Echos Kammern - Iris Hanika - E-Book

Echos Kammern E-Book

Iris Hanika

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Beschreibung

Zu Beginn von Iris Hanikas neuem Roman gelangen wir mit Sophonisbe, einer nicht mehr ganz jungen Dichterin, die wirklich so heißt, nach New York. So tollkühn der Roman anhebt – schon am zweiten Tag befinden wir uns auf einem Empfang bei Beyoncé –, so unnachahmlich katapultiert er uns dorthin, wo die Aufgabe des modernen Dichters liegt: eine neue, ganz andere Sprache zu finden für die Gegenwart, das Glück, das Wesentliche … für alles. Es geht um das Leben in den Städten (in der Mitte des Buches kehren wir nach Berlin zurück, das gerade in Gefahr steht, ebenso vom Geld plattgewalzt zu werden wie New York), es geht aber auch um einen späten Liebeswahn, der jedoch, anders als in der Jugend, nicht in den Abgrund führt, sondern nur die letzte Hürde vor der Befreiung von den Zumutungen des Triebs ist, worauf man sich den Freuden des Alters hingeben kann. "Echos Kammern" ist ein großes Literaturvergnügen, ein Reiseroman ebenso wie ein Liebesroman, streckenweise ein Action-Roman und ein Lebensratgeber, ein Ausflug an den Beginn der Dichtkunst und ein Ausblick in ihre Zukunft.

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Seitenzahl: 303

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Iris Hanika

Echos Kammern

Roman

Literaturverlag Droschl

– Gibt es etwas auf der Erde, das Bedeutung hätte und sogar den Gang der Ereignisse ändern könnte, nicht nur auf der Erde, sondern auch in anderen Welten? – fragte ich meinen Lehrer.

– Ja, – antwortete mir mein Lehrer.

– Und was ist das? – fragte ich.

– Das ist … – hob mein Lehrer an und schwieg plötzlich.

Ich stand da und wartete gespannt auf seine Antwort. Und er schwieg.

Und ich stand da und schwieg.

Und er schwieg ebenfalls.

Und ich stand da und schwieg.

Und er schwieg ebenfalls.

Wir stehen beide da und schweigen.

Oh-la-la!

Wir stehen beide da und schweigen!

Olé-olé!

Ja, ja, wir stehen beide da und schweigen!

Daniil Charms

16.–17. Juli 1937

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

I (New York)

Zwischenspiel (Wir sind nicht sexy)

II (Berlin)

III (Ereignisse)

IV (Wahn)

V (Auflösung)

Anhang

Nachweise und Erläuterungen

Russische Wörter und Sätze

Komparativ

Impressum

I

Aus Gründen der Chronologie fangen wir in Manhattan an, und um die Erzählung nicht sinnlos zu zerfleddern, sondern der Bahn der Ereignisse vielmehr pfeilgerade zu folgen, geht es erst einmal nur um Sophonisbe.

Ja, sie trägt einen ungewöhnlichen Namen, aber das ist in dieser Geschichte normal; „Roxana“ ist nun auch nicht gerade geläufig. Bis auf den jungen Prinzen tragen hier alle ungewöhnliche Namen, und das ist ebenfalls normal, denn so ein Prinz hat eine Reihe fortzusetzen, während das gemeine Volk sich irgendetwas ausdenken und sich mit jedem Kind neu erfinden kann. Sophonisbe und Roxana indes sind schon älter als dieses Brauchtum, in ihrem Alter heißt man normalerweise so wie alle. Tatsächlich waren es ihre Namen, die sie als erstes verbanden, noch bevor sie entschieden hatten, ob sie sich überhaupt leiden können. (Im übrigen werden nicht ihre Namen sie zusammenführen, sondern allein die Umstände: Roxana wird ein Zimmer zu vermieten haben und Sophonisbe eins mieten wollen.)

In beiden Fällen hatte es keinen besonderen Grund, daß sie so hießen, vielmehr hatten sie halt beide Eltern gehabt, die es ihren Kindern leichtmachen wollten, nicht vergessen zu werden. Sophonisbe hieß so nach dem Selbstporträt von Sofonisba Anguissola aus dem Jahr 1554, das die Künstlerin als Jungfrau im Alter von neunzehn oder vierundzwanzig Jahren anfertigte und das heute in Wien im Kunsthistorischen Museum hängt. Ihren Eltern gefiel die Selbstverständlichkeit, die aus diesem Bild strahlt, auf dem Sofonisba Anguissola sich als ebenso bescheidene wie selbstbewußte junge Frau präsentiert. Die durch Gräzisierung quasi eingedeutschte Form des Namens verdankte Sophonisbe dem Germanistikstudium ihres Vaters, der einmal ein Seminar über Barockdramen besuchte und bei dieser Gelegenheit Kenntnis von Daniel Casper von Lohensteins Trauerspiel dieses Titels erlangte, während Roxana einfach darum so hieß, weil ihre Mutter diesen Namen im Geschichtsunterricht gehört hatte und er ihr so gut gefiel, daß sie sich vornahm, ihre Tochter, sollte sie einmal eine haben, so zu nennen, und so geschah es. Daß dieser Name (in leicht abgewandelter Form, Roxanne) der Titel eines Liedes der Band „The Police“ sein würde und just zu jener Zeit populär, als Roxanas Alterskohorte sich solche Musik sehr gerne anhörte, was ihr selbst einige unverdiente Popularität verschaffte, konnte bei ihrer Geburt natürlich niemand ahnen.

Obwohl wir in Manhattan anfangen, das an der Ostküste des riesigen Landes liegt, an dessen Westküste Hollywood sich befindet, fangen wir nicht mit einem Erdbeben an und steigern dann langsam, sondern nähern uns den Dingen, die da kommen sollen, ganz behaglich und werden den Vulkanausbruch, sollte einer stattfinden, aus gemessener Entfernung betrachten. Wir waren nämlich mit einem Rückflugticket in Amerika und sind schon lange wieder zurück auf unserem Kontinent, dem alten, mit seinen Basalten. Was wir hier dichten, sind keine Ritter-, Räuber- und Gespenstergeschichten, wir werden bestimmt kein System errichten, denn wir wollen nur die Wörter schichten, also so die Zeilen mit zierlichen Buchstaben ausfüllen. Et voilà, that’s it.

Wir gehen gleich in die vollen, indem wir eine erste Probe von Sophonisbes Schaffen geben. (Weitere werden folgen.)

AUS SOPHONISBES MANUSKRIPT (REISE)

Bevor ich bin gereist nach New York, ich war in Sorge. Weil war das große Reise über Atlantik und war das auch lange Reise – zehn Wochen ist lang, in diese Zeit viel kann geschehen. Später ich habe gefunden in mein Tagebuch verschiedene Äußerungen von diese Sorge. Fast jeder Tag ich habe geschrieben, daß ich habe Angst vor Reise. Eine Woche vor der Termin von Abreise war großer Sturm von Schnee in New York. Flughafen war geschlossen und Leute sind gefahren mit Ski in Stadt, und ich hatte Hoffnung, daß Schnee und Sturm werden bleiben bis eine Woche weiter, so daß ich werde nicht können fahren. So große Sorge ich habe gemacht mir. Aber ist normal vielleicht in mein Alter.

Einige Tage zuvor von Abreise ich habe geschaut in das Fach in mein Schrank, wo es befinden sich Stadtpläne und Reiseführer, und ich habe gesehen, daß ich muß nicht kaufen Stadtplan, weil habe ich schon fünf und habe ich auch sehr guter Architekturführer, welcher ich habe gekauft in Jahr 1988, wenn ich war in Stadt New York dritte Mal in mein Leben schon. Jetzt die Reise ist für – eins zwei drei vier – fünfter Besuch.

Am Morgen ich bin gekommen zu spät zu Flughafen, weil hatte gesagt Frau von Hotline, daß es reicht, wenn man ist dort halbe Stunde vor Start. Aber es hat das nicht gereicht. Natürlich ich war dort schon eine Stunde vor Start, weil bin ich in Sorge vor jede Reise ganz allgemein und darum ich fahre zu Flughafen oder Bahnhof sehr früh immer. In dieser Fall das war sehr nötig, weil in andere Fall sie hätten nicht gelassen mich in Flugzeug vielleicht. Aber sie haben gelassen mich. Wenn ich war an Flughafen, ich hatte Angst nicht mehr, sondern ich wollte machen Reise. Dann Flugzeug ist gestartet zwei Stunden später, als es war geplant, weil gab es technisches Problem. Aber Hauptsache war, daß es ist gestartet und daß ich bin geflogen an geplanter Tag nach New York ohne Zwischenlandung, also ohne zu wechseln Flugzeug. Sonst das ist notwendig immer, weil in Berlin ist es so organisiert. Ist komische Sache, denn Berlin ist Hauptstadt, aber ist so, von früher noch.

Ankunft in New York war an Flughafen Newark, welcher liegt er in New Jersey, auf andere Seite von Hudson River. Wir sind gekommen von Norden, von Kanada, und ich hatte Sitzplatz an Fenster auf linke Seite von Flugzeug, welches ist es geflogen in niedrige Höhe entlang an Westseite von Insel Manhattan, und wie Insel lag so ruhig in das graue Wasser und ganz voll mit Häuser und in dem Sonnenschein – das war so friedliches Bild, daß mein Herz sich hat gefüllt mit großer Freude. Man hat gesehen keine Bewegung von Leben unten auf Insel, man hat gesehen nur die vielen Häuser, welche stehen sie dicht beisammen. Es war ganz insgesamt von Menschen gemacht, was man hat gesehen da unten, doch es lag da, wie wenn es wäre eine Naturerscheinung und unberührt von Menschen. Auf diese Weise die Insel Manhattan erschien wie großes Versprechen mir und wie Verlockung, als ob sie würde sagen: komm her zu mir, ich warte auf dich schon.

Jede Stadt sollte machen solcher Empfang! Aber nur sehr wenige Städte machen das, vielleicht fast keine Stadt macht das. Es fällt ein mir nur die Stadt Rom, wo es ist auch auf diese Weise; dort auch die ganze Stadt liegt unter Flugzeug, wenn man nähert sich von Norden, und man sieht, daß wirklich Rom aussieht wie auf Stadtplan. Sonst die Flughäfen liegen sehr außerhalb von jeweilige Stadt. Aber hier in New York man bekommt gleich sehr positiver Eindruck, schon bevor das Flugzeug ist gelandet (wenn man in Newark ankommt, JFK is another story).

WEIL WIR NOCH EINE GANZE WEILE in New York und bei Sophonisbe bleiben werden, müssen wir erläutern, welche Bewandtnis es mit ihrer komischen Sprache hat. Auf die war sie total stolz, weil sie dachte, mehr könne ein Dichter nicht schaffen, als eine eigene Sprache zu entwickeln, also nicht einfach nur einen eigenen Stil, was völlig normal ist, das macht ja jeder, sondern eine eigene Sprache! Der Hammer! Stefan George mag seine eigene Schrifttype entwickelt haben, aber was ist das schon gegen eine eigene Sprache!

Diese Sprache bezeichnete sie als ihre neue lengevitch – so hört sich das Wort language an, wenn man es mit starkem deutschen Akzent ausspricht, und so brachte es der deutsch-amerikanische Publizist, Journalist oder was auch immer Kurt M. Stein in Schriftform, indem er seinen im Jahr 1925 veröffentlichten ersten Gedichtband Die Schönste Lengevitch nannte. (Die darin enthaltenen Gedichte sind in einem deutsch-englischen Sprachgemisch verfaßt und waren zuvor wöchentlich in einer Zeitung erschienen. Diese Sprache ist ganz lustig, der Inhalt dieser Gedichte hingegen höchst uninteressant, denn es geht darin nur um die alleralltäglichsten Alltagsereignisse, und das ohne jeden poetischen Zugewinn, denn sie wollen kein Gran mehr mitteilen, als was sie offensichtlich mitteilen, und formal wird nichts anderes geboten als sechszeilige Gedichte aus abwechselnd vier- und dreihebigen Jamben, die dem Reimschema ababcc folgen. Von dieser Strophenform wird nie abgewichen, das ganze Buch haut einem gnadenlos und ohne Unterlaß in diesem Kawumm auf den Kopf, weswegen es für den halbwegs sensiblen Leser vollkommen unerträglich ist. Das nur nebenbei.) Der Titel dieses Bandes regte Sophonisbes Zeitgenossin, die Dichterin Uljana Wolf, dazu an, ihrerseits einem Gedichtband den Titel Meine schönste lengevitch zu geben, und auf diesem Umweg erfuhr Sophonisbe von diesem Wort. (Danke, Uljana!) Wir werden gleich noch ihre eigenen Erläuterungen dazu hören.

Der Leser wird um Nachsicht gebeten und erfreue sich an den Kostproben aus ihrem Werk, die ihm nur geboten werden, solange unsere Erzählung von den Ereignissen in Manhattan handelt. Späterhin, wenn wir uns Roxana und Berlin zuwenden, wird die neue lengevitch nicht einmal mehr erwähnt werden.

Kurz vor der Abreise hatte Sophonisbe Federico García Lorcas Gedichtband Poeta en Nueva York (Dichter in New York) gelesen, den ihre große Schwester ihr geschenkt hatte (mit der Widmung: „Dichterin in New York! Eine aufregende Zeit und frohe Weihnachten wünscht Dir Deine Alkeste“). Zwar befand sich dieses Buch seit mindestens zwanzig Jahren schon in ihrer Bibliothek, zwar hatte sie sich durchaus schon eingehend mit Lorca beschäftigt und einmal sogar einen sehr schönen Essay über Bernarda Albas Haus verfaßt, aber sie war dennoch froh, daß Alkeste, die selbst nur Krimis und juristische Fachzeitschriften las, sie an diese Gedichte erinnert hatte, und ärgerte sich darum gar nicht darüber, daß sie ihr, was sonst keiner wagte, ohne Absprache einfach ein Buch geschenkt hatte. Denn Sophonisbe hatte sich vorgenommen, selbst ein Buch über New York zu schreiben, worüber sich allerdings mit nahender Abreise zunehmend Zweifel einstellten. Es wurde ihr dieses Vorhaben geradezu unheimlich, als ihr plötzlich praktisch jeden Tag, so kam es ihr zumindest vor, ein deutsches Buch über New York in die Hände fiel. Offenbar hatten nicht nur über Auschwitz alle ihre Kollegen schon ein Buch geschrieben, sondern alle auch schon eins über New York. Als wären das die beiden Grenzpfosten, zwischen denen die deutsche Befindlichkeit sich spannt, als wäre es dies, was ein deutscher Dichter zu leisten habe (erst die Arbeit, dann das Vergnügen, erst die Vergangenheit, dann die große Welt).

Seit dem Mauerfall waren diese Bücher allerdings weniger geworden, seither hatten sich die Dinge geradezu umgedreht und kam die Welt selber nach Germanien. Man mußte nicht mehr nach Amerika fliehen, wenn sogar ein scheidender amerikanischer Präsident das vertrackte Vaterland als einen Leuchtturm der Freiheit pries, man konnte einfach in eine Bar voller junger Amerikaner oder Israelis in Neukölln gehen, wo man von jungen Spaniern oder Italienern bedient wurde, und den beleidigten Türken und Arabern, deren Bars das vorher gewesen waren, zuschauen, wie sie grummelnd draußen vorbeischlurften. Vielleicht konnte sie ihr Buch also doch schreiben, vielleicht wäre das jetzt sogar mal was Neues (so sehr schon wieder die Schnauze voll von Deutschland, daß man schon wieder überlegt abzuhauen – woran man einst in einem fort dachte).

Als sie dann in New York angekommen war, sich mit den Gegebenheiten der Stadt beschäftigen mußte und sich alles in einem fort notierte, war sie erst recht froh, diesen Gedichtband frisch im Gedächtnis zu haben. Die Gegebenheiten waren natürlich wichtig, sie mußte lernen, wie die Stadt funktionierte, aber sie mußte das Gelernte doch nicht mitteilen! Auch wenn sie das natürlich in poetischer Form getan hätte, wäre es doch zutiefst uninteressant und schrecklich gewöhnlich gewesen, den Leuten zu erklären, wie man die U-Bahn benutzt und welche Stadtteile gerade total angesagt sind. So etwas machten Reiseführer, das war nicht die Aufgabe einer Dichterin. Daran mußte sie sich aber eigens erinnern, denn stets war sie besorgt um das Wohl des Nebenmannes, dem sie gerne alles, alles, alles sagen wollte, was sie wußte, damit sein Leben nicht so schwer wäre. Ihr täglicher Konflikt war also die Frage, was sie eigentlich wollte, dichten oder Ratschläge erteilen. Das heißt, natürlich wollte sie nur dichten, aber außerdem wollte sie eben auch gerne gute Ratschläge geben, wenn sie schon so viel Alltagswissen angehäuft hatte (mehr Alltagswissen als Dichtungswissen, fürchtete sie manchmal). (Wohin es führt, wenn man sich vom Alltag nicht löst, kann man bei Kurt M. Stein studieren. Und wie man aus seinem im Übermaß angehäuften Alltagswissen Profit schlägt, wird uns Roxana lehren.)

Das Problem war, daß Sophonisbe vorhatte, den Aufenthalt in New York zu einer Zäsur in ihrem Schaffen zu machen; sie hatte beschlossen, sich von der Lyrik ab- und der Prosa zuzuwenden. Da sie in Prosa bislang nur Briefe voller guter Ratschläge verfaßt hatte, mußte sie sich an die neue Form erst noch gewöhnen und war darum froh über die frische Erinnerung an Lorca. Der, so hoffte sie, würde sie davon abhalten, einen Reiseführer zu schreiben. „Lorca, Lorca, Lorca“ hämmerte sie sich täglich ein, „Lorca, Lorca, Lorca! Kein Reiseführer, poeta en Nueva York, ¡poeta!“, und so fing sie dann an:

AUS SOPHONISBES MANUSKRIPT (ANKUNFT)

Ich will berichten von was ich habe gesehen und was ich habe erlebt in New York City, aber nicht in ganze Stadt New York, sondern nur in Stadtteil Manhattan, welcher wird er genannt „the city“ by the people who live in the other boroughs, or upstate, also in Bundesstaat New York, Hauptstadt Albany. Scusi für Englisch, aber es war so: wenn ich war in New York City für Aufenthalt von zehn Wochen in Monate Februar, März und ein bißchen von April in Jahr 20**, ich habe gesprochen zumeist in englische Sprache, welche ist sie nicht meine Muttersprache. Darum ich spreche falsch diese Sprache und mit Akzent, und es ist kein Unterschied, ob ich spreche mündlich oder ob ich mache schriftliche Mitteilung, und deswegen, wenn ich denke an Stadt New York, ich falle in Sprache mit Akzent auch in meine eigene lengevitch. Auf diese Weise Leser kann erfahren und ich kann erinnern, wie ich war in New York und wie es war in New York, und ich kann vermitteln realistische Bild von mein Aufenthalt: dort ich habe gesprochen falsch und mit Akzent – wenn ich habe gesprochen überhaupt. Zumeist das ist geschehen nur mit Personal in Ladengeschäfte oder in Coffeeshops, weil war ich alleine zumeist und bin ich spazierengegangen und habe ich erwartet die große Veränderung, welche ist sie immer das Versprechen, bevor man macht eine Reise. Vielleicht sogar das ist der Grund für eine Reise zu machen: Wunsch nach Veränderung. In Wirklichkeit es geschieht nur selten eine große Veränderung in ein Leben, aber es geschieht sie leichter in ein fremdes Land, wo man ist fremd und alles ist fremd und wo man muß anfangen von vorne. Positiv ausgedrückt: wo man kann anfangen von vorne.

Jeder Tag ich bin spazierengegangen so viel, daß man könnte nennen es „Flanieren“, was ich habe gemacht zehn Wochen lang in Stadt New York jeder Tag. Aber es gefällt mir nicht dieser Terminus, darum ich verwende nicht ihn, und auch ich sage nicht, daß ich war in „New York, Hauptstadt des 20. Jahrhunderts“, auch wenn natürlich das ist richtige Beschreibung von Stadt New York. Jedoch ich berichte nicht von jenes Jahrhundert, sondern ich berichte von eine Gegenwart, welche sie hat stattgefunden in 21. Jahrhundert. Wenn ich war in New York andere Male, es war noch 20. Jahrhundert, aber von jene Male ich habe nicht mehr Notizen. Von diese frühere Besuche es ist mir geblieben nur Erinnerung, welche zugleich ist sie Erinnerung an Jugend. Vielleicht ich werde sprechen davon später.

Auch wenn es gefällt mir nicht das Wort „Flanieren“, diese Tätigkeit ist Teil von mein Beruf. Ich gehe spazieren sehr gern in fremde Städte, weil ist das gute Voraussetzung für Dichtkunst. Außerdem ich sitze in Kaffeehaus sehr gern, ich lese Zeitung aus Papier jeder Tag, ich lese Bücher aus Papier jeder Tag und у меня нет смартфона*.

Natürlich ich habe geschrieben in normale deutsche Sprache, wenn ich habe notiert etwas von was ist mir eingefallen, while I was in New York. Weil wenn ich war in meine Wohnung dort, ich war immer alleine und darum ich habe gesprochen nur mit mir selber, und das ist geschehen in meine eigene lengevitch – конечно. (В Нью-Йорке я слышала русский язык на улице каждый день. Вот много людей из России.)*

Jetzt ich will machen noch mehr Legitimation, warum ich zeige so deutlich la différance, as Derrida would put it, sonst Leser denkt, ich bin geworden verrückt. Aber es ist so: Stadt New York ist in fremdes Land und hat nicht eine fremde Sprache nur, sondern ist voll mit fremde Sprachen. Die Schilder an Automat für U-Bahnfahrkarten sind in englische, spanische, chinesische und russische Sprache. Ich denke, spanische, chinesische und russische Leute sind größte Gruppen von Leute, welche sind sie so viele in Stadt New York, daß für ihnen es ist nicht die Notwendigkeit von Lernen englische Sprache, sondern daß sie können leben in New York in ihre eigene community ganz ohne zu lernen die offizielle Sprache von Vereinigte Staaten von Amerika, weil gibt es komplette Struktur für ihnen in ihre eigene Sprache.

In Stadt New York es ist möglich zu sprechen in alle Sprachen, weil gibt es dort Leute von ganze Welt. Das ist charmanter Aspekt von Stadt New York. Denn ich muß sagen, daß es nervt, wenn man muß sprechen immer in fremde Sprache, weil fühlt man sich ein bißchen dumm immer und ist es auch schwer zu machen Witz. Doch es gibt nicht genug deutsche Leute in New York für zu sprechen in meine eigene lengevitch, darum es war fast immer englische Sprache, in welche ich habe gesprochen. Aus dieser Grund ich habe gedacht, daß große Veränderung, welche sie könnte sich ereignen, kann nicht sein treffen neuer Mann oder wichtiger Mensch allgemein (für mein Leben wichtiger Mensch), sondern muß sein andere Sache. Oder Sache, welche kann man sie nicht erkennen sofort. On verra bien, je me disais.

Wenn hier ich schreibe auf diese Weise, dann man kann sehen, wie ich habe gesprochen, wenn ich war in New York, also in Moment von soziale Interaktion, nur es war nicht in deutsche Sprache natürlich, daß ich habe gesprochen auf diese Weise, sondern in englische Sprache. Aber es war auf diese Weise genau. Es ist auch geschehen mir in New York, daß ich habe gesprochen in französische Sprache. Das war doppelte Schwierigkeit, weil war ich in Ausland sowieso und habe ich gesprochen dann (auch falsch und mit Akzent) in andere fremde Sprache als fremde Sprache von dieses Ausland, so daß es ist gewesen zweimal fremde Sprache und daß ich habe gar nicht gewußt, was ich sage eigentlich.

Diese Schwierigkeit mit Sprache auch hat Einfluß auf Denken – конечно, und ich glaube, daß daraus es resultiert sich meine Auffassung von Stadt New York, welche ich habe sie erlebt durch dieser Filter von fremde Sprache. Das war Zusatz zu daß dort ich habe fremde Augen schon sowieso. Daraus es resultiert sich Differenz in Denken, welche führt sie zu Unverständnis – конечно – für was ich habe gesehen oder erlebt in Stadt New York. Auch wenn ich denke, ich habe gefunden Verständnis, das ist nicht so. I can’t be sure of what I think of the city, because everything was filtered through this other language. I don’t really know if my thoughts are real or if I just held on to whatever came to my mind like to a straw, because it was hard enough to think at all, surrounded by all these foreign sounds made by strangers in a strange place (many kinds of foreign sounds, because it’s true: all languages are spoken in NYC) (and the traffic has a different sound, too). I was wrapped into the sound of strangeness there. Ich war eingewickelt in Klang von Fremdheit dort.

On the other hand, Fremdheit schon AN SICH (ein Begriff Immanuel Kants, wie ich habe gelernt von Venedikt Jerofejew) ist Veränderung, see above, so daß man kann erwarten noch mehr Veränderung, weil hat man schon angefangen mit Veränderung, hat man schon gemacht der erste Schritt. Also, ich habe erwartet große Veränderung von mein Aufenthalt in Stadt New York / Nueva York / Нью-Йорк.

IN EINER FREMDEN SITUATION sich befinden, bewußt, aus freiem Entschluß eine Fremde geworden zu sein, das ist an sich schon Veränderung, keine nur kleine zudem. Immanuel Kant braucht’s dafür nun wirklich nicht. Das geht auch einfach so.

AUS SOPHONISBES MANUSKRIPT (WEITER ANKUNFT)

Tag von meine Ankunft war Samstag. An nächster Tag ich habe gemacht so, wie es befiehlt deutsche Tradition, und bin gegangen für Kaffee & Kuchen zu ein Café Konditorei. Es war an East Houston Ecke Allen Street und nur drei Meter breit, eher weniger. Aus Zufall es war frei ein Stück Boden zwischen Trottoir und Hauswand, dort es hat sich etabliert das Café Konditorei und kleine Speisen. Personal sprach Spanisch. Ich habe gesessen an ein kleiner runder Tisch von Messing und habe geschaut auf Straße, weil hatte ich noch nicht gefunden Laden, welcher verkauft er Zeitungen. (Es gibt nicht mehr Zeitung-Läden in Manhattan; später ich habe gekauft New York Times immer in ein Drugstore. Alle Drugstores verkaufen die Zeitung, und es gibt von diese Läden in jeder Block mindestens einer, oft auch zwei, nämlich jeweils einer von die beiden Firmen, welche betreiben sie fast alle Drugstores in New York. Diese Firmen heißen Duane Reade und CVS.) Viele Leute sind gekommen und haben gekauft Kaffee in ein Pappbecher, um zu nehmen mit auf Weg. Sitzen an Tisch, um zu essen Kuchen und zu trinken Kaffee, ist nicht gewöhnliches Vorgehen in New York, dort lieber man trinkt Kaffee on the go. Das ich habe gelernt erst in Verlauf von mein Aufenthalt. Ebenfalls ich habe gelernt, daß dieses Café war sehr ungewöhnlich, indem es gab Teller, auf welchen der Kuchen wurde er serviert, wie es wird gemacht in Europa überall. In New York aber es wird nicht gemacht so. In Coffeeshops, welche sie sind frequentiert von junge coole Leute, es gibt Kuchen nur in eine Papiertüte, auch wenn man sagt extra laut und deutlich, daß er ist for here und nicht to go.

Irgendwann die Tür ging auf und es trat herein eine sehr junge Frau mit dunkle Haut, welche sie war so schön, daß ich konnte fast nicht glauben es. I was dumbfounded! Sie war nicht schön besonders von Natur (aber auch nicht häßlich), sondern sie hatte gemacht sich schön, und das sie hatte getan in Stil von zwanziger Jahre. Sie sah aus wie auf Besuch aus eine andere Epoche. Ihre Haare sie hatte geklebt in Wellen an Kopf, und sie war gekleidet in ein Mantel, welcher ging er bis zu Boden hinunter und war er gewebt aus ein dunkler Stoff mit breite Streifen quer aus Gold. Der Stoff von dieser Mantel war ein sehr festes Material. Auf diese Weise der Mantel war wie feste Hülle um die Frau herum, und er hat denken lassen mich an Füllhorn aus Märchen, aber umgedreht, ein Füllhorn, welches war es ausgeschüttet. Auf diese Weise diese Frau sah aus wie eine Statue. An ihre Füße sie hatte Schuhe mit hohe Absätze, und ihr riesiger Mund vor riesiger Kiefer war geschminkt hellrot leuchtend.

Sie war von große Eleganz, und sie war schüchtern ein bißchen. Ich habe gestellt mir Frage, wohin sie geht, Sonntagnachmittag um zwei Uhr, gekleidet wie für ein Ball, für der große Auftritt. Vielleicht, I imagined, sie geht zu Freunden, welche sie alle tragen auch solche elegante Kleidung, vielleicht sie gehört zu ein Bund von schöne Menschen.

Später ich habe gehört, daß es gibt Nachmittage mit Jazzmusik wie aus frühere Zeit vor Krieg. Noch später ich habe gehört Theorie, daß eine Stadt behält alle Epochen, welche hat sie sie erlebt, für alle Zeit. In jede Stadt immer es gibt Taschen, in welche diese Epochen bestehen sie fort, und man kann finden sie.

Diese Theorie eine Frau hat sie entwickelt, welche sie hat geschrieben ein Buch über Istanbul. Über dieses Buch die Zeitschrift The Economist hat veröffentlicht eine Rezension, welche mein Freund Josef hat er sie gelesen. Er hat mir erzählt diese Theorie, aber er wußte nicht, ob er soll kaufen dieses Buch. Ich habe gesagt ihm, daß die Zeitschrift The Economist hat erklärt ihm schon, welcher es ist der interessante Gedanke in dieses Buch, darum er muß nicht kaufen es, wenn er interessiert gar nicht sich für Stadt Istanbul, welche früher sie hieß Konstantinopel. Noch früher sie hieß Byzanz. Bis zum Jahr 330 Byzanz, bis zum Jahr 1453 Konstantinopel, seither Istanbul. Diese Tatsachen ich habe sie gelernt, wenn ich habe geschrieben Universitätsabschlußarbeit über, unter anderem, der Roman Manhattan Transfer von John Dos Passos. In meine Ausgabe schon auf Seite zwölf es steht in dieser Roman:

There were Babylon and Nineveh; they were built of brick. Athens was gold marble colums. Rome was held up on broad arches of rubble. In Constantinople the minarets flame like great candles round the Golden Horn … Steel, glass, tile, concrete will be the materials of the skyscrapers. Crammed on the narrow island the millionwindowed buildings will jut glittering, pyramid on pyramid like the white cloudhead above a thunderstorm.

Damals ich habe geschaut in Lexikon, welche Stadt sie heißt Konstantinopel, so ich habe gelernt alte Namen von Istanbul.

Wirklich ich hatte vergessen, daß ich habe geschrieben Universitätsabschlußarbeit über, unter anderem, der Roman Manhattan Transfer. Es ist eingefallen mir wieder, wenn ich war in New York und ich habe gelesen, vielleicht auf Busplan oder ähnliches Material – nein, es war geschrieben auf Übersichtskarte in mein Stadtplan –, dort ich habe gelesen die Namen Yonkers und Hoboken, welche sie sind Orte in the vicinity of Manhattan. Und ich habe erinnert mich, daß ich kenne diese Namen schon von lange Zeit her, weil sind sie erwähnt in der Roman Manhattan Transfer.

Ich stelle fest, daß es hat interessiert mich schon früher New York. Ich erinnere mich, daß als Kind ich wollte später leben in New York, weil man hatte gesagt mir, daß diese sei größte Stadt von ganze Welt. Vielleicht damals das hat gestimmt.

QUESTA BELLEZZA GIOVANA ERA Sophonisbes guide into the great Veränderung von der Lyrik zur Prosa. Diese engelsschöne Frau, die passenderweise Angelique hieß oder zumindest hier so genannt sein soll (denn sie stellte sich nicht vor, jetzt nicht und später nicht), führte Sophonisbe in die neue Wirklichkeit, von der sie vor ihrer Reise geträumt hatte, doch verstand die das nicht gleich. Die Bedeutung dieser Begegnung wurde von nichts und niemandem als großes Ereignis angekündigt, sondern ereignete sich, als wäre das normal, einfach so, in der unbegreiflichen Gegenwart. Angelique trat mit ihrem Pappbecher voll Kaffee an Sophonisbes Tisch.

„Da bist du ja“, sagte sie, und wegen ihrer Schüchternheit hielt sie sich sofort den Becher vors Gesicht. Man könnte auch sagen, sie nahm einen Schluck Kaffee. Hinter dem Papprand waren nur noch ihre Augen zu sehen, und die lächelten.

„Wie war die Reise?“ fragte sie, und weil Sophonisbe noch gar nicht richtig angekommen war, ihre Seele vielmehr noch über dem Atlantik schwebte, wunderte sie sich überhaupt nicht darüber, daß Angelique Deutsch sprach wie eine Muttersprachlerin und ohne jede dialektale Färbung. (Engel sprechen nämlich keine Fremdsprachen und keine Dialekte. So rein wie ihre Seelen sind, so sauber ist ihre Aussprache, und Humor haben sie auch nicht. Sie würden nicht einmal zum Spaß in einer Fremdsprache, einem Dialekt oder mit Akzent sprechen. Engel scherzen nicht und verstehen keine Witze.)

„Gut“, sagte Sophonisbe aus Höflichkeit und weil sie sich nur noch an die herrliche Ankunft erinnerte und ihre vielen Sorgen vor der Reise schon vergessen hatte, „es war eine schöne Reise“.

Das wußte Angelique natürlich sowieso, auch sie war nur den Geboten der Höflichkeit gefolgt und aus demselben Grund hielt sie sich ihren Pappbecher jetzt nicht mehr vors Gesicht.

„Dann laß uns gehen“, sagte sie und trat beiseite, damit Sophonisbe aufstehen, ihren Mantel anziehen und ihre Zeche zahlen konnte. Dann gingen sie los, Richtung Westen, Richtung Süden, und Angelique behielt dabei ungerührt ihre statuenhafte Gestalt. Für einen Moment dachte Sophonisbe, der Mantel ihrer Begleiterin sei eben aus einem so festen Stoff genäht, daß die Bewegungen des Körpers darunter seine Form nicht verändern konnten. Sie hatte noch nicht begriffen, wer Angelique war (ihr persönlicher Engel), sonst hätte sie natürlich gewußt, daß die gar keinen Körper hatte. Vorerst bemerkte sie nur, daß Angelique gar nicht ging, sondern schwebte, daß ihre Füße den Boden nicht berührten. Darüber wunderte sie sich nicht, sondern erklärte sich diese Wahrnehmung mit dem Jetlag. (Für das gewöhnliche Menschenkind ist der Jetlag ein kleiner Ausflug in den genehmigten Wahnsinn. Alles ist im Jetlag, wie in Afri-Cola.)

Angelique sprach weiter nicht und erklärte nichts, sie blieb nur freundlich und mit einem angedeuteten Lächeln an Sophonisbes Seite, die nun womöglich langsam doch zu begreifen begann, mit wem sie es zu tun hatte. Aber das gelangte ihr noch nicht ins Bewußtsein, denn noch war alles neu, sie war ja gerade erst angekommen. Noch nahm sie alles, was ihr begegnete, einfach hin, nahm das viele Neue ungefiltert in sich auf, voller Freude, und ahnte, daß alles großartig werden würde, ein einziges Fest.

Erst überquerten sie die Allen Street, die viel breiter ist als die anderen Straßen der Lower East Side, weil in ihrer Mitte eine Reihe von Tenement Buildings abgerissen worden war, schon vor langer Zeit, vielleicht vor hundert Jahren schon, um etwas Luft zu schaffen (und diese Tenements müssen wirklich sehr schlimm gewesen sein, denn nur zum Pläsier der Slumbewohner hätte hier doch niemand irgendetwas abgerissen, und schon gleich gar nicht, ohne anschließend etwas Neues hinzubauen), dann bewegten sie sich im Zickzack voran, immer einen Block nach Westen, einen nach Süden, überquerten die Bowery, durchquerten SoHo, überquerten die Canal Street und gelangten so in eine vollkommen menschenleere, wie tot daliegende Gegend aus prächtigen, Sophonisbe entfernt an den Bombast der Budapester Versicherungspaläste erinnernden einstigen Bürohäusern samt den riesigen Lagerhäusern längst untergegangener Handelsunternehmungen gleich dahinter. They were built of brick, wie Babylon und Ninive, und darin lebten die besonders Reichen. Darum wirkte dieses Viertel so tot (denn wo das Geld hinfällt, da wächst kein Gras mehr), darum waren die kopfsteingepflasterten Straßen so sauber und so leer, daß kein Fremder hätte glauben wollen, daß hier überhaupt jemand lebte. (Doch sah man an manchen Nachmittagen Kinder unbeaufsichtigt auf der Straße spielen, was die Theorie der in Taschen immer noch vorhandenen vergangenen Epochen bestätigte, denn Kinder sieht man in Manhattan auf der Straße sonst nur in wie Gefangene so streng bewachten Gruppen, nie alleine, nie für sich, immer unter Aufsicht.)

Vor einer schweren Eisentür machten sie Halt. An der Wand daneben war eine kleine Zahlentastatur, auf der Angelique eine lange Nummer eintippte, worauf ein Summen wie von hundert Bienen anzeigte, daß die Tür nunmehr geöffnet werden konnte. Das ging schwer, die Tür war schwer, aber es half jemand von innen, ein Pförtner, der den Weg in den sehr dunklen, nur von einem Strahler an der Decke erleuchteten Vorraum zum Paradies freigab. Einstmals, in der Zeit, als dieses Gebäude als Lagerhaus errichtet wurde, wäre dieser Strahler eine einfache Glühbirne gewesen, jetzt war er ein Teil der Lichtregie und folgte dem Pförtner. Der trug einen weiten schwarzen Umhang, den er über die Schultern zurückgeschlagen hatte, so daß er von dessen goldfarbenem Futter umflossen war. Er selbst war ebenso schwarz wie sein Umhang, und weil das Verfolgungslicht von der Decke das Gold um ihn herum leuchten ließ, wirkte er, als habe die Luft selbst sich materialisiert. Er wirkte auch so bedeutend wie die Luft, die man doch atmen muß, wenn man nicht tot umfallen will, dazu war er groß und schlank … er war ein Traum von einem Mann und herrlich wie ein Stammesfürst aus einer Zeit, da Fürsten noch gemalt und keinesfalls fotografiert wurden. Solche Würde war um ihn. Und weil Sophonisbe noch nie ein solches Ausmaß von natürlicher Eleganz, noch nie einen so herrlichen und schönen Menschen aus der Nähe gesehen hatte, starrte sie ihn mit offenem Mund einfach an. Sie wußte noch nicht, daß sie in den folgenden zwei Stunden ausschließlich von solch unfaßbar schönen Menschen umgeben sein würde.

„Where to?“ fragte er, ungerührt von Angeliques Mantel, der doch ganz eindeutig als Produkt derselben Uniformschneiderei, aus der auch seiner kam, zu erkennen war. Sophonisbes Mantel hingegen war zwar auch schwarz, aber ganz schwarz und von europäischer Einfachheit, er hatte nicht einmal goldene Knöpfe, sondern über dem Strichloden nur einen kleinen Samtkragen, womit er seine Herkunft aus dem glücklichen Österreich klar zu erkennen gab; man sah ihm an, daß er von den elysischen Feldern in New Orleans ebensowenig wußte wie vom Königreich Gottes, dessen Ankunft in New York zu absolut jeder Zeit unmittelbar bevorsteht. Dieser Mantel gehörte nicht hierher, das war klar, darum würdigte der Türhüter sie weiter keines Blickes. Ansonsten war gar nicht klar, auch ihr selbst nicht, was Sophonisbe hier zu suchen hatte. (Vielleicht erfahren wir das später.) (Vielleicht auch nicht.)

Angelique schwebte einen halben Meter auf den Türhüter zu und wisperte mit ihm. Sein Gesichtsausdruck änderte sich dabei nicht, doch ging er immerhin zu seinem Stehpult, auf dem ein großes schwarzes Telefon stand, dessen goldene Tasten so groß waren, daß auch Leute mit altersbedingter Sehschwäche die Ziffern darauf problemlos hätten erkennen können, und rief irgendwo an. Was er sagte, konnte Sophonisbe nicht verstehen, denn er bediente sich einer ganz anderen Sprache als der ihr bekannten. (Es war die Sprache der Engel, aber woher sollte sie das wissen, die Möglichkeiten sind unbegrenzt in Amerika.)

Die telefonische Auskunft war offenbar befriedigend, denn der Türhüter öffnete nun eine weitere schwere Eisentür. Dahinter befand sich eine gewaltige eiserne Treppe, die einen drahtumgitterten Lastenaufzug umfing. Es war alles schwarz lackiert und golden verziert, und Angelique wies mit dem ganzen Arm und lächelnd auf die offene Drahttür des Aufzugkäfigs. Sophonisbe zögerte einen Moment, bevor sie dem gewaltigen hellroten Lächeln Vertrauen schenkte, denn das sagte: „Veränderung, Veränderung“, womöglich sagte es auch: „neue Stadt, neues Land, neues Leben“, wer weiß, und das erfreut einen zwar, macht einem aber doch auch ein bißchen Angst, die ihr in diesem Moment, natürliche Vorsicht hin, persönliches Angstlevel her, berechtigt erschien. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt, darum stieg sie beherzt in den Käfig. Ihr Engel stieg mit ihr ein, und sie fuhren aus dem Dunkel hinauf ans Licht.

Der Aufzug brachte sie ins oberste Geschoß dieses aus Backstein errichteten Gebäudes, in dem einst alle Kostbarkeiten dieser Welt lagerten, bevor es dem Verfall so lange preisgegeben wurde, bis erst die heroinsüchtigen Verdammten dieser Erde hier Unterschlupf fanden und bald darauf die mittellosen Verfechter eines ganz anderen Lebens, was wiederum sehr schnell die Immobilienbranche auf den Plan rief, die diese Gegend für ihre Zwecke nutzbar machte, indem sie ihr als erstes einen hübschen Namen gab, Tribeca. Das war nun etwa vierzig Jahre her, ein Volltreffer, und darum wohnten in dieser Gegend nunmehr nur noch die besonders Reichen, unter ihnen Beyoncé, die aktuelle Königin der Popmusik, zu deren Empfangsräumen dieser Aufzug führte.

Freundliches Menschengemurmel aus unendlich vielen Kehlen empfing sie. So viele Leute waren hier versammelt, daß man gar nichts von der Wohnung sah, denn die Räume waren voll mit Leibern in leichtem Gewoge, in angeregtem Gespräch. Doch wirkte diese Masse nicht bedrohlich, sondern fast klein (wie der Mensch eben klein ist im Vergleich zu dem Planeten, den er bewohnt), denn diese Räume waren mehr als zweimannhoch, und über den Menschenleibern ballte sich das strahlend helle Licht der Wintersonne, die aus einem wolkenlos blauen Himmel durch die riesigen Fensterfronten schien. Hier waren sie in keinem Lagerhaus mehr, vielmehr befanden sie sich in einem später aufgesetzten Penthouse, einem bauhausmäßigen Kubus aus Glas, in der Krone der Stadt.