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Als die deutschen Astronomen Professor Alfred Karmann und Pauline Lesser einen Asteroiden entdecken, scheint noch alles in Ordnung zu sein. Das Objekt kommt zwar nahe an der Erde vorbei, doch ihre Berechnungen ergeben schnell, dass er keine ernstzunehmende Bedrohung darstellt. Das ändert sich jedoch, als eine unbemannte Sonden-Mission zu dem Gesteinsbrocken auf mysteriöse Weise fehlschlägt. Zudem ändert er auch noch seinen Kurs und die Wissenschaftler müssen entsetzt feststellen, dass er nun doch die Erde treffen könnte. Sämtliche Abwehrversuche scheitern und so schlägt er schließlich auf der Erde ein. Zum Glück bleiben die Schäden überschaubar, doch schon bald geschehen Dinge, die eine ernste Bedrohung für die gesamte Menschheit darstellen. Ein spannender und nervenaufreibender Kampf ums Überleben beginnt. Paul Desselmann wünscht viel Spannung auf den folgenden Seiten.
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Seitenzahl: 544
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Dunkles Portal
*Asteroid*
Von Paul Desselmann
Prolog
General Simpan atmete erleichtert auf. Gerade war ihre letzte Sonde ins All hinaus gestartet und die Techniker vermeldeten, dass sie auf dem richtigen Kurs sei. Die Systeme funktionierten einwandfrei. Trotzdem verspürte Baral Simpan eine unsägliche Leere in sich, denn die Sonde würde die letzte von über 200 sein, die sie auf den Weg bringen konnten. Für weitere fehlten seinem Volk die Ressourcen. Jetzt lag es bei den Göttern, für das Überleben der Haniatú zu sorgen. Sie alleine konnten den Untergang dieser ruhmreichen, aber leider auch selbstzerstörerischen Zivilisation noch verhindern.
Dabei hatten die Haniatú so unglaublich viel erreicht. Sie waren bis an die Grenzen ihres Heimatsystems vorgedrungen und es gelang ihnen sogar, überlichtschnelle Raumschiffe zu entwickeln.
Einen kleinen Haken hatte diese wertvolle und für die Haniatú lebenswichtige Technologie allerdings. Wie sie bei den ersten Tests herausfinden mussten, war es bislang völlig unmöglich, auch Lebewesen auf diese Weise an ihr Ziel zu bringen, zumindest lebend.
Schon mehrere Prototypen waren zu den Nachbarsystemen entsandt worden. Die ersten von ihnen kamen nicht wieder zurück, obwohl sie dafür eigentlich genügend Treibstoff an Bord gehabt hatten. Von den Mannschaften hatte man nie wieder etwas gehört.
Im nächsten Versuch ließen ihre Techniker die Rückkehrfunktion von einer Künstlichen Intelligenz steuern und siehe da, das Schiff kehrte nach knapp zwei Jahren von seiner Reise zurück. Leider fanden sich an Bord keinerlei Überlebende, dafür aber jede Menge Tod und Verderben. Nicht einmal Bakterien hatten diese Reise überstanden.
Die Technik lief hingegen einwandfrei und so konnte die KI berichten, dass es unmittelbar beim Eintritt in die Überlicht-Dimension zu einer Schockwelle gekommen sei, der augenblicklich sämtliche Crewmitglieder zum Opfer gefallen waren. Weil die KI keine anderslautenden Befehle kannte und die Technik von der Welle völlig unberührt geblieben war, führte sie ihre Mission eigenständig fort, bis sie nun gemäß ihren Programmierungen wieder zurückgekehrt war.
Für die Wissenschaftler der Haniatú war das zunächst ein gigantischer Schock. Nun mussten sie davon ausgehen, dass ein Überleben in der höheren Dimension nicht möglich war.
Schließlich sprach die Regierung ein Machtwort und wies die ratlosen Intelligenzen an, weitere Schiffe dieser Art zu bauen. Diese sollten die anderen nahen Systeme ansteuern und überprüfen, ob dort ein Leben für die Haniatú möglich sei. Bei dieser Gelegenheit würden sie weiterhin testen, wie man in der anderen Dimension überleben könnte.
Daran hielten sich die Wissenschaftler und wendeten all ihre Klugheit auf, um weitere Versuche auf den Weg zu bringen. Es dauerte über zwanzig Sonnenzyklen, bis sie sich endgültig eingestanden, dass ein Reisen im Überlicht nur für nichtbiologische Elemente möglich war.
Zu all dem Übel verkündete eine KI nach der anderen, dass die umliegenden Sonnensysteme völlig unbewohnbar seien. Zwar könne man in einem Habitat überleben, doch das würde nur sehr wenigen ihrer Spezies möglich sein.
Leider wurden die Lebensbedingungen auf Ejamil, der Heimatwelt der Haniatú, immer ungemütlicher. Tausende starben täglich an Hunger, Konflikten oder Klimakatastrophen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die derzeitige Stagnation der Bevölkerungszahlen ins Negative fiel.
Die beiden anderen Planeten des Systems boten leider auch keine Möglichkeiten, wenigstens einem kleinen Teil der Haniatú einen sicheren Unterschlupf zu gewähren. Natürlich könnte man auf den Monden des Gasriesen Habitate errichten, doch diese wären dann auf ständigen Materialnachschub angewiesen, der aber nicht geliefert werden könne, wenn erst einmal die Zivilisation auf Ejamil zusammengebrochen war.
Dabei versuchte die Regierung alles in ihrer Macht stehende zu tun, um ihre Kultur überleben zu lassen, doch sie musste immer öfter einsehen, dass sie zu lange gewartet hatte.
Immerhin gab es noch einen letzten Hoffnungsschimmer, den einige brillante Wissenschaftler im Verborgenen entwickelt hatten. Erst als sie ihre Theorie unzählige Male überprüft hatten, wendeten sie sich an den Hohen Rat, um nach weiteren Mitteln für ihre Studien zu bitten.
Auch wenn dort niemand mehr Hoffnung hatte, dass den paar klugen Köpfen der große Wurf gelungen sei, war man doch demoralisiert genug, um dem Projekt zuzustimmen. Es kostete ohnehin nicht viel, denn alles was die Wissenschaftler benötigten, war eines der KI-gesteuerten Raumschiffe.
Die Zutall steuerte nur acht Tage später das nächstgelegene System an, brauchte aber trotzdem fast einen ganzen Sonnenzyklus, um ihr Ziel zu erreichen. Vor Ort errichteten Technikdroiden ein Gerät im Inneren eines erloschenen Vulkankraters auf einem sonst leblosen Mond. Sie hatten sich gerade weit genug zurückgezogen, als sich der Mechanismus des Gerätes aktivierte und augenblicklich die Oberfläche zum Schmelzen brachte. Nur Minuten später tauchte in einer Forschungseinrichtung auf Ejamil ein schwarzwabernder See mit einem Durchmesser von eindrucksvollen 78 Metern auf.
Einige Droiden hatten bereits seit Abreise der Zutall auf diesen Moment gewartet und sprangen nun ohne zu zögern in den See hinein. Gespannt verfolgten die Wissenschaftler, wie es weitergehen würde. Techniker riefen begeistert, dass sie Telemetrie-Daten von den Droiden erhalten würden und kurz darauf trafen sogar Funksignale und Bilder ihrer Kameras ein. Verblüfft sahen sie auf die Oberfläche einer völlig anderen Welt in einem fernen Sonnensystem.
Lange hielt ihre Sprachlosigkeit nicht an, und so schickte man sofort einen weiteren Droiden auf die Reise. Dieser trug in mehreren Käfigen auf verschiedene Weisen geschützte Tiere mit sich in das Portal hinein. Es dauerte nur Sekunden, bis die Forscher das Signal des Droiden wiederfanden und nun feststellen konnten, dass nur eines der Tiere tot war, weil es völlig ungeschützt die Reise angetreten hatte. Was anderes war aber auch nicht zu erwarten, denn dort drüben herrschte absolutes Vakuum.
Die anderen vier Tiere hingegen lebten noch, auch wenn zwei von ihnen offensichtlich ernste Probleme hatten. Wenig später vermeldete der Droide ihr Ableben.
Lafon Pinap, oberster Chef der Forscher, hielt es nun nicht länger auf seinem Sitz. Er sprang auf, ging zu einem Schrank und kletterte in den darin enthaltenen Raumanzug der neuesten Generation. Seine Kollegen protestierten, es sei noch zu früh für solche Experimente, doch Lafon konnte gerade nichts mehr stoppen. Minuten später fand er sich auf der anderen Welt wieder und berichtete, dass sich der Übergang, so geschützt, völlig harmlos anfühlte. Er habe nur ein ungewöhnliches Kribbeln in sich verspürt. Anschließend schilderte er noch kurz seine Eindrücke von dem fernen Mond, bevor er sich auf die angenehm kurze Heimreise machte.
Dort steckte man ihn sofort in eine wochenlange Quarantäne, doch ungewöhnliche Symptome zeigten sich bei ihm nie. Nun bestand er darauf, weitere Raumschiffe mit dieser Technologie auszustatten und erneut in den Weltraum zu entsenden, um hoffentlich noch rechtzeitig eine neue, lebenswerte Zuflucht für das gebeutelte Volk der Haniatú zu finden. Nur so würden sie ihrem Untergang entkommen können.
Die letzte dieser Sonden, mit der geballten Hoffnung einer ganzen Spezies, hatte General Simpan gerade auf die Reise geschickt. Ihr Ziel-System lag 102 Sonnenzyklen entfernt und Baral wusste, dass er selbst nie vom Erfolg oder Misserfolg dieser Reise erfahren würde. Es war sogar fraglich, ob die Haniatú überhaupt so lange überleben konnten, doch die Sternenforscher hatten dieses ferne Ziel sogar gegen den Widerstand der Regierung bestimmt. Sie errechneten sich dort eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, auf einen lebenswerten Planeten zu stoßen.
11.Februar 2028
Frauenhofer Sternwarte Wendelstein, Deutschland
Professor Alfred Karmann atmete erleichtert auf, als er endlich die Sternwarte auf dem 1.838 Meter hohen Wendelstein, 75 Kilometer südlich von München, erreichte. Die letzten Meter hatte er mit der Seilbahn zurücklegen müssen, wobei sich die Fahrt für ihn wie der letzte Schritt in ein erholsames Wochenende anfühlte. Von Müssen konnte also nicht wirklich die Rede sein. Hier oben fühlte Alfred sich Zuhause, obwohl er eigentlich ein hochwertiges Appartement in München besaß. Das nutzte er aber nur, wenn er wieder einmal Vorlesungen an der Uni halten musste. Das war ein notwendiges Übel, denn die Uni unterstützte seine Leidenschaft in der Sternwarte nur, solange er einigen lustlosen Studenten die Zeit raubte, die sie viel lieber mit Feiern verbringen würden.
Anfangs hatte er sich noch gewundert, dass es so viele Nachwuchs-Astronomen gab, doch inzwischen war ihm bewusst geworden, dass sie nur kamen, um bei ihm ihren Schlaf nachzuholen. Nicht selten musste er laut werden, um Studenten wieder aufzuwecken und schon vier von diesen Taugenichtsen hatte er aus dem Kurs geworfen.
Dementsprechend hasste er diesen Job, doch ohne ihn würde sich die Universität kaum für sein Projekt einsetzen, damit er seiner eigentlichen Leidenschaft hier auf dem Berg nachgehen konnte.
Heute Nacht schien dafür eine ganz besondere Gelegenheit zu sein, denn die Luft draußen war besonders frostig und somit sehr klar. Solche Momente gab es immer seltener, seit die Erderwärmung nur noch milde und feuchte Winter nach Deutschland brachte.
Dementsprechend beeilte er sich, sein kleines Gepäck schnellstens in dem spärlichen eingerichteten Zimmer abzulegen, welches er hier nutzen durfte. Es war kein Vergleich zu der Suite in München, doch mehr brauchte er auch nicht, wenn er hier war.
Nun musste er sich beeilen, denn die Sonne war schon längst untergegangen und der Berg in tiefste Dunkelheit gehüllt. Selbst die grellen Scheinwerfer draußen waren inzwischen abgeschaltet worden, weil auch der letzte Tagestourist den Gipfel verlassen hatte.
Zügig ging Alfred hinüber ins Observatorium, wo Pauline Lesser ihn bereits erwartete.
„Wird Zeit, dass Sie kommen, Prof“, rief sie ihm entgegen. „Solch eine Nacht dürfen wir uns nicht entgehen lassen!“
Alfred lächelte, gefühlt das erste Mal an diesem Tag. Pauline war eine seiner Studentinnen. Im Gegensatz zu den meisten anderen verspürte er ihr gegenüber keinen Groll, denn sie zeigte ein ehrliches Interesse an ihrer Berufswahl. Deswegen hatte er sie zu seiner persönlichen Assistentin ernannt, auch wenn es bereits an der Uni andere Gerüchte gab. Die waren allerdings völlig unbegründet, denn Alfred war wirklich nur rein beruflich an ihr interessiert. Ob dies bei ihr anders aussah, konnte er nicht mit Sicherheit sagen, doch die Astronomie war ganz sicher die richtige Beschäftigung für die 22-Jährige.
Das bewies sie, indem sie nebenbei sportlich sehr aktiv war und als Nebenfach Medizin studierte. Sie hatte einen guten Grund dafür, denn sie wollte unbedingt Astronautin werden. Pauline hatte sich sogar schon bei der ESA, der Europäischen Raumfahrtgesellschaft, beworben. Ihre große Hoffnung war es, irgendwann mit auf den Mars reisen zu dürfen. Eine entsprechende Mission wurde bereits vorbereitet. Leider wartete Pauline noch sehnsüchtig auf eine Antwort und sie wusste, dass die Kandidatenliste sehr lang war. Ihre Chancen standen also, trotz ihrer tollen Leistungen, nicht sonderlich gut.
Umso begeisterter war Alfred, dass sie sich trotz allem ihrer Aufgabe hier in der Sternwarte mit so viel Begeisterung hingab. Eigentlich könnte sie aufregenderes leisten, als sich die Nächte in der Teleskop-Kuppel um die Ohren zu schlagen.
„Wir müssen uns beeilen! De Mairans wird gleich in Sicht kommen und ich möchte keine Minute von ihm verpassen. Der Kaffee steht schon bereit.“ Schmunzelnd beobachtete Pauline, wie der Professor eine Grimasse zog. Er hasste Kaffee, weshalb sie nun eiligst anfügte, dass sein Chai Latte Tee natürlich auch schon fertig sei. Sie sah, wie sich seine Gesichtszüge entspannten.
„Dann lass uns loslegen. Mal schauen, ob der Nebel heute etwas Neues zu bieten hat.“ De Mairans, auch Messier-43 genannt, war der kleine Bruder des großen Orion-Gasnebels. Seine Entfernung zur Erde betrug etwa 1.300 Lichtjahre.
Kurz darauf fanden sie sich an der Steuerkonsole des zwei Meter durchmessenden Teleskops wieder und während Pauline die Wetterlage prüfte, setzte Alfred den Antrieb in Gang, der die Röhre auf die gewünschte Position ausrichtete.
Endlich tauchte der große Orion-Nebel auf dem Monitor auf und die beiden hielten die Luft an, als sie ihn in seinen wunderschönen Rot-, Lila-, Weiß- und Brauntönen leuchten sahen. Dabei hatten sie diesen Anblick schon mehrfach genießen dürfen, doch es war immer wieder - FASZINIEREND, wie Commander Spock aus Star Treck ganz treffend gesagt hätte.
Am rechten Rand des Nebels sahen sie eine Verwirbelung, die Ähnlichkeit mit einem menschlichen Ohr besaß. Doch diesem galt heute ihr Interesse nicht. Sie blickten nach Linksoben, wo sich der De Marians-Nebel an seinen großen Bruder anschmiegte. Getrennt wurden sie dabei von einem schmutzig braunen Staubband.
Der Professor zoomte tiefer hinein und Pauline erkannte im Zentrum von De Marians einen hellleuchtenden Stern. Er wurde NU Orionis genannt, oder ganz unspektakulär – HD 37061. Seiner näheren Umgebung wollten sie sich heute Nacht zuwenden.
Die Beobachtungen zogen sich hin und jeder normale Mensch wäre wahrscheinlich schon längst vor Langeweile eingeschlafen, doch nicht die beiden. Sie arbeiteten mit voller Hingabe und sahen spannende Details, wo andere nur bunten Dunst sehen würden.
Plötzlich zuckten beide erschrocken zusammen, als der Monitor in einem grellen Weiß erstrahlte, das sämtliche Bilder ihres Nebels verschwinden ließ.
Alfred brauchte einige Sekunden, um auf die Werte des Teleskops zu schauen. Während die technischen Daten völlig normal schienen, spielten die Berechnungen ihres Objektes völlig verrückt. Die Entfernungsmessungen schwankten wild hin und her und auch andere Werte zeigten komplett abnormale Zahlen an.
Zum Glück dauerte der Spuk nur Sekunden, doch der Schrecken saß tief. Schon hatte Alfred geglaubt, irgendeinen Fehler gemacht und damit die Technik beschädigt zu haben. Nun klärte sich der Monitor aber wieder und kehrte zur Normalansicht ihres Nebels zurück.
Trotzdem fragte Pauline laut, was das gewesen sein könnte.
Alfred zuckte ratlos mit den Schultern, führte aber nebenbei eine Systemanalyse durch. Das Teleskop lief demnach einwandfrei, hatte allerdings einen Lichtblitz innerhalb seiner Beobachtungsausrichtung registriert, aufgrund dessen sämtliche Berechnungen durcheinander gekommen waren.
„Ein Lichtblitz innerhalb der Beobachtungszone?“ fragte Pauline irritiert. „Könnte ein Meteorit in die Atmosphäre eingedrungen und verglüht sein?“
Alfred schüttelte seinen Kopf. „Der würde nie eine solche Reaktion auslösen. Er müsste schon gewaltig gewesen sein und glaub mir, wir würden dann bestimmt nicht mehr hier sitzen und uns Gedanken über die Ursachen machen. Was auch immer das war, es muss weiter draußen passiert sein.
Wo befindet sich die ISS gerade?“
Pauline schaute kurz nach und fand die Raumstation ziemlich genau auf der anderen Seite der Erde. Auch sonst konnte sie keine erdnahen Objekte bestimmen, die sich im Suchbereich befanden und solch eine Energie freisetzen würden.
Alfred ließ ein Schnaufen hören und fuhr die Vergrößerung seines Teleskops bis zum Anschlag zurück. Ab da begann er langsam wieder aufzuzoomen, bis die KI der Anlage etwas meldete.
Für menschliche Augen war die Partikelspur kaum zu erkennen, doch die künstliche Intelligenz entdeckte sie trotzdem.
„Was zum…?“ rutschte es Alfred heraus und er veränderte die Ausrichtung des Teleskops. Die KI justierte automatisch etwas nach und ließ die beiden Wissenschaftler zusammenzucken, als sie erkannten, was die Intelligenz da entdeckt hatte.
„Wow, wo kommt der denn her?“ fragte Pauline überrascht, konnte aber ihren Blick nicht von dem Felsbrocken abwenden, den ihr Teleskop da eingefangen hatte.
„Selma, berechne seine Entfernung und den Kurs!“ wies Alfred die KI nach weiteren Schrecksekunden an. Der Techniker, der das Computerprogramm eingerichtet hatte, hatte es angeblich nach seiner Großmutter Selma benannt.
Die Berechnungen dauerten an und so bekamen die beiden Wissenschaftler Gelegenheit, ihre Herzfrequenzen wieder etwas herunterzufahren. Trotzdem waren sie sich bewusst, welch unglaubliches Glück sie gehabt hatten, dass das Objekt ihnen direkt vor die Teleskoplinse gesprungen war.
Allerdings fragte sich der Professor, was den Lichtblitz ausgelöst haben könnte. Er musste gewaltig gewesen sein, wenn er sogar die Lichtempfindlichkeit ihres Teleskops beeinträchtigte und es für einige Sekunden lahmlegte.
Pauline wusste darauf auch keine Antwort, fragte aber, ob der Asteroid auf irgendetwas getroffen sein könnte, das daraufhin explodiert ist.
„Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Das Objekt muss dann sehr groß gewesen sein und hätte bestimmt ein Trümmerfeld hinterlassen, von dem wir aber nichts gesehen haben. Das ist sehr seltsam.
Sie grübelten noch eine Weile hin und her, bevor Alfred sich daran erinnerte, dass er auch noch eine Meldung über die Sichtung absetzen musste. Zwar hätte er gerne noch ein paar mehr Informationen zu der Entdeckung, doch ihm war auch klar, dass noch andere Astronomen den Felsbrocken entdeckt haben könnten. Wenn er schnell genug war, könnte er ihn eintragen lassen und sogar seinen Namen bestimmen.
Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete er die entsprechende Seite im Internet und klickte sich bis zu dem Ordner durch, wo er die neue Sichtung anmelden konnte. Bislang wusste er nur die Koordinaten im All, die schnell eingegeben waren.
Beim Namen musste er etwas länger nachdenken, doch schließlich schmunzelte er. Damit könnte er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mit wenigen Tipps hämmerte er seinen Gedanken in die Tastatur und klickte zufrieden auf ENTER. Die Bestätigung brauchte nur Sekunden und Alfred sendete sie genüsslich an den Drucker weiter. Kurz darauf hielt er das Papier seiner arbeitseifrigen Kollegin vor die Nase.
Die las die wenigen vorhandenen Zeilen durch und runzelte schließlich ihre Stirn. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst?“ fragte sie irritiert.
Alfred grinste ihr entgegen und nickte. „Du hast dir das verdient.“
„Aber warum Pauli-2028?“ fragte sie verwirrt.
„Na, Pauli dir zu ehren, schließlich hast du ihn entdeckt und…“
„Stopp!“ unterbrach Pauline seine Erklärung. „Wir haben ihn beide entdeckt. Wo bleibt also Ihr Name bei der Geschichte?“
Alfred grinste weiter. „Keine Sorge. Du weißt doch, dass ich auf den FC St. Pauli stehe. Ihm gebührt der zweite Teil der Ehrung. Außerdem lässt sich das ohnehin nicht mehr rückgängig machen. Der Eintrag ist bereits erfolgt.
Ich habe in meinem Leben schon genügend Lorbeeren eingeheimst und bin zu alt, um noch etwas zu erreichen. Jetzt bist du an der Reihe. Du hast deine Karriere noch vor dir. Vielleicht hilft es dir ja sogar mit deiner Bewerbung bei der ESA.“
Pauline starrte ihm noch gefühlt eine ganze Minute in die Augen, bevor sie sich wieder kopfschüttelnd ihrem Monitor zuwendete. Die KI war es schließlich, die sie erneut aus ihrer Konzentration riss. Sie war mit ihrer Aufgabe fertig und die Zahlen verblüfften und schockierten zugleich die beiden Wissenschaftler.
„Das kann nicht stimmen!“ meinte der Professor schließlich, und ließ die KI eine erneute Berechnung anfertigen. Die gehorchte ohne Widerspruch, doch das Ergebnis blieb unverändert.
„Das kann unmöglich sein!“ Alfred blieb bei seiner Meinung und las die Daten wieder und wieder durch.
Die Größe des Asteroiden hatte Selma mit einer Länge von 78 Metern geschätzt und der Durchmesser lag bei etwa 45 Metern. Paulis Entfernung hatte sie mit ziemlich genau 900 Millionen Kilometern angegeben, was in etwa der Umlaufbahn des Jupiters entsprach.
Wirklich schockierend war allerdings die Geschwindigkeit, die Selma kalkuliert hatte. Falls sie nicht doch einen Rechenfehler begangen hatte, jagte dieses Ding mit satten 180.000 Stundenkilometern durch das Sonnensystem.
Das war für einen Asteroiden mehr als schnell. Alfred klickte sich ins Internet und fand kurz darauf den Eintrag zum schnellsten Asteroiden, der bislang gemessen wurde. Er hieß 2001 FO32 und passierte die Erde im März 2021 mit knapp 124.000 Stundenkilometern. Gegen Pauli-2028 war der also eine lahme Ente gewesen.
Inzwischen hatte auch Pauline nachgerechnet. Bei dieser Geschwindigkeit würde Pauli-2028 die Erde schon in 208 Tagen erreichen. Sofort wurde ihr bewusst, dass dieses Ding nicht einschlagen, sondern die Erde glatt durchschlagen würde. Das Ergebnis bliebe in dem Fall aber dasselbe. Adios, Menschheit.
„Selma, hast du schon Berechnungen zur Flugbahn?“ fragte Alfred nach. Er war zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen und befürchtete bereits das Schlimmste.
„Die Zeit reicht noch nicht aus, um eine genaue Berechnung zu erstellen. In 24 Stunden werde ich mehr sagen können“, antwortete die Computerstimme daraufhin.
Alfred und Pauline stöhnten synchron zueinander. 24 Stunden waren eine verdammt lange Zeit, wenn ein riesiger Asteroid mit Rekordtempo auf die Erde zuraste. Deswegen versuchte der Professor seinen Kopf klar zu bekommen. Er musste rational denken, um mögliche Folgen besser abwenden zu können. Deswegen gab er die neuen Informationen sofort in die Datenbank ein.
Damit war aber noch nicht genug getan. Es würde nicht mehr lange dauern, bis in Bayern die Sonne aufging. Ihre Beobachtungen sollten dann ihr heutiges Ende finden. Außerdem brauchte Alfred unbedingt eine unabhängige Bestätigung ihrer Entdeckung. Nur so würde man ihnen all den Unsinn abkaufen, den Pauline und er in dieser Nacht erlebt hatten. Angestrengt dachte er über dieses Problem nach und suchte anschließend die Nummer des Lincoln Near-Earth-Asteroid Research, kurz LINEAR in New Mexico heraus. Es dauerte unangenehm lange, bis er endlich einen Verantwortlichen in der Leitung hatte. Ihm erzählte er schließlich von ihrer Entdeckung und bat darum, seine Daten gegenzuprüfen. Selbige schickte er nach Zusage an die Mail-Adresse des Observatoriums. Dabei konnte er die Skepsis in der Stimme von Charles Buckley kaum überhören. Alfred verübelte es ihm nicht, denn die Geschwindigkeit des Asteroiden lag weit über allem, was die Menschheit bislang für möglich gehalten hatte.
Charles Buckley ließ nach dem Telefonat erst einmal die Referenzen seines Anrufers überprüfen und fand dabei schnell heraus, dass dieser Professor Alfred Karmann ein hohes Ansehen in der Branche genoss. Trotzdem schloss er nicht ganz aus, von Karmann auf die Schippe genommen zu werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein angesehener Wissenschaftler den Verstand verlor und Dinge sah, die überhaupt nicht existierten.
Seine Teleskope ließ er trotzdem ausrichten, kaum dass die Sonne am texanischen Horizont verschwunden war. Es dauerte eine Weile, bis er staunend zugeben musste, dass besagtes Objekt tatsächlich existierte. Sofort ließ er die Angaben prüfen und konnte feststellen, dass der deutsche Professor nicht gelogen hatte. Das Monster war tatsächlich unglaublich schnell unterwegs und konnte somit zu einer ernsthaften, absolut tödlichen Gefahr für die Erde werden. Um den 6. September diesen Jahres herum würde er die Erde erreichen, falls sie auf seiner Route liegen sollte.
Um jetzt schon Alarm zu schlagen, war es nach Charles‘ Meinung aber noch zu früh. Erst wenn die Flugbahndaten errechnet waren, konnte er alle nötigen Hebel in Bewegung setzen und seine Kompetenzen waren hier sehr weitreichend. So hatte er gute Kontakte zur NASA und im Ernstfall durfte er sogar den Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich informieren. Doch dafür gab es bislang nicht den geringsten Anlass, denn höchstwahrscheinlich würde dieser Pauli-2028 die Erde in einem weiten Abstand passieren, sodass jede voreilige Handlung nur unnötigen Ärger bedeutete.
Einen Punkt gab es allerdings, der Charles ganz besonders stutzig machte. Dieser Lichtblitz, von dem Karmann gesprochen hatte, war mehr als ungewöhnlich und auch er fand keine logische Erklärung dafür.
In der Wendelstein-Sternwarte in Bayern war die Sonne längst aufgegangen und der Mittag näherte sich bereits zügig. Professor Karmann und Pauline Lesser saßen trotz aller Müdigkeit noch immer an ihren Gerätschaften und schauten sich die Aufzeichnungen der Nacht zum ungezählten Male an. Weiter brachte sie das aber bislang nicht, doch die Bilder waren einfach zu faszinierend.
Immerhin hatten sie auf Vergrößerungen nun herausfinden können, dass ihr superschneller Asteroid noch ein paar deutlich kleinere Objekte im Schlepptau hatte. Sie vermuteten, dass Pauli irgendwo auf seiner Reise durch das System einen Asteroidengürtel durchquert und dabei für diverse Kollisionen gesorgt haben dürfte. Das könnte vielleicht ein winziger Anhaltspunkt für den Lichtblitz zu Beginn ihrer Entdeckung liefern, auch wenn Alfred daran zweifelte.
Außerdem waren die beiden zu dem Schluss gekommen, dass Pauli von außerhalb stammen musste. Im Sol-System gab es sonst nichts, dass so schnell unterwegs war, mal abgesehen vom Licht der Sonne.
Alfred zuckte zusammen, als sich die KI seit langem wieder zu Wort meldete und berichtete, dass sie nun die vorläufige Flugbahn des Asteroiden berechnet habe.
Schlagartig waren Alfred und Pauline putzmunter. Auf diese Info hatten sie sehnlichst gewartet. Nun spürten sie allerdings ein Grummeln im Magen, denn noch immer stand zu befürchten, dass sie gleich über den bevorstehenden Weltuntergang informiert werden würden.
Entsprechend nervös rief Pauline die Daten ab, während der Professor ihr angespannt über die Schultern schaute. Selma zeigte ihnen die schematische Darstellung der Flugbahn zuerst und nach einem kurzen Moment des Verstehens sackte Pauline in sich zusammen und atmete aus. Es klang nach Erleichterung und Alfred konnte es nachvollziehen.
So wie es schien, würde Pauli-2028 die Erde um etwa 7,4 Millionen Kilometer verfehlen. Das war mehr als genug Abstand, damit auch seine Begleiter nicht zu einem Problem werden würden. Zum Vergleich, der Asteroid vom März 2021 passierte die Erde in einem Abstand von nur 2 Millionen Kilometer und war dabei deutlich größer.
„Also doch kein Weltuntergang!“ rief Pauline schließlich heraus, sprang von ihrem Sessel auf und fiel ihrem Mentor erleichtert um den Hals. „Darauf sollten wir einen trinken!“
Alfred konnte wieder lächeln, lehnte aber dankend ab. Er hatte noch etwas zu erledigen und anschließend brauchte er dringend eine Mütze voll Schlaf. Heute Abend wäre er aber gerne bereit, mit Pauline auf die gute Nachricht anzustoßen.
Alfred wollte gerade die Nummer von Charles Buckley wählen, als das Telefon zu klingeln begann. Die angezeigte Zahlenfolge deutete auf einen Anschluss in den USA hin und so ahnte er, wer sich am anderen Ende der Leitung befand. „Mister Buckley, nehme ich an?“
Der Anrufer brauchte einen Moment, um zu bestätigen. „Wir haben die Flugbahn berechnet“, antwortete er schließlich, doch Alfred fiel ihm erneut ins Wort.
„7,2 Millionen Kilometer?“
Wieder herrschte einen Moment Ruhe in der Leitung, bevor Buckley erneut bestätigte. „Ich sehe, Sie haben auch einen leistungsfähigen Rechner zur Verfügung. Ich kann die Entfernung noch um einige Stellen erweitern, aber ich glaube, das spielt in diesem Fall keine Rolle.“
„Nein, tut es nicht. Allerdings sind wir sehr froh darüber, dass unsere Entdeckung zu keinem ernsten Problem werden wird.“
Buckley stimmte ihm daraufhin zu. „Allerdings werden wir Pauli gut im Auge behalten. Es dürfte interessant sein, woraus er besteht und woher er kommt. Wir hätten ihn gerne schon etwas früher entdeckt, doch das ist mit unserem Budget nicht so einfach. Wir bräuchten das Tausendfache dessen, was der Staatshaushalt uns tatsächlich gewährt.“
Alfred sah dies genauso. Auch er wusste, wie schwer es war, Gelder für die Modernisierung und Instandhaltung der Weltraumteleskope aufzutreiben. Wie nötig das war, hatte der Vorfall vergangene Nacht klar bewiesen.
„Ich würde Sie gerne zu uns ans Institut einladen. Dann können Sie ihr Steinchen mit unseren Mitteln beobachten. Was halten Sie davon?“
Alfred ignorierte die dezente Prahlerei des Amerikaners und stimmte gerne zu. Er werde sich den September freihalten und dann mit seiner Studentin kommen. Pauline Lesser sei an der Entdeckung maßgeblich beteiligt gewesen.
„Wie der Name schon vermuten lässt!“ bestätigte Charles Buckley und klang dabei gut gelaunt. Das war kein Wunder, denn nach den Berechnungen hätte es auch anders kommen können.
Sie beendeten das Gespräch und Alfred blickte zu seiner Assistentin.
„Wir fliegen tatsächlich nach New Mexico?“ hakte sie sichtlich begeistert nach. Als Alfred bestätigte, sprang sie auf und verschwand in der kleinen Kochnische, um Sekunden später mit einer Flasche Sekt und zwei Gläsern zurückzukehren. „Wagen Sie es ja nicht, abzulehnen“, rief sie und entkorkte die Flasche.
Alfred lächelte und ließ sich zu dem Absacker bekehren.
In den folgenden Tagen richteten weltweit immer mehr Sternwarten ihre Teleskope auf den überschnellen Asteroiden aus, denn jeder Sternengucker, egal ob Profi oder Laie, wollte den „Rasenden Pauli“ mit seinen Geräten einfangen. Dies gelang allerdings nur den wenigsten, denn einen Kometenschweif zog der Asteroid nicht hinter sich her. Somit war er nur ein schwarzes Objekt vor fast schwarzem Hintergrund. Allein die besten Okulare konnten ihn entdecken, weshalb nach den ersten Berichten in den Fachzeitschriften die Begeisterung schnell wieder abebbte. Man konnte nur hoffen, dass Pauli doch noch seinen Schweif bekam, sobald er näher an der Sonne dran war.
Das LINEAR in New Mexico konnte den Asteroiden hingegen jede Nacht im Auge behalten, und das galt auch für die Sternwarte Wendelstein in Bayern. Sie versuchten nun mehr über Paulis Zusammensetzung herausfinden, was sich bei dessen Geschwindigkeit nicht ganz so einfach gestaltete. Demnach waren die Daten recht ungenau, doch immerhin konnte man sagen, dass er zu einem sehr großen Teil aus Metall, vermutlich Eisen, zu bestehen schien.
Professor Karmann und Pauline Lesser war es gelungen, sich mehr Freizeit von der Universität zu nehmen und so verbrachten sie inzwischen drei bis vier Tage pro Woche auf ihrem Berg.
Dabei blieben sie in ständigem Kontakt mit Charles Buckley und Doktorin Sandrine Aubert, Generaldirektorin der Europäischen Raumfahrtbehörde. Letztere hatte angeregt, eine der neuen HERA-Satelliten loszuschicken, um Pauli-2028 entgegenzufliegen und ihn genauer zu untersuchen. Eine Landung auf dem Metallklumpen schloss sie aber von vornherein aus. Dafür war er viel zu schnell.
Von der NASA kam daraufhin die Anfrage, ob man das Ding nicht zu Testzwecken beschießen sollte, um ihn so in eine neue Bahn abzudrängen. Hier waren sich aber viele Wissenschaftler, selbst in den Reihen der NASA, einig, dass man so mehr Schaden anrichten könnte, als man derzeit zu befürchten hatte. Mit diesen Methoden könnte Pauli in die falsche Richtung gelenkt werden und der Erde doch noch näher kommen, als den Forschern lieb wäre. Oder er zerplatzte und wurde so zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Letztendlich einigte man sich auf den Einsatz der HERA-Sonde und Sandrine Aubert konnte vermelden, dass schon in drei Wochen eine von ihnen startbereit sein würde.
Bei der Trägerrakete einigte man sich auf die neueste Version der Harpune-11 des privaten amerikanischen Raumfahrtunternehmens Run in Space. Sie war das Modernste, was die Raumfahrt derzeit aufzubieten hatte und nach einem guten Dutzend erfolgreicher Starts auch das billigste und zuverlässigste System. Mit ihr wurde gerade die MMS, die Multinationale Mondstation Stück für Stück ins All transportiert.
Daher war die Rakete kurzfristig verfügbar und laut der Ingenieure in wenigen Tagen für das neue Projekt umzurüsten. Diese Zeit benötigte die ESA auch, um HERA zum Startplatz in den USA zu transportieren.
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13.April 2028
Am Tag vor dem langen Osterwochenende war es dann schließlich soweit. Mit einem gewaltigen Knall und Unmengen an Rauch und Feuer startete die Harpune-11 von ihrem Startplatz in den strahlend blauen Himmel hinauf. Besser konnten die Bedingungen gar nicht sein und so verlief alles nach Plan.
Pauline und Alfred schauten sich das Spektakel via Webcam in ihrem Wahlzuhause an und waren schon zum Zerreißen gespannt, was diese Mission ihnen an neuen Erkenntnissen bringen würde. Hoffentlich waren es nicht nur Bilder, denn von denen gab es mittlerweile tausende. Sogar das James-Webb-Weltraumteleskop hatte die NASA neu ausgerichtet, um gestochen scharfe Aufnahmen dieses düsteren Metallbrockens zu liefern. Wirklich neue Informationen hatte aber auch das nicht geliefert und so konnte bislang noch niemand sagen, was da genau auf sie zukam.
HERA sollte dies nun ändern, doch wirklich optimistisch klangen all die Wissenschaftler inzwischen nicht mehr. Letztendlich würden nur weitere Bilder entstehen, die in der gewaltigen Datei einfach untergehen dürften. Deswegen war es bis kurz vor dem Start gar nicht gesichert, ob die Mission nicht doch noch abgesagt wurde. Allerdings hätte dies eine Vertragsstrafe mit Run in Space nach sich gezogen, die fast den Kosten des Starts entsprach, weswegen man sich letztendlich für die Durchführung entschieden hatte.
Immerhin konnten Techniker gerade noch rechtzeitig eine Modifikation an der Sonde vornehmen. Sie sollte nun im Vorbeiflug mehrere Projektile, die mit Sensoren bestückt waren, auf den Asteroiden abfeuern. Allerdings war es mehr als unwahrscheinlich, dass ihnen dieser Versuch auch gelingen würde. Die Rendezvous-Geschwindigkeit lag immerhin bei etwas über 220.000 Stundenkilometern, weshalb ein Treffer ein Ding der Unmöglichkeit zu sein schien.
Den beiden Entdeckern von Pauli-2028 war das allerdings weitestgehend egal und so verfolgten sie nun den Start der Rakete gespannt.
Wie bereits erwähnt verlief alles planmäßig und so konnten sie mit leichter Zeitverzögerung beobachten, wie die letzte Stufe abgetrennt wurde und damit die Sonde HERA freigab. Es dauerte nicht lange, bis deren Triebwerk zündete und Steuerdüsen sie auf die benötigte Flugbahn lenkten. Ihre Endgeschwindigkeit würde bei knapp 40.000 Kilometern pro Stunde liegen.
Der Monitor schaltete nun um und zeigte die Route in einer Animation. In ihr konnte Pauline alle nötigen Daten abrufen. Noch befand sich die Sonde im Beschleunigungsmanöver, doch schon bald dürfte sie ihre Reisegeschwindigkeit erreicht haben.
Damit ließ sich das Rendezvous-Datum auf den 10.August festlegen. Pauline stöhnte, denn in den knapp vier Monaten bis dahin dürfte es nicht viele Neuigkeiten zu ihrem Asteroiden geben.
So kam es dann auch. Pauline und Professor Karmann verbrachten wieder deutlich mehr Zeit in Vorlesungen an der Uni und weniger Zeit im Observatorium. Immerhin waren bereits die Flüge nach New Mexico für den 04. September gebucht. Das machte Mut und half, die kommenden Monate zu überstehen.
Das erste Zusammentreffen
Einen ersten Vorgeschmack auf das was sie in New Mexico erwarten würde, bekamen Professor Karmann und Pauline Lesser am 10. August in Darmstadt. Alfred war es gelungen, dank reger Kontaktpflege zu seinen Ansprechpartnern bei der ESA, dass sie heute bei dem großen Event live dabei sein durften. Naja, live konnte man nicht wirklich sagen, denn wenn sie die Bilder zu sehen bekamen, war das Ereignis schon seit gut sechs Minuten geschehen. Das lag an der Entfernung von derzeit etwa 115 Millionen Kilometern. Die Funksignale von HERA reisten mit Lichtgeschwindigkeit zu den Empfängern bei ESA, NASA und auch der Chinesischen Raumfahrtbehörde.
Geduld brauchte man nur zu Beginn der Übertragung, anschließend lief sie aber wie ein Film ab, sodass man die Zeitverzögerung eigentlich nicht bemerkte. Nur wenn man mit der Sonde kommunizieren wollte, würden die Techniker 13 Minuten auf eine Antwort warten müssen.
Bis es aber ernst wurde, bekamen die Gäste aus München erst einmal eine ausgedehnte Führung durch das Europäische Raumflug-Kontrollzentrum, kurz ESOC, in Darmstadt.
Alfred hatte diese Ehre schon einmal, doch das lag bereits einige Jahre zurück und so bekam er heute einige Neuerungen zu sehen, die es damals nicht gegeben hatte. Alles sah noch futuristischer aus und beeindruckte ihn aufs Neue. Besonders die Mission Control war heute ein faszinierender Anblick, denn alle Stationen waren besetzt und es herrschte rege Betriebsamkeit an sämtlichen Plätzen.
Dazu kamen die unzähligen Monitore, die Berge von Daten an dutzende Mitarbeiter lieferten. Unwillkürlich fragte sich Alfred, ob die überhaupt alle gelesen wurden. Ihre Führerin berichtete daraufhin, dass natürlich alles gespeichert wurde und erst nach Abschluss der Mission akribisch gesichtet werden würde. Sie grinste die beiden Ehrengäste an und schlug vor, dass sie im Anschluss gerne dabei helfen dürften. Die Arbeit sei nicht sonderlich begehrt, weshalb das Institut immer nach motivierten Händen suchte.
Paulines Augen leuchteten daraufhin auf und sie meldete sich sofort freiwillig, doch ihr Mentor erinnerte sie daran, dass nach den Semesterferien die nächsten Examen an der Uni anstanden und sie dafür noch zu büffeln hatte. Schließlich kam ihnen dann auch noch in drei Wochen die Reise nach New Mexico dazwischen, wo sie sicher nicht viel Zeit zum Lernen finden würde.
Er selbst hatte dementsprechend auch noch diverse Vorbereitungen zu treffen, was nur in München möglich war.
Jetzt war es an ihrer Begleitung, staunend die Augen aufzureißen. Linda schlug schließlich vor, dass doch Pauline hierbleiben und die Arbeit machen könnte, während sie selbst für die Studentin nach New Mexico flog.
Paulines Antwort war vorhersehbar und unmissverständlich. Natürlich würde sie ihre Reise selbst antreten. Doch immerhin bot sie an, bis zum Sonntag gerne bei den Analysen mithelfen zu wollen, sofern sie nicht nur fürs Kaffeekochen eingeteilt wurde.
Linda grinste sie an und stellte klar, dass jemand, der so klug wie sie war, natürlich anspruchsvollere Aufgaben bekommen würde.
Pauline blieb bei ihrer Zustimmung und so konnte sich auch der Professor nicht verwehren, sofern sie am Sonntag pünktlich nach Hause kamen.
Die Führung ging weiter und tiefer in den Hauptkontrollraum hinein. Dort befand sich das Herzstück der Anlage und brachte die Gäste zum Staunen.
„Das ist unser neuer Hologramm-Projektor“, dozierte Linda Wagner sichtlich stolz. „Er wurde gerade erst vor zwei Monaten installiert und hat einen Durchmesser von achteinhalb Metern. Mit ihm können wir die Flugbahnen unserer Raketen, Sonden und der ISS dreidimensional darstellen. Sogar das ganze Sonnensystem ist mit den aktuellen Positionen aller Planeten und deren Monden möglich. Wir können selbst andere Systeme und ganze Galaxien schematisch darstellen und sämtliche bekannten Daten per Laserpointer oder Sprachbefehl abrufen. Nur der Missionsleiter hat Zugriff auf die KI und kann ihr Weisungen erteilen. Alles andere würde nur zu Chaos führen.
Wie aufs Stichwort trat ein Mann Mitte 50 hinter sie. „Ursel, aktiviere das Hologramm! Zeige uns die Flugroute von HERA-7c, Auflösung-6.“ Sofort sprangen mehrere Projektoren an Decke und Boden an und innerhalb weniger Sekunden sahen Alfred und Pauline, weswegen sie heute hergekommen waren. Die Auflösung war so gewählt, dass man die HERA-Sonde und den Asteroiden Pauli-2028 gut erkennen konnte. Sie näherten sich in einer schwachen Bogenform gegenläufig allmählich an, wobei Pauli eindeutig das schnellere Objekt von beiden war. Die Entfernung zueinander wurde permanent angezeigt und die Zahl schrumpfte verdammt schnell.
„Noch eine Stunde und 17 Minuten!“ berichtete der Mann und holte seine Gäste damit auf die Erde zurück. Er lächelte sie an und Linda stellte ihn nun als besagten Missionsleiter vor. Er hieß Lukas de Jong und kam aus den Niederlanden zum Team. Zuvor hatte er allerdings noch einige Jahre für die NASA in Houston gearbeitet und anschließend seine dort erworbene Erfahrung zur ESA mitgebracht.
„Und ihnen verdanken wir also nun, dass wir so viel Stress haben!“ rief er, grinste aber dabei, was seinen Spruch als Ulk entlarvte. Dementsprechend erklärte er auch sofort, dass seine Mitarbeiter sich jedesmal freuten, wenn sie solch eine spannende Aufgabe bekamen. Es käme schließlich nicht alle Tage vor, dass man versuchte, mit einer Sonde einen unglaublich schnellen Asteroiden zu beschießen.
„Dann freut es uns sehr, dass Sie sich heute nicht zuhause langweilen müssen!“ gab Pauline zurück und nahm die Hand von Lukas de Jong entgegen.
Anschließend zeigte er den Gästen einige Raffinessen des Hologramm-Projektors, bevor er sich entschuldigte. Es gab noch diverse Aufgaben zu erledigen, bevor der große Moment heran war.
Linda brachte die beiden Münchner daraufhin in die Cafeteria des Instituts, wo sie ihnen noch einen Kaffee, beziehungsweise Tee spendierte, während sie miteinander über das anstehende Manöver diskutierten.
Lange hielten sie sich allerdings nicht damit auf, denn es wurde Zeit, in den Besucherbereich des Kontrollraums zu wechseln. Dort trafen sie auf, Doktorin Sandrine Aubert. Die Generaldirektorin hatte sie eingeladen und schüttelte Pauline und Alfred begeistert die Hände. Auch die Französin freute sich über die heutige Mission und hoffte auf interessante Ergebnisse. Dabei war selbst ihr bewusst, dass ihre Chancen darauf eher gering standen.
„Noch vier Minuten bis zum Rendezvous! Alle auf ihre Plätze, bitte“, hörten sie die mahnende Stimme des Missionsleiters aus dem Lautsprecher und auf einem Monitor wurde der Countdown angezeigt.
Schnell nahmen die Gäste auf dem Besucherbalkon Platz und freuten sich, dass man von hier aus einen hervorragenden Blick auf das Hologramm bekam. Die Sonde und auch der Asteroid waren wunderbar zu erkennen. Sie näherten sich immer mehr an.
Auf einem anderen Großmonitor wurden die Daten eingeblendet und Pauline konnte erkennen, dass die Objekte voraussichtlich in einem Abstand von wenigen hundert Metern aneinander vorbeirasen würden. Sie staunte darüber, dass den Technikern der ESA diese rechnerische Meisterleistung gelungen war. Immerhin befand sich der Rendezvouspunkt etwa 115 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und die Geschwindigkeiten waren geradezu ungeheuerlich.
„Ich erinnere daran, dass das, was wir derzeit sehen, bereits passiert ist. Die Signale gehen jetzt erst bei uns ein“, berichtete Lukas de Jong, während er weiterhin die Regie über das Hologramm innehatte und ganz langsam tiefer in die Szenerie hineinzoomte.
Pauline schnappte plötzlich nach Luft. Sie musste selbige unbewusst angehalten haben und war nun ein wenig in Not geraten. Trotzdem ließ sie sich nicht von dem Countdown ablenken, denn die letzte Minute hatte bereits zu schlagen begonnen.
Jetzt versuchte sie irgendwie den Monitor und das Hologramm gleichzeitig in den Augen zu behalten, was kaum möglich war. Vermutlich schielte sie total, ohne es zu merken. Doch das würde ohnehin niemandem auffallen, denn alle anderen Augen waren genauso auf die beiden Ziele gerichtet.
Die letzten zehn Sekunden brachen an, als plötzlich eine weitere Nachricht aufpoppte und der Spielmacher verkündete, dass die Sensor-Projektile von HERA abgefeuert worden seien. Erste Jubelschreie waren in der Crew zu hören, als auf einmal der Monitor mit den Sonden-Daten schwarz wurde. Gleichzeitig verschwand HERA auch aus dem Hologramm und Stille kehrte ein, noch bevor die Freude überhand nehmen konnte. Ein Monitor nach dem anderen wurde schwarz, bis auf jedem einzelnen ein kleiner Schriftzug auftauchte, der auch den letzten im Saal zum Verstummen brachte – Signal lost, Signal verloren.
„Was zum Geier ist denn jetzt los?“ durchbrach die Stimme von de Jong lange Sekunden später die Stille. „Ich will Antworten, sprecht mit mir, Leute!“
Der Mann an der Funkkontrolle erwachte sofort wieder zum Leben und berichtete kurz darauf, dass es keine Signale mehr von HERA gab. Die Empfangsanlage des ESOC funktioniere einwandfrei.
„Gab es zuvor irgendwelche Störungen?“ fragte de Jong weiter und Pauline konnte Wut aus seiner Stimme heraushören. Die Mitarbeiterin an der Telemetrie dementierte jedoch. Alles sei bis zum Ausfall ohne Probleme gelaufen. HERA habe perfekt funktioniert.
„Und warum zum Geier haben wir sie dann verloren?“ schnauzte der Niederländer herum. Dabei wirkte er zuvor so sympathisch auf Pauline und Alfred.
Antworten bekam er leider keine von seinem Team, doch zumindest taten alle so, als wenn sie eifrig nach Fehlern suchen würden, selbst wenn sie den unbedeutendsten Job überhaupt zu machen hatten. Nur nicht planlos rumstehen, lautete gerade die Devise.
Eine Antwort lieferte wenig später der Mann an der Funkkontrolle, indem er eine eingehende Nachricht von der NASA verkündete.
„Auf den Schirm!“ befahl de Jong. Kurz darauf erkannte Pauline das Gesicht von Charles Buckley wieder. Er berichtete, dass das James-Webb-Teleskop Aufnahmen geliefert habe. Ohne weitere Worte ließ er diese Abspielen und die Anwesenden sahen gestochen scharfe Bilder vom Rendezvous der beiden Objekte.
Zunächst lief alles genau so, wie sie sich das vorgestellt hatten. HERA steuerte in optimalem Winkel auf Pauli-2028 zu. Dann blitzte etwas an HERA auf, dem Zeitpunkt nach dürften es die Sensoren gewesen sein, die auf den Asteroiden abgefeuert wurden.
Keine fünf Sekunden später platzte die Weltraumsonde einfach auseinander, ohne dass eine Einwirkung von außen zu erkennen war.
Nach einer, vielleicht waren es auch zwei Schweigeminuten, kam erneut Leben in Lukas de Jong und so fragte er, ob der Abschuss der Sensoren die Zerstörung ausgelöst haben könnte. Die Telemetrie dementierte aber sofort.
„Wir hätten dann noch Störungsmeldungen empfangen müssen. Die Sekunden nach den Abschüssen hätten dafür genügt, um Probleme zu melden.“
„Aber was hat HERA denn dann zerstört?“ fragte der Teamleiter und klang dabei zunehmend verzweifelt. Wen wunderte das? Immerhin hatte de Jong die vergangenen Monate auf diesen Augenblick hingearbeitet und nun war alles innerhalb von nur sehr wenigen Sekunden komplett gescheitert.
Heute fanden sie leider keine gesicherten Hinweise mehr darauf, doch bereits am folgenden Morgen konnten einige Analysten die Ursache für das Unglück definieren. Bei der Besprechung berichteten sie, dass sie sich die Bildaufnahmen von HERA noch deutlich genauer angeschaut hatten und dabei waren ihnen winzige Partikel aufgefallen, die dem Asteroiden folgten.
„Es waren also doch Mikro-Meteoriten, die HERA zerstört haben!“ meinte Lukas sichtlich frustriert. Das war eine der bislang stärksten Theorien, die sie für das Desaster angenommen hatten. Nun bekam er es schwarz auf weiß. Vermutlich hatte Pauli zuvor bereits einige Objekte aus seiner Bahn geräumt und diese dabei dermaßen vernichtet, dass nur noch winzige Staubkörnchen davon übriggeblieben waren. Diese genügten aber vollkommen, um bei der Geschwindigkeit ihre Sonde mit Leichtigkeit zu zerstören.
Genaugenommen hatte man so etwas schon vorher befürchtet, doch weil es nur sehr selten solch eine Gelegenheit gab, wollte man mit guten Hoffnungen diese Mission durchziehen. Das war nun offensichtlich auf ganz brutale Art schiefgegangen.
Das wirklich Schlimme an der Situation war allerdings, dass die Sensoren offenbar tatsächlich auf Pauli-2028 eingeschlagen waren. Die Chance stand also nicht schlecht, dass einige von ihnen gerade fleißig Daten sendeten. Blöderweise war aber ihre Sendeleistung gerade groß genug, um die HERA-Sonde zu erreichen, die dann die Daten an die Erde weiterleiten sollte. Doch leider existierte HERA nicht mehr, weshalb die Wissenschaftler nun, trotz des Teilerfolges, keinerlei Daten von Pauli bekamen. Man musste sich eingestehen, dass vier Monate Arbeit und mehrere Hundertmillionen Euro mal eben pulverisiert worden waren.
Leider war das in der Weltraumforschung ein häufiges Problem, denn letztendlich verschwand mit jedem Flug ins All ein riesiger Batzen Geld in den Weiten des Universums. Allerdings bekam man normalerweise im Gegenzug wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert, doch dieses Mal würde die Weltraumbehörde ziemlich leer ausgehen.
Für die Wissenschaftler war der finanzielle Aspekt kein so großes Drama, doch leider hatte auch die Öffentlichkeit das Desaster verfolgen können, weshalb es nun zu einem lauten Aufschrei in der Bevölkerung kam. Das Leben war gerade alles andere als einfach für das normale Volk und da konnte es doch nicht angehen, dass die Regierungen Unsummen für die Erforschung eines Asteroiden ausgaben, der laut voriger Berichte, nicht einmal annähernd als Bedrohung eingestuft wurde.
Die Wirtschaft hatte sich von den Krisen der vergangenen Jahre noch längst nicht erholt und so gab es europaweit enorm viele Arbeitslose und Nöte. Da war es leicht nachzuvollziehen, dass immer mehr Stimmen laut wurden, die eine deutliche Reduzierung der Ausgaben für die Raumfahrt verlangten. Einige wollten sogar sämtliche Bemühungen einstellen.
So kam es in den folgenden Tagen und Wochen in vielen Städten Europas zu Demonstrationen gegen die Weltraumforschung und weil in einigen Ländern Wahlen anstanden, reagierten die Regierungsparteien dementsprechend. Das Budget der ESA schrumpfte dramatisch zusammen und eine unabhängige Kommission wurde gegründet, die sämtliche Projekte, einschließlich der Mondbasis, auf ihren Nutzen überprüfen sollten.
Professor Alfred Karmann und seine Kollegen schimpften im Einklang über diese Entwicklung und versuchten der Öffentlichkeit über die Medien ins Bewusstsein zu rufen, dass es ohne die Weltraumforschung auch keine Satelliten gäbe, die ihnen Fernsehen und Funknetze für ihre Handys lieferten. GPS-Satelliten könnten nicht mehr erneuert werden, was zur Folge hätte, dass Urlaubsflieger nur noch schwierig und unter deutlich höheren Risiken ihre Ziele finden würden.
Sie erinnerten genauso daran, dass der Asteroid Pauli-2028, oder jederzeit auch ein anderer Felsbrocken, die Erde treffen könnte. Die einzige Möglichkeit, um solch ein Horror-Szenario abzuwenden war, weiterhin den Weltraum intensiv zu beobachten. Die Raumfahrtorganisationen müssten ständig in der Lage sein, um Bedrohungen von oben abwehren zu können. Hierfür wäre eher mehr Geld nötig, anstatt jetzt ihre Finanzen drastisch zu kürzen.
Tatsächlich ließen die Proteste allmählich wieder nach, doch die Prüfungskommission sorgte für weiter sinkende Etats. Pauline und Alfred konnten von Glück reden, dass ihre Flugtickets nach New Mexico bereits bezahlt waren. Ansonsten wäre diese Reise sicherlich auch aus Kostengründen gestrichen worden. Zur Not hätten sie aber selbst die Tickets bezahlt, da waren sich die beiden einig.
Reise mit Hindernissen
04.September 2028
Anfang September war es dann endlich soweit. Der Professor hatte sich mit seiner Assistentin auf den weiten Weg nach New Mexico gemacht, um in den nächsten Tagen den Vorbeiflug des Asteroiden Pauli-2028 an der Erde unter bestmöglichen Voraussetzungen mitzuverfolgen.
Hierfür waren sie nun seit knapp 15 Stunden unterwegs und die Strapazen der langen Reise machten sich deutlich bemerkbar. Zunächst waren sie von München aus nach Dallas geflogen. Die Maschine hob schließlich mit einer guten Stunde Verspätung ab, weil über dem bayrischen Flughafen ein Gewitter tobte und sie deswegen nicht starten konnten. Der Flug selbst war zumindest am Anfang ziemlich unruhig. Erst über dem Atlantik wurde es schließlich besser.
Natürlich kamen sie entsprechend später in Dallas an, doch diesmal hatten sie Glück. Charles Buckley ließ seine Beziehungen zur US Airforce spielen und organisierte eigens für sie einen Jet der Flugbereitschaft, der sie weitertransportiert hatte. Okay, er war nicht nur für sie reserviert, denn es gab noch vier weitere Fluggäste, die sich aber sehr über die luxuriöse Reise zur Holloman Air Force Base gefreut hatten. Dass sie auf die Gäste warten mussten, fanden die Soldaten allerdings weniger lustig.
Als Alfred die schmale Stiege hinaufkletterte und die Kabine betrat, sah er sofort ihre launischen Gesichter. Das änderte sich jedoch schlagartig, nachdem Pauline durch die Öffnung trat. Nun, sie war eben ein echter Hingucker und das schienen auch die vier Air Force Soldaten so zu empfinden. Alfred sah, wie ihre Köpfe sich ruckartig von ihm abwanden, die Hälse etwas länger wurden und ihre Augen deutlich an Umfang zulegten.
„Hi guys, nice too meet you. Sorry for the delay“, entschuldigte Pauline sich wegen der Verspätung und zeigte dabei ihr schönstes Lächeln. Ihre relativ eng anliegende Kleidung tat ihr Übriges, um die Männer von Alfred abzulenken. Er sah förmlich, wie die Kerle dahinschmolzen und einer von ihnen sprang reaktionsschnell auf, um ihr das Gepäck abzunehmen. Anschließend bot er ihr den Sitz direkt neben seinem eigenen an, was Pauline tatsächlich annahm. Die anderen Typen schienen davon nicht ganz so begeistert zu sein. Ihnen blieb aber nichts anderes übrig, als dies erst einmal zu akzeptieren. Der Start stand bevor und die Piloten schienen es eilig zu haben.
Diesem Gerald konnte das nur recht sein, denn so blieb ihm mehr Zeit, um sich mit seiner Platznachbarin zu unterhalten. Ihre Müdigkeit schien wie weggefegt zu sein und so unterhielt sie sich rege mit dem Soldaten. Die Maschine hatte kaum die Reiseflughöhe erreicht, als die Jungwissenschaftlerin auch von den anderen Männern umringt war, die nun mehr von ihr wissen wollten. Dafür gaukelten sie sogar Interesse an der Astronomie vor, wobei Alfred aber davon ausging, dass sie Pauline nur gerne reden hörten.
Alfred nahm es schmunzelnd hin, denn das war ihm allemal lieber, als wenn er den ganzen Flug über in ihre launischen Gesichter schauen müsste. Und seine Assistentin hatte offenbar auch keine Probleme mit der Aufdringlichkeit dieser jungen Kerle. Zufrieden lehnte er sich zurück und schloss die Augen, um noch ein bisschen zu schlafen. Draußen war es inzwischen dunkel geworden und er ahnte, dass der Tag noch sehr lange nicht vorbei sein könnte.
Der Flug dauerte anderthalb Stunden, bis sie die Airbase erreichten. Alfred streckte sich und stellte zufrieden fest, dass die Soldaten von seiner Assistentin abließen und sich zu ihren Plätzen zurückbegaben, nachdem der Pilot sie dazu ermahnt hatte. Kurz darauf landeten sie butterweich und Alfred durfte feststellen, dass es auf amerikanischen Militärflugplätzen offenbar keine Nächte gab. Die ganze Basis schien unterwegs zu sein, obwohl es bereits nach Elf war.
Die Jungs an Bord waren jedenfalls noch putzmunter, denn sie sprangen von ihren Plätzen auf und drängten nach vorne, um möglichst zuerst bei Pauline und ihrem Gepäck zu sein. Ihr Platznachbar war natürlich schneller und bekam ein weiteres Mal die Gelegenheit, ihr behilflich sein zu dürfen. Alfred hingegen wurde von den jungen Wilden vollkommen ignoriert, was er auch ganz in Ordnung fand.
Draußen auf dem Rollfeld sah er, wie Pauline sich von den übereifrigen Gentlemen mit Küsschen auf deren Wangen verabschiedete. Kopfschüttelnd wendete er seinen Blick ab und schaute zum Co-Piloten, der gerade in der Kabinentür auftauchte.
„Sir, Sie werden gebeten, hier zu warten. Sie werden in Kürze abgeholt.“
Alfred bestätigte mit erhobenem Daumen und drehte sich wieder seiner abtrünnigen Begleitung zu. Die war nun endlich alleine und kam mit rollenden Augen auf ihn zu.
„Gott sei Dank. Mann, sind diese Amis anstrengend“, schnaufte sie heraus und wirkte von jetzt auf gleich wieder müde und erschöpft.
„Und ich dachte, du hast Spaß daran!“ gab er schmunzelnd zurück.
„Der Eine war ja echt nett, aber alle zusammen, nee danke!“
Alfred grinste. „Immerhin hast du mir heute Abend das Leben gerettet!“
„Was? Wie das denn?“ fragte Pauline verwirrt.
„Wenn du nicht gewesen wärst, hätten die vermutlich Fallschirmübungen ohne Fallschirm mit mir gemacht, wegen unserer Verspätung.“
Pauline lachte daraufhin und wendete sich einem Militär-Geländewagen zu, der ihnen zügig entgegenkam. Unmittelbar vor ihnen blieb er stehen und ein Soldat sprang sportlich heraus.
„Miss Lesser und Mister Karmann, nehme ich an?“
Die beiden bestätigten und wurden gebeten, in den Wagen zu steigen. Das Gepäck verstaute ein Soldat auf der Ladefläche des Pickups. Anschließend sprang der Mann wieder auf den Beifahrersitz und ließ seinen Kameraden beschleunigen. Ziemlich zügig ging es über das Rollfeld, vorbei an Hangars mit eindrucksvollen Militär-Flugzeugen. Selbst schnittige Kampfjets gab es hier, von denen einige schwer bewaffnet zu sein schienen. Alfred wunderte das nicht, denn ganz in der Nähe wurden nach seinem Wissen diverse Raketentests durchgeführt. Es war spannend, diese Maschinen mal so nahe zu sehen.
„Sir, Ma’m, ich habe Befehl, Sie schnellstmöglich zum Observatorium zu bringen“, lenkte ihr Begleiter seine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Alfred wunderte sich ein wenig über die Eile, doch ihm konnte es nur Recht sein, wenn sie bald ans Ziel kommen würden. Nur Sekunden später schluckte er einen dicken Brocken herunter, als der Wagen scharf vor einem mächtigen Hubschrauber abbremste und zum Stehen kam. Es war ein Blackhawk, wie er aus dem Fernsehen wusste, doch das Ungetüm sah so in echt nochmals deutlich beeindruckender aus.
„Das ist nicht ihr ernst?“ rief Pauline heraus, als der Mann erneut ausstieg und ihr die Wagentür öffnete.
„Doch, Ma’m. Wie bereits erwähnt, soll ich Sie schnellstmöglich ans Ziel bringen.“
„Vielleicht will Charles uns damit beeindrucken“, meinte Alfred zu ihr, während sie die gewaltige Maschine betrachteten.
„Bitte einsteigen!“ drängelte der Soldat und schob sie die Stiege hinauf. Drinnen half er beim Angurten und reichte ihnen Kopfhörer. Die waren auch nötig, denn die Rotoren des Blackhawks drehten bereits hoch und wurden dabei immer lauter. Daran änderte auch die geschlossene Tür nicht viel.
„Was soll eigentlich dieser ganze Aufwand?“ fragte Alfred, kaum dass er sich wieder mit ihrem Begleiter unterhalten konnte.
„Ich weiß es nicht, Sir. Aber seit einer knappen Stunde geht beim Observatorium irgendetwas vor sich. Die haben komplett abgeriegelt und eine Kommunikationssperre verhängt. Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.
Das brauchte er auch nicht, denn Alfred hatte gerade wichtigeres im Sinn. Der mächtige Blackhawk schoss geradezu in den Himmel und legte sich dabei in eine heftige Linkskurve hinein, die seinen Magen rebellieren ließ. Der Begleiter schien regelrecht darauf gewartet zu haben, denn er reichte grinsend zwei Papiertüten nach hinten, die ihm seine beiden Gäste sofort aus der Hand rissen. Dabei ließ Alfred in jüngeren Jahren keine Gelegenheit zu einer Achterbahnfahrt aus. Wahrscheinlich lag das daran, dass er sich damals mental darauf vorbereiten konnte. Heute war dies nicht der Fall und noch dazu war er seit damals einige Jahre älter geworden.
„Wir sind gleich am Ziel, halten Sie noch ein paar Minuten durch!“ bellte der Soldat mit breitem Grinsen nach hinten.
Aufatmen konnten die Gäste aber nicht, als der Hubschrauber zur Landung ansetzte, denn das geschah genauso schnell, wie schon der Start zuvor. Während sie sich noch zu sortieren versuchten, wurde die Schiebetür aufgerissen und ein anderer Soldat forderte sie zum Aussteigen auf.
Pauline spürte ihre zittrigen Beine, als sie sich aus dem Sitz erhob und der Anweisung folgte. Gut, dass der Mann ihr die Hand reichte, sonst wäre sie bestimmt nicht heile unten angekommen.
Sie wurde in einen weiteren Army-Geländewagen verfrachtet, während der Copilot ihr Gepäck in den Fond stellte. Alfred saß kaum neben ihr, als die Fahrt auch schon losging. Die dauerte nicht mal eine Minute und unter normalen Bedingungen hätte sie die Strecke lieber zu Fuß zurückgelegt, doch so war das jetzt ganz angenehm.
Sie kamen vor einem weißen Gebäude zum Stehen und als Pauline nach oben schaute, erkannte sie die typisch runde Kuppel eines Observatoriums. In ihrer Mitte klaffte ein Spalt, in dem sich das Teleskop den Sternen entgegenstreckte. Vermutlich befand sich gerade ihr Asteroid im Sucher und Pauline war gespannt, was da oben vor sich ging. Irgendetwas musste jedenfalls passiert sein, wenn die Amis solch ein Zinnober veranstalteten.
Es wurde wieder ohrenbetäubend laut, als sich hinter ihnen der Blackhawk zurück in den finsteren Nachthimmel schraubte. Ihr neuer Begleiter musste ihnen mit der Hand winken, damit sie ihm zu einer Tür folgten.
Schlagartig kehrte Ruhe ein, als die Tür ins Schloss fiel. Dafür fanden sie sich in einem schmalen und steril wirkenden Gang wieder. Sie wurden ihn entlanggeführt, bis in einem Seitenzimmer ein weiterer Soldat hinter einem Tisch auf sie wartete. Alles wirkte irgendwie improvisiert.
Der Mann verlangte nach ihren Ausweisen, den Handys und fragte sogar, ob sie Waffen dabei hätten.
„Gilt eine Fingernagelfeile als Waffe?“ fragte Pauline mit ihrem charmantesten Lächeln zurück. Damit schien sie bei diesem Typen allerdings auf Granit zu beißen, denn der zeigte so gar keinen Humor und fragte, wo das Objekt sei.
„In meiner Reisetasche!“ antwortete sie kleinlaut.
„Die werden Sie vorerst nicht brauchen. Kommen Sie zu mir, wenn Sie in ihr Quartier gebracht werden, Ma’am.“
„Yes, Sir!“ bestätigte Pauline und beobachtete, wie der menschliche Roboter misstrauisch die Pässe begutachtete. Schließlich schien er zufrieden zu sein, denn er schickte sie weiter.
„Und die Handys?“ wagte Alfred nachzufragen.
„Sir, dieses Gebäude steht unter einer absoluten Kommunikationssperre. Ich werde ihre Handys solange verwahren, bis mir etwas anderes befohlen wird. Gehen Sie nun weiter, Sir.“
Begeistert waren die Gäste nicht, doch welche Alternative hatten sie denn? Keine.
Es ging weiter den Gang hinunter, vorbei an verschlossenen Räumen, bis ihr Begleiter einen öffnete und sie hineinschickte. „Warten Sie hier! Sie werden abgeholt“, meinte er und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Pauline und Alfred waren wieder unter sich.
„Was geht denn hier ab? Die sind doch völlig bekloppt“, schnaufte Pauline launisch heraus.
Der Professor nickte und schlussfolgerte wie sie. Irgendetwas musste mit Pauli-2028 vorgefallen sein. Dieser Gedanke bereitete ihm Unbehagen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass er plötzlich zu einer Bedrohung für die Menschheit werden würde. Pauli flog schließlich über 7 Millionen Kilometer an der Erde vorbei. Das war mehr als genug, um eine ernsthafte Bedrohung durch ihn ausschließen zu können. Selbst wenn er zerbrechen würde, sollten seine Bruchstücke die Erde in ausreichendem Abstand verfehlen.
Leider blieben sie vorerst unter sich, weshalb sie versuchten, es sich auf den Stühlen einigermaßen gemütlich zu machen. Dabei diskutierten sie über mögliche Szenarien und an ihren Stimmlagen konnte man erkennen, dass die Laune mit jeder verstrichenen Minute schlechter wurde.
Die Müdigkeit war allerdings stärker und so schlummerte Alfred schließlich auf seinem Stuhl sanft hinweg.
Viel Erholung war ihm allerdings nicht vergönnt, denn kurz darauf wurde die Tür geöffnet und Alfred schreckte auf.
„Frau Lesser, Professor Karmann, bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen“, kam aus dem Mund eines inzwischen gut bekannten Gesichtes. Es gehörte Charles Buckley, dem Leiter des Lincoln Observatoriums. Mit ihm hatten sie in den vergangenen Monaten viel telefoniert. Heute sah er allerdings irgendwie blass aus und er wirkte unruhig, so kannten sie den Mann überhaupt nicht. Vielleicht steckte auch ihm ein langer Arbeitstag in den Knochen, doch Alfred ahnte, dass sie heute noch eine heftige Überraschung erleben würden.
„Bitte kommen Sie, es gibt viel zu berichten und wenig Zeit.“
Das ließen sich Alfred und Pauline nicht zweimal sagen. Etwas unbehaglich standen sie auf und folgten Charles über weitere Gänge zu einem überraschend kleinen Raum, der mit Computern vollgestopft war. Mit dem Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt war dies hier nicht annähernd zu vergleichen.
Dabei musste man allerdings etwas relativieren, denn in Darmstadt wurde immerhin der Flug von Satelliten überwacht, was deutlich aufwendigeres Equipment benötigte. Hier in der Wüste von New Mexico hingegen beobachtete man nur Asteroiden, die sich nunmal nicht steuern ließen.
Dafür sprangen zwischen den Anlagen aufgeregte Mitarbeiter herum und einige schüttelten ihre Köpfe. Dabei sahen sie genauso bleich aus, wie ihr Boss.
„Was ist denn los, müssen wir uns wegen Pauli sorgen machen?“ fragte Pauline ungeduldig nach. Doch bis auf einen unglücklichen Blick verweigerte Charles eine direkte Antwort.
Stattdessen führte er sie vor einen großen Monitor, der die Flugbahn des Asteroiden zeigte.
„Das war vor zwei Stunden. Alles lief nach Plan und nichts deutete daraufhin, dass es zu Änderungen kommen könnte.“ Er schaltete auf langsamen Vorlauf und Pauline sah die minimale Bewegung geradeso.
Plötzlich fiel ihr etwas auf. Der Asteroid war etwas nach unten verrutscht, im Vergleich zu der Linie, die seine Flugbahn vorhersagte. War das ein technischer Fehler? Doch der Abstand zwischen Asteroid und Linie wurde immer größer und so schaute sie verunsichert zu Charles Buckley.
Der nickte unglücklich. „Pauli-2028 hat seine Flugbahn verlassen!“
„Was, wie kann das sein?“ fiel Alfred ihm ins Wort. „Hat irgendetwas auf ihn eingewirkt? Habt ihr ihn beschossen?“
„Natürlich nicht. Wir waren nicht einmal in seiner Nähe und auch sonst niemand. Das Ding hat einfach seinen Kurs verändert.“
„Wohin fliegt es?“ fragte Pauline und konnte die Angst in ihrer Stimme hören. Ein lautes Seufzen von Charles verschärften ihre Befürchtungen. Er nahm ein paar Veränderungen vor und zoomte aus dem Bild heraus. Eine neue Linie wurde sichtbar, die die künftige Flugbahn prognostizierte.
„Das ist nur eine Schätzung, denn Pauli scheint noch nicht fertig mit seiner Kurskorrektur zu sein. Eines steht aber ganz klar fest. Er wird der Erde sehr viel näher kommen, als wir bislang angenommen hatten.
„Aber was hat ihn zu der Kursveränderung veranlasst?“ fragte Alfred weiter, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte. „Könnten Ausgasungen das verursacht haben? Immerhin nähert sich der Asteroid auch der Sonne an und wird damit immer wärmer. Vielleicht gab es auf Pauli eine größere Gasblase, die ihn auf die neue Bahn gelenkt hat!“
Charles zuckte mit den Schultern. „Daran haben wir natürlich auch schon gedacht, aber dann müssten wir den Schweif des austretenden Gases sehen. Stattdessen hat unser Teleskop einen heftigen Lichtblitz entdeckt, kurz bevor Pauli abgedreht hat. Unsere Wissenschaftler halten daher die Theorie der Gasblase für sehr unwahrscheinlich.“
„Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass das Ding einen Antrieb hat?“ hakte Pauline mit zittriger Stimme nach. Sie wusste, was das bedeuten würde.