich mir euren Beutefang doch mal an.«

Beutefang?

Hatte der ‘n Vogel?

Ich war doch keine BEUTE!

Mr Phantastisch-Aussehend musterte mich kritisch, schließlich streckte er mir versöhnlich die Hand hin.

»Nenn mich einfach Thor!«

»›Thor‹? Der blonde Donnergott, der bei Marvel den Hammer schwingt? Willst du mich verarschen?« Ich blickte meinem Gegenüber in die wunderschönen blauen Augen.

Mr Donnergott war einer DER Sorte Mann, die die Frauen bereits mit ihrem bloßen Anblick in die Knie zwingen konnten, weil der Sachbearbeiter im Universum ihnen eine Überdosis an Schönheit verpasst hatte. Vermutlich hatten auch die Sachbearbeiter im Universum mal schwache Momente. Oder sie verschütteten gelegentlich ihren Kaffee auf den Zeugungsunterlagen und sorgten schusseligerweise dafür, dass einige ihrer menschlichen Kreationen das übliche Maß an gutem Aussehen schlichtweg überschritten, weil die ›Menschenformer‹ den Auftrag aufgrund des Kaffeeflecks nicht mehr korrekt lesen konnten und dann einfach von allem ETWAS zu viel in die Waagschale warfen.

(Luft holen nicht vergessen, Belle!

Mann, mir war schon ganz schwindelig von seinem Anblick!)

Fragend wandte ich mich an Sven. »Dein Bruder heißt weder ›Dreißig‹ noch ›Thor‹ mit Vornamen, oder? So nennt doch niemand sein Kind!«

Sven grinste. Dann zuckte er mit den Schultern. »Er heißt wirklich Thor. Unsere Eltern haben ein Faible für Götter.

Mein zweiter Vorname lautet ja auch ›Loki‹. Weil die Standesbeamtin das aber als einzigen Vornamen nicht akzeptieren wollte, mussten meine Eltern mir einen zweiten Vornamen geben. Ich heiße also Sven Loki Marvelin. Und mein Bruder heißt Phineas Thor Marvelin.«

»Ihr nehmt mich doch beide auf den Arm«, beschwerte ich mich. »Ihr heißt nicht wirklich wie die Söhne von Odin, oder? Dann hätten eure Eltern euch eigentlich genau entgegengesetzt benennen sollen.«

»Wie meinst du das?«, fragte Sven verwirrt.

»Nun, Thor ist im Film blond und Loki dunkelhaarig. Bei euch ist es aber genau umgekehrt. Du bist blond und hast braune Augen und müsstest daher nach der Comic-Vorlage eigentlich Thor heißen. Und Phineas ist dunkelhaarig und hat blaue Augen und müsste demnach Loki heißen.«

»Nein. Ich bin wirklich Loki, der Feuergott. Also etwas mehr Respekt bitte, ja?« Sven zwinkerte mir zu. »Ist wirklich mein zweiter Vorname«, fügte er leise hinzu und hielt mir seinen Ausweis unter die Nase.

Ich versuchte, eine ernste Miene aufzusetzen und nicht laut loszuprusten, als ich seinen vollen Namen las. Da stand ernsthaft ›Sven Loki Marvelin‹ in seinem Personalausweis.

»Und ich heiße in Wirklichkeit ›Thor‹«, sagte Svens Bruder gelangweilt und hielt mir seinerseits seinen Ausweis halbherzig unter die Nase.

»Phineas Thor Marvelin«, las ich ungläubig vor.

Phineas räusperte sich und sprach ziemlich abfällig: »Bei unserer Geburt konnte ja niemand wissen, welcher von uns Brüdern welche Haar- und Augenfarbe bekommt.

Oder hätten wir fünfzehn Jahre namenlos herumrennen sollen?«

Ich schnitt eine Grimasse. »Nein, natürlich nicht.«

Gott, Phineas war ja Mr Unfreundlichkeit in persona!

Und mit DEM ungehobelten Kerl sollte ich ausgehen?

»Und wie soll ich dich nun nennen? Soll ich dich wirklich mit ›Thor‹ ansprechen?«, fragte ich nicht weniger unfreundlich.

Mein Gegenüber zuckte mit den Schultern. »Nenn mich, wie du willst. Kannst mich auch ›Phin‹ nennen. Oder ›Phineas‹. Oder einfach nur ›Eure Gottheit‹.«

Ich lachte hämisch auf. »›Eure Gottheit‹?« Kopfschüttelnd zog ich die Augenbrauen hoch. »Und du arbeitest ernsthaft als Polizist?«

»Ja. Als Donnergott verdiene ich ja kein Geld. Und irgendetwas muss ich machen, um Auto und Wohnung zu bezahlen.«

»Eigentlich sollte ich dich Griesgram nennen. Hast du denn überhaupt keine Ahnung, wie man mit einer Lady spricht?«, empörte ich mich.

Phineas musterte mich auffällig. »Ehrlich gesagt, sehe ich hier keine Lady.«

Mir klappte vor Entgeisterung der Unterkiefer herunter.

Was sollte das denn jetzt bitte heißen?

»Was sich neckt, das liebt sich«, feixte Sven und bekam sowohl von Phineas als auch von mir einen bitterbösen Blick zugeworfen.

Abwehrend hob er beide Hände. »Ist ja gut!«

»Ich glaube, ich nenne dich Phin«, wandte ich mich an Phineas. »Ich würde mir ziemlich bescheuert vorkommen, wenn ich dich auf offener Straße ›Thor‹ rufen würde.

Auch wenn ich glaube, dass sich die meisten Menschen sehr interessiert nach dir umdrehen und mich gleich in eine Spezialklinik einweisen lassen würden.«

»Ich weiß. Darum reagiere ich in der Regel auch nicht auf meinen zweiten Vornamen«, gab Phineas zu. »Meine Kollegen nennen mich alle nur ›Phin‹. Der Göttername hat irgendwie etwas Lächerliches an sich. Wenn ich ein Marvel-Held wäre, sähe das natürlich anders aus.«

»Bist du aber nicht«, sagte Sven.

»Nee, das ist er ganz bestimmt nicht«, platzte ich höhnisch heraus. »Denn die Marvel-Helden haben Manieren UND sie erkennen eine Dame zehn Meilen gegen den Wind. DU aber«, ich zeigte mit dem Finger auf Phineas’ verdammt sexy durchtrainierte Brust, die er ärgerlicherweise auch noch in einem engen Shirt präsentieren musste, »bist ein Blender!«

»Was?« Phineas sprang auf und tippte gegen seine Stirn.

Er stand nun exakt fünf Zentimeter von mir entfernt und so konnte ich seinen ätzend leckeren Duft von irgendeinem Superparfüm gar nicht überriechen.

Scheiße, warum roch der Kerl so gut?

»Spinnst du? ICH soll ein BLENDER sein? Wie kommst du darauf?«

»Du gibst vor, ein smarter Typ zu sein, aber in Wirklichkeit bist du ein…« Ich holte tief Luft und versuchte die Flut an Schimpfwörtern in meinem Kopf zu sortieren.

»Na, was bin ich?« Auffordernd blickte Phineas mich an und stemmte sich die Hände in die schmalen Hüften.

»Sexy? Attraktiv? Heiß? Charmant? Umwerfend? Göttlich?«, schlug er vor.

Ja, so ungefähr, aber das würde ich nur über meine Leiche zugeben. Stattdessen schnaufte ich verächtlich. »Irgendetwas, nur nicht das«, war leider alles, was mir einfiel.

Mein Gehirn hatte - auf mir unerklärliche Weise - bereits in den Sexmodus umgeschaltet und ich konnte in seiner unmittelbaren Nähe nicht einen klaren Gedanken fassen.

»Ah, Mrs Oberschlau gehen die Argumente aus?« Phineas kam mir noch näher. Fast berührten sich unsere Nasenspitzen.

»Wenn du noch näher kommst, kann ich dir sagen, was du heute zum Mittag gegessen hast«, wisperte ich.

Mir schlug das Herz bis zum Hals.

Heiliger Nikolaus, wir hatten doch gar keinen Dezember in Sicht, warum setzte mir die Götterwelt dann so ein Sahneschnittchen vor die Nase? Noch dazu so einen ›ungehobelten‹ Leckerbissen?

Phineas grinste. »Noch gar nichts, schließlich sollte das hier ja ein ›Blind Date mit Aussicht auf ein Lunchpaket‹ werden.«

»Also, Anabelle? Wie sieht es aus?«, mischte sich Sven ein. »Ich spüre die positiven Energien zwischen euch hochkochen. Wollt ihr zwei Turteltauben gleich los ins nächste Restaurant oder können wir ein romantisches Date für euch organisieren?«

Das einzige, was hier momentan ›hochkochte‹, war mein Gemüt. Es ließ mein Blut auf eine Temperatur von mindestens eintausend Grad ansteigen. Wenn unser Göttersohn nicht so unverschämt gut ausgesehen hätte, hätte ich ihn längst eiskalt abserviert.

Ich zog die Augenbrauen hoch. »So weit sind wir noch nicht, Sven. Danke!«

Vergessen war die Flut an Schimpfwörtern.

»Willst du unseren Donnergott denn nicht ausführen?«, hakte Sven erstaunt nach.

»Du willst uns ERNSTHAFT verkuppeln?«, fragte ich pikiert. »ICH soll mit seiner Gottheit ausgehen? Er hat nicht einmal Manieren! Was sollte das für ein Date werden? Eines, wo ich mir selbst die Tür aufhalten und anschließend zehn Kilometer vom Restaurant aus nach Hause laufen muss, weil er vergessen hat, mich im Auto mitzunehmen?«

»Ehrlich gesagt, finde ich die Idee nicht schlecht.« Phineas musterte mich anzüglich. »Die Tür aufzuhalten, bedeutet Krafttraining und ein Fußmarsch von zehn Kilometern würde deinen überflüssigen Pfunden auch gut tun. Du siehst aus, als hättest du Sport bitter nötig.«

Pikiert blickte ich mein Gegenüber an.

Zugegeben, Phineas Thor sah ECHT UMWERFEND aus.

Er hatte volle, peppig geschnittene dunkle Haare, wunderschöne blaue Augen und einen modischen, kurzen Vollbart. Ich verwettete meinen Bauchspeck darum, dass er unter seinem Shirt nicht nur diese sehr gut sichtbaren, perfekt durchtrainierten Brustmuskel, sondern eine Etage tiefer auch noch ein Sixpack hatte. Sein Kreuz hatte eine beachtliche Breite, auch wenn er ansonsten - im Gegensatz zu mir - gertenschlank war. Wenn man durch die letzten Blockbuster-Filme nicht einen blonden Thor vor Augen gehabt hätte, hätte man Phineas tatsächlich auch als ›Thor‹ durchgehen lassen können.

Er hatte WIRKLICH göttliche Schönheit an sich.

Äußerlich!

Nur rein äußerlich, möchte ich betonen.

Innerlich schien er alles andere als schön zu sein.

Um ehrlich zu sein, vermittelte er eher den Eindruck eines üblen Chauvinisten, der die Frauen wie Spielbälle durch die Gegend schubste und aufgrund seines guten Aussehens keine Manieren an den Tag legen musste. Vermutlich hatte er auch in den letzten zehn Jahren seiner (angeblichen) Gefangenschaft DIVERSE Angebote weiblicher Schönheiten bekommen, die sein Selbstwertgefühl ins Unermessliche gesteigert hatten.

Und mit SO einem blasierten Lackaffen sollte ich ausgehen? Ich war unsicher, ob ich das wirklich tun sollte.

Okay, um ehrlich zu sein, war ich mir ZIEMLICH sicher, dass ich NICHT mit ihm ausgehen sollte!

Ich wog vermutlich das Doppelte von ihm - und mein Gewicht war NICHT irgendwelchen Muskelpaketen geschuldet, sondern dem Mangel an Sport und Überfluss an gutem Essen - und schätzungsweise meiner UNfähigkeit, mich zu beherrschen. Wenn ich Kuchen, Schokolade und Co. nur sah, war es schon um mich geschehen.

»Ich glaube, Phineas benötigt erst einmal einen Knigge-Kurs im Umgang mit Frauen«, sagte ich also hadernd.

»Du zögerst? Warum?«, fragte Sven erstaunt. »Phin sieht doch klasse aus. Ich spüre es im Urin, dass ihr füreinander bestimmt seid.«

»Seit wann hat man Gefühle im Urin?«, platzte ich heraus. »Und seit wann benötigt Thor eine Eule? Kann dein Bruder nicht für sich alleine sprechen, Loki? Ich denke nämlich eher, dass ich gar nicht in sein Beuteschema passe.« Ich rümpfte die Nase. »Und Aussehen ist ja nicht alles. In den letzten zehn Minuten hat er sich nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt.«

»Habe ich nicht?«, fragte Phineas scheinbar überrascht und lächelte überheblich.

Ich blickte ihn aus zwei verengten Schlitzen an. »Wenn das deine beste Seite war, möchte ich deine schlechte gar nicht erst kennenlernen, Mr Dreißig.«

Phineas lachte auf und ich ärgerte mich, dass ich ihn dabei bewundernd anblickte.

Verflixt noch eins!

Warum mussten die größten Arschlöcher so wahnsinnig gut aussehen? Hatten die Sachbearbeiter im Universum einen Piepmatz, der sie irgendwie von ihrer Arbeit ablenkte? Es reichte doch wohl, dass sie die Männer mit Verstand ausstatteten, mussten sie einigen von ihnen dann auch noch Schönheit, falschen Charme UND einen heißen Körper verabreichen?

Was war mit uns Frauen?

Ich hatte manchmal das Gefühl, wir bekamen dafür Fresssucht, Neigung zur Fettansammlung, Falten und, wenn es hochkam, vielleicht mal schöne Augen geschenkt. Den Rest mussten wir uns hart erarbeiten. WIR mussten die Männer mit Charme und einem möglichst gebärfreudigen Becken bestechen, damit unsere Fettpölsterchen nicht allzu stark ins Gewicht fielen. Das war ECHT nicht fair!

»Okay. Schon verstanden. Wir lassen euch zwei dann mal alleine.« Sven winkte kurz und verließ gemeinsam mit Hans die Küche.

Und hier stand ich nun vor einem ECHT heißen Geschöpf der männlichen Spezies mit NULL Anstand - und fast null ABSTAND - und wurde begafft, als wäre ich ein Rindvieh auf dem Ochsenmarkt.

»Versuchst du dich in der Legilimentik?«, versuchte ich einen Witz zu reißen.

Fragend blickte Phineas zu mir herunter. »Ich mache was?«

»Noch nie Harry Potter gelesen oder geguckt?«

Ich LIEBTE Harry Potter - egal, ob in Buch- oder Filmform. Und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich schon längst das eine oder andere Exemplar Mensch in ein Frettchen verwandelt oder per Klospülung ins Nirwana geschickt.

Was im Übrigen bei Phineas recht verlockend war!

Wobei, ihn hätte ich vermutlich eher in einen Trinkbecher verwandelt. Dann hätte ich ihn stundenlang bewundern, berühren UND beherrschen können, ohne dass er patzige Antworten gab oder mich gar beleidigte.

»Nein. Ich stehe eher auf Horrorfilme.«

Ich verdrehte die Augen. »Igitt, pfui! Das ist nicht dein Ernst, oder?« Ich ging auf Abstand.

»Doch. Die Knochen müssen so richtig splittern und das Blut muss spritzen.«

Ich schaute Phineas noch zwei Sekunden lang an und entschied dann, dass es wirklich absolute Zeitverschwendung war, sich mit ihm auch nur eine Sekunde lang weiter zu unterhalten. Sollte er doch wieder zurück in die Unterweltshöhle seiner Ex-Braut gehen.

»Ich möchte wirklich mal wissen, wie DU die Aufnahmeprüfung bei der Polizei geschafft hast. Ich dachte, die ist so schwer!«

»Ist sie auch. Aber man wird nicht in punkto Vorlieben geprüft. Ich kann als Polizist auch Sado-Maso-Fan sein und darf trotzdem meine Arbeit verrichten. Es fragt auch niemand danach, welche Filme ich gerne schaue, wenn es darum geht, Geiseln zu befreien. Oder hast du schon einmal gehört, dass mein Dienstherr die Polizisten nach dem bevorzugten Film-Genre auswählt?«

»Das sollten sie vielleicht lieber tun!«

»Ach! Du möchtest also aus einem Geiseldrama nur von einem koscheren Polizisten gerettet werden, der Harry Potter guckt?«

»Genau. Abgesehen davon, gerate ICH NIEMALS in ein Geiseldrama. Aber wenn, dann würde ich mich nur von einem netten Polizisten retten lassen«, bestätigte ich.

Phineas schnitt eine Grimasse. »Sag Bescheid, wenn du in Schwierigkeiten steckst!«

»Warum sollte ich?«

»Damit ich mir vorher Urlaub nehmen kann.«

»Du kommst als rettender Held ohnehin nicht infrage«, konterte ich. »Ich kann mir also den Anruf sparen.«

»Du brauchst dir gar nicht erst meine Nummer zu notieren, ungewollte Schwägerin in spe!«

»Ungewollt?« Voller Empörung plusterte ich mich auf.

»Ich glaube, ich verschwende nur meine Zeit mit dir.«

Phineas lachte höhnisch. »Wie bitte? DU verschwendest deine Zeit mit MIR? Was soll ICH denn sagen? Glaubst du, meine Zeit wächst auf dem Baum?«

»Ja, auf dem Baum der verbotenen Früchte.«

»Was soll das denn jetzt wieder heißen? Noch so ein Kinderfantasy-Quatsch?« Phineas schnaufte verächtlich.

Ich schnitt eine Grimasse, die mich sicherlich nicht gerade hübscher machte. »Das heißt, du kannst in deine Unterwelt zurückgehen, falls dich deine Teufelsdienerin noch zurücknimmt, nachdem sie dich aus der Hölle verbannt hat. Du pimperst doch bestimmt alles, was nicht bei drei auf dem Baum der verbotenen Früchte sitzt.«

Boah, der Kerl machte mich derart wütend, dass sogar ICH meine gute Erziehung vergaß!

Phineas stemmte die Hände in seine beneidenswert schmalen Hüften. »Und DU wirfst mir vor, keine Manieren zu haben? Wer beleidigt denn hier wen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Das war ein Kompliment!«

»WIRKLICH? Merkwürdig, in der Unterwelt sehen die Komplimente irgendwie anders aus.« Phineas sah mich aus schmalen Augen an, und selbst jetzt sah er phantastisch aus.

»Zugegeben, du siehst super aus. Ehrlich! Der Sachbearbeiter im Universum, der dich erschaffen hat, hatte bei deiner Bestellung vermutlich gerade eine kleine Stimmungshochlage. Aber ein Typ, der Horrorfilme guckt, keine Manieren hat und zehn Jahre in der Unterwelt verbracht hat, kommt mir nicht ins Haus. Niemals!«

»Ach!«

»Und erst recht nicht in mein Bett«, fügte ich eilig hinzu.

»Aha!«

»Oder sonst wohin!«, stellte ich klar. »Wer weiß, ob du nicht irgend so ein Sado-Maso-Fetischist bist, der mich quält wie bei ›Fifty Shades of Grey‹. Und kaum ist die Schlafzimmertür zu, splittern meine Knochen und mein Blut spritzt sonst wo hin.« Ich blickte aus lauter Nervosität auf meine Fingernägel.

Huch, die musste ich dringend generalüberholen!

Wie peinlich, die hatte ich total vergessen!

Eilig versteckte ich sie hinter meinem Rücken.

»Was für ein Glück, dass Amor uns zwei nicht zusammenbringen wollte, was?«, grunzte Phineas.

»Das sehe ich auch so. Obwohl DU als Thor ja bestimmt einen direkten Draht zu ihm hast. Schließlich seid ihr ja beide Götter. Aber bei deiner Ex-Freundin hat dir das ja auch nix genützt. Sonst hätte sie dich nicht aus ihrer Höllenhöhle verbannt, oder?« Ich grunzte. »Vermutlich hat sie sich lieber Hades geschnappt, weil der Gott der Unterwelt netter ist als du.«

Phineas nahm sein Colaglas und leerte es in einem Zug.

»Ich glaube kaum, dass du das beurteilen kannst.«

»Oder ist Mr Schönling fremdgegangen?«, forderte ich ihn heraus.

Phineas schnaufte. »Was? Du spinnst wohl total! Nur weil ich blendend aussehe, bin ich noch lange kein Arschloch.«

»DU findest, du siehst ›blendend‹ aus? Das kann man vielleicht denken, aber so etwas sagt man doch nicht frei heraus.«

»Bist du verklemmt! Warum sollte ich mich nicht toll finden? Diese dumme deutsche Masche, dass sich niemand selbst loben oder toll finden darf, ist doch echt für’n Arsch! Hast du dich noch nie vor den Spiegel gestellt und dir gesagt, wie toll du aussiehst?«

»Um ehrlich zu sein, habe ich so eine Spiegelarbeit bisher erfolgreich vermieden«, gestand ich zerknirscht.

DIE hätte mir vermutlich mal ganz gut getan und so einige Pfunde auf meinen Hüften vermieden.

»Das sehe ich!« Abfällig zog Phineas die Augenbrauen hoch. Dann zog er demonstrativ eklig die Nase hoch.

»Aber seit wann hat das Aussehen eines Mannes etwas mit seiner Treuefähigkeit zu tun?«

Ich zuckte nonchalant mit den Schultern. »Du siehst SO gut aus, dass du hundertpro NICHT treu bist.«

»Vielen Dank für deine Einschätzung, Frau Psychologin!

Als wenn Äußerlichkeiten Einfluss auf den Charakter hätten«, schnaufte Phineas.

»Haben sie. Und ob sie das haben!«, empörte ich mich.

»Denn wenn du hässlich wärest, würde dich niemand auch nur mit dem Arsch angucken und du müsstest mit Charme und Witz bestechen, quasi mit einem guten Charakter. Aber weil du SEHR attraktiv bist, kannst du dir JEDE Frau angeln und musst nicht mit inneren Qualitäten überzeugen. Ich wette, dem selbstüberzeugten Thor liegen ALLE Damen zu Füßen. Und weil das so ist, denkst du vermutlich, du kannst dir ALLES erlauben. Ergo, bist du auch ein typischer Fremdgeher.«

»Amen.« Phineas warf mir einen finsteren Blick zu.

»Dann weißt du ja bereits alles über mich.« Er lächelte.

Aber es war kein freundliches Lächeln.

Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch.

Herr im Himmel, ich war noch NIE so unfreundlich zu einem anderen Menschen gewesen, erst recht nicht zu einem Mann - und schon gar nicht zu SO einem attraktiven Mann, der vielleicht sogar bald zu meiner Familie gehören könnte.

Was war nur in mich gefahren?

Phineas musterte mich, während er kurz auf einem Barhocker Platz nahm. »Und DU«, er blickte mich betont abfällig an, »bist ein dummes NILPFERD mit deinen dicken Stampfern, dem fetten Arsch, deinem Schwabbelbauch UND deiner talentlosen Fähigkeit, Menschen einzuschätzen. Du hast zwar phantastische lange, rote Locken und tolle grüne Augen, aber du bist so dick, dass man meinen könnte, du hättest noch nie dein Sofa verlassen und auch nur eine Sekunde lang Sport getrieben. Und wie ist das bei übergewichtigen Menschen? Haben die Charakter?

Sind die treu? ACH NEIN, die haben ja gar keinen Partner, weil NIEMAND sie haben will.« Phineas holte tief Luft. »Darum hast DU auch keinen Freund. Beim Sex würdest du ihn unter dir begraben! Vielleicht hast du deinen letzten Freund sogar erdrückt und bist deshalb Single!«

Bei meinen letzten zwei Ausrutschern war ich de facto noch SCHLANK gewesen! Da hätte ich nichts und niemanden erdrücken können, so ein leichter Floh war ich anno dazumal.

Meine Ausbuchtungen waren allein der Tatsache geschuldet, dass ich zum hundertsten Mal verarscht worden war und mir elendigen Kummerspeck angefressen hatte.

Aber DAS band ich ihm bestimmt nicht auf die Nase!

»Boah, was bist du boshaft! Bin ich froh, dass wir gleich getrennte Wege gehen«, platzte ich heraus.

»Bin ich froh, dass es mit uns nichts wird. Du bist für meinen Geschmack nicht nur erheblich zu dick, sondern auch extrem lästig. Wie konnte mein Bruder bloß glauben, dass WIR zwei ein Paar werden könnten?«

»Das frage ich mich auch.«

Ich war den Tränen nahe.

SO hatte noch nie jemand mit mir gesprochen.

Klar, ich wusste, ich hatte mich in den letzten Jahren der männlichen Reinfälle ETWAS zu sehr gehen lassen. Mein Bruder meinte neulich, ich hätte mir zu viel emotionale Schutzschicht angefuttert, aber momentan suchte ich verzweifelt nach eben dieser Schutzschicht. Ich war derart verletzt von Phineas’ Worten, dass ich hätte lauthals losheulen können. Da konnte von einer Schutzschicht gar keine Rede sein!

Wir rauschten beide gleichzeitig aus der Küche und stießen natürlich im Türrahmen prompt aneinander.

»Autsch!« Ich rieb mir die Schulter. »Geht es auch ETWAS rücksichtsvoller?«

»Bist du etwa nicht gepolstert, ›Happy Hippo‹?«

»Nein, Prinz Charming, bin ich nicht. Und das ›Happy‹ kannst du nach deiner Ansprache mal ganz schnell wieder vergessen. ›Happy‹ bin ich ganz bestimmt nicht mehr. Du hast mir den ganzen Tag versaut. Ach, was sage ich, du hast mir die Lust zu einem Date für die nächsten hundert Jahre versaut!« Voller Entrüstung stampfte ich schnaufend in den Flur, noch immer den Tränen nah.

Okay, ich hatte seit meinem letzten Beziehungsreinfall wirklich zu viel zugenommen, aber sah ich deshalb gleich wie ein NILPFERD aus? Ich war eher das, was man als ›vollschlank‹ bezeichnen würde. Ich hatte in den letzten Monaten minimale, kaum erwähnenswerte zwanzig Kilo durch Chips, Schokolade und Co. zugenommen.

Das waren pure Seelenkilos.

Und mein Fitnessprogramm hatte ich auch nicht mehr verfolgt. Zugegeben, ich hatte das in den letzten Monaten ETWAS schleifen lassen und mein Fitnessstudio quasi nur gesponsert, statt es auch zu nutzen.

Insgeheim musste ich Mr Gottheit daher leider Recht geben, dass ich EIN KLEIN WENIG zu dick war, aber das hätte ich ums Verrecken nicht offen zugegeben.

ETWAS charmanter hätte er sich allerdings trotzdem ausdrücken können! Aber charmantes Verhalten gehörte offensichtlich nicht in sein Repertoire des zwischenmenschlichen Umgangs.

Phineas rauschte an mir vorbei und schwang seinen ekelhaft süßen Knackarsch ins Wohnzimmer. »Sven, ich muss dann mal los. Bist du am Wochenende auch bei Mom und Dad?«

Sven blickte vom Sofa auf. »Ach, ihr habt euch schon fertig abgesprochen? Und, wann geht ihr zwei zusammen aus? Jetzt gleich?«

Phineas zögerte mit der Antwort, also kam ich ihm zuvor.

»Sobald Thor seinen Hammer wiedergefunden hat, können wir die Sache angehen. Aber vorerst muss dein Bruder noch den Riesen Thrym überlisten, der den Mjölnir gestohlen hat. Er muss also gemeinsam mit dir, Sven, ins Reich der Riesen reisen, und zwar verkleidet als Braut und Brautjungfer, damit ihr die Riesen überlisten und den Hammer zurückbekommen könnt.«

»Genau«, stimmte Phineas mir zu, »und da das noch etwa zwanzig Kilo lang dauert, wird es vorerst nichts mit einem Date.«

Empört klappte mir der Mund auf. »Was? Zwanzig Kilo lang? Du rechnest Zeit in Kilos?«

Phineas blickte auf mich herab und flüsterte mir ins Ohr:

»Nur bei dir, Schätzchen. Melde dich, wenn du deine Stampfer abgehungert hast! Dein Gesicht ist ja ganz hübsch. Deine Augen und deine Haare sind wirklich toll.

Aber der Rest«, er blickte mich anzüglich an, »ist SEHR generalüberholungsbedürftig.«

Ich war fassungslos und schüttelte nur noch den Kopf.

Sven, der die Worte seines Bruders nicht gehört hatte, verdrehte die Augen. »Nun, immerhin kennst du dich bestens mit den Göttern aus, Belle. Also habt ihr euch noch auf keinen Termin einigen können?«

»Ich befürchte, die Chemie stimmt doch nicht so ganz«, mischte sich Hans ein.

Sven machte ein trauriges Gesicht. »Echt nicht?«

Ich versuchte, ihn anzulächeln, was mir leider nicht gelang. Phineas hatte irgendwie mein Lächeln gestohlen.

Phineas zuckte mit den Schultern. »Sorry, Bro! Wenn du nichts mehr hast, mache ich mich wieder vom Acker.« Er hob eine Hand zum Gruß und war auch schon geflohen.

Sven und Hans sahen sich zerknirscht an.

»Wir hätten wirklich gedacht, dass ihr DAS perfekte Paar seid«, bemerkte Sven total enttäuscht.

Ich zuckte mit den Schultern. »Im nächsten Leben vielleicht. Vielen Dank für eure Bemühungen. Aber ich glaube, ihr seid das einzige Götterpaar mit positiven Zukunftsaussichten.«

***

Seit ewigen Zeiten war ich scharf darauf, EINMAL ins Schokoladenmuseum zu gehen und heute war es endlich so weit. Wir hatten Sonntag und ich machte mich gemeinsam mit Sven und Hans auf den Weg ins ›Schokoversum‹.

Diese Idee hatten offenbar noch Hunderte von andere gelangweilte Großstädter - oder die, die ebenso wie ich absolute Schokoladenfans waren - und so wurde ich bereits am Einlass von Sven und Hans getrennt.

»Soll ich jemand anderes vorlassen und eine Führung später mit euch gemeinsam gehen?«, fragte ich meinen Bruder fast schon verzweifelt.

Hans und Sven schüttelten den Kopf und winkten mir fröhlich zu. »Nein, nein«, sagte mein Bruder großmütig, »geh ruhig mit dieser Gruppe! Wir folgen dir unauffällig.

Wir treffen uns dann nachher wieder am Ausgang und können dann noch eine kleine Hafenrundfahrt machen.«

Seufzend nickte ich den beiden zu und lief meiner Gruppe hinterher, die bereits vorausgestürmt war.

Ich versuchte, den Anschluss an die Erzählungen unseres Führers zu bekommen und war froh, als ich endlich kapierte, wovon er sprach. Gebannt folgte ich seinen Worten, als ich plötzlich mit jemandem zusammenstieß.

»Phineas! Oder sollte ich lieber ›Thor‹ sagen? Was machst du denn hier?«, fragte ich erschrocken. »Gehst du jetzt unter die Schokoladengötter?«

Phineas’ Stirn schlug erhebliche Falten bei meinem Anblick. »Dasselbe könnte ich dich fragen.«

»Sven und Hans haben mich zu dieser Führung eingeladen«, sagte ich.

Phineas verzog den linken Mundwinkel. »Na, super! Das hat mein Bruder ja prima eingefädelt. Mich hat er nämlich auch eingeladen.«

»Und du bist der Einladung gefolgt? Ich hätte eher gedacht, Schokolade und Co. gehören nicht in deinen Verführungsbereich«, witzelte ich.

Phineas lächelte, hielt aber den Blick von mir abgewandt.

Als er mich schließlich ansah, wich ich fast erschrocken zurück. In seinem Blick lag alles andere, nur keine Freundlichkeit. Er beugte sich vor und flüsterte: »Ich bin hier auf der Suche nach heißen Bienen, die meinen Baum der verbotenen Früchte befruchten.«

»Touché! Aber es steht leider immer noch zwei zu eins für mich. Du hast sicher nicht damit gerechnet, so dicke Hummeln wie mich hier zu treffen, was?«

Phineas machte einen Spitzmund. »Ich habe in der Tat nicht damit gerechnet, eine Pummel-Hummel hier anzutreffen.« Er warf einen Blick auf meine Beine. »Sollst du die Hummel sein? Hast du etwa Haare an den Beinen?

Rasierst du dich nicht?«

Vollkommen geschockt, ob ich bei meiner Rasur irgendetwas übersehen hatte, blickte ich an mir herunter.

Ich trug einen kurzen Rock, denn es war sommerlich warm heute. Haare zeigten meine Beine jedoch nicht.

»Doch, natürlich rasiere ich mich.« Ich blickte auf.

»Überall.« Auch wenn ihn diese Tatsache überhaupt nichts anging, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, meine Ehre retten zu müssen.

»Na, dann bist du doch keine Hummel. Deren Stampfer sind doch voll mit flauschigen, schwarzen Haaren.«

Phineas lachte leise.

Eine Frau drehte sich nach uns um. Sie sah erst mich, dann Phineas an. Als sie ihn sah, ging ein Ruck durch ihren ganzen Körper und jch sah förmlich, wie es in ihrem Köpfchen ratterte. Sie fragte sich hundertpro, was so ein ungleiches Paar miteinander verband. Dabei kam sie wohl zu dem Schluss, dass ich keine Konkurrenz darstellte und lächelte Phineas aufreizend an.

Phineas zwinkerte ihr zu, woraufhin sie sich beschämt wegdrehte.

»Du flirtest in meinem Beisein?«, fragte ich ihn pikiert.

»Ja, warum denn nicht?«, fragte Phineas nonchalant zurück. »Schließlich sind wir weder zusammen, noch ist das ein offizielles Date.«

»Nee, eher der gescheiterte Versuch unserer Brüder, uns zusammenzubringen«, konterte ich reichlich genervt.

Der Museumsführer zeigte uns verschiedene Sorten Kakaobohnen.

Genießerisch schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. »Mmh, wie das duftet!«

Phineas ergriff meinen Arm und lehnte sich gegen meine Schulter. »Möchtest du lieber mit geschlossenen Augen weitergehen, um nicht in Versuchung zu geraten? Ich würde mich als Blindenführer anbieten.«

Überrascht öffnete ich die Augen. »Wieso bietest du mir deine Hilfe an? Müsstest du nicht eher dafür sorgen, dass ich aus dem Fenster falle und du mich für immer los bist?«

Phineas verdrehte die Augen. »Anabelle, ich mag zwar in deinen Augen ein Arschloch sein, aber ich wünsche doch niemandem den Tod.«

»Ach, nein?«

»Ich bin Polizist. ICH sorge tagtäglich dafür, dass DU in Sicherheit Schokolade essen kannst. UND«, er hob eine Hand, als ich protestieren wollte, »ich helfe alten Omis über die Straße, die im Supermarkt um die Ecke Schokolade eingekauft haben.«

Nun musste ich doch grinsen. »So, tust du das?«

Phineas nickte mit gespielt ernster Miene. »Natürlich. Das ist doch meine Pflicht als guter Polizist.«

»Wenn ICH also alt und grau bin und Schokolade einkaufen will, dann hilfst du mir auch über die Straße?«, witzelte ich leise.

Die Frau vor uns drehte sich um und musterte mich anzüglich. Ich schob demonstrativ ein Bein vor und drehte es hin und her. »Gefällt Ihnen mein Rock oder stehen Sie eher auf meine Schuhe?«

Ertappt, drehte sich die Frau ganz schnell wieder nach vorne und wagte es nicht einmal mehr, Phineas anzuflirten.

»Anabelle, du bist ja richtig schlagfertig«, stellte Phineas fast ein wenig bewundernd fest.

Ich lächelte. »Tja, da kannst du mal sehen, was ich alles kann.« Ich holte tief Luft. »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Würdest du mir über die Straße helfen, Superman?«

»Nur des lieben Friedens willen.« Er blickte wieder nach vorne und lauschte den Worten des Museumsführers.

Ich konnte meine lang ersehnte Museumstour neben Phineas nicht genießen. Ständig zwang mich mein innerer Schweinehund, Phineas’ Körper zu scannen. Jeden Zentimeter seines ätzend durchtrainierten Körpers sog ich in mich auf, als wäre seine Nähe Lebenselixier.

Irgendwann drehte Phineas sich zu mir um, packte mich an den Schultern und schob mich im Rückwärtsgang in den vorherigen Raum. »Wenn du einen Scanner oder eine Lupe brauchst, gib mir Bescheid, Süße!«

»Was? Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst«, spielte ich die Unschuldige.

Phineas stemmte sich eine Hand in die Hüfte. »Du bist eine miserable Lügnerin, Anabelle! Willst du mir wirklich weismachen, dass du mich NICHT heimlich musterst und dein Sex-Checkerprogramm nicht schon die eine oder andere Stellung gedanklich geprüft hat?«

Fassungslos öffnete ich den Mund.

Ja, ich hatte ihn heimlich gemustert.

Und ja, ich habe ihn dabei auch bewundert.

Ein kleines bisschen.

Ein klitzekleines bisschen.

ABER ich habe mir definitiv KEINE Sexstellungen mit ihm vorgestellt.

Bis eben.

Bis jetzt, um genau zu sein.