Dunkle Legenden - Florian Hilleberg - E-Book

Dunkle Legenden E-Book

Florian Hilleberg

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Beschreibung

Alles über den erfolgreichsten Geisterjäger der Welt

Vampire, Zombies und andere Unholde: Welche Gestalten der Finsternis auch immer die Welt bedrohen, auf Rettung durch John Sinclair ist Verlass. Der Geisterjäger ist Kult - auch darum, weil er auf einen großen Kulturschatz des Horrors zurückgreift. Seine Feinde wurden inspiriert durch klassische Mythen, reale Figuren oder Hollywood-Erfolge. Auch John Sinclair selbst geht mit der Zeit, bleibt nicht unberührt von historischen Ereignissen und neuen Rollenbildern. Florian Hilleberg ist dem Phänomen John Sinclair auf der Spur, untersucht die dunklen Legenden, aus denen seine Widersacher stammen, und liefert Fans der Serie unverzichtbares Hintergrundwissen.

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumVorwort des VerfassersEINFÜHRUNG: WORUM ES BEI JOHN SINCLAIR GEHT1. JOHN SINCLAIR: EIN PHÄNOMEN IN SERIEZWISCHEN INNOVATION UND STEREOTYPE: EIN HELD IM WANDEL DER ZEITFIKTION UND REALITÄT: ZEITGESCHICHTLICHE ASPEKTEVON ROMERO BIS BOWIE: MEDIALE EINFLÜSSE2. FREUNDE UND FAMILIE: DER MENSCHLICHE FAKTORDAS SINCLAIR-TEAM: GEMEINSAM STARKDIE CONOLLYS: EIN HAUCH NORMALITÄTVON FRAUEN UND MÄNNERN: DIE GESCHLECHTERROLLEN BEI JOHN SINCLAIR3. DIE BANALITÄT DES BÖSEN: DIE GEGNER DES GEISTERJÄGERSZOMBIES, UNTOTE, WIEDERGÄNGERVAMPIRE UND ANDERE BLUTSAUGERWERWÖLFE, TIGERFRAUEN UND BÄRENHÄUTERGHOULS UND LEICHENFRESSERHEXEN HEXENIN SATANS DIENSTEN – DOKTOR TODDER SCHWARZE TOD, ASMODINA UND DER SPUKDIE HIERARCHIE DER HÖLLETAFELTEIL4. DAS KREUZ MIT DEN WAFFENDAS KREUZ DES HESEKIELSILBERNE KUGELN, DOLCHE, BUMERANGSSCHWERTER, PEITSCHEN, KILLERBLASEN5. EIN HAUCH FANTASYATLANTISAIBONAVALON6. RELIGIONEN UND MYTHOLOGIENDAS CHRISTENTUMDAS JUDENTUMDIE JAPANISCHE MYTHOLOGIEDIE GRIECHISCHE MYTHOLOGIEDIE ÄGYPTISCHE MYTHOLOGIESONSTIGE RELIGIONEN UND MYTHOLOGIENNACHWORTGLOSSARQUELLEN

Über dieses Buch

Alles über den erfolgreichsten Geisterjäger der Welt

Vampire, Zombies und andere Unholde: Welche Gestalten der Finsternis auch immer die Welt bedrohen, auf Rettung durch John Sinclair ist Verlass. Der Geisterjäger ist Kult – auch darum, weil die Serie auf einen großen Kulturschatz des Horrors zurückgreift. Seine Feinde wurden inspiriert durch klassische Mythen, reale Figuren oder Hollywood-Erfolge. Auch John Sinclair selbst geht mit der Zeit, bleibt nicht unberührt von historischen Ereignissen und neuen Rollenbildern. Florian Hilleberg ist dem Phänomen John Sinclair auf der Spur, untersucht die dunklen Legenden, aus denen seine Widersacher stammen, und liefert Fans der Serie unverzichtbares Hintergrundwissen.

Über den Autor

Florian Hilleberg, 1980 geboren, wuchs in Norddeutschland auf und ist Fan des Genres, seitdem er im zarten Altern von neun Jahren seinen ersten Gruselroman in die Hände bekam. Bald entdeckte er GEISTERJÄGER JOHN SINCLAIR und verschlang jedes Heft, dessen er habhaft werden konnte. Inzwischen schreibt er als Ian Rolf Hill selbst regelmäßig für die Reihe und tritt als Experte im JOHN-SINCLAIR YouTube-Kanal auf.

DUNKLE LEGENDEN

FAKTEN, MYTHEN, HINTERGRÜNDE –50 JAHRE GEISTERJÄGER JOHN SINCLAIR

FLORIAN HILLEBERG

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Originalausgabe

Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Beate De Salve

Titelillustration: © Oleg Krugliak/shutterstock; Gordan/shutterstock

Umschlaggestaltung: Thomas Krämer

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-4278-8

luebbe.de

lesejury.de

Vorwort des Verfassers

Im Sommer des Jahres 1989 stand ein kleiner neunjähriger Junge im SPAR-Markt eines beschaulichen Dörfchens in der Lüneburger Heide und blockierte den Weg zur Kasse. Natürlich nicht komplett. Der Junge war zwar ein wenig pummelig, aber die Kundinnen und Kunden kamen trotzdem irgendwie an ihm vorbei. Nur eben etwas umständlicher. Dabei stand dieser Junge keineswegs aus purer Langeweile im Gang vor der Kasse, ganz im Gegenteil. Er war gebannt, vertieft und vollkommen in einer anderen Welt versunken. Derart versunken, dass ihn die Kassiererin irgendwann mit dem Heft und einem Marmeladenbrot in das Büro setzte, wo er in Ruhe weiterlesen durfte. Gerüchten zufolge hat er das überhaupt nicht mitbekommen, so gefesselt war der Knabe von dieser Welt. Einer Welt, in der es vor Geistern, Dämonen und Untoten nur so wimmelte.

Es war die Welt des Geisterjägers JOHNSINCLAIR. Und der Junge, der dort seinen ersten Roman in Händen hielt, Sie ahnen es schon, war ich, Florian Hilleberg. Bereits seit Wochen, Monaten, vielleicht sogar schon seit Jahren war ich fasziniert von den Titelbildern der Romane, die in den roten Ständern von Bastei (Lübbe) im Zeitschriftenregal standen. Bislang hatte ich mich mit dem Betrachten der bunten, zum Teil sehr plakativen und comichaften Darstellungen von Vampiren, Werwölfen und Monstern begnügt – unter anderem, weil ich noch nicht gut genug lesen konnte, um mir einen ganzen Roman zu Gemüte zu führen. Doch die Neugier hatte mich nicht losgelassen, und in der zweiten Woche des besagten Juli 1989 war es endlich so weit: Der kleine Florian stand im SPAR-Markt und las »Vampir-Gespenster«, geschrieben von einem Mann namens Jason Dark.

Damals hatte ich keine Ahnung, wer sich hinter diesem Namen verbarg. Ich wusste nur, wie fasziniert ich von der Geschichte war, in der Vampire ein kleines schottisches Dorf terrorisierten.

Ich ahnte auch nicht im Mindesten, dass ich gerade selbst mit dem Sinclair-Fieber infiziert worden war und an einem entscheidenden Wendepunkt meines Lebens stand. Meistens wissen wir erst hinterher, wie bedeutsam gewisse Begegnungen für unsere Zukunft sind. In meinem Fall dauerte es sogar fünfundzwanzig Jahre.

Fünfundzwanzig Jahre, in denen ich zu einem Fan der Serie herangewachsen bin. Es ist keine Übertreibung, wenn ich behaupte, dass mich JOHNSINCLAIR fast mein ganzes Leben lang begleitet hat. Gerade in einer Zeit, in der sich so viel veränderte; in der die Kindheit endete, die Pubertät begann und schließlich im Erwachsenendasein mündete (rein rechtlich betrachtet zumindest), bildete JOHNSINCLAIR eine der wenigen Konstanten. Egal was geschah oder wo ich mich gerade aufhielt, eines war so sicher wie das Amen in der Kirche: Spätestens am Dienstag würde ein neuer Roman mit meinem Lieblingshelden im SPAR-Markt, Bahnhofs-Kiosk oder wo auch immer ausliegen und nur darauf warten, von mir gelesen zu werden. Es war nicht immer klar, ob der Held wirklich gewann, fest stand nur, dass er und seine engsten Mitstreiter mehr oder weniger unversehrt aus den Abenteuern hervorgehen würden, um dem Bösen auch in der kommenden Woche die Stirn zu bieten. John Sinclairs Motto wurde auch meines: Nie aufgeben, nie unterkriegen lassen und immer weitermachen.

Als ich meinen ersten JOHN-SINCLAIR-Roman las, lagen insgesamt drei verschiedene Auflagen am Kiosk aus, dazu eine monatlich erscheinende Taschenbuchausgabe. Erst viel später wurde mir klar, dass dies alles nur ein einziger Mann geschrieben und erdacht hat. Ein Mann, der einen gewaltigen Kosmos erschaffen hat und mittlerweile bereits zwei Generationen das Gruseln lehrt: Jason Dark!

Am 13. Juli 1973 erschien als Band 1 einer neuen Grusel-Heftromanreihe »Die Nacht des Hexers«, in der John Sinclair seinen ersten Auftritt hatte. Damit trat Jason Dark eine Lawine los, die Tausende von Leserinnen und Lesern mitgerissen hat und bis heute begeistert.

Natürlich handelt es sich bei Jason Dark um ein Pseudonym. Dahinter verbirgt sich der gebürtige Sauerländer Helmut Rellergerd, der die Serie nicht nur erfunden, sondern auch jahrzehntelang allein gestemmt hat. Mittlerweile tritt Helmut »Jason Dark« Rellergerd ein wenig kürzer. Statt vier Heftromanen und einem Taschenbuch pro Monat sind es heute »nur« noch ein bis zwei Hefte, die er schreibt.

Um den Hunger der Fans, die wöchentlich nach neuen Abenteuern des Geisterjägers lechzen, dennoch zu stillen, wurden neue Autoren rekrutiert, die Jason Dark bei seiner Arbeit unterstützen.

Ich habe das Privileg, einer dieser Autoren sein zu dürfen und schreibe unter dem Alias Ian Rolf Hill mit. Fünfundzwanzig Jahre nachdem der kleine Florian seinen ersten Roman mit nach Hause genommen hat, durfte er also selbst einen Roman für die Serie beisteuern, die nicht nur fester Bestandteil seines Lebens geworden ist, sondern auch ein – wenn auch imaginärer – Hort der Beständigkeit in einer sich stetig verändernden Welt.

Mit dieser Meinung stehe ich übrigens nicht allein dar. JOHNSINCLAIR ist für viele Fans ein sicherer Hafen, in dem sie einmal pro Woche vor Anker liegen, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Allerdings würde es dem Lebenswerk von Jason Dark und diesem gewaltigen Kosmos nicht gerecht werden, wenn man ihn auf bloßen Eskapismus reduzieren und herunterbrechen würde.

Über die Jahre hinweg hat sich die Serie zu einer Saga entwickelt, in deren Mittelpunkt natürlich der Serienheld selbst steht: der Geisterjäger John Sinclair, der Sohn des Lichts und der Träger des silbernen Kreuzes, das vom Propheten Hesekiel vor zweitausendfünfhundert Jahren im babylonischen Exil geschaffen wurde und das die Erzengel persönlich geweiht haben. John Sinclair ist der Auserwählte, der letzte in einer langen Reihe von Söhnen des Lichts, zu denen unter anderem Richard Löwenherz, aber auch der (fiktive) Templerführer Hector de Valois gehörten.

John hat den Untergang von Atlantis überlebt und den großen Brand von London im Jahr 1666 gelegt. Seine Gegner entstammen den verschiedensten Religionen und Mythologien. So kämpfte er bereits gegen den japanischen Sturm- und Meeresgott Susanoo, vernichtete den Lügenengel Belial und bot der finsteren Lilith die Stirn.

Darüber hinaus ist JOHNSINCLAIR aber auch ein Stück Zeitgeschichte, in das immer wieder Einflüsse der Popkultur mit einfließen. Vor über vierzig Jahren mussten John und seine Freunde noch durch unterirdische Tunnel kriechen, um in der ehemaligen DDR den Schwarzen Tod zu jagen, heute zählt ein ehemaliger Kommissar aus Leipzig zu seinen besten Freunden. Zur selben Zeit, als »The Fog – Nebel des Grauens« in den Kinos lief, bekam es John Sinclair mit dem Todesnebel zu tun. Und als AKTE X in aller Munde war, musste auch er sich einige Male mit einer außerirdischen Bedrohung auseinandersetzen.

Friedhelm Schneidewind hat das Phänomen JOHNSINCLAIR in »Das Lexikon von Himmel und Hölle« hervorragend auf den Punkt gebracht: Man muss sich darauf einlassen, dass bekannte Mythen, Monster und Dämonen ebenso zurechtgebogen und neu interpretiert werden wie religiöse oder literarische Gestalten und Topoi, seien es Lilith oder Merlin, Luzifer oder die Erzengel. Wenn man bereit ist, das Spiel mitzuspielen, gewinnt es seinen eigenen Reiz, bietet der Autor einen ungewöhnlich umfangreichen Fundus an Ideen, Figuren und Geschichten.

Diese Beschreibung trifft ausgezeichnet auf das Setting der Serie zu und zeigt gleichzeitig, dass JOHNSINCLAIR deutlich mehr ist als eine wöchentlich erscheinende Heftromanserie, in der Geschichten nach Schema F abgespult werden. Häufig wird dieser Literaturgattung vorgeworfen, ihren Figuren keine ausreichende Tiefe zu verleihen. Gegen dieses Argument sprechen knapp 2700 Ausgaben im Heftroman- und Taschenbuchformat, in denen sich John Sinclair auf eine Weise entwickelte, wie es in einem »gewöhnlichen« Buch gar nicht möglich ist. Dasselbe gilt natürlich auch für seine Freunde und sogar einige seiner Gegenspieler.

In den letzten fünfzig Jahren ist JOHNSINCLAIR zu einem multimedialen Phänomen geworden, das Menschen sämtlicher Altersklassen und Bildungsschichten begeistert und aus der deutschen Popkultur nicht mehr wegzudenken ist.

Auf den folgenden Seiten möchte ich Sie mitnehmen auf eine Reise durch diese faszinierende und vielschichtige Welt, die Jason Dark für uns erschaffen hat.

Egal ob Sie John Sinclair seit fünfzig Jahren die Treue halten oder die Serie erst jetzt für sich entdeckt haben; ganz gleich ob Sie jede Woche den neuen Roman verschlingen oder nur die Hörspiele hören – Sie alle sind herzlich eingeladen, mich zu begleiten. Lassen Sie mich Ihr Reiseführer durch das vielschichtige Sinclair-Universum sein.

Florian Hilleberg

EINFÜHRUNG: WORUM ES BEI JOHN SINCLAIR GEHT

Wie ein unheilvoll drohender Schatten lag die Dunkelheit über dem Land.

Mit diesem Satz begann vor fünfzig Jahren eine Erfolgsgeschichte, niedergeschrieben von einem jungen Mann namens Helmut Rellergerd unter dem Pseudonym Jason Dark. Es war der erste Satz der allerersten Ausgabe einer neuen Heftromanreihe, mit welcher der renommierte Bastei-Verlag das Horror-Genre erobern wollte.

Die Reihe trug den markigen Namen GESPENSTER-KRIMI mit dem Untertitel »Zur Spannung noch die Gänsehaut«. Aus heutiger Sicht erscheint es fast wie Ironie, dass sich anfangs niemand fand, der den ersten Band schreiben wollte – bis sich Rellergerd, der zu dieser Zeit als Redakteur im Verlag angestellt war, selbst an die Schreibmaschine setzte und »Die Nacht des Hexers« zu Papier brachte. Der Inhalt ist schnell erzählt: Ein mehr oder weniger geistig labiler Wissenschaftler, der titelgebende Hexer, namentlich Professor Ivan Orgow, erweckt mithilfe seines Mediums Lara die Toten des schottischen Dorfes Middlesbury zu untotem Leben. Scotland Yard wird auf die Vorfälle aufmerksam und schickt einen Spezialisten für übernatürliche Fälle – Inspektor John Sinclair.

Der Roman erschien am 13. Juli 1973, kostete eine Mark – und war ein voller Erfolg.

Wie lange die Erfolgsgeschichte weitergehen würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt indes noch niemand. Am allerwenigsten der Verfasser selbst, der bereits zwei Monate nach dem Start der Reihe seinen zweiten GESPENSTER-KRIMI beisteuerte. Es war die Nummer 5 mit dem Titel »Bei Vollmond holt dich der Vampir«, eine Geschichte ohne John Sinclair. Der tauchte erst in Rellergerds drittem Roman »Mörder aus dem Totenreich« wieder auf, gemeinsam mit Sinclairs bestem Freund, dem Reporter Bill Conolly.

Von diesem Zeitpunkt an stand für den Autor fest, dass Sinclair, von seinen Freunden scherzhaft »Geisterjäger« genannt, auch in seinen nächsten Romanen der Protagonist sein würde – er hatte schlicht und ergreifend keine Lust, sich jedes Mal einen neuen Helden auszudenken.

Auch seinem Pseudonym Jason Dark blieb der am 25. Januar 1945 in Dahle geborene Rellergerd treu. Von 1973 bis 1977 schrieb er insgesamt fünfzig Romane, in denen John Sinclair gegen die Mächte der Finsternis antrat und die alle als GESPENSTER-KRIMI erschienen. Später kam noch ein weiterer Roman hinzu, der Jubiläums-Band 500, mit dem reißerischen Titel »Ihr Mann, der Zombie«. Übrigens wieder ohne John Sinclair, denn der hatte im Jahr 1978 aufgrund der hohen Verkaufszahlen seine eigene Serie bekommen, deren gelbes Logo mit der zittrigen, leicht zerlaufenden Schrift bald zu einem unverwechselbaren Markenzeichen wurde.

Am 17. Januar 1978 ging es los. »Im Nachtclub der Vampire« heißt die Geschichte, in der John Sinclair mit einer Eichenbolzen verschießenden Druckluftpistole Jagd auf drei Vampirinnen machte, die im Übrigen ganz ohne männlichen Leithammel auskamen.

Und obwohl Sinclair zu diesem Zeitpunkt bereits eine erhebliche Zahl an Freunden und Mitstreiterinnen um sich geschart hatte, darunter den Chinesen Suko, die Privatdetektivin Jane Collins sowie den deutschen Kommissar Will Mallmann, agierte er im ersten Band der Serie allein. Das erleichterte potenziellen Neuleserinnen und -lesern den Einstieg erheblich.

Alle vierzehn Tage erschien nun ein neues Abenteuer, ab Band 26 dann bereits wöchentlich. Dabei schrieben anfangs noch weitere Autoren (Walter Appel, Fritz Tenkrat, Richard Wunderer, Martin Eisele) unter dem Verlagspseudonym Jason Dark. Erst ab Band 184 übernahm Rellergerd die alleinige Autorenschaft.

Ab diesem Zeitpunkt schrieb nie wieder ein anderer Autor unter dem Pseudonym, das ebenfalls schon eine Marke für sich darstellt.

Ebenfalls neu war »Jason Darks Leserseite«, auf der Briefe der Fans abgedruckt und vom Autor beantwortet wurden. Die sogenannte Leserkontaktseite (LKS) war ein einfaches und effektives Instrument, das es Leserinnen und Lesern ermöglichte, mit dem Autor in Kontakt zu treten. So etwas gab es bis dato in keiner anderen Bastei-Serie. Schnell fanden sich über diese Seite Gleichgesinnte. Brieffreundschaften entstanden, und bald schossen erste Grusel- und Fan-Clubs aus dem Boden. Anscheinend gab es schon damals, lange bevor die ganze Welt durch das Internet miteinander verbunden war, ein inneres Bedürfnis, sich mitzuteilen und vielleicht sogar in irgendeiner Form an der Lieblingsserie mitzuwirken – oftmals beinhalteten die Leserbriefe nämlich Vorschläge und Ideen zum weiteren Serienverlauf.

Waren die Fälle im GESPENSTER-KRIMI noch abgeschlossen, so zog sich in der eigenständigen Serie schon sehr bald ein roter Faden durch die Geschichten. John Sinclair bekam es in Gestalt eines riesigen pechschwarzen Gerippes, dem Schwarzen Tod, mit einem scheinbar übermächtigen Gegner zu tun, dessen Wurzeln im alten Atlantis lagen. Der Kampf gegen diesen Unhold bestimmte die ersten einhundert Bände, bis es zur finalen Schlacht auf dem Friedhof am Ende der Welt kam, der in einer epischen Trilogie endete, die noch heute die Ranglisten der beliebtesten Romane anführt.

Im Laufe der Jahre bauten die Geschichten immer mehr aufeinander auf, erschienen häufiger Zwei-, Drei- und sogar Vier- und Fünfteiler, ohne dabei unnötig kompliziert zu sein. Tatsächlich waren die meisten Geschichten selbst dann noch verständlich, wenn man den ersten oder zweiten Teil verpasst hatte.

John Sinclair erbeutete spezielle Waffen, die ihm im Kampf gegen immer mächtiger werdende Gegner helfen sollten, und schloss neue Freundschaften. Doch er musste auch Niederlagen einstecken. Die Frau seines deutschen Freundes Will Mallmann wurde am Tag ihrer Hochzeit vom Schwarzen Tod ermordet, die Schauspielerin Nadine Berger fiel ebenfalls einem dämonischen Attentat zum Opfer, woraufhin ihre Seele in den Körper eines Wolfes schlüpfte, und schließlich wechselte sogar Jane Collins die Seiten und wurde zur Hexe in Satans Diensten.

Solche Dramen bewegten die Fans, ließen sie mit dem Helden mitfiebern und mitleiden.

Umso mehr, da Helmut Rellergerd beschloss, mit Band 6 der eigenständigen Serie, »Schach mit dem Dämon«, die auktoriale Perspektive zu verlassen und Sinclair seine Abenteuer in der Ich-Form erzählen zu lassen, so wie es JERRYCOTTON vorgemacht hatte.

Die Nähe zu den Fans durch die Leserkontaktseite, die immer komplexer werdenden Geschichten und vor allen Dingen John Sinclairs Menschlichkeit begeisterten eine stetig wachsende Fangemeinde.

Bereits im August 1980 erschien eine zweite Auflage, beginnend mit »Die Nacht des Hexers«, was zu einer Nummerierung führte, die bis heute viele Neueinsteiger verwirrt, denn dadurch trägt die eigentliche Nummer 1 der Serie, »Im Nachtclub der Vampire«, in sämtlichen späteren Auflagen die Nummer 51. Es folgten noch eine dritte und sogar eine vierte Auflage im September 1991, damit auch die Leserinnen und Leser aus den neuen Bundesländern von Anfang an dabei sein konnten. Die Nachfrage nach den Abenteuern von John Sinclair und seinen Freunden war so groß, dass im April 1981 sogar eine begleitende Taschenbuchreihe herauskam. Die schmalen, knapp 160 Seiten umfassenden Bände erschienen monatlich und wurden hauptsächlich in Bahnhofsbuchhandlungen, an Kiosken und in Supermärkten verkauft – eben überall dort, wo auch die Hefte auslagen. Insgesamt wurden 312 Ausgaben veröffentlicht, die alle von Jason Dark geschrieben wurden.

Im Juni 1983 waren dann die ersten Hörspiele zu kaufen, damals natürlich noch auf Kassette, produziert von dem Wiesbadener Tonstudio Braun. Insgesamt brachte es die Reihe auf 107 Folgen und einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Im Februar 2021 wurde die Serie schließlich mit Folge 108, »Doktor Tods Rache«, komplettiert. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits zwei weitere Hörspielserien, beide von Lübbe Audio. Neben der Hauptserie JOHNSINCLAIR, die im Jahr 2000 als gleichnamige Edition startete, wurde noch eine Classics-Serie mit den GESPENSTER-KRIMIs ins Leben gerufen, die es auf fünfzig Folgen brachte.

Zur selben Zeit wurden die Romane in dicken Taschenbüchern mit einem Umfang von jeweils achthundert Seiten nachgedruckt. Es gab Comics, ein Computerspiel, einen Fernsehfilm und sogar eine (mäßig erfolgreiche) Fernsehserie. Mittlerweile gibt es nicht nur einen eigenen JOHN-SINCLAIR-Fan-Shop (www.dergeisterjaeger.de) mit zahlreichen Merchandising-Artikeln, angefangen von T-Shirts über Kaffeebecher bis hin zu handbemalten Sammlerfiguren, sondern auch einen YouTube-Kanal mit Talk-Format und ein überaus beliebtes Jugendbuch-Spin-Off namens JOHNNYSINCLAIR. Darüber hinaus fanden in den Jahren 2016 und 2018 zwei äußerst erfolgreiche JOHN-SINCLAIR-Conventions statt.

Doch woher kommt dieser enorme Erfolg? Was unterscheidet JOHNSINCLAIR von anderen Horror- und Heftroman-Serien? Was macht den Reiz der Geschichten aus? Genau diesen Fragen möchte ich auf den Grund gehen. Beginnen werde ich bei der Hauptfigur und ihren kulturellen und medialen Einflüssen. Anschließend werden wir einen näheren Blick auf Johns Freunde und Familie werfen, um uns schließlich seinen Gegnern zu widmen, und zu guter Letzt auch den Waffen, mit denen er sie bekämpft, sowie den Dimensionen, Mythen und Religionen, denen seine Feinde entstammen.

Dass es dabei zu Spoilern kommen wird, versteht sich von selbst. Ich werde es auch nicht jedes Mal ankündigen können, obwohl ich mich bemühe, nur so viel wie unbedingt nötig zu verraten.

Ein weiterer Hinweis zum Inhalt: Dies ist weder ein Lexikon noch ein Serien-Guide, trotzdem kann es vorkommen, dass ich Namen und Begriffe verwenden muss, die sich nicht in einem Nebensatz erklären lassen. Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Kapitel dennoch unabhängig voneinander genießen können, finden Sie am Ende des Bandes ein Glossar, in dem die wichtigsten Termini kurz und bündig erläutert werden.

Nichtsdestotrotz kann dieses Buch nur einen groben Überblick über das gigantische Sinclair-Universum bieten, es erhebt also keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Abschließend bleibt mir nur noch, Ihnen viel Spaß auf der Reise durch die Welt von JOHNSINCLAIR, mit all seinen DUNKLENLEGENDEN, zu wünschen.

1. JOHN SINCLAIR: EIN PHÄNOMEN IN SERIE

ZWISCHEN INNOVATION UND STEREOTYPE: EIN HELD IM WANDEL DER ZEIT

John Sinclair, Inspektor des New Scotland Yard, fünfunddreißig Jahre jung, blond, blauäugig und knapp eins neunzig groß, saß gerade in der Kantine beim Mittagessen, als über den Lautsprecher die Durchsage kam, er solle sich sofort bei seinem Chef melden.

So wird der Serienheld im ersten Roman »Die Nacht des Hexers« eingeführt. Darüber hinaus erfahren wir, dass er sich während seines Studiums unter anderem auch mit Parapsychologie beschäftigt hat, einen silbergrauen Bentley fährt (»den einzigen Luxus, den er sich leistete«) sowie eine Pistole der Marke Beretta verwendet, die damals übrigens noch nicht mit geweihten Silberkugeln geladen war.

Zugegeben, viel ist es nicht, was uns Jason Dark über den Helden der Geschichte verrät, und die wenigen Informationen sind darüber hinaus auch recht oberflächlich. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste der Autor wohl selbst nicht, dass er den wackeren Inspektor noch einmal aus der Versenkung holen würde.

Zu jener Zeit war es in dieser Form der Literatur, die noch heute, bei einem Verkaufspreis von 2,40 Euro, abwertend als »Groschenroman«, »Klolektüre« oder »Trivialliteratur« bezeichnet wird, üblich, dem Helden ein dem damaligen Schönheitsideal angepasstes Erscheinungsbild anzudichten und ihm nicht allzu viel Hintergrund und Tiefe zu verleihen. Letzteres ist nicht nur der Kürze des Textes geschuldet, sondern auch dem Umstand, dass in Heftromanen eher eine handlungsorientierte Geschichte als eine Charakterstudie erwartet wird.

Diese Erwartungshaltung resultierte unter anderem aus den Sehgewohnheiten einschlägiger Unterhaltungssendungen im Fernsehen, in denen die Protagonisten pro Folge ein Abenteuer erlebten, das in der Regel keine Auswirkungen auf spätere Episoden hatte.

Der zumeist männliche Held musste sich also nicht mit den Konsequenzen seiner Handlungen auseinandersetzen, wodurch natürlich keinerlei Entwicklung stattfinden konnte. Zwar gab es Ausnahmen, doch die hatten es am Markt deutlich schwerer, und meist war ihnen auch kein langes Leben beschieden.

Erst in den letzten Jahren haben sich die Seh- und Lesegewohnheiten verändert, zum Beispiel durch das Aufkommen von Streamingdiensten, bei denen Stoffe, die früher (wenn überhaupt) als Film adaptiert worden wären, nun seriell erzählt wurden. Das »Bingen« von Serien ist en vogue. Es ist praktisch unmöglich, sich eine bestimmte Folge herauszupicken, ohne die vorherigen Staffeln und Episoden gesehen zu haben. Diese Form des Konsums übertragen jüngere Generationen, die mit einer solchen Erzählweise aufwachsen, automatisch auch auf andere Medien wie Hörspiele oder Heftromane, während ältere Lesergenerationen weiter an früheren Gewohnheiten festhalten.

Jason Dark ist es mit JOHNSINCLAIR gelungen, die Leserinnen und Leser behutsam und langsam mit auf eine Heldenreise zu nehmen, die im Laufe der Jahre immer fantastischer geworden ist, wobei der Held allerdings nie die Bodenhaftung verloren hat.

Der gelungene Spagat zwischen unabhängig vom Serienverlauf goutierbaren Romanen und sich entwickelnden Handlungssträngen machte die Serie einerseits sehr einsteigerfreundlich, andererseits hielt es die Fans bei der Stange, die unbedingt wissen wollten, wie es weiterging. Nicht umsonst standen bei einer Umfrage über die Leserkontaktseite, deren Ergebnis in Band 97 veröffentlicht wurde, auf den ersten fünf Plätzen der beliebtesten Romane ausschließlich Mehrteiler.

Aber zurück zu Band 1 der eigenständigen Serie, »Im Nachtclub der Vampire«, wo der wackere Held wie folgt die imaginäre Bühne betritt:

Der blondhaarige Passagier mit den blauen Augen war kein anderer als Oberinspektor John Sinclair, von seinen Freunden auch Geisterjäger genannt. Geisterjäger deshalb, weil er einen besonderen Job hatte. John war zwar Beamter bei Scotland Yard, doch in einer ganz bestimmten Funktion. Er beschäftigte sich mit Fällen, die ins Übersinnliche, Dämonische hineinspielten. Mit anderen Worten: John Sinclair hatte Monstern, Vampiren, Werwölfen und Dämonen den Kampf angesagt.

Aufmerksame Leserinnen und Leser werden bemerkt haben, dass John in der Zwischenzeit befördert worden ist (übrigens der einzige nennenswerte Sprung in seiner nun mittlerweile knapp fünfzig Jahre andauernden Karriere), darüber hinaus bleibt die Beschreibung aber auch weiterhin sehr vage. Hinzu kommt lediglich, dass der Geisterjäger Raucher ist und sich gern mal ein »Stäbchen« anzündet oder einen »Glimmstängel« qualmt.

Interessanter ist da schon die Sicht der Protagonistin des Romans:

Marina Helds Gedanken waren bei John Sinclair. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie solch einen faszinierenden Mann kennengelernt. Sie war beeindruckt von der Ruhe und der Sicherheit, die der Geisterjäger ausströmte. Eine Frau, die diesen Mann bekam, durfte sich wohl glücklich schätzen.

Geschickt wird der Heros aus der Sicht einer Abiturientin mit einem Hauch jugendlicher Schwärmerei beschrieben. Nichtsdestotrotz bleibt kein Zweifel daran, dass John Sinclair ein in allen Belangen überaus integrer, um nicht zu sagen tadelloser Held ist, der in jeder noch so aussichtslosen Situation die Ruhe bewahrt und die Kontrolle behält. Ein Frauenschwarm, wie er im Buche steht, der dadurch aber auch wenig als Idol für kleine dicke Jungs taugte, die die Romane im SPAR-Markt mit einem Marmeladenbrot in der Hand verschlangen – von seiner Vorbildfunktion in Sachen Rauchen und Trinken ganz zu schweigen.

Das reichhaltige Konsumieren von Alkohol oder Tabak galt in den 1970er-Jahren übrigens noch nicht als Laster oder gar Schwäche, sondern gehörte zum damaligen Lebensgefühl dazu, verströmte eine Aura von Unabhängigkeit, Freiheit und Männlichkeit. Protagonisten, die abstinent lebten, so wie der Chinese Suko, haftete stets ein Hauch von Exotik an. Oder um es anders zu formulieren: Normal war das nicht. Auch hier wandelte sich das Bild im Laufe der Jahre, und mittlerweile ist John Sinclair Nichtraucher geworden, obwohl ihn in bestimmten Situationen noch der Wunsch nach einer Zigarette überkommt.

Ende der Siebzigerjahre gehörten solche Laster jedoch zum guten Ton, ebenso wie der obligatorische Whisky, der zum Teil wie Wasser getrunken wurde. Heute gönnt sich der Geisterjäger höchstens mal ein Feierabendbier. Ebenso hat sich die Sicht auf Gefühle wie Unsicherheit, Angst oder gar Panik geändert. Wie oben bereits erwähnt, erwartete man damals von einem Heftromanhelden eine gewisse Überlegenheit, die ihn von der Masse abhob.

Umso überraschender war es, als Jason Dark seinen Helden im ersten Zweiteiler der Serie einer Situation aussetzte, die John Sinclair an den Rand der Verzweiflung brachte: Er wurde von Handlangern seines damaligen Erzfeindes, dem Schwarzen Tod, lebendig begraben. (So auch der Titel des zweiten Teils der sogenannten Zarcadi-Legende.)

Schon am Ende des ersten Teils, der den reißerischen Titel »Der Irre mit der Teufelsgeige« trägt, überkamen John erste Selbstzweifel, als er von den Bewohnern eines Dorfes, die von der Musik des Teufelsgeigers Professor Zarcadi (hinter dem sich natürlich kein Geringerer als der Schwarze Tod verbarg) in willenlose Marionetten verwandelt worden waren, überwältigt wurde: »Der berühmte Geisterjäger hatte versagt!«

Zu diesem Zeitpunkt bekommt er aber noch schnell die Kurve: »Gleichzeitig war die andere Stimme in mir: Mensch, reiß dich zusammen, John! Stell dich nicht an wie eine Memme!«

Trotzdem überkommt ihn Panik, als er kurz darauf einen Sarg mit seinem Namen auf dem Deckel sieht:

»Zwei Männer hoben den Deckel an. Ich sah die weiße Seide der Innenverkleidung. Mein Magen krampfte sich zusammen. Panik wollte mich überfallen.«

Doch sosehr sich John auch wehrt, er kann das Unvermeidliche nicht verhindern, und so wird er tatsächlich lebendig begraben. Ein einschneidendes Erlebnis, das Jason Dark sehr eindringlich und plastisch in Szene zu setzen verstand:

Das ruhmlose Ende eines Geisterjägers. Nicht einmal vierzig Jahre alt war ich geworden. Ich ertappte mich dabei, wie ich zurückdachte. Kindheit, Jugend, Universität …

Das Gesicht meiner Mutter tauchte auf. Beinahe spürte ich ihre streichelnden Hände an meinen Wangen. Sie schien mir beruhigend zuzusprechen. Warm fühlte ich es an meinem Gesicht herablaufen. Tränen …

Der Sarg kam zur Ruhe. Er stand jetzt auf dem Boden des Grabes. Etwas fiel auf den Deckel. Kurz hintereinander. Es waren die Seile. Die Träger hatten sie ins Grab geworfen. Ich drehte mich in meinem Gefängnis herum. Dann begann ich zu schreien. Brüllte all meine Not und Angst hinaus. […] Etwas polterte auf den Sargdeckel. Das Geräusch ließ mich zusammenzucken. Sie warfen Lehm hinab, begruben mich endgültig. Wieder prallte harte Erde auf den Sargdeckel. Zwei Sekunden später abermals eine Schaufel voller Dreck. [… ] Ebenso rasch wuchs die Angst vor dem Tod. Vor dieser endlosen erschreckenden Dunkelheit, vor dem kalten Nichts …

Ohne es eigentlich zu wollen, faltete ich die Hände. Es war wohl das Letzte, was mir noch blieb …

Ich verrate sicher nicht zu viel, wenn ich sage, dass John Sinclair seinem Grab entkommt. Trotzdem durchlebt er das Martyrium bis zum bitteren Ende, was tiefe Spuren in seiner Seele hinterlässt. Immer wieder blitzt die Angst vor dem erlittenen Trauma wieder auf – auch weil die Erinnerung im Laufe seiner Karriere durch ähnliche Erlebnisse aufgefrischt wird, zum Beispiel in dem Zweiteiler »Die Werwolf-Sippe« und »Lupinas Todfeind«, wo ihn die Königin der Werwölfe in einem gläsernen Sarg in einem Swimmingpool versenkt.

Jahre später wird John Sinclair im »Gasthaus zur Hölle« in Salzburg in eine Grabkammer eingesperrt. Über zehn Jahre sind seit seinem traumatischen Erlebnis vergangen, doch die erlittene Angst und Hilflosigkeit bleiben seine ständigen Begleiter.

Erinnerungen stießen in mir hoch. Vor Jahren hatte man mich lebendig begraben. Die Enge des Sargs hatte mich noch oft in meinen Träumen begleitet. Damals hatte ich zum ersten Mal erlebt, was es heißt, Todesangst zu haben.

Ein weiteres Erlebnis, das John Sinclair nachhaltig geprägt hat – vielleicht sogar noch mehr als die Erfahrung, lebendig begraben zu werden –, ist die Verwandlung seiner Freundin Jane Collins in eine Hexe, die dem Teufel und dessen Dienerin Wikka hörig ist.

Geschildert wird dies in einem weiteren Zweiteiler, der 1982 als Band 216 »Der Ripper kehrt zurück« und Band 217 »Die Hexeninsel« erschien. Der Geist des Serienmörders Jack the Ripper, mit dem es John Sinclair und Jane Collins bereits in einem früheren Fall zu tun hatten, fährt in den Körper der Privatdetektivin, die sich daraufhin der Oberhexe Wikka anschließt. Für John Sinclair bricht in diesem Augenblick eine Welt zusammen. Und nicht nur für ihn, auch zahlreiche Fans sind wie vor den Kopf geschlagen, denn am Ende des Romans ist eben nicht alles wieder wie zuvor: »Für mich ging eine Ära zu Ende. Die Ära Jane Collins«, lautet der Schlusssatz des Zweiteilers.

Doch damit ist es noch nicht vorbei. Im Gegenteil, es scheint jetzt erst richtig loszugehen, denn auch Wikka und Asmodis (der Teufel) wissen, welchen Trumpf sie mit Jane Collins in Händen halten. Auf einer winzigen Insel in einem See, mitten im Ashdown Forest, kommt es schließlich zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen John Sinclair und seiner früheren Freundin. Zunächst erkennt er sie gar nicht, da sie als schwarzer Henker verkleidet ist, einem Dämon, gegen den der Geisterjäger schon einmal gekämpft und ihn auch vernichtet hat. Es muss also jemand anderes unter der Kapuze des Henkers stecken. Doch der Schock sitzt tief, als John herausfindet, dass es Jane Collins ist, die zwei blutige Morde auf ihr Gewissen geladen hat.

Für viele Fans war dadurch der Point of no Return erreicht. Nach der Lektüre des Taschenbuchs »Der lächelnde Henker« drohten sogar einige damit, die Serie nicht mehr zu lesen. Für viele Fans gehörten John und Jane einfach zusammen.

Und der Held selbst? Nie zuvor hat er sich hilfloser und verlassener gefühlt.

In diesen schlimmen Augenblicken konnte mir auch niemand helfen. Damit musste ich allein fertig werden. Egal, welchen Rat mir auch der beste Freund geben würde, er war sicherlich immer falsch. Wenn du schießt, hast du alles hinter dir! Da war die eine Stimme in meinem Hirn. Gleichzeitig hörte ich eine zweite. Damit stellst du dich auf eine Stufe mit deinen Gegnern, John Sinclair.

Ich kam mir vor wie ein Mensch mit einem zweigeteilten Gewissen. Die Beretta in meiner Hand war plötzlich zu einer Last für mich geworden. Ich tat mich schwer, sie zu halten. Ein Zittern konnte ich nicht vermeiden …

Herrgott, wenn mir doch jemand einen Rat geben würde.

Jane Collins entkommt einmal mehr. Erst nach über einem Jahr – und nachdem sie von Wikka verstoßen und als Verräterin abgestempelt wird – soll es John und seinen Freunden gelingen, den Geist des Rippers aus Janes Körper zu vertreiben. Allerdings zu einem hohen Preis, denn zuvor schneidet ihr ein Teufelsdiener das Herz aus dem Leib. Dass Jane dennoch überlebt, verdankt sie einem magischen Artefakt, dem Würfel des Unheils, auf den ich später noch einmal näher eingehen werde. Solange sie diesen Würfel bei sich trägt, kann Jane auch ohne Herz überleben, doch es ist klar, dass dies keine Dauerlösung sein kann. Und so wird Jane Collins nach San Francisco zu einem Herzspezialisten gebracht, der ihr ein künstliches Organ einpflanzen soll. Erzählt wird die Geschichte in einer Trilogie, die mit Band 361 »Satans Trucker« beginnt, in Band 362 »Der Zombie-Apache« fortgeführt wird und schließlich mit Band 363 »Der Gnom mit den sieben Leben« endet.

Um es vorwegzunehmen: Die Operation gelingt. Eigentlich könnte also alles wieder so sein wie früher, doch am Ende der Trilogie gibt Jane dem Geisterjäger unmissverständlich zu verstehen, dass für sie eine Rückkehr in ihr altes Leben nicht infrage kommt.

Diese Erfahrung sorgt dafür, dass sich Johns Ruf als eingefleischter Junggeselle weiter festigt. Er entwickelt eine Bindungsangst, die fortan keine feste Beziehung zulässt. Obwohl er während Janes Hexendasein eine Affäre mit seiner Sekretärin Glenda Perkins beginnt und später noch mit anderen Frauen intim wird – darunter übrigens auch mit Jane Collins –, lässt er sich nie wieder auf eine engere Bindung ein. Dazu trägt sicherlich auch der Umstand bei, dass sich eine seiner Liebschaften, Jessica Long, als Dämonin entpuppt. Ein weiterer Schicksalsschlag unter vielen.

Mindestens ebenso schwer wie Janes Verwandlung in eine Hexe ist für John der Tod seiner Eltern. Er leidet im wahrsten Sinn des Wortes »Höllenqualen«, so auch der Titel des Romans, der zu einem siebenbändigen Zyklus gehört, in dem es um die Suche nach der sagenumwobenen Bundeslade geht. Gefesselt an das geheimnisvolle Rad der Zeit muss er miterleben, wie seine Mutter Mary und sein Vater Horace F. Sinclair von Geistern ermordet werden.

Dieses Erlebnis ist in Johns Leben so einschneidend, dass ihm Jason Dark zwei eigene Romane widmete, die sich an den Zyklus anschlossen. Es handelt sich um die Bände 1007 »Totenwache« und 1008 »Endloser Schrecken«, in denen John erfährt, dass sein Vater sein Leben lang ein düsteres Geheimnis gehütet hat: Er war Mitglied eines Geheimbundes, der Loge des Lalibela.

»Denn der Tod lieb gewordener Menschen gehört ebenfalls zum Leben.«

So endet der siebenteilige Zyklus, der 1997 erschien. Und obwohl er nicht so kontrovers aufgenommen wurde wie das Schicksal von Jane Collins, hatte er trotzdem eine nachhaltige Wirkung auf die Fans, denn er konfrontierte sie mit einem Stück Realität. Schließlich gehört der Verlust der eigenen Eltern tatsächlich zum Leben dazu. Dass dieser Tod bei John Sinclair ungleich dramatischer verläuft, als es bei den meisten Leserinnen und Lesern der Fall sein dürfte, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

All diese Schicksalsschläge und Niederlagen tragen dazu bei, John Sinclair authentischer und menschlicher zu machen, obwohl er doch eigentlich ein Auserwählter ist – ein Narrativ, dem sich die Autoren solcher Romane gern bedienen, um ihren Protagonisten übernatürliche Kräfte oder sogar Unsterblichkeit zu verleihen. Doch darauf hat Jason Dark verzichtet. Zwar erfährt John Sinclair im Laufe seiner Karriere, dass er mehrere Male wiedergeboren wurde und unter anderem schon als Hesekiel, Richard Löwenherz, Hector de Valois (einem fiktiven Großmeister der Templer) und vermutlich sogar als König Salomo gelebt hat, aber das hat keinerlei Auswirkungen auf seine Identität als Geisterjäger John Sinclair.

Viele Informationen bekommen die Fans gewissermaßen häppchenweise serviert. Unter anderem, dass Johns Wurzeln in Schottland liegen und sein Vater als Anwalt gearbeitet hat, der zunächst bei einer Londoner Bank angestellt war, bevor er sich mit einer eigenen Kanzlei selbstständig machte. Obwohl er es gern gesehen hätte, dass sein einziger Sohn in seine Fußstapfen tritt, hatte er nichts dagegen, dass John nach seinem Studium (Jura und Psychologie) zur Polizei ging – eine Entscheidung, die unter anderem durch seine erste Begegnung mit einem Untoten im Kohlenkeller seiner damaligen Hauswirtin Gilda Osborne forciert wurde.

Zu diesem Zeitpunkt lernte John auch seinen späteren besten Freund Bill Conolly kennen und entschied sich, noch ein weiteres Fach auf seinen Lehrplan zu setzen: Parapsychologie. Nachzulesen ist dies in der Bonusstory »Mein erster Fall«, die erstmals in dem Paperback »Hexenküsse« abgedruckt wurde.

Als Johns Vater, Horace F. Sinclair, in Pension ging, kehrten seine Eltern in ihr Heimatdorf Lauder, in Schottland, zurück. John blieb in London, wo er bis heute, wenig feudal und anders als viele gut betuchte Heftroman-Kollegen, in einem Hochhaus am Rande von Soho lebt.

War sein silbergrauer Bentley anfangs noch sein einziges Hobby, wurde er später deutlich genügsamer, was seinen fahrbaren Untersatz betrifft. Nachdem sein zweiter Bentley von einem Diener des Dämons Baphomet per Flammenwerfer in einen Haufen verkohlten Schrott verwandelt wurde, begnügte er sich jahrelang mit diversen Dienstwagen der Marke Rover, ehe ihm von Scotland Yard ein Audi A6 C8 zur Verfügung gestellt wurde, den er noch heute fährt.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass John Sinclair in seiner Eigenschaft als Geisterjäger auf dem gesamten Globus eingesetzt wird. Neben seiner Muttersprache Englisch spricht er fließend Deutsch und Französisch und beherrscht sogar ein paar Brocken Italienisch.