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Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 31 - Parker boxt sich durch den Ring E-Book 32 - Parker packt den Stier "bei den Hörnern" E-Book 33 - Parker angelt dicke Fische E-Book 34 - Parker lässt die Skinheads schwitzen E-Book 35 - Parker enttarnt "Haus der Hoffnung" E-Book 36 - Parker heizt dem "Bäcker" ein E-Book 37 - Parker setzt zur Schussfahrt an E-Book 38 - Parker zieht dem "Hai" die Zähne E-Book 39 - Parker spritzt die Wunderdroge E-Book 40 - Parker blendet die Brandstifter E-Book 1: Parker boxt sich durch den RIng E-Book 2: Parker packt den Stier "bei den Hörnern" E-Book 3: Parker angelt dicke Fische E-Book 4: Parker lässt die Skinheads schwitzen E-Book 5: Parker enttarnt "Haus der Hoffnung" E-Book 6: Parker heizt dem "Bäcker" ein E-Book 7: Parker setzt zur Schußfahrt an E-Book 8: Parker zieht dem "Hai" die Zähne E-Book 9: Parker spritzt die Wunderdroge E-Book 10: Parker blendet die Brandstifter
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Seitenzahl: 1169
Veröffentlichungsjahr: 2021
E-Book 31 - 40
Parker boxt sich durch den RIng
Parker packt den Stier "bei den Hörnern"
Parker angelt dicke Fische
Parker lässt die Skinheads schwitzen
Parker enttarnt "Haus der Hoffnung"
Parker heizt dem "Bäcker" ein
Parker setzt zur Schußfahrt an
Parker zieht dem "Hai" die Zähne
Parker spritzt die Wunderdroge
Parker blendet die Brandstifter
Butler Parker konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß man ihn berauben wollte.
Er hörte hinter sich das Stakkato harter Absätze auf dem Asphalt des Parkplatzes und richtete sich innerlich auf einen Überfall ein. Er war gerade aus einem Bürohaus gekommen, in dessen Erdgeschoß sich eine Druckerei befand. Hier hatte er neue Visitenkarten für Lady Simpson und sich in Auftrag gegeben. Er war auf dem Weg zu seinem sogenannten hochbeinigen Monstrum.
Die Gelegenheit für einen Überfall war günstig. Am späten Nachmittag herrschte auf dem Parkplatz nur wenig Betrieb. Parker hatte längst herausgehört, daß er es mit zwei Personen zu tun hatte, die immer schneller aufschlossen.
Der Butler beschleunigte seine Schritte und täuschte Angst vor. Dann aber bremste er jäh, wandte sich um und benutzte seinen altväterlich gebundenen Regenschirm als Kendo-Stock.
Er sah sich zwei etwa dreißigjährigen, mittelgroßen und schlanken Männern gegenüber, die er durch sein Bremsmanöver überrascht hatte. Einer von ihnen beging den Kardinalfehler, ein Klappmesser aufspringen zu lassen. Der andere Mann wich einen halben Schritt zurück und wollte etwas sagen, doch Parker stellte erst mal klar, daß er kein wehrloses Opfer war.
Er hatte seinen Universal-Regenschirm an beiden Enden gefaßt und setzte die Männer innerhalb weniger Sekunden außer Gefecht. Sie wurden von gezielten Schlägen getroffen, waren außerstande, die Arme anzuheben und sackten in sich zusammen, nachdem der Butler den bleigefüllten Bambusgriff seines Regendachs krönend eingesetzt hatte. Das Klappmesser lag längst auf dem Asphalt und war unerreichbar für den Besitzer.
»Meine Wenigkeit bittet Sie keineswegs um Entschuldigung«, sagte Josuah Parker, der einen völlig unberührten Eindruck machte. »Würden Sie mir dennoch freundlicherweise erklären, was Sie sich von Ihrem geplanten Überfall versprachen?«
Die beiden Männer starrten ihn an. Sie fühlten sich mit Sicherheit nicht besonders wohl.
»Ein ... ein Mißverständnis«, sagte Schließlich der ehemalige Besitzer des Klappmessers mit schwacher Stimme.
»Stimmt haargenau«, fügte sein Begleiter hinzu.
»Wir ... wir sind hinter ’nem Kerl her, der uns reingelegt hat«, behauptete der erste Mann und richtete sich auf.
»Der sah von hinten aus wie Sie«, behauptete der zweite Mann, »so mit Melone und Schirm.«
»Dann seien Sie meines Mitgefühls versichert.« Parker lüftete die schwarze Melone und gab den Burschen die Chance, ihn noch mal anzugreifen. Er trat hinter die beiden Männer und half dem Messerfreund hoch, was nicht ganz einfach war. Der hatte nämlich einige Hiebe einstecken müssen, die noch intensiv nachwirkten. Der Mann ließ sich willig aufrichten und merkte nicht, daß der Butler ihn mit geschickten Fingern blitzschnell um seine Brieftasche brachte.
Schließlich stand er wieder auf den Beinen und schüttelte verwundert den Kopf. Er maß den Butler mit intensivem Blick.
»Ich glaub’s einfach nicht«, sagte er schließlich. »Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?«
»Gibt es möglicherweise einen Grund für diese Frage?«
»Wie ... wie haben Sie uns fertiggemacht?« wunderte sich der Mann.
»Nehmen Sie an, daß es sich um eine automatische Abwehr handelte«, meinte Josuah Parker. »Wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit sich jetzt empfehlen. Entstandene Prellungen sollten Sie übrigens mit Alkoholumschlägen kühlen.«
Er lüftete noch mal die schwarze Melone und ging zu seinem Wagen. Es handelte sich dabei um ein sehr betagt aussehendes Gefährt, das in grauer Vorzeit als Original-Taxi in den Londoner Straßen seinen Dienst getan hatte.
Dieser hochbeinige Wagen barg eine Fülle von technischen Raffinessen, die man ihm jedoch nicht ansah. Eingeweihte hielten diesen Wagen nicht grundlos für eine Trickkiste auf Rädern.
Die Kerle starrten seinem Wagen nach, als er sie wenig später bewußt langsam passierte. Parker wollte ihnen Zeit und Gelegenheit geben, sich das Kennzeichen einzuprägen.
Hatten sie ihn wirklich mit einer anderen Person verwechselt? Oder war es hier um die Begleichung einer alten Rechnung gegangen? Parker war durchaus bereit, sich überraschen zu lassen.
*
»Sie wissen hoffentlich, Mister Parker, daß Sie wieder mal einen großen Fehler begangen haben«, mokierte sich Lady Agatha. »Selbstverständlich hätten Sie die beiden Lümmel mitbringen müssen.«
»Könnten Mylady sich möglicherweise entschließen, meiner Wenigkeit noch mal zu verzeihen?« erkundigte sich Josuah Parker. Als Verkörperung eines hochherrschaftlichen Butlers war er nicht aus der Ruhe zu bringen. Sein glattes Gesicht zeigte keine Regung. Seine Stimme war höflich-beherrscht.
»Natürlich will man sich letztendlich mit mir anlegen«, redete sie weiter und ging auf seine Frage nicht ein. »Sie wissen, wie sehr die Unterwelt mich fürchtet.«
»Mylady sind der Garant für Panik, wo Mylady auch immer auftauchen mögen«, erklärte Parker doppelsinnig.
»Ich weiß, ich weiß.« Sie lächelte wohlwollend und nickte. »Ich bin eben einfach zu erfolgreich, Mister Parker. Sie wissen also nicht, wer die beiden Subjekte waren?«
»Einer von ihnen heißt Dan Meggan, Mylady, wie aus seinen privaten Papieren hervorgeht. Mister Meggans Brieftasche enthielt Hinweise darauf, daß er sich als Zeitschriftenwerber betätigt.«
»Natürlich nur ein vorgeschobener Beruf«, erwiderte die ältere Dame. Sie war groß, stattlich und hatte ihren sechzigsten Geburtstag hinter sich.
Lady Agatha, immens vermögend, unkonventionell und dynamisch wie ein Räumpanzer, legte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Unterwelt an und war gefürchtet wegen ihrer irrationalen Methoden. Sie pflegte jedes Vorurteil und merkte nicht, daß Butler Parker stets eine schützende Hand über sie hielt.
»Die Adresse des Mister Meggan ist bekannt, sie geht aus den Papieren hervor«, meinte Parker.
»Ich werde mich umgehend mit diesem Lümmel beschäftigen«, kündigte sie umgehend an. »Aber da war doch noch etwas, über das ich mich wundere, Mister Parker.«
»Mylady weisen sicher auf die angebliche Verwechslung hin«, gab der Butler zurück. »Falls dem so war, muß jene Person mit der man meine Wenigkeit verwechselte, in der Nähe des Parkplatzes wohnen.«
»Genau das ist es.« Sie nickte. »Aber es war natürlich keine Verwechslung, Mister Parker. Es ging und geht einzig und allein um mich.«
»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an.
»Wo finde ich dieses Subjekt also?« wollte sie wissen.
»In Stepney, Mylady. In der Brieftasche fanden sich zwei Kontoauszüge einer Bank, die die genaue Adresse aufweisen.«
»Worauf warte ich dann eigentlich noch?« Sie schob ihre majestätische Fülle aus dem tiefen Ledersessel und schritt hinüber zur geschwungenen Freitreppe, die ins Obergeschoß des altehrwürdigen Fachwerkhauses führte, das sie hier im Herzen von London, genauer gesagt in Shepherd’s Market bewohnte.
Josuah Parker begab sich ins Souterrain des Hauses, wo seine privaten Räume lagen. Er hielt sich nur kurz im sogenannten Labor auf und versorgte sich mit einigen Spezialitäten, die er entwickelt hatte. Sie dienten dazu, auf unblutige Art etwaige Angreifer in die Schranken zu verweisen.
Als er wieder in der Wohnhalle erschien, war Lady Agatha bereits auf der Treppe. Sie prüfte ihren perlenbestickten Pompadour und dann den Sitz ihres geradezu abenteuerlich anmutenden Hutes. Er schien eine leicht mißglückte Kreuzung aus einem Napfkuchen und einem Südwester zu sein. Einige neckisch arrangierte Kunstblumen garnierten diese Schöpfung der Hutmacherei.
»Haben Sie schon daran gedacht, daß man mich bereits vom an der Durchgangsstraße abfangen könnte?« erkundigte sich Agatha Simpson. »Man wird sich doch hoffentlich das Kennzeichen Ihres Wagens gemerkt haben, oder?«
»Dies, Mylady, kann man als sicher unterstellen.«
»Dann rechne ich mit scharfen Schüssen«, prophezeite die passionierte Detektivin fast erfreut. »Richten Sie sich also darauf ein, Mister Parker.«
»Man wird möglichen Anfängen wehren, Mylady.«
»Sehr schön«, redete Agatha Simpson weiter. »Ich habe den Eindruck, Mister Parker, daß dieser Abend noch recht abwechslungsreich werden wird. In den Fernsehprogrammen ist ohnehin nichts, was mich interessieren könnte. Wissen Sie, das Leben schreibt immer noch die besten Krimis.«
Gegen diese profunde Erkenntnis hatte Parker keine Einwände vorzubringen.
*
»Ich werde nicht verfolgt?« grollte sie eine Viertelstunde später. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und war leicht verärgert. Sie hatte scharfe Schüsse vermißt und wartete nun auf Verfolger, die der Butler bisher allerdings noch nicht wahrgenommen hatte.
»Mister Meggan wird seine Brieftasche längst vermißt haben, Mylady«, gab Parker zurück. »Vielleicht setzt er darauf, daß Mylady ihn aufzusuchen gedenken.«
»Daran habe auch ich bereits gedacht.« Sie nickte. »Er wird mir in seiner Wohnung eine Falle stellen, nicht wahr?«
»Die sollte man nicht ausschließen, Mylady.«
»Dieses Subjekt wird sich wundern«, kündigte die ältere Dame an. »Es wird sich in seiner eigenen Falle fangen.«
»Mylady werden den Spieß umkehren.«
»Hoffentlich steuern Sie eine hübsche Idee dazu bei, Mister Parker«, verlangte sie im vorhinein. »Ich kann schließlich nicht alles allein machen.«
Nun, sie erlebte eine herbe Enttäuschung.
Von einer Falle konnte überhaupt keine Rede sein. Dan Meggans kleine Wohnung erwies sich als leer. Parker hatte das Schloß der Tür dazu überredet, sich freundlicherweise zu öffnen und hatte dazu sein kleines Spezialbesteck benutzt. Mylady rechnete allerdings noch immer mit Überraschungen.
»Irgendwo ist sicher eine Sprengladung angebracht«, hoffte sie. »Seien Sie vorsichtig, Mister Parker, wenn Sie die Wohnung durchsuchen.«
Nun, viel war da nicht zu durchsuchen. Die Einrichtung zeichnete sich nicht gerade durch Üppigkeit aus. Es gab eine abgewetzte Sitzgruppe, ein kleines, verschrammtes Sideboard, einen Fernsehapparat und einen Arbeitsplatz in Fensternähe, der mit Zeitschriften aller Art bepackt war.
In einem kleineren Nebenraum befanden sich ein Doppelbett, ein Kleiderschrank und ein Akten-Rollschrank, in dem Dan Meggans Wäsche untergebracht war. Auch das winzige Badezimmer bot keine Geheimnisse.
»Sehr verdächtig«, urteilte Lady Agatha, als Parker meldete, nichts gefunden zu haben. »Hier sind absichtlich alle Spuren beseitigt worden.«
Josuah Parker sichtete einige Papiere auf dem Arbeitstisch. Er hatte ein Auftragsbuch entdeckt, aus dem eindeutig hervorging, daß Dan Meggan tatsächlich als Zeitschriftenwerber arbeitete. Parker hatte sogar den Eindruck, daß Meggan durchaus fleißig war. Der Mann hatte in den vergangenen Wochen vielen Mitbürgern Abonnements verkauft. Während Mylady bereits leichte Ungeduld zeigte, schaute Parker sich die Adressen der neuen Zeitschriftenkunden an.
Und er wurde fündig!
In dem Auftragsblock fand er genau die Straße mit der Druckerei, die er erst vor einigen Stunden aufgesucht hatte. Der betreffende Kunde Lester Greene war vor fünf Wochen geworben worden. Er hatte sich für eine geographische Zeitschrift und einen Sprachkurs in Portugiesisch entschieden.
»Was machen Sie denn da, Mister Parker?« räsonierte Agatha Simpson gereizt. »Das alles ist doch reine Zeitverschwendung.«
»Möglicherweise, Mylady.« Parker hatte aus einer der Taschen seines schwarzen Covercoats einen Fotoapparat hervorgeholt, der kaum größer war als ein Feuerzeug. Er schaltete die Tischlampe ein und fotografierte weitere Namen und Adressen.
»Sie haben etwas entdeckt?« Die ältere Dame war neugierig geworden.
»Möglicherweise, Mylady«, antwortete der Butler, der sich weiter informiert hatte. »Mister Meggan arbeitet für einen Verlag, der sich ›Freizeit und Hobby‹ nennt.«
»Was will das schon besagen?« Sie winkte desinteressiert ab. »Das bringt mich überhaupt nicht weiter.«
Parker war zwar anderer Meinung, äußerte sich aber nicht. Er stellte auf dem Schreibtisch die alte Ordnung wieder her und war dann bereit, die kleine Wohnung zu verlassen.
»Man hat sich mit dem Überfall auf mich Zeit gelassen«, sagte Agatha Simpson, als man sich im Korridor befand. »Sie werden sehen, Mister Parker, daß gleich die Schläger auftauchen.«
Sie hatte den Satz kaum beendet, als vorn im Treppenhaus zwei handfeste Männer erschienen. Sie kamen .mit schnellen Schritten auf Lady Agatha und Butler Parker zu.
»Jetzt werden ich Ihnen mal zeigen, wie man mit solchem Gelichter umgeht«, kündigte sie an und brachte ihren Pompadour in erste Schwingung.
*
Im Handbeutel der älteren Dame befand sich der sogenannte Glücksbringer, ein veritables Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereipferd stammte. Der Pompadour wiederum hing an einigen Lederschnüren am Handgelenk seiner Besitzerin.
Es war unbestritten, daß Lady Agatha mit dem Requisit einer Dame gut umzugehen verstand. Darüber hinaus war sie eine sportlich geübte Frau, die mit Hingabe, aber ohne Erfolg Golf spielte und den Sportbogen schoß. Ihre Muskulatur war also keineswegs unterentwickelt.
Agatha Simpson, die sich zwei Gegnern gegenübersah, ergriff die Initiative. Nach dem Motto, wonach der Angriff die beste Verteidigung sei, setzte sie ihren Glücksbringer mit einem gekonnten Bogenschlag auf den Kopf des Mannes, der links vor ihr erschienen war.
Das Hufeisen tat seine Wirkung!
Der Getroffene verdrehte die Augen, stieß einen ächzenden Laut aus und ging beeindruckt in die Knie. Er fiel seitlich gegen die Wand des Korridors und schob die wegrutschenden Beine in den Weg seines Begleiters.
Der stolperte und warf sich vor, was Mylady völlig mißdeutete. Sie trat geschmeidig zur Seite, ließ ihn passieren und langte dann mit ihrem Pompadour noch mal zu.
Der Glücksbringer krachte ins Kreuz des Stürzenden, der daraufhin eine Streckbewegung nach vorn machte und dann mit der Bauchseite auf dem abgetretenen Teppichläufer landete.
Parker lüftete die schwarze Melone in Richtung Mylady und beglückwünschte sie mit wohlgesetzten Worten zu ihrem Erfolg.
»Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, Mister Parker«, gab sie wohlwollend zurück. »Jetzt können Sie von mir aus Fragen stellen.«
Parker kümmerte sich um die beiden Männer, die wie paralysiert waren. Er durchsuchte sie, fand aber keine Papiere. Doch entdeckte er je ein Klappmesser und zwei Stahlruten, deren teleskopartige Glieder in einer Metallhülse zusammengeschoben waren.
»Nun, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen.
»Einiges deutete darauf hin, Mylady, daß man es nicht mit Normalbürgern zu tun hat«, erwiderte er. »Man sollte die beiden Herren vielleicht einem kurzen Verhör unterziehen. Dazu bietet sich Mister Meggans Wohnung an.«
»Tun Sie, was ich für erforderlich halte«, lautete ihre Antwort, »aber lassen Sie sich nicht hereinlegen. Sie neigen zum Leichtsinn.«
Parker verzichtete auf eine Antwort, stellte die beiden Männer auf die Beine und dirigierte die Benommenen zurück in die kleine Wohnung des Mr. Dan Meggan. Dort drückte er sie auf die Sitzcouch und trat diskret zurück, damit Lady Simpson mit ihrem Verhör beginnen konnte.
Die beiden Kerle kamen wieder zu sich und blickten Mylady und Parker in einer Mischung aus Verstörtsein und Respekt an.
»Ich habe da einige Fragen, die Mister Parker an Sie richten wird«, schickte sie voraus. »Ich verlange wahrheitsgemäße Antworten.«
»Sie hatten die Absicht, Mister Meggan einen Besuch abzustatten?« erkundigte Parker sich.
Die beiden Männer nickten erstaunlicherweise.
»Und was ist der Grund Ihres gemeinsamen Besuches?«
»Das geht dich doch ’n Dreck an«, sagte der Mann, dessen Kopf in Mitleidenschaft gezogen war. Dann zuckte er allerdings zusammen und blickte ungläubig auf die Seitenlehne der Couch, wo der Pompadour gelandet war. Das Holz war rissig geworden und zeigte eine erste Bruchstelle.
»Schade«, bedauerte die ältere Dame. »Ich wollte eigentlich Sie treffen, junger Mann.«
Während sie redete, ließ sie ihren Pompadour kreisen, worauf beide Männer sichtlich kleiner wurden. Sie schoben sich auf der Couch zurück und starrten entnervt auf den Handbeutel.
»Stopp, Lady, stopp«, sagte der Mann hastig. »Wir reden ja schon. War nicht so gemeint.«
»Sie kennen die Frage«, erinnerte Parker in seiner höflichen Art.
»Dennis Frankler hat uns raufgeschickt«, meinte der Mann dann mitteilungsfreudig. »Wir sollten uns mal Meggan zur Brust nehmen.«
»Und wo, wenn man fragen darf, befindet sich Mister Frankler momentan?«
»Unten auf der Straße, der sitzt in seinem Schlitten.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihn zu bitten, hier zu erscheinen?«
»Dennis Frankler?« Der Mann schien begriffsstutzig zu sein
»Mister Dennis Frankler«, bestätigte der Butler. »Sie könnten dies durch entsprechende Handzeichen vom Fenster aus in die Wege leiten.«
»Ob der aber kommt, weiß ich nicht.«
»Sie sollten es auf einen Versuch ankommen lassen.«
»Vielleicht erheben Sie sich!« Lady Agatha trat einen halben Schritt vor und beeindruckte ihn mit ihrer Fülle. Der Mann erhob sich und ... attackierte die ältere Dame. Er schien sich eine Chance ausgerechnet zu haben und versuchte es mit einem Überraschungsangriff.
Es blieb allerdings bei diesem Versuch.
Nachdem er sich einen Tritt gegen das linke Schienbein eingefangen hatte, humpelte er ans Fenster, schob es hoch und winkte nach unten. Er gab sich sehr gehorsam und machte keinen Versuch, seinen Auftraggeber zu warnen.
»Genug, junger Mann, übertreiben Sie nicht«, meinte die ältere Dame und zog ihn vom Fenster zurück. »Sie können mich übrigens ruhig noch mal angreifen. Sie haben ja noch das rechte Schienbein!«
*
Der mittelgroße, ein wenig rundliche Mann mochte etwa vierzig sein. Er produzierte einen halblauten und sehr hohen Schrei, als Parker ihn mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms gleich hinter der Wohnungstür abfing. Dieser Griff legte sich um den Hals des Eintretenden, der sicher den Eindruck hatte, eine armdicke Schlange habe sich mit ihm befaßt.
»Sie sollten sich vorerst keine Sorgemachen, Mister Frankler«, schlug der Butler vor. »Alles hängt aber davon ab, wie Sie Myladys Fragen beantworten werden.«
»Wer ... wer sind Sie?« wollte der mittelgroße Mann wissen. Er hatte inzwischen registriert, daß seine Mitarbeiter sehr angeschlagen auf der Couch saßen.
»Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson Fragen beantworten zu dürfen«, antwortete Parker. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.«
»Arbeiten Sie mit Meggan zusammen?«
»Nicht unbedingt, Mister Frankler, aber nun zu Myladys Fragen. Warum sollten die beiden Herren Mister Dan Meggan zur Brust nehmen, wie sie sich ein wenig volkstümlich ausdrückten?«
»Meggan ist ein Dreckskerl«, lautete die Antwort. »Er hat meinen Bruder gelinkt und restlos ausgenommen.«
»Könnten Sie sich womöglich ein wenig präziser ausdrücken, Mister Frankler? Mister Meggan geht dem Beruf eines Zeitschriftenwerbers nach.«
»Geschenkt«, reagierte er verächtlich. »Das ist doch nichts als Tarnung. Meggan macht auf Schlepper und Kassierer.«
»Werden Sie endlich deutlich, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich grollend ein. »Ich verbitte mir vage Andeutungen.«
»Meggan reißt Leute auf, die eigentlich nur ein harmloses Spiel machen wollen. Und dann werden diese Trottel ausgenommen, daß es nur so kracht. Und wer nicht bezahlen kann, der unterschreibt Schuldscheine oder muß ’nen Kredit aufnehmen, Lady. War das deutlich genug?«
»Ihr Herr Bruder war nicht in der Lage, dies alles rechtzeitig zu durchschauen?« wunderte sich Josuah Parker.
»Willie ist ein Rindvieh«, meinte Dennis Frankler. »Er hat in Sussex ’ne Schreinerei und war hier zu Besuch.«
»Sie hingegen üben welchen Beruf aus, Mister Frankler?«
»Ich hab’ hier in London ein paar Boutiquen«, entgegnete der Mittelgroße. »Mein Bruder hatte mich besucht und war dann aufs Kreuz gelegt worden.«
»Dies geschah wann, um auch diese Frage noch zu klären?«
»Vor ’ner Woche ungefähr. Und jetzt sitzt Willie mit fast sechstausend Pfund in der Kreide.«
»Sie wissen selbstverständlich, wo dieses betrügerische Spiel stattfand?«
»Eben nicht. Und genau das sollte jetzt Meggan sagen. Sie arbeiten wirklich nicht mit ihm zusammen?«
»Mylady wünscht in Erfahrung zu bringen, warum Sie erst heute den Kontakt mit Mister Dan Meggan suchen«, sagte der Butler, der die Frage ignorierte.
»Weil ich erst gestern von diesen sechstausend Pfund gehört habe«, kam umgehend die Antwort.
»Sie werden verstehen, Mister Frankler, daß man den Wahrheitsgehalt Ihrer Angaben überprüfen wird«, schickte Josuah Parker voraus. »Würden Sie meiner Wenigkeit freundlicherweise die Telefonnummer nennen, unter der Ihr Bruder in der Grafschaft Sussex zu erreichen ist?«
»Moment mal, Sie glauben, ich hätt’ Sie belogen?«
»Ein Umstand, den man nicht unbedingt ausschließen sollte, Mister Frankler.«
»Nein, nein, ich hab’ die Wahrheit gesagt«, verteidigte sich Frankler und nannte dem Butler eine Telefonnummer. Während Parker sie wählte, wandte er Dennis Frankler und den beiden anderen Männern absichtlich den Rücken zu.
Er verließ sich auf die Wachsamkeit der älteren Dame.
*
Parker hatte die Nummer gewählt und wandte sich langsam um. Lady Agatha stand knapp hinter Dennis Frankler und wartete ungeduldig darauf, ihren Pompadour einsetzen zu können. Doch der Mann hatte ihr bisher keine Veranlassung dazu gegeben. Er blickte den Butler abwartend-gespannt an.
Auf der Gegenseite meldete sich ein Willie Frankler. Parker nannte seinen Namen ‚ und lieferte seinem Gesprächspartner sofort das Stichwort Meggan.
»Meine Wenigkeit ruft im Namen Ihres werten Bruders an«, fügte der Butler hinzu. »Sie haben gute Aussicht, Ihr Geld zurückzubekommen.«
»Mann, das wär’ ja sagenhaft«, freute sich Willie Frankler umgehend. »Der hat mich vielleicht reingelegt! Hat mein Bruder Ihnen davon erzählt?«
»In allen Einzelheiten, Mister Frankler«, gab Parker zurück. »Aber es erhebt sich die Frage, warum Sie erst gestern von dem Verlust sprachen.«
»Weil ein Mann hier aufgetaucht ist, der in drei Tagen die sechstausend Pfund kassieren will. Wissen Sie, ich hab’ da einen Schuldschein unterschrieben, aber von dem weiß ich eigentlich nichts. Ich kann mir gar nicht erklären, wie meine Unterschrift auf den Wisch gekommen ist.«
»Könnten Sie den erwähnten Schuldschein im Zustand der Volltrunkenheit unterschrieben haben?«
»Kann ich mir wirklich nur vor stellen«, lautete die Antwort des Schreiners aus Sussex.
»Ihnen ist aber sicher bekannt, wo man Sie zum Spiel verleitete, Mister Frankler.«
»Kein Ahnung, wo das über die Bühne gegangen ist.«
»Bliebe noch zu fragen, wieso Sie Ihren Herrn Bruder auf Mister Meggan verweisen konnten, Mister Frankler.
»Klar doch, der hat ja mehrfach seinen Namen genannt. Alles Weitere hat dann mein Bruder Dennis wohl erledigt.«
Parker bedankte sich für die Auskünfte, legte auf und wandte sich dem Bruder des Schreiners zu.
»Wie zu hören war, ist Mister Dan Meggan Ihnen nicht unbekannt, Mister Frankler.«
»Ich ... ich hab’ rumtelefoniert, bis ich wußte, wo er wohnt.«
»Die beiden Herren auf der Couch sind Angestellte von Ihnen?«
»Bekannte«, kam die ein wenig zögernde Antwort. »Bekannte, die mir einen Gefallen tun wollten.«
»Sie wollten herausfinden lassen, wohin Mister Meggan Ihren Bruder verbrachte?«
»Wie meinen Sie das? Ach so, kapiert! Ja, ich will wissen, wo er ausgenommen worden ist.«
»Damit dürften alle Fragen ausgeräumt sein«, meinte Josuah Parker. »Mylady behält sich jedoch vor, noch mal Kontakt mit Ihnen aufzunehmen.«
»Hatten Sie auch Ärger mit Meggan?« fragte Frankler. Er blickte die ältere Dame gespannt an.
»Man hat höchstens Ärger mit mir, junger Mann«, erklärte Agatha Simpson prompt und blickte dann ihren Butler an. »Habe ich noch Fragen, Mister Parker?«
»Mylady wurden vorerst hinreichend informiert«, gab der Butler zurück.
»Das wird sich noch zeigen«, meinte sie in Richtung der drei Männer drohend. »Ich habe das Gefühl, daß man sich noch mal Wiedersehen wird.«
Sie wandte sich um und schritt majestätisch zur Wohnungstür. Parker deckte diskret ihren Abgang und lüftete höflich die schwarze Melone, als er sich seinerseits verabschiedete.
»Sehr unbefriedigend dies alles, Mister Parker«, sagte Lady Agatha später, als sie wieder in Parkers Wagen saß. »Diese Subjekte haben noch nicht mal den Versuch unternommen, mich zu verfolgen. Was soll ich nur von solchen Männern halten?«
*
Nachdem der Butler an der schmalen, schwarz lackierten Tür geläutet hatte, öffnete sich eine kleine, viereckige Klappe im Türblatt. Das Gesicht eines Mannes mit wachsamen Augen wurde sichtbar.
»Oh, Mister Parker«, sagte er überrascht. »Einen Augenblick, bitte, ich muß erst entriegeln.«
»Und vergessen Sie nicht, Mister Wiggins zu verständigen«, bat Parker. »Sie könnten sonst womöglich Ärger bekommen, was meine Wenigkeit Ihnen nicht wünschen möchte.«
Die Türklappe schloß sich wieder. Die ältere Dame, die neben dem Butler stand, schnaufte verärgert.
»Wieso wagt man es, eine Lady Simpson warten zu lassen?« wollte sie wissen. »Und überhaupt ... Das hier soll ein illegaler Spielclub sein?«
»Mit letzter Sicherheit, Mylady«, erwiderte der Butler. »Mylady haben es mit einer sehr guten Adresse zu tun.«
Das Paar aus Shepherd’s Market befand sich im Stadtteil Pimlico. Das Haus, vor dem man stand, zeichnete sich durch unaufdringliche Eleganz aus. Ja, es machte sogar einen eindeutig abweisenden Eindruck. Und die vielen teuren Luxuswagen zu beiden Seiten der kurzen, engen Straße deuteten darauf hin, daß man hier nur wohnen konnte, wenn man über reichlich Kleingeld verfügte.
Die Tür wurde weit geöffnet.
Der Türsteher verbeugte sich in Richtung Mylady und deutete dann auf eine Tür im Hintergrund der kleinen Empfangshalle.
»Mister Wiggins ist bereits unterwegs«, sagte der noch recht junge Mann dienstbeflissen. Er hatte kaum ausgeredet, als die Tür im Hintergrund mit Schwung geöffnet wurde. Ein mittelgroßer, schlanker Mann von schätzungsweise vierzig Jahren kam Mylady und Parker entgegen.
»Herbert Wiggins«, stellte er sich Lady Agatha vor. »Herzlich willkommen zur Party, Mylady!«
»Ein interessanter Hinweis«, reagierte die ältere Dame umgehend.
»Ich werde ihn wörtlich nehmen, junger Mann.«
»Wir haben einen erstklassigen Koch, Mylady.« Wiggins ging voraus und führte die passionierte Detektivin und Butler Parker in eine Art Salon, in dem man ungestört war.
»Ich wette, Mister Parker, Sie kommen nicht ohne Grund«, begann Wiggins die Unterhaltung.
»Wo wird hier gespielt?« fragte Agatha Simpson ohne jede Umschweife.
»Äh, gespielt, Mylady ...? Sie wollen wirklich?«
»Selbstverständlich«, entgegnete sie. »Ich werde mein Glück wieder mal herausfordern. Was haben Sie mir zu bieten? Roulette, Baccarat oder Black Jack?«
»Was immer Sie wünschen, Mylady. Es handelt sich aber nur um ein harmloses Spiel, mehr so zum Zeitvertreib.«
»Hauptsache, junger Mann, ich gewinne.« Sie ließ sich von Wiggins zu einer Schiebetür bringen, die er so weit öffnete, daß die ältere Dame bequem in den nächsten Raum treten konnte. Als er ihr folgen wollte, winkte sie energisch ab.
»Keine Umstände«, meinte sie. »Ich finde schon meinen Weg.«
Wiggins wartete, bis sie von einem Hausangestellten in Empfang genommen wurde und kam erst dann zu Parker zurück.
»Meine Wenigkeit macht sich Sorgen«, sagte Parker. »Mylady schätzt es nicht sonderlich, zu verlieren.«
»Wer schätzt das schon, Mister Parker?« Wiggins lächelte.
»Sie hatten noch nicht die Ehre, Mylady als Spielgast begrüßen zu dürfen, Mister Wiggins.«
»Das stimmt. Bisher kamen Sie stets ohne Begleitung, Mister Parker. Und gespielt haben Sie nie.«
»Meiner Wenigkeit ging es in allen Fällen stets um Informationen«, erinnerte Parker. »Auch dieser nächtliche Besuch verfolgt diesen Zweck, Mister Wiggins.«
»Sie werden mich doch nicht in des Teufels Küche bringen?«
»Haben Sie einen Gast, der sich Lester Greene nennt, Mister Wiggins?«
»Müßte ich ihn kennen, Mister Parker?«
»Wenn er ein leidenschaftlicher Spieler ist.« Parker deutete ein Kopfnicken an.
»Hat dieser Mann etwas ausgefressen, Mister Parker? Würden Sie mir dann einen Tip geben?«
»Sie kennen ihn also.« Parker traf eine Feststellung.
»Er war vor Monaten einige Male hier in meinem Club«, erwiderte Wiggins. »Aber schon vor sechs Wochen etwa erteilte ich ihm Hausverbot. Er machte Schulden und konnte oder wollte sie nicht bezahlen.«
»Sie ließen diese Schulden nicht eintreiben, Mister Wiggens?«
»Wofür halten Sie mich? Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren, Mister Parker. Ich habe seine Schulden als Verlust verbucht. Ich kann so etwas verschmerzen.«
»Mister Greenes Adresse ist Ihnen bekannt?«
»Selbstverständlich. Ich kann sie Ihnen raussuchen lassen.«
»Wohin würde ein leidenschaftlicher Spieler sich wenden, wenn er hier Hausverbot hat, Mister Wiggins?«
»Nun ja, illegale Spielclubs gibt es viele hier in London, Mister Parker. Das wissen Sie doch. Das Angebot ist groß.«
Während er noch redete, griff er nach einem Telefonhörer und ließ sich mit seinem Büro verbinden. Wiggins verlangte nach der Adresse von Lester Greene.
»Kennen Sie einen Club, Mister Wiggins, der einen gewissen Mister Dan Meggan beschäftigt?« lautete Parkers nächste Frage.
»Guter Gott, haben Sie mit dem zu tun?«
»Ihrer Stimme entnimmt meine Wenigkeit ein gewisses Unbehagen, Mister Wiggins.«
»Dan Meggan ist ein brutaler Schläger und Eintreiber, der für Don Hayers arbeitet, Mister Parker. Und Hayers wiederum gehört dem ›Ring‹ an, wie sich diese Organisation nennt.«
»Eine Organisation, der Sie natürlich nicht angehören, Mister Wiggins.«
»Das fehlte noch, Mister Parker. Ich habe hier doch keine Spielhölle. Bei mir verkehren nur erstklassige Leute.«
»Bis auf Mister Lester Greene, um daran zu erinnern.«
Bevor Herbert Wiggins antworten konnte, klingelte das Telefon. Wenige Augenblicke später hatte Parker bereits Lester Greenes Adresse.
»Greene war ein Blindgänger, Mister Parker«, sagte Wiggins dann. »So etwas kommt immer wieder mal vor. Eine Frage, wollen Sie sich mit dem ›Ring‹ anlegen?«
»Wenn es sich nicht vermeiden läßt, Mister Wiggins, durchaus.«
»Dann sollten Sie aber „verdammt vorsichtig sein«, warnte der Clubbesitzer ihn. »Diese Organisation verfügt über eine kleine Armee von Schlägern.«
»Gegen die Sie sich zu schützen wissen, Mister Wiggins?«
»Durchaus, Mister Parker, durchaus. Und ich ... Moment, was ist das?«
»Es scheint sich um Lady Simpson zu handeln, Mister Wiggins«, gab Josuah Parker gemessen zurück. »Mylady scheint verloren zu haben.«
Sein Hinweis ging im förmlichen Auffliegen der Tür unter. Agatha Simpson erschien wie eine zürnende Rachegöttin und trieb zwei Männer vor sich her, die etwas leicht derangierte Smokings trugen. Zudem machten sie einen durchaus angeschlagenen Eindruck.
*
»Man hatte Sie beleidigt, Mylady?« fragte Mike Rander am anderen Morgen. Er und Kathy Porter waren zum gemeinsamen Frühstück im Haus der älteren Dame erschienen und hörten ihr amüsiert zu.
»Stellen Sie sich vor, mein Junge, man behauptete, ich hätte falsch gespielt.«
»Eine Frechheit«, warf Kathy Porter ein. Sie war die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady. Seit Mike Randers Rückkehr aus den Staaten war sie auch noch in seiner Kanzlei in der nahen Curzon Street tätig und arbeitete dort zu Myladys Freude sehr eng mit ihm zusammen. Die ältere Dame tat nämlich alles, um Kathy und Mike eines Tages unter die Haube zu bringen.
»Man unterstellte Mylady, Chips auf dem Roulette-Tisch zu Myladys Gunsten manipuliert zu haben«, schaltete Parker sich ein. »Mylady sah sich darauf gezwungen, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.«
»Und zwar sehr nachdrücklich«, bestätigte die ältere Dame. »Zwei dieser Croupiers werden mich so schnell nicht wieder vergessen.«
»Mylady teilten einige Ohrfeigen aus«, berichtete der Butler weiter. »Davon wurden auch einige Gäste betroffen, die sich vermutlich schlichtend einzuschalten versuchten.«
»Sie attackierten mich«, behauptete Agatha Simpson grimmig. »Aber ein paar hübsche Fußtritte brachten diese Lümmel auf Distanz.«
»Wie sollen Sie denn das Spiel manipuliert haben?« erkundigte sich der Anwalt. Mike Rander war um die vierzig und erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, was sein Äußeres betraf.
»Wie war das noch, Mister Parker?« Agatha Simpson sah ihren Butler auffordernd an.
»Man behauptete, Mylady habe, nachdem die Roulettekugel im Kessel eine Nummer besetzt hatte, mit dem Ärmel ihrer Kostümjacke ihren Chip nachträglich korrigiert.«
»Trauen Sie mir so etwas zu?« Sie blickte Kathy Porter und Mike Rander geradezu empört an.
»Ausgeschlossen«, erwiderte der Anwalt.
»Unvorstellbar«, fügte Kathy Porter hinzu.
»Wenn überhaupt, dann kann so etwas nur unabsichtlich passiert sein«, fuhr die Hausherrin fort. »Aber in dieser Spielhölle weiß man nun inzwischen, wer ich bin.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Rander verbiß sich ein aufsteigendes Lächeln.
»Hat man Ihnen den Gewinn verweigert, Mylady?« fragte Myladys Gesellschafterin.
»Mister Wiggins sorgte dafür, daß Mylady der Gewinn ausgezahlt wurde«, gab Parker Auskunft. »Es handelte sich um die Summe von einundzwanzig Pfund.«
»Ein schönes Stück Geld für eine Frau, die mit jedem Penny rechnen muß«, stellte die ältere Dame klar. »Man darf sich eben nicht den Schneid abkaufen lassen, meine Lieben.«
»Das ist bei Ihnen nicht zu befürchten, Mylady«, versicherte Kathy Porter ihr.
»Demnach hat sich der Besuch im Spielclub also in doppeltem Sinn gelohnt«, faßte der Anwalt zusammen. »Wiggins machte Sie auf eine Organisation aufmerksam, die ›Ring‹ genannt wird. Und dazu wurde Ihnen sogar noch ein Name genannt.«
»Richtig«, bestätigte die Detektivin. »Mister Parker hat sich diesen Namen hoffentlich auch gemerkt.«
»Es handelt sich um einen gewissen Mister Don Hayers«, half der Butler umgehend aus. »In diesem Zusammenhang sollte man aber auch noch Mister Lester Greene erwähnen, mit dem man meine Wenigkeit offensichtlich verwechselte.«
»Sie haben diesen Greene aus dem Auftragsbuch von Meggan, nicht wahr?« fragte Rander.
»In der Tat, Sir«, bestätigte Parker. »Dazu kommen noch weitere Namen und Adressen, die sicher eine gute Grundlage für Mylady weiteres Vorgehen sind.«
»Keine Details«, forderte die ältere Dame. »Sie verstellen nur den Blick für die großen Zusammenhänge. Und auf sie habe ich mich nun mal spezialisiert.«
Kathy Porter und Mike Rander kämpften gegen ein Schmunzeln an. Butler Parkers Gesicht hingegen blieb glatt und ausdruckslos wie das eines hochherrschaftlichen Butlers.
*
In dem kahlen und nüchternen Vorraum, der an eine Tiefgarage erinnerte, roch es bereits penetrant nach Schweiß, Desinfektionsmitteln und kaltem Rauch. An den Wänden hingen vergilbte Lorbeerkränze und Plakate von Boxveranstaltungen.
Hinter einem verschrammten Schreibtisch mit einigen Telefonapparaten saß ein mittelgroßer, schwammig-dicker Mann von vielleicht fünfzig Jahren, dessen Unterkiefer sich jäh senkte, als Lady Agatha und Butler Parker den Raum betraten.
»Man wünscht einen abwechslungsreichen Morgen«, grüßte Josuah Parker und lüftete die schwarze Melone. »Würden Sie die Güte haben, Mister Don Hayers hierher zu bitten?«
»Den Chef?« fragte der Mann und sah nach wie vor entgeistert aus.
»Wie immer Sie ihn auch nennen mögen.« Parker deutete ein zustimmendes Kopfnicken an.
»Wir sind hier ein Sport-Center«, erinnerte der Mann, der längst aufgestanden war.
»Wenn man Sie sieht, junger Mann, sollte man das nicht glauben«, schaltete die ältere Dame sich ironisch ein. »Nun sputen Sie sich endlich, oder muß ich Ihnen erst Beine machen?«
»Moment, Leute«, bat der Mann und wieselte erstaunlich schnell zu einer Tür. Als er sie öffnete, war das dumpfe Klatschen von Boxhandschuhen zu hören, die bewegt wurden. Stimmengewirr klang auf, scharfe Kommandos waren zu vernehmen.
Lady Agatha konnte natürlich nicht widerstehen.
Sie hatte ihre Fülle bereits in Bewegung gesetzt und folgte dem Schwammigen, der schon nicht mehr zu sehen war. Die resolute Dame blieb in der Tür stehen und blickte in einen großen, relativ niedrigen Raum, der ebenfalls an eine Tiefgarage erinnerte. Überhelles Neonlicht biß in die Augen.
Im Mittelpunkt dieses saalartigen Raumes stand ein Seilgeviert, in dem sich zwei Boxer tummelten, die wohl dem Mittelgewicht zuzurechnen waren. Um dieses Seilgeviert herum waren weitere Sportler zu sehen, die sich mit schweren Sandsäcken abmühten, Seilchen sprangen und gegen ihren eigenen Schatten boxten.
Don Hayers entpuppte sich als ein drahtiger Fünfziger, der mit Hingabe auf einer Zigarre kaute. Er trug weiße Sporthosen, ein grellbuntes Hemd und hatte eisgraues Haar. Seine Augen hatten die Bläue eines Gletschers.
»Was liegt an?« fragte er kühl und musterte Mylady und Parker mit dem abschätzenden Blick eines Pferdehändlers.
»Nehmen Sie gefälligst die Zigarre aus dem Mund, wenn Sie mit einer Dame reden«, raunzte die ältere Dame ihn umgehend an. »Oder muß ich Ihnen erst Manieren beibringen?«
Er war total verblüfft, nahm die Zigarre aus dem Mund und merkte erst mit einiger Verspätung, daß er sich hatte beeindrucken lassen. Und genau das ärgerte ihn.
»Was wollen Sie?« fragte er gereizt.
»Mylady wünscht Ihren Mitarbeiter Mister Dan Meggan zu sehen«, antwortete Parker, um dann die ältere Dame und sich vorzustellen.
»Meggan hab’ ich schon vor Wochen rausgeschmissen«, erwiderte der Betreiber des Sport-Center wegwerfend. »Sonst noch etwas?«
»Sie gehören diesem ominösen Kreis an, nicht wahr?« fragte Agatha Simpson ungeniert.
»Kreis? Was soll denn das sein?«
»Mylady umschrieben den Namen einer Organisation, die sich ›Ring‹ nennt«, übersetzte der Butler.
»Ob Kreis oder Ring, wo ist da der Unterschied?« grollte Lady Agatha den kleinen Drahtigen an. »Ich habe gehört, daß Sie ahnungslose Spieler ausnehmen. Natürlich mit Falschspiel.«
»Das ist ’n dicker Hund«, erwiderte Don Hayers und grinste plötzlich tückisch wie ein böser Filmschurke. »Sie nehmen den Mund ziemlich voll, Lady.«
Anschließend jaulte er auf wie ein getretener Hund. Die resolute Dame hatte mit der Spitze ihres linken, nicht gerade kleinen Schuhs sein rechtes Schienbein voll erwischt. Don Hayers hüpfte auf dem noch schmerzfreien Bein herum und stieß dabei wilde Verwünschungen aus, was den Sportlern im Gymnastiksaal natürlich nicht entging.
*
Sie schlossen einen Kreis um Mylady und Parker und machten klar, daß sie nur auf einen Wink ihres Herrn und Meisters warteten. Don Hayers fand allerdings noch keine Zeit, sich in irgendeiner Form zu artikulieren. Er hüpfte noch immer graziös und fiel schließlich gegen einen der Boxer, der ihm einen, gewissen Halt verschaffte.
»Wären Sie keine Frau, dann würden Sie was erleben«, sagte Hayers und stellte sein Bein versuchsweise auf dem Betonboden ruhig.
»Keine leeren Versprechungen, junger Mann«, gab sie munter zurück. »Bleiben wir bei dem Kreis, von dem ich eben gesprochen habe. Sie nehmen also ahnungslose Spieler aus?«
»Mylady sprechen vom ›Ring‹«, erinnerte Parker diskret.
»Halt die Klappe, Mann«, fuhr Hayers den Butler an.
»Ihre Wortwahl läßt eindeutig darauf schließen, daß Sie sich in der sprichwörtlichen Kinderstube mit Sicherheit nicht allzulange aufgehalten haben«, stellte Parker gemessen fest.
»Was ... was wollen Sie damit sagen?« erfragte Hayers und kniff die Augen zusammen.
»Ihnen haftet ein Mangel an Manieren an«, erläuterte der Butler.
»Soll ich ihm eins aufs Maul geben, Chef?« wollte einer der Boxsportler wissen. Es handelte sich um ein Schwergewicht, das allerdings Speck angesetzt hatte.
»Besser nicht, sonst gibt’s noch ’ne Anklage wegen Mord«, antwortete Hayers und lächelte versuchsweise.
»Soweit würde Mister Parker niemals gehen«, ließ die ältere Dame sich vernehmen.
»Wie war das?« Hayers witterte eine Möglichkeit, zur Sache zu kommen. Er wußte längst, wer seine Besucher waren, wie Parker bemerkt hatte. »Ihr Butler, Lady, hat doch nur flotte Sprüche auf Lager. Nichts als Sprüche und nichts dahinter.«
»Wie Sie zu meinen belieben.« Parker deutete eine Verbeugung an.
»Mister Parker wird meine Ehre verteidigen«, sagte Lady Agatha. »Am liebsten würde ich ja selbst in den Ring steigen.«
»Gehen Sie, bevor wir alle ’nen Lachkrampf bekommen.« Hayers legte es eindeutig darauf an, Mylady und Parker zu provozieren. »Ihr Butler hat selbst gegen ein Papiergewicht keine Chance.«
»Sie als Trainer dürften dies durchaus richtig einzuschätzen wissen«, antwortete der Butler.
»Papperlapapp, Mister Parker«, rief Agatha Simpson begeistert. »Sie werden diesen Leuten jetzt zeigen, wer ich bin.«
»Ring frei für die Show«, sagte Hayers und blickte Parker an. »Oder wollen Sie sich drücken?«
»Mister Parker denkt nicht im Traum daran«, antwortete Mylady für ihren Butler.
»Sie sehen sich einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann gegenüber«, erinnerte Parker höflich.
»Ring frei«, rief Hayers noch mal wesentlich lauter. »Und ein paar Handschuhe für unseren Supermann. Los, Leute, bewegt euch!«
»Ich nehme Wetten an«, rief nun Lady Agatha, die einen schnellen Gewinn und damit eine Aufbesserung ihrer Kasse erwartete. »Das Bargeld bitte bei mir abliefern.«
»Mylady gehen ein ungemein hohes Risiko ein«, warnte Josuah Parker die ältere Dame.
»Das mein’ ich auch«, sagte der leicht verfettete Schwergewichtler gutmütig.
»Unsinn«, erwiderte Agatha Simpson munter. »Ich werde Mister Parker in der Ringecke betreuen. Wie gesagt, ich nehme Wetten entgegen.«
Sie strahlte, als man ihr Banknoten in die weit geöffneten Hände drückte. Don Hayers sorgte dafür, daß Parker in Richtung Ring geschoben wurde.
»Sie könne sich umziehen, Mister Parker«, sagte der Betreiber des Sport-Center gefährlich freundlich zu dem Butler. »Sie werden eine faire Chance bekommen.«
»Verbindlichsten Dank, Mister Hayers«, gab Parker zurück. »In Anbetracht der sportlichen Auseinandersetzung werde ich wohl auf meinen Übermantel verzichten!«
»Und was ist mit Ihrem Kragen und mit der Krawatte?« Hayers grinste unverhohlen. Wahrscheinlich sah er den Butler bereits im Krankenhaus.
»Meine Wenigkeit legt Wert auf Würde«, lautete Parkers Antwort. Dann stieg er über eine schmale und steile Treppe hinauf in den Ring, wo man ihm bereits rote Boxhandschuhe reichte. Lady Agatha kam ein wenig keuchend nach und baute sich dann vor ihrem Butler auf.
»Keine Nervosität, Mister Parker«, sagte sie. »Ich werde Ihnen die Handschuhe überstreifen. Und ich weiß bereits jetzt, daß Sie natürlich diesen Boxkampf gewinnen werden.«
*
Parker wußte es auch, als Mylady ihm den linken Handschuh anzog. Sie hatte ihn mit ihrer Körperfülle gedeckt und es verstanden, den sogenannten Glücksbringer in den Handschuh zu schieben.
Parker merkte sofort, für welchen Untermieter sie gesorgt hatte. Zuerst wollte er protestieren, doch dann blickte er seitlich vorbei an Mylady auf den Schwergewichtler, der sich bereits aufwärmte und gestochene Gerade und kurze Haken in die Luft schlug. Mochte dieser Mann auch ein wenig verfettet sein, so zeigte er doch immerhin noch deutlich, daß er etwas von seinem Metier verstand.
»Die Gegner brauchen sich erst gar nicht die Hände zu reichen«, ließ Lady Simpson sich vernehmen. Da sie über eine tiefe und tragende Stimme verfügte, übertönte sie den Lärm in der Sporthalle. Die interessierten Zuschauer wurden sofort still, und Hayers nutzte die Gelegenheit, den Gong zu schlagen.
Der Schwergewichtler tänzelte mit der Eleganz eines balletterfahrenen Flußpferdes in die Mitte des Seilgevierts und konzentrierte sich auf Butler Parker, der in dieser Umgebung völlig deplaziert wirkte. Er trug schließlich seinen schwarzen Zweireiher und sogar die schwarze Melone.
Parker deutete eine überaus höfliche Verbeugung an und wartete auf den Angriff des leicht verblüfften Schwergewichtlers, der mit Sicherheit eine andere Reaktion erwartet hatte.
»Komm’ schon, Mann«, lockte der Schwergewichtler. »Ich mach’s ganz schnell, dann haste es hinter dir.«
»Man sollte tunlichst nichts überstürzen«; entgegnete Parker und wich blitzschnell zur Seite, als der Boxer einen ersten Schlag anbringen wollte. Die Gerade ging völlig ins Leere und riß den Boxer mit sich.
»Mit Ihrer Erlaubnis«, sagte Parker und benutzte seine Rechte, um einen Haken anzubringen. Der Mann wurde beim Vorbeistolpern am rechten Kinnwinkel getroffen und war beeindruckt.
»Ach so«, schnaufte der Schwergewichtler, als er sich wieder gefangen hatte. »Du willst ’nen richtigen Kampf haben?«
»Schlag’ ihn zusammen«, rief Hayers leichtsinnigerweise dem Mann zu.
»Keine Beeinflussung«, herrschte Mylady ihn an und trat ihm mit ihrem linken Schuhabsatz auf die Zehen, worauf Hayers sich deutlich verfärbte und nach Luft schnappte.
Josuah Parker hatte sich inzwischen in die Mitte des Seilgevierts begeben und wartete den nächsten Angriff des Schwergewichtlers ab, der verständlicherweise ein wenig wütend war, fintierte und dann mächtig zulangte.
Als er in den Seilen landete und von ihnen zurückgeworfen wurde, setzte der Butler seine Linke ein, deren Finger sich um Myladys Glücksbringer geschlossen hatten.
Feines Knirschen und Knacken war zu vernehmen, als der Butler seinen Schlag gelandet hatte. Der Schwergewichtler blieb wie angewurzelt stehen, schielte den Butler an und nahm anschließend auf den Knien Platz,
»Sie können meiner Wenigkeit hoffentlich noch mal vergeben«, entschuldigte sich Parker und landete den nächsten Schlag, als der Schwergewichtler sich leichtsinnigerweise wieder erhob.
Der Getroffene warf die stämmigen Beine in die Luft, krachte dann mit dem Gesäß zu Boden und legte sich flach auf den Belag des Ringbodens.
Der Lärm, der sich erhob, war beachtlich.
Man zählte im Chor, und der Schwergewichtler strengte sich ehrlich an, wieder auf die Beine zu kommen. Doch er schaffte es einfach nicht. Er sackte aus dem Sitz wieder nach hinten weg und streckte damit endgültig die Waffen.
Josuah Parker verließ das Seilgeviert und wurde von den Sportlern umringt. Er nahm Glückwünsche entgegen und hatte auf diese Weise Zeit und Gelegenheit, Myladys Glücksbringer unauffällig aus dem Handschuh zu entfernen.
Hayers hatte sich durch die Umstehenden durchgearbeitet und baute sich vor dem Butler auf.
»Hoffentlich waren Sie mit dem Debüt meiner Wenigkeit zufrieden«, fragte Parker in seiner höflichen Art. »Ich möchte keineswegs verhehlen, daß an der Technik noch erheblich gefeilt werden muß.«
»Jetzt aber zur Sache«, mischte sich Lady Agatha energisch ein. »Ich habe da ein paar Fragen an Sie, junger Mann, die Mister Parker an Sie richten wird. Es geht um einen Kreis, wie ich bereits sagte.«
»Um einen sogenannten ›Ring‹, Mylady«, korrigierte der Butler höflich, »um eine Organisation, die Mister Hayers sicher recht gut kennt.«
Keiner der Umstehenden hatte bemerkt, daß Parker einen seiner Patent-Kugelschreiber hatte zu Boden fallen lassen, nachdem er die beiden Hälften des völlig normal aussehenden Schreibgerätes gegeneinander verdreht hatte.
Das Resultat dieser Manipulation war beachtlich.
*
Eine dichte Nebelwolke schoß vom Boden hoch und breitete sich blitzschnell aus, was bei den Umstehenden verständlicherweise einige Verwunderung auslöste. Sie verloren plötzlich sowohl die Sicht als auch die Übersicht, konnten von Mylady und Parker nichts mehr sehen und wollten dennoch im Sinn von Don Hayers aktiv werden.
Sie droschen mit ihren Fäusten in den Nebel und sorgten für allgemeine Reizbarkeit. Aggressionen wurden ausgelöst, die ersten Schmerzenslaute waren zu vernehmen.
Der dichte, so gut wie undurchdringliche Nebel breitete sich vehement aus und ermöglichte es Lady Agatha und dem Butler, sich ungestört zu entfernen. Parker hatte die Führung übernommen und inzwischen die Tür zum Vorraum erreicht.
»Hoffentlich legt man mir das nicht als Flucht aus, Mister Parker«, sorgte sich die ältere Dame, als Parker mit ihr im Vorraum stand.
»Man nimmt nur ein taktisch bedingtes Absetzmanöver vor«, beruhigte der Butler sie umgehend. Er kümmerte sich darum, daß Mylady die Straße erreichte und im Wagen Platz nahm. Nach seiner Berechnung konnte es nämlich nicht mehr lange dauern, bis die Sportler vorn am Eingang erschienen. Er hatte sich nicht verrechnet!
Als Parker sein hochbeiniges Gefährt in Bewegung setzte, tauchten die ersten Boxschüler auf, doch sie machten nicht den Eindruck, als wären sie in der Lage, die sofortige Verfolgung aufzunehmen. Sie alle schienen leicht angeschlagen, woraus Parker schloß, daß sie sich gegenseitig wirklich nicht geschont hatten.
»Ich denke, das war ein recht guter Start in den Tag«, meinte Agatha Simpson zufrieden. »Sie sollten sich übrigens bei mir bedanken, Mister Parker. Ohne mein Hufeisen hätten Sie natürlich keine Chance gehabt.«
»Meine Wenigkeit steht wieder mal tief in Myladys Schuld«, erwiderte Josuah Parker. »Sie abzutragen, dürfte schier unmöglich sein.«
»Das ist richtig«, erklärte sie. »Was steht übrigens jetzt auf meinem Programm?«
»Mylady planen, Mister Lester Greene einen Besuch abzustatten.«
»Richtig, Mister Parker. Und wer ist das?«
»Ein Spieler, den man auf dem erwähnten Parkplatz mit meiner Wenigkeit verwechselte, falls die Dinge nicht täuschen.«
»Ich weiß, ich weiß«, lautete ihre typische Antwort. »Was ich einmal gehört habe vergesse ich nie, das wissen Sie doch.«
»Myladys Gedächtnis erinnern an das eines Computers.«
»Ein hübscher Vergleich«, gab sie zurück und nickte wohlwollend. »Manchmal treffen Sie den Nagel sogar auf den Kopf, Mister Parker. Nur weiter so!«
Josuah Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum zur Victoria Station, wo sich die Druckerei befand, die er am Vortag besucht hatte. Dank der Adresse, die Herbert Wiggins ihm gegeben hatte, war das Haus schnell gefunden, in dem der Spieler Greene wohnte.
»Hoffentlich sind die Lümmel zurückgekehrt, die Sie überfallen wollten«, sagte Lady Agatha, als Parker den Wagen auf dem bereits bekannten Parkplatz abstellte.
»Man sollte in der Tat auch nicht das Unmögliche ausschalten, Mylady«, erwiderte der Butler. »Dazu gehört wohl auch, daß man Mister Greene antreffen könnte.«
*
Parker stand vor Lester Greenes Wohnungstür und bemühte sein kleines Spezialbesteck, das aus seltsam gebogenen Metallhaken und flachen Stahlzungen bestand. Er brauchte nur wenige Augenblicke, bis das Türschloß kapitulierte.
Mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes drückte er das Türblatt vorsichtig auf, blieb dabei aber seitlich an der Wand des Korridors in Deckung. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man nie vorsichtig genug sein konnte.
Die Tür schwang langsam auf.
Mylady wollte ihre Fülle sofort in Bewegung setzen und eintreten, doch Parker hob abwehrend die linke Hand. Agatha Simpson bremste umgehend ihren energischen Schwung und bedachte ihren Butler erst mal mit einem empörten Blick.
Parker hielt eine Eierhandgranate in der rechten Hand und ließ sie in die Wohnung rollen. Natürlich handelte es sich um eine Attrappe, wie man sie in Spielwarenhandlungen leichtsinnigerweise noch immer feilbot. Der Sprengkörper sah aber einer echten Handgranate zum Verwechseln ähnlich.
Parker wartete auf eine Reaktion in der Wohnung.
Es tat sich nichts.
Der Butler kam seiner Herrin nun zuvor und betrat die Wohnung, in der es chaotisch aussah. Sessel und Stühle waren zerschlagen worden und lagen am Boden, einige Vorhänge an den Fenstern waren heruntergerissen worden, Glas- und Porzellanscherben lagen auf einem Teppich, den man in Streifen zerschnitten hatte.
»Ein sehr unordentlicher Mensch«, stellte Agatha Simpson fest. »Wie kann man nur in solch einer Umgebung leben?«
Parker war weitergegangen und blickte in den kleinen Schlafraum. Hier entdeckte er neben dem Bett einen Mann, der nicht gut aussah. Er stöhnte leise und schien Schmerzen in der Brustgegend zu haben. Als er den Butler sah, hob er langsam und abwehrend den linken Arm, als müßte er sich bereits im vorhinein vor Schlägen schützen.
»Mister Greene?« fragte Parker, während er die schwarze Melone lüftete.
»Wer ... wer sind Sie?« Die Stimme war schwach.
Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Kann und muß man davon ausgehen, Mister Greene, daß Sie überfallen wurden?«
»Meine Rippen«, der Mann, der etwa fünfundfünfzig Jahre zählte, mittelgroß war und einen rundlichen Eindruck machte. Sein Gesicht war verquollen. Es schien einige Boxhiebe abbekommen zu haben. Die Nase war ein wenig deformiert.
»Nun reißen Sie sich gefälligst zusammen«, ließ Lady Agatha sich vernehmen. Sie hatte sich seitlich neben dem Butler aufgebaut. »Sie leben ja noch. Das ist doch schließlich auch etwas.«
»Meine Rippen ... Mein Magen«, jammerte Lester Greene. »Wer sind Sie denn?«
»Sie haben das große Glück, von Lady Simpson gefunden worden zu sein«, erklärte Josuah Parker.
»Ich bin nämlich in Erster Hilfe ausgebildet«, meinte die ältere Dame. »Ich werde Ihnen sofort einen Stützverband anlegen. Oder so etwas in der Richtung, ich kann mich noch nicht festlegen.«
Parker half Greene vorsichtig hoch. Der Mann schlurfte in gebückter Haltung in den Wohnraum und ließ sich in einem Sessel nieder, den der Butler aufgerichtet hatte.
»Sie wurden von Mister Dan Meggan besucht?« fragte Parker dann.
»Dann Meggan? Woher kennen Sie ...? Wer sind Sie eigentlich?« Greene strich vorsichtig über die lädierte rechte Rippenpartie.
»Mylady und meine Wenigkeit befassen sich mit einer Organisation, die sich ›Ring‹ nennt«, lautete Parkers Antwort. »Man kann wohl unterstellen, daß dies für Sie ein Begriff ist, Mister Greene.«
»Hauen Sie ab«, forderte der Mann sie mit schwacher Stimme auf. »Ich weiß von nichts. Ich bin nur hingefallen und hab’ mich gestoßen.«
»Danach sehen Sie auch gerade aus, junger Mann«, schaltete die Detektivin sich ein. »Aber das macht nichts, ich fühle mich als ehemalige Pfadfinderin einfach verpflichtet, Ihnen Hilfe zu leisten. Sie stehen vor einem großen Erlebnis.«
*
»Sie versprachen sicher nicht zuviel«, meinte Anwalt Rander etwa zwei Stunden später. Er und Kathy Porter waren zu einem Imbiß in das altehrwürdige Haus der Lady Agatha gekommen und ließen sich von Parker verwöhnen.
Der Butler reichte zu Tee und Kaffee kleine Sandwiches, die mit kaltem Huhn, Roastbeef, Lachs und diversen Käsesorten belegt waren. Lady Agatha entwickelte wieder mal den Appetit eines hungrigen Scheunendreschers und sorgte so für neue Energiezufuhr.
»Mister Greene schien Myladys Bemühen nicht sonderlich zu schätzen«, warf Josuah Parker ein.
»Dieses verkommene Subjekt von einem Spieler behauptete doch glatt, ich würde ihn einer Folter unterziehen«, mokierte sich die ältere Dame.
»Was höchstens handlungsbedingt war«, stellte Kathy Porter fest.
»Natürlich, meine Liebe«, pflichtete die Lady ihrer Gesellschafterin umgehend bei. »Aber wie gesagt, er sprach von einer Folter und legte eine Art Geständnis ab, worauf ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bestand.«
»Er gab zu, vom ›Ring‹ und von Dan Meggan mißhandelt worden zu sein, Mylady?«
»Richtig, Kindchen.« Agatha Simpson nickte, »Aber die Einzelheiten soll Mister Parker erzählen, es handelt sich ohnehin nur um unwichtige Kleinigkeiten.«
»Mister Greene schuldete einem gewissen Mister Reckland fünftausend Pfund«, berichtete Parker. »Wegen dieser Summe, die längst überfällig war, erschien der bereits erwähnte Mister Meggan zusammen mit einem Mister Ben Baker in der Wohnung und wollte die Schuld eintreiben.«
»Ben Baker dürfte der Knabe sein, den Sie zusammen mit Meggan auf dem Parkplatz ausgeschaltet haben«, warf Mike Rander ein.
»Daran besteht kaum ein Zweifel, Sir, zumal die Beschreibung auf diesen Partner zutrifft«, erwiderte der Butler. »Sie verpaßten Mister Greene einen letzten Denkzettel, wie sie es laut Mister Greene ausdrückten.«
»Hatte man ihm tatsächlich einige Rippen gebrochen?« fragte Kathy Porter mitfühlend.
»Daran besteht kaum ein Zweifel, Miß Porter«, erwiderte der Butler. »Mister Greene befindet sich übrigens bereits in einem Hospital. Mylady und meine Wenigkeit sorgten für einen Rettungswagen.«
»Sie wissen, wo man diesen Gläubiger finden kann, Parker?« wollte der Anwalt wissen.
»Mister John Reckland betreibt einen illegalen Spielclub im Stadtteil Stepney, wo auch Mister Meggan wohnt.«
»Und diesen Spielclub werde ich mir natürlich aus nächster Nähe ansehen«, kündigte Lady Agatha umgehend an.
»Dieser Besuch bietet sich an«, räumte Mike Rander ein. »Wie sieht es eigentlich mit diesem Meggan aus? Er dürfte kaum ahnen, daß Sie ihm bereits auf den Fersen sind.«
»Auch mit diesem Subjekt werde ich mich beschäftigen«, freute sich die ältere Dame bereits im vorhinein. »Sie sehen, mein Junge, ich habe wieder mal alle Hände voll zu tun. Manchmal weiß ich wirklich nicht, wo mir der Kopf steht.«
»Erstaunlich, daß Mister McWarden in dieser Sache noch nicht erschienen ist«, tippte Kathy Porter an.
»Das fehlte noch«, gab die Hausherrin mit grollendem Unterton in ihrer Stimme zurück. »Er weiß doch überhaupt nicht, was sich in der Unterwelt wirklich abspielt. Nun, er wird sich wundern, wenn ich ihm wieder mal einen gelösten Fall präsentiere.«
»Und wer ist nun dieser Willie Frankler?« erkundigte sich der Anwalt.
»Wer ist denn das schon wieder?« entrüstete sich Lady Simpson.
»Mister Franklers Bruder Willie, Mylady, schuldet dem ›Ring‹ eine Summe von etwa sechstausend Pfund. Er betreibt in Sussex eine Schreinerei.«
»Diese Franklers sind doch völlig unwichtig«, entschied Lady Agatha sofort. »Nichts als Randfiguren, Mister Parker, an die ich meine kostbare Zeit nicht verschwenden werde.«
»Dennis Frankler dürfte sich aber in der Szene auskennen«, gab Mike Rander zu bedenken. »Er erschien immerhin mit zwei handfesten Typen in Meggans Wohnung.«
»Eine Tatsache, Sir, die Nachdenklichkeit auslöst.«
»Das meine ich allerdings auch«, schnappte Agatha Simpson sofort zu. »Er betreibt doch einige Gemüseläden, nicht wahr?«
»Boutiquen, Mylady«, korrigierte Parker höflich.
»Wie auch immer.« Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wie kommt solch ein Mann an Schläger, Mister Parker? Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht?«
»Andeutungsweise, Mylady.« Parkers Gesicht blieb glatt und ausdruckslos.
»Das sollten Sie aber«, redete sie munter weiter. »Dieser Gemüsehändler ist ein sehr wichtiger Informant, den ich unbedingt noch mal sprechen muß. Ich sagte Ihnen ja bereits, es war ein Fehler, ihn nicht mitgenommen zu haben. Sie haben dieses Subjekt völlig falsch eingeschätzt.«
»Ein Fehler, den man nur als unverzeihlich bezeichnen kann.«
»Nun ja, machen Sie sich keine unnötigen Vorwürfe, Mister Parker«, meinte sie großmütig und lächelte flüchtig. »Ich bin ja schließlich dazu da, solche Pannen auszubügeln.«
Kathy Porter und Mike Rander interessierten sich wieder mal für die Kassettendecke der großen Wohnhalle und hüteten sich, Blicke zu wechseln. Ihre aufsteigende Lachlust ließ sich bereits jetzt nur mühsam bändigen.
*
John Reckland war ein nervös wirkender Mann von etwa vierzig Jahren, mittelgroß und fast schlank. Er blickte während seines Telefonats zum Fenster hinaus und hatte nicht bemerkt, daß Josuah Parker hinter ihn getreten war.
»... läuft wie auf Schienen«, sagte Reckland gerade. »Keine Probleme, Greg, wir haben alles fest im Griff.«
»Wie ausgesprochen schön für Sie, Mister Reckland«, machte der Butler sich bemerkbar und registrierte die blitzschnelle Reaktion des Mannes. Reckland fuhr herum und erinnerte dabei an eine zustoßende Schlange.
»Meine Wenigkeit hatte höflicherweise angeklopft«, sagte Parker. »Sie müssen dieses Zeichen meiner guten Erziehung überhört haben.«
»Kann schon sein«, antwortete Reckland und legte den Telefonhörer auf. Er sorgte für ein Lächeln und zeigte dabei seine tadellos gepflegten Zähne. Dann ging er zurück zum Schreibtisch und bückte sich schnell nach den Seitenfächern.
Bevor er allerdings diese Bewegung völlig ausführen konnte, schleuderte Parker seine schwarze Melone. Sie sirrte wie eine Frisbee-Scheibe durch die Luft und landete mit ihrem stahlverstärkten Rand auf dem rechten Oberarm des Mannes.
Reckland stöhnte und lächelte längst nicht mehr. Sein Arm hing plötzlich kraftlos in Richtung Boden. Er sog scharf die Luft ein und blickte den Butler aus verengten Augen an.
»Eine Reflexbewegung«, entschuldigte sich der Butler. »Keiner bedauert sie mehr als meine bescheidene Wenigkeit.«
»Wer ... wer sind Sie?«
»Parker mein Name. Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Lady Simpson, der zu dienen meine Wenigkeit die Ehre hat, befindet sich im Vorraum und befaßt sich mit ihren beiden Mitarbeitern.«
»Sie sind Parker ...«
Reckland nickte, ließ sich vorsichtig im Sessel nieder und langte erst mal mit der gesunden und noch bewegungsfähigen Hand nach seinem gefühllosen Arm.
Parker kam um den Schreibtisch herum, barg seine Kopfbedeckung und entdeckte bei dieser Gelegenheit in einem der Seitenfächer eine Pistole. Er nahm sie an sich und ließ sie in einer Tasche seines Mantels verschwinden.
»Werde ich gebraucht?« wollte Lady Agatha in diesem Moment wissen und schob ihre Fülle in Recklands Büro. Sie machte einen sehr aufgeräumten Eindruck.
»Mister Reckland dürfte einem Gespräch keineswegs abgeneigt sein«, antwortete Parker.
»Lady Simpson«, sagte Reckland im Ton einer sachlichen Feststellung.
»Ihr Personal ist sehr unhöflich«, meinte die ältere Dame. »Ich mußte den beiden Lümmeln in Ihrem Vorzimmer erst mal Manieren beibringen.«
»Sie lassen sich da auf ein verdammt gefährliches Spiel ein«, erwiderte Reckland. »Ich wußte, daß Sie kommen würden.«
»Die Herren Hayers und Meggan dürften Sie bereits informiert haben«, vermutete der Butler.
»Richtig«, bestätigte Reckland umgehend. »Ich mache Ihnen da überhaupt nichts vor. Seit dieser Sache auf dem Parkplatz machen Sie ganz schönen Ärger.«
»Sie sind von einer Offenheit, die man nur als ungewöhnlich bezeichnen kann.«
»Wir sind unter uns«, entgegnete Reckland, »also können wir Klartext reden. Warum mischen Sie sich in meine Angelegenheiten ein? Was versprechen Sie sich davon?«
»Sie nehmen in gewissen Spielhöllen mehr oder weniger harmlose Spieler aus, Mister Reckland«, erinnerte Parker.
»Na und?« Der Mann winkte mit der gesunden Hand ab. »Wir zwingen ja keinen, sich mit uns an einen Tisch zu setzen. Warum, glauben Sie, tun die Leute das? Sie wollen einen schnellen Schnitt machen und möglichst ohne Risiko gewinnen. Und wenn sie dann mal verlieren, protestieren sie. Und keiner von diesen Idioten will anschließend zahlen oder zu seinem Verlust stehen.«
»Sie haben den Begriff des Falschspielens noch nicht erwähnt, Mister Reckland.«
»Das sind doch Gerüchte«, tat Reckland diesen Einwand ab. »Bei uns hat jeder Spieler seine reelle Chance.«
»Und unterschreibt Schuldscheine, an die er sich nicht erinnern kann.«
»Ebenfalls nur Gerüchte, Parker.«
»Ist es auch ein Gerücht, daß ein sogenannter Ring existiert?«
»Diesen ›Ring‹ gibt’s tatsächlich«, erwiderte Reckland rundheraus. »Wir haben uns zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. So einfach ist das. Es geht um die Leute, die sich um ihre Schulden drücken wollen. Wir beschäftigen da ein paar Mitarbeiter, die diese Schulden eintreiben.«
»Selbst auf dem Umweg über diverse Rippenbrüche, Mister Reckland?« fragte der Butler.
»Na ja, gewisse Übergriffe wird’s immer mal geben, Parker. Manche Mitarbeiter sind eben übereifrig. Normalerweise aber passiert so etwas nicht. Sobald wir nur etwas Druck ausüben, können die Schuldner plötzlich zahlen.«
»Sie und Ihre Freunde betreiben verbotenes Glücksspiel, junger Mann«, schaltete Agatha Simpson sich jetzt ein.
»Bisher sind wir noch nie angezeigt worden«, lautete Recklands ironische Antwort. »Und selbst wenn, Lady, verbotenes Glücksspiel muß man uns erst mal beweisen.«
»Ich werde Ihnen das schmutzige Handwerk legen, junger Mann.«
»Da nehmen Sie sich aber eine Menge vor, Lady.« Reckland lächelte flüchtig. »Aber ich kann Sie natürlich nicht daran hindern.«
»Wie, keine Drohungen?« wunderte sich die Detektivin.
»Aber nein, Lady«, erklärte Reckland. »Ich werde mich hüten. Ich denke nicht daran, Sie zu provozieren.«
»Schade«, ärgerte sich die ältere Dame. »Ich hätte Ihnen nur zu gern eine Ohrfeige verabreicht.«
*
»Wo ... wo stecken die beiden Angestellten?« wunderte sich Reckland einige Augenblicke später. Er war der höflichen Aufforderung Parkers gefolgt und begleitete seine Gäste aus den Büroräumen.
Auch Parker vermißte die handfesten Angestellten, die er zusammen mit Lady Agatha außer Gefecht gesetzt hatte. Sie hatten eine Art Sperr-Riegel vor Recklands Privatbüro gebildet, der von dem skurrilen Paar aus Shepherd’s Market fast beiläufig geknackt worden war.
»Raten Sie mal, junger Mann«, forderte die ältere Dame Reckland auf und lächelte in einer Mischung aus Bosheit und Stolz.
»Keine Ahnung.« Reckland blickte sich in dem Raum um, der nach den Normen eines Büros eingerichtet war. Dann blickte er auf einen geschlossenen Rollschrank, der fast bis zur Decke reichte.
»Nein, nein«, gab Agatha Simpson zurück, als sie Recklands fragenden Blick bemerkte. »Kalt, kalt, sehr kalt.«
»Dann muß ich passen«, sagte Reckland, der übrigens sinnigerweise eine Firma betrieb, die sich mit der Vergabe von Krediten befaßte.
»Nun strengen Sie sich gefälligst etwas an«, raunzte die ältere Dame ihn an.
»Mylady entschieden sich für die Seitenteile der Schreibtische?« fragte Parker, der seltsam gurgelnde Geräusche aus dieser Richtung gehört hatte,
»Stimmt, Mister Parker«, gab sie zurück. »Die beiden Lümmel wollten ja zuerst gewissen Schwierigkeiten machen, aber dann beeilten sie sich, in die Seitenfächer zu klettern. Ich mußte sie allerdings erst richtig zusammenstauchen.«
Während dieser Feststellung schwang die energische Dame unterstreichend ihren perlenbestickten Pompadour,
»In ... den ... Schreibtischen?« Reckland schien es einfach nicht glauben zu wollen.
»Eine wehrlose Frau wie ich mußte sich schließlich schützen«, erwiderte Agatha Simpson und nickte. »Ich wollte nicht angefallen werden.«
Sie ging zu einem der Seitenteile des ersten Schreibtisches, betätigte den Schlüssel und ließ den Jalousieverschluß nach unten fallen.
»Nun, Mister Parker, was sagen Sie?« wollte Lady Agatha von ihrem Butler wissen. Triumph beherrschte ihre Stimme.
»Meine Wenigkeit erlaubt sich, an eine verschnürte Mumie in Hockstellung zu denken«, antwortete Parker. Er sah einen der beiden Angestellten, dessen Kinn sich zwischen den angezogenen Knien befand. Der Mann hatte sich sehr klein gemacht und paßte gerade in das Seitenteil.
»Das ... das hat er doch niemals freiwillig gemacht«, brauste John Reckland auf.
»Natürlich nicht, junger Mann«, erwiderte die ältere Dame und faßte nach ihrem abenteuerlich aus sehenden Hutgebilde. Sie zog eine der Hutnadeln hervor und präsentierte sie Reckland, der unwillkürlich zurückwich. In seinen Augen war diese Nadel so groß wie ein mittlerer Bratspieß.
»Mylady mußten sicher mit der Hutnadel ein wenig nachhelfen«, vermutete der Butler.
»Das ist ja reine Körperverletzung«, stellte Reckland fest.
»Eine Behauptung, die man nur als maßlos überzogen bezeichnen kann«, antwortete Parker. »Denken Sie in diesem Zusammenhang aber an Spieler, die Ihnen und dem ›Ring‹ Geld schulden, Mister Reckland. Sie stehen diesem ›Ring‹ übrigens vor, wenn man fragen darf?«
»Unsinn«, gab Reckland zurück. Er hatte sich bereits wieder beruhigt und winkte überlegen ab.
»Vielleicht eine Person, deren Vorname Greg ist?«
»Greg? Wer soll denn das sein?« Reckland tat völlig ahnungslos.
»Eine Person, der Sie am Telefon versicherten, daß alles wie auf Schienen laufe.«
»Da ... da müssen Sie sich verhört haben«, stotterte Reckland sich sofort heraus und schüttelte den Kopf. »Ich kenne keinen Greg.«