Echte Nähe zum Kind - Alexandra Köhler - E-Book

Echte Nähe zum Kind E-Book

Alexandra Köhler

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Beschreibung

Authentische Eltern - glückliche Kinder

Dieses warmherzige Lebenshilfebuch ermutigt Eltern, ihren eigenen Gefühlen und ihrer Intuition zu vertrauen, um so zu einer authentischen – echten – Erziehung mit gutem Bauchgefühl zu finden.

In fünf Schritten hilft Alexandra Köhler, systemischer Kinder- und Jugendcoach, die Diskrepanz zwischen innerer Haltung und äußerem Tun zu überwinden: Nachdem du dir deine eigenen Herausforderungen klargemacht hat, geht es darum, blockierende Emotionen aufzulösen, um dann alte, übernommene Haltungen durch eigene Ressourcen und neue Überzeugungen zu ersetzen. So bekommst du wieder Vertrauen in deine Intuition und kannst dein eigenes Potenzial entfalten. Damit du endlich der Elternteil werden kannst, der du immer schon sein wolltest!

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Seitenzahl: 274

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Die Autorin

Alexandra Köhler ist systemischer und TÜV-zertifizierter Kinder- und Jugendcoach sowie Dozentin für muttersprachliches Lernen. Sie lebt mit ihren drei Kindern in Saarbrücken und betreibt von dort aus die von ihr gegründete und in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätige Kinderflüsterei Familiencoaching GmbH. In ihren Seminaren bildet sie zum systemischen Familiencoach der Kinderflüsterei aus. Zum Team, das in Familien und Schulsystemen Coachings durchführt, gehören Lehrer*innen, Psycholog*innen und Kinderärzt*innen.

www.kinderfluesterei.de

Das Buch

Dieses warmherzige Lebenshilfebuch ermutigt Eltern, auf ihre eigenen Gefühle und ihre Intuition zu vertrauen, um so zu einer authentischen – echten – Erziehung mit gutem Bauchgefühl zu finden. In fünf Schritten hilft Alexandra Köhler die Diskrepanz zwischen innerer Haltung und äußerem Tun zu überwinden: Nachdem man sich den eigenen Standpunkt klargemacht hat, geht es darum, blockierende Emotionen aufzulösen, um dann alte, übernommene Haltungen durch eigene Ressourcen und neue Überzeugungen zu ersetzen, die ein Vertrauen in die eigene Intuition ermöglichen und dazu beitragen, das eigene Potenzial zu entfalten. Damit Eltern endlich die Eltern werden, die sie schon immer sein wollten!

Alexandra Köhler

Echte Nähe

zum Kind

Wie Eltern zu ihren eigenen Gefühlen finden und so ein harmonisches

Familienleben ermöglichen

Kösel

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Alle im Buch vorkommenden Personen und Einrichtungen wurden zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts verfremdet. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen sowie Einrichtungen ist rein zufällig und in keiner Weise beabsichtigt.

Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Cover: Weiss Werkstatt München

Covermotiv: © Martin Novak / Shutterstock.com

Redaktion: Cordula Hubert, Olching

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-28275-2V002

www.koesel.de

Für Lena, Nick und Phil.

Danke für eure Geduld mit mir.

Inhalt

Über dieses Buch

Die Beziehungskluft

Wunsch vs. Realität

Elternwünsche: »Ich will doch nur das Beste«

Elternrealität: »Was machen wir falsch?«

Auf Ursachensuche

Fehlende Vorbilder: Wie geht eigentlich Beziehung?

Gesellschaftliche Erwartungen

Der Verlust der Intuition

Fallbeispiel: Nora und Riko

To-feel: Was sind deine »Ursachen«?

Traditioneller Lösungsversuch: Handeln um jeden Preis

Erziehungsmythen

Belohnungssysteme & Co.

Vermeidungsstrategien

Projektionen und Externalisierung

Fallbeispiel: Martina und Isa

To-feel: Finde deine Lieblingsfluchten

Die Gefühle

Gefühle, Bedürfnisse, Handlungsstrategien

Fallbeispiel: Miriam und Frank mit Mathilda und Linus

To-feel: Was fühlst du, was brauchst du?

Die Gefühle der Eltern

Angst

Ohnmacht und Hilflosigkeit

Wut

Schuld

Fallbeispiel: Thomas und Christine mit Mika und Lisa (1)

To-feel: Gefühle erspüren

Die Gefühle des Kindes

»Immer soll ich irgendwas tun«

»Ich bin falsch«

»Ich bin schuld«

Fallbeispiel: Thomas und Christine mit Mika und Lisa (2)

To-feel: Suche nach den Gefühlen deines Kindes

Die Gefühle hinter den Gefühlen

Emotionale Grundbedürfnisse

Glaubenssätze

Trigger und emotionale Blockaden

Fallbeispiel: Jenny und Celine

To-feel: Spaziergang auf dem roten Faden

Zwischenbilanz: Die Checkliste

Deine 5-Schritte-Lösung

Schritt 1: Bewusstsein

Bewusstseinszustände

Von außen nach innen und wieder zurück

Aus der Haltung in die Handlung

Die Verbindung von gestern und heute

To-feel-Tool: Zwei Wege zum Bewusstsein

Schritt 2: Entscheidung

Voraussetzungen

Altbekannte Zweifel

Triff deine Entscheidung – wieder und wieder

To-feel-Tool: Meditative Gedankenreise

Schritt 3: Erkennen

Kontext schafft Klarheit

Dein Muster

Glaubenssätze und Identität

To-feel-Tool: Begegne deiner wahren Identität

Schritt 4: Lösen emotionaler Blockaden

Integration eigener Verletzungen

Dem Mangel in dir begegnen

To-feel-Tool: Bilaterale Hemisphärenstimulation

Schritt 5: Ressourcen mobilisieren

Selbstliebe: Du bist das Herz deines Systems

Sehnsucht nach dir selbst

Fülle

To-feel-Tool: Dankbarkeit

Mit der 5-Schritte-Lösung dein Leben gestalten

Anhang

Danksagung

Literaturhinweise

Über dieses Buch

Erziehung ist nicht die Anzahl der »Jas« oder »Neins« zum nächsten Eis. Sie hängt nicht davon ab, wie streng, unerzogen oder bedürfnisorientiert du bist. Das eigentliche Dilemma der Erziehung besteht darin, deinem Kind ungefragt deine unbewussten Muster überzustülpen und dir gleichzeitig von deinem Kind ein bestimmtes Verhalten zu wünschen. Aus Erziehung wird erst dann authentische Beziehung, wenn du dich von der unbewussten Wirkung deiner eigenen Erziehung löst und damit die Trennung von deiner Intuition aufhebst.

Wenn du dieses Buch in den Händen hältst, dann setzt du dich vermutlich schon länger mit Erziehungsthemen auseinander und hast den hohen Anspruch an dich, dein Kind liebevoll, zugewandt und auf Augenhöhe zu begleiten. Du wünschst dir, dass dein Kind stark, voller Selbstvertrauen und ohne größere Katastrophen in sein Leben startet und ihr eine vertrauensvolle und innige Beziehung pflegt, die sich auch im Erwachsenenalter fortsetzt.

Und vielleicht bist du auch schon den großen und kleinen Stolperfallen in dieser Beziehung begegnet oder gar in sie hineingeraten? Deine Ansprüche, die Neins deines Kindes, die Haltung deines Partners oder deine eigenen Grenzen.

Irgendwann hast du festgestellt, dass sich zwischen deinem Wunsch vom Zusammenleben mit deinem Kind und der Realität, in der du dich in deinem Alltag wiederfindest, eine Lücke aufgetan hat. In dieser Lücke, manchmal ist es sogar eine Kluft, bist du ratlos, hilflos, verunsichert oder überfordert. Du stehst vielleicht zu oft mit schlechter Laune auf, bist müde und abgekämpft oder streitest dich zu viel. Vielleicht ertappst du dich auch dabei, einfach immer wieder zu viel zu tun zu haben, dich nicht mehr richtig entspannen zu können oder einfach immer zu wenig Zeit zu haben. Und Nerven. Und Energie.

Anstrengend ist das Familienleben, zu viel »Müssen«, zu wenig »Können«, ein bisschen bunter und freier könnte es sein. Und dennoch: Auch mit dieser Kluft liebst du dein Kind und das Leben mit ihm über alles. Du kannst gleichzeitig völlig entnervt sein und überfließen vor Liebe.

In diesem Buch begegnest du dieser Kluft und deiner Intuition, die genau darin wohnt. Und deshalb ist dieses Buch anders als das, was du von einem Erziehungsratgeber bisher zu erwarten hattest. Du ahnst vielleicht nun schon, wieso ich mir erlaube, dich zu duzen. Wir werden uns noch näherkommen, und ein »Sie« würde unserer Beziehung am Ende des Buches nicht mehr gerecht werden.

Bisherige Erziehungsratgeber setzen am Verhalten des Kindes an und fragen danach, was du tun musst, damit dein Kind sich oder sein Verhalten ändert. Sie geben Handlungsempfehlungen, wie du in der nächsten heiklen Situation mit deinem Kind reagieren könntest, die du dann aus dir (noch) unerklärlichen Gründen im entsprechenden Moment sowieso nicht umsetzen kannst. Dieses Buch geht den umgekehrten Weg. Du liest hier nicht, was du im Umgang mit deinem Kind zu tun oder zu lassen hast, um ein guter Elternteil zu sein, und es möchte dir keine Handlung empfehlen, ohne dass du weißt, wieso du so oft nicht tun kannst, was du eigentlich tun möchtest. Dieses Buch deckt die Ursache für die Schwierigkeiten zwischen euch auf und wird dich dabei begleiten, diese Hindernisse genau dort zu lösen, wo sie entstanden sind: in deiner eigenen Bindung.

Dieses Buch wird dir nicht verraten, wie du handeln musst, um eine gute Beziehung zu deinem Kind zu pflegen, aber es wird dich auffordern und anleiten, all das aufzulösen, was der Beantwortung dieser Frage und damit der guten Beziehung zu ihm im Weg steht.

Mit diesem Buch will ich nicht deinen Kopf bemühen, der ohnehin schon weiß, was gut ist für dein Kind. Schließlich hast du das schon 100-mal gelesen und schon 101-mal versucht, es umzusetzen. Dieses Buch will dein Herz berühren und etwas in dir zum Klingen bringen, das du sowieso schon in dir trägst: all die innere Wahrheit für den Umgang mit deinem Kind, auf die du nur manchmal nicht zugreifen kannst und nach der du dich so sehr sehnst. Es hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit und es ist kein Buch, über das man nachdenkt, sondern eins, dem man nachspürt.

Es möchte dich dabei unterstützen, die Frage danach, was du nun tun sollst, aus deinem Kopf zu streichen. Stattdessen wirst du Antworten auf die Frage finden, was du denken und fühlen musst, um der Elternteil zu sein, der du immer schon sein wolltest. Nebenbei wirst du Antworten finden, zu denen du vielleicht noch gar keine Frage gestellt hast, wirst die gefundenen Antworten vielleicht zuerst verfluchen und danach nie mehr missen wollen, denn sie stellen die tiefe, bedingungslose und echte Nähe zu deinem Kind her, die du dir jetzt noch so sehr für euch wünschst.

Dieses Buch wird unsichtbar in deiner Hosentasche stecken, wann immer du es brauchst: im nächsten Machtkampf, bei der nächsten schlechten Zensur, beim nächsten Wutanfall, in deinem nächsten Anflug von Sorge und Verzweiflung – als deine Intuition.

Du wirst zurückfinden in deine Haltung als der perfekt-unperfekte Elternteil für dein Kind und dich lösen können von all dem, was du bisher für Intuition hieltest, was am Ende aber nur eine unaufgeräumte Folge deiner eigenen Prägung war und dir deshalb als »Bauchgefühl« in der Beziehung zu deinem Kind im Weg stand.

Mit diesem Buch kann es dir gelingen, die innere Haltung zu gewinnen, die dir ganz und gar entspricht, denn die brauchst du, um authentisch zu handeln, weil Handlung nur dann zum Erfolg und der gewünschten Beziehung führt, wenn deine Haltung zu deiner Handlung passt.

Dieses Buch liefert dir eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, deine Haltung dir selbst anzupassen und so nachhaltig das Leben mit deinem Kind zu leben, das du dir eigentlich gewünscht hast. Erst dann musst du dich nicht mehr fragen, was du tun sollst, weil du längst weißt, was es braucht. Und dann handelst du. Neu, intuitiv und entsprechend der Haltung, die zu dir und deinem Kind passt, weil sie euch als Familie entspricht, nicht deiner Mutter, dem Lehrer oder der Nachbarin.

Und in den Momenten, in denen du es dann doch nicht weißt, ist es für dich nicht mehr dramatisch, weil du dich längst als fehlbar akzeptiert hast und weil es dir ganz nebenbei gelungen ist, dich von den Bedingungen zu befreien, die versehentlich an deine eigene Bindung geknüpft waren.

Während dein Kind nur sich selbst gehört, ist es doch so sehr angewiesen auf die Beziehung zu dir. Also löse auf, was der guten Beziehung zu deinem Kind im Weg steht, und mache eure sehr kurze gemeinsame Zeit zum Abenteuer. Entdecke, was du bisher an dir und in deinem (Familien-)Leben verpasst hast.

Aber Vorsicht: Dieses Buch könnte nicht nur nachhaltig die Beziehung zu deinem Kind verbessern, sondern gleich alle deine Beziehungen. Am meisten jedoch die Beziehung zu dir selbst und damit dein Leben mit dir selbst.

In jedem Kapitel stelle ich dir zunächst meine theoretischen Überlegungen zu den betreffenden Aspekten vor. Danach wird es mit Fallbeispielen aus meiner Praxis konkret. Und schließlich kannst du selbst aktiv werden: Am Ende eines jeden Kapitels stelle ich dir »To-feels« vor, mit denen du dich auf deine eigene Reise begeben kannst. (Ich bin kein Fan von To-dos ohne Gefühl und hoffe, im Laufe des Buches verstehst du, warum.) Für diese »To-feels« legst du dir am besten ein kleines Büchlein oder Heft zu, das du extra für diesen besonderen Anlass besorgst und in dem du all deine Erkenntnisse notieren kannst, die du auf der Reise mit diesem Buch sammeln wirst. Sie werden der sichtbar gewordene Weg in deine intuitive Haltung sein. Der Weg zurück zu dir und in echte und authentische Beziehung zu deinem Kind, für eine echte Nähe.

Ich freue mich auf unsere Reise!

Die Beziehungskluft

Wunsch vs. Realität

Das Dilemma der heutigen Eltern besteht darin, das Beste für ihr Kind zu wollen, ohne darauf zu vertrauen, dass das Beste bereits in ihm vorhanden ist und sich entfalten will.

Es liegt außerhalb deiner Kontrolle, wer dein Kind ist und wie sein Leben verlaufen wird, aber du entscheidest darüber, was es über sein Leben lernt. Du kannst dich entweder von dieser Erkenntnis lähmen lassen oder die gewaltige Chance darin erkennen und darüber entscheiden, was es im Gepäck hat, um diesem Leben zu begegnen. Lass uns dieser Aussage behutsam und achtsam näher treten, auch wenn du ihren mächtigen Auswirkungen im Alltag längst begegnet bist.

Elternwünsche: »Ich will doch nur das Beste«

Manchmal bedaure ich, dass es unmöglich bleibt, frische Eltern mit der Gelassenheit und Abgeklärtheit der Eltern auszustatten, die bereits ein oder zwei Kinder in ihr Erwachsenenleben hineinbegleitet haben. Sie würden dann zu einem frühen Zeitpunkt, nämlich wenn die Kinder noch sehr klein sind, über die wahren Elternschätze verfügen – was wäre das für ein Geschenk: über all jene Geheimnisse Bescheid zu wissen, die sie sich ansonsten im Laufe eines Elternlebens mühsam aneignen müssen, indem sie jeden »Fehler« im Umgang mit dem Kind einmal begehen, manchmal bereuen und daraus lernen, um ihn dann in der nächsten Situation zu umschiffen. Sie wüssten dann, dass eine gute Beziehung zum eigenen Kind nicht darin besteht, alles richtig zu machen, sondern dass es bedeutet, eine Beziehung zu haben, die ihre Fehler aushält.

Ich wünschte, alle jungen Eltern könnten von Tag eins ihrer Elternschaft an das Vertrauen in sich und ihre Kinder aufbringen, das es braucht, um die gemeinsame Reise zu einem Abenteuer zu machen. Dann könnten sie diese Reise genießen, ohne den begleitenden und stressenden Wunsch, »richtig« und komfortabel und ohne größere Katastrophen und Zwischenfälle zu reisen. Sie würden sich vermutlich erheblich weniger unsicher, schuldig oder überfordert fühlen, sondern gelassen und entspannt und voller Freude über das gemeinsame Erleben, weil sie wüssten, dass es Jahre braucht, um eine innige und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, und dass es einer Menge Fehler und innerer Bereitschaft zum Irrtum bedarf, um am Ende als Team in dieselbe Richtung zu blicken. Eltern wüssten dann, dass die größte gemeinsame Aufgabe darin bestehen wird, einander zu verzeihen, dass der andere nur ist, wer er ist, und niemals, wer er sein soll. So könnten sie einfach früher die echte Nähe zum Kind aufbauen und das Kind würde ein Leben lang von dieser Beziehung zehren.

Wahrscheinlich bist du mit schwerem Gepäck in dieses Experiment gestartet: mit hehren Zielen, großartigen Vorhaben und jeder Menge gutgemeinter Absichten. Vielleicht war dein Rucksack prall gefüllt mit guten Wünschen an das Zusammenleben: Spaß soll es machen, harmonisch soll es sein, entspannt wollt ihr miteinander umgehen, zugewandt und freundlich und immer bereit, Konflikte anzusprechen und zu klären. Die größten Sehnsüchte aber gehen an dein Kind. Für das Wertvollste in deinem Leben wünschst du dir nur das Beste: stark möge es werden, sozial integriert, leistungsbereit, zufrieden und voller Selbstvertrauen soll es einmal ins Leben starten. Vielleicht möchtest du das alles auch einfach »besser« machen, als deine Eltern es konnten, und hast dir vorgenommen, deine eigenen, oft schmerzhaften Erfahrungen im Umgang mit deinem Kind keinesfalls zu wiederholen. Dann wälzt du Literatur und weißt theoretisch genau, wie das mit der Erziehung funktioniert. Du gibst einfach zu jedem Zeitpunkt dein Bestes, auch über deine Belastungsgrenzen hinaus, denn dein Wunsch, dein Kind so zu begleiten, dass es zu einem glücklichen Erwachsenen heranwachsen kann, ist riesig, und er trägt dich.

Durch die guten Tage trägt er dich mühelos. An den schlechten Tagen begegnest du deinem Kind in der ganzen Pracht seiner Persönlichkeit. Du begegnest dir in deinem Kind.

Fallbeispiel: Lasse und Maren (1)

Ich erinnere mich noch gut an Maren. Maren war zum Zeitpunkt unserer Zusammenarbeit Anfang 40, verheiratet, Lehrerin und bemühte Mutter des 10-jährigen Lasse. Lasse stand am Übertritt zur weiterführenden Schule und litt seit einem Magen-Darm-Infekt vor einem Jahr in bestimmten Situationen unter Übelkeit und Erbrechen. Maren war verzweifelt, denn sie hatte sich für Lasse so sehr Stärke und Selbstvertrauen gewünscht, weil doch das die elementaren Zutaten für die Zufriedenheit in seinem Leben seien. Nun musste sie zusehen, wie er seinen Attacken zunehmend ausgeliefert war und sich immer weniger zutraute. Der neue Schulweg, der ihn nach den Sommerferien mit Bus und Bahn durch eine Großstadt führen sollte, war für ihn nicht zu bewältigen. Im Laufe unserer kurzen Zusammenarbeit stellte sich schnell heraus, dass Lasses Attacken in direktem Bezug zu einem Gefühl der Überforderung standen. Wann immer Maren der Meinung war, dass Lasse sich etwas zutrauen können sollte – einen Weg alleine zurücklegen, an einer Ferienveranstaltung teilnehmen –, stieg Lasse aus. Übelkeit und Erbrechen stellten sich ein und wurden unbewusst zu seinen Helfern, dem Gefühl der Überforderung zu entkommen. Gleichzeitig litt er unter diesem sich immer wiederholenden Ablauf, weil er sich zunehmend überfordert und auch bisher alltäglichen Situationen immer weniger gewachsen fühlte.

Marens Wunsch, Lasse mit Selbstvertrauen auszustatten, indem er sich seinem Alter angemessen neuen und unbekannten Situationen stellte, war völlig legitim und nachvollziehbar und ging dennoch nicht auf. Maren musste sich erst darüber klar werden, dass nicht sie vorgeben konnte, wie schnell ihr Sohn sich dem Leben und seinen Anforderungen zu stellen hat. Stattdessen sind die Grenzen ihres Sohnes der Maßstab dafür, Entdeckungen zu wagen. Nachdem Maren dies erkannt hatte, brauchte Lasse die belastende Symptomatik nicht mehr. Als sehr feinfühliger und introvertierter Junge brauchte er zur Entwicklung seines Selbstvertrauens das Gefühl, dass Maren ihm dabei vertraute. In dem Maße, in dem es seiner Mutter gelang, dieses Vertrauen zu entwickeln, konnte er sich fortan in seinem Tempo unbekannten Situationen aussetzen. Übelkeit und Erbrechen tauchten nicht mehr auf und den Schulweg bewältigte er neben vielen neuen Herausforderungen schnell spielend.

✓To-feel: Notiere deine Wünsche

Das Beste für dein Kind zu wollen ist legitim. Was das Beste ist, entscheidet es idealerweise selbst. Dennoch ist es wichtig, dass du dir einmal bewusst machst, was dir besonders am Herzen liegt. Bitte notiere heute deine drei eindringlichsten Wünsche für dein Kind. Du kannst dich an den folgenden Fragen orientieren: Was ist dir besonders wichtig in eurer gemeinsamen Zeit? Was soll dein Kind von dir lernen? Was möchtest du ihm mitgeben auf dem Weg in sein Leben? Welche Werte soll es im Gepäck haben? Was wünschst du dir für sein Leben? Welchen Fehler möchtest du dabei keinesfalls begehen und was wäre, wenn du es doch tätest?

Elternrealität: »Was machen wir falsch?«

Wenn du dieses Buch liest, hast du sicherlich längst die Welt der guten Wünsche verlassen und bist in der Elternrealität angekommen, in dem Teil eures Familienlebens, der deine guten Wünsche immerzu torpediert. Du weißt schon: der Kampf um Zähneputzen und Hausaufgaben; die Ansprüche von Schule und Gesellschaft; deine inneren Antreiber, die Perfektion von dir verlangen und dich zu oft zu gestresst sein lassen, um zu sein; deine Sorge um die Entwicklung deines Kindes und all die Unsicherheit, die daraus entsteht. Längst kannst du nicht mehr jedes Gefühl deines Kindes optimal begleiten, nicht mehr jeden Konflikt nachhaltig lösen, dein Kind nicht mehr in jeder Phase seiner Entwicklung erreichen oder gar beschützen.

Während du also versuchst, allen Anforderungen deines Alltags gerecht zu werden und auftauchende pädagogische Herausforderungen zu bewältigen, dein Kind abwechselnd mit Engelszungen besingst oder es lautstark zur Erledigung der Hausaufgaben aufforderst, schleichen sich leise Zweifel in deinen Alltag: Soll das alles so sein? Handhabst du das richtig? Solltest du konsequenter sein? Oder weniger streng? Hat der Teil der Familie doch recht, der behauptet, dein Kind würde dir bald auf der Nase herumtanzen?

Du zermarterst dir das Hirn über der Frage, warum dein Kind eine bestimmte Sache, die es unterlassen soll, immer wieder tut, und eine andere, die du von ihm einforderst, konsequent liegen lässt. Du verstehst nicht, wo die Leichtigkeit und der Spaß geblieben sind und wieso ihr alle so viel miteinander kämpft oder zu wenig redet, lacht und das Leben genießt. Du wünschst dir Klarheit und es fehlt doch der Durchblick. Du wünschst dir Leichtigkeit und zu oft ist einfach alles nur anstrengend. Du wünschst dir Nähe und Unterstützung und fühlst dich doch oft allein und überfordert. Du wünschst dir ein bestimmtes Verhalten deines Kindes und wirst einfach nicht gehört. Du hast eine klare Vorstellung davon, wie euer gemeinsames Leben aussehen soll – aber in der Realität, in der du dich gerade befindest, bis du zu oft zu weit davon entfernt. Wie ist das möglich?

Fallbeispiel: Lasse und Maren (2)

Lass uns nochmals einen Blick auf Maren und Lasse werfen. Maren wusste sehr genau, wie wichtig es für die Entwicklung des Selbstvertrauens von Kindern ist, sich auszuprobieren und neue Herausforderungen zu bewältigen. Auf diese Weise entwickelt sich Selbstwirksamkeit – eine wichtige Zutat für das Vertrauen eines Menschen in sich und die Welt. Maren selbst war es schon immer schwergefallen, darauf zu vertrauen, dass die Dinge sich auch ohne ihr Zutun gut entwickeln würden. Daher wollte sie unbewusst Lasse davor bewahren, sich und der Welt nicht ausreichend zu vertrauen. Sie wollte ihn mit der Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens stärken, weil sie selbst unter diesem Mangel litt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Lasses langsamer Zugang zu allem Neuen und Unbekannten verursachte in Maren Zweifel und Ängste. Ohne es zu wollen, übertrug sie diese Ängste auf Lasse, gerade weil sie ihn dazu aufforderte, sich ihnen zu stellen. Sein Selbstvertrauen konnte sich nur deshalb nicht regelrecht entwickeln, weil sie dort ermutigend und auffordernd auf Lasse einwirkte, wo sie befürchtete, dass er es nicht entwickeln könnte. Wie sollte er sich in dieser Hinsicht vertrauen lernen, wenn seine Mutter ihm nicht vertraute und die Grenzen seiner eigenen Belastbarkeit aus eigener Sorge nicht geachtet wurden?

Du kannst dir vermutlich vorstellen, wie anstrengend sich der Alltag der beiden gestaltete, bis ihnen beiden bewusst war, worin genau die wirkliche Ursache für ihre Konflikte und Marens Ängste bestand. Ihre besten Wünsche für Lasse hatten mit der erlebten Lebensrealität nicht mehr viel gemeinsam, denn die war geprägt von Sorge und Hilflosigkeit. Es war an Maren, herauszufinden, wie sie in diese Kluft zwischen Wunsch und Realität geraten war. Zu erkennen, dass ihre eigene Angst dazu führte, Lasse zu überfordern, veränderte ihre Haltung gegenüber ihren Ansprüchen an Lasse. Sie konnte ihn lassen und er konnte sich trauen.

✓To-feel: Mache eine Bestandsaufnahme

Notiere die Realität, in der du dich gerade mit deinem Kind und in deiner Familie befindest. Was genau sind deine Sorgen, deine unausgesprochenen Ängste und deine Befürchtungen im Hinblick auf dein Kind und euer Zusammenleben als Eltern? Was an deiner Lebensrealität verursacht bei dir Anspannung und Stress und ist manchmal einfach zum Davonlaufen? In welcher Kluft zwischen Wunsch und Realität befindest du dich in deinen Gedanken und Gefühlen und vor allem: Welchen guten Grund hast du, daran festzuhalten? Was glaubst du, brauchst du, um diese Kluft zu überwinden?

Auf Ursachensuche

Als Eltern müssen wir unseren Kindern die Welt erklären, während wir selbst nicht wissen, wie wir in ihr funktionieren, und das zumeist nicht mal bemerken. Wie soll das gehen?

Fehlende Vorbilder: Wie geht eigentlich Beziehung?

Woher hast du eigentlich deine Kenntnisse über Beziehung? Ernsthaft, woher weißt du all das, was du über Beziehung, Liebe und Nähe weißt? Wieso wählst du Beziehung vor Erziehung, woher weißt du, wann du wie viel Nähe oder Distanz benötigst, und wie klärst du Konflikte in deinen Beziehungen? Ich spreche hier explizit von Beziehungen jeder Art, denn die Beziehung zu deinem Kind folgt keinem großartig anderen Muster als jene zu deinem Partner, deiner Mutter oder dir selbst. Woher weißt du, wie Beziehung für dich und dein Kind funktioniert und wie nicht? Hast du dir das angelesen? Ist das eine Charaktersache oder die Summe deiner Erfahrungen? Woher weißt du, was du weißt, und wieso glaubst du, was du glaubst? Ich sag’s dir: Was du weißt, hast du von deinen Eltern. Die wissen all das wiederum von ihren Eltern, die das von ihren Eltern wissen. Womit die Beziehungswelt deines Kindes ganz schön viel gemeinsam hat mit der Beziehungswelt deiner Großeltern, nicht wahr?

Das Lernen von den eigenen Eltern funktioniert aber nicht wie das Lernen in der Schule, bei dem beiden Seiten klar ist, dass sie sich nun in einer Lernsituation befinden und welches Fach gerade dran ist. Das Lernen an den Eltern und durch die Eltern findet viel subtiler, weniger reflektiert und zumeist völlig unbewusst statt. Wir lernen von unseren Eltern explizit nicht das, was sie sich für uns wünschen oder was wir lernen sollen, sondern wir lernen das, was sie bereits über eine Sache wissen, indem sie diese Sache leben. Leben sie dieses Vorbild nicht, so lernen wir auch das. Wir beobachten ihr Verhalten in ihrer Welt und gegenüber der Welt und ziehen daraus unbewusst Rückschlüsse für unser eigenes Verhalten. Wir erfahren also an ihnen, wie diese Welt funktioniert und wie wir in ihr funktionieren. Das ist der Grund, wieso du und ich und deine Nachbarin völlig unterschiedliche Dinge über die Welt, über Beziehungen, über Geld, Liebe und Politik glauben können. Dieses unwillkürliche Lernen nennen wir Prägung. Stell es dir vor wie eine Brille, die man dir als Kind auf die Nase gesetzt hat und die einen ganz individuellen Farbfilter besitzt, der deine Welt fortan in diese Farbe taucht. Alles, was du ab jetzt wahrnimmst, jede Begegnung, jede Beziehung, jede Erfahrung wird von dieser Prägung gefärbt. Deswegen ist es vollkommen egal, was du dir für dein Kind wünschst – am Ende lernt es das von dir, was du von deinen Eltern gelernt hast, und zwar so lange, bis du das aktiv änderst.

Darin liegen Tücke und Chance zugleich. Vielleicht hattest du Glück und ganz außerordentlich großartige Vorbilder für all dieses wichtige Wissen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, kenne ich aber niemanden mit diesem Glück, denn die Generationen vor uns haben bei der Kindererziehung oft vor allem auf Gehorsam gesetzt. Das kann man ihnen meist nicht vorwerfen, denn die Vorstellungen davon, wie das Leben funktioniert und auf welche Weise die Kinder später ihren Platz darin einnehmen sollten, waren oft ganz andere als heute. Ganz abgesehen von den historischen Rahmenbedingungen – Krieg, Mangel, totalitäre Systeme –, unter denen Erziehung lange Zeit stattfand. Heute möchten wir unsere Kinder aber auf eine Welt vorbereiten, in der sie Humanität, Authentizität und Beziehungsfähigkeit brauchen, um das eigene Potenzial zu entdecken und die neuen (globalen) Probleme zu lösen. Wir möchten Gehorsam gegen Beziehung und Kontrolle gegen Vertrauen austauschen, weil diese Erziehungsziele heute endlich Platz finden und sich nicht dem nackten Überleben unterordnen müssen. Und weil es eine Aufgabe dieser Elterngeneration ist, sich von der Vorstellung zu befreien, im Leben ginge es nicht um die bunten Farben, sondern ums Malen innerhalb der Linien und ums Funktionieren.

Die Generation Eltern, die diese uralte Konditionierung aufheben wollen, nennen wir Cycle Breaker. Sie möchten ihrem Kind bedingungslose Bindung ermöglichen und die Lücke zwischen Wunsch und Realität für ihr Kind überwinden. Wenn du dein Kind lehren möchtest, respektvoll, integer, aufgeschlossen und verantwortlich in dieser Welt zu leben und für seine Werte einzustehen, dann ist es hilfreich, selbst respektvoll, integer, aufgeschlossen und verantwortlich zu leben und für deine Werte einzustehen. Wenn du dir eine innige und vertrauensvolle Beziehung zu ihm wünschst, dann musst du sie lediglich leben. Zugegeben, du musst es leben, ohne dass dir jemand gezeigt hätte, wie das funktioniert, und dies ist die eigentliche Schwierigkeit im Umgang mit deinem Kind. Diese Elterngeneration findet sich in der Verantwortung wieder, hinzuzulernen, Bewusstsein zu schaffen, neue und nachhaltige Werte zu schaffen und sie zu leben, und vor allem ist sie in der Pflicht, nicht mehr so zu tun, als würde morgen noch funktionieren, was gestern schon überholt war.

Dein Kind kann nur lernen, was du weißt, indem du es lebst, und dazu gehört eben nicht nur das, wovon du weißt, dass du es weißt. Dazu gehört vor allem all das Unbewusste, all das, wovon du gar nicht merkst, dass es dich und deine Handlungen im Laufe eines Tages in erheblichem Maße steuert. Der Großteil dessen, was wir denken, fühlen und tun, läuft unbewusst ab, ganz ohne, dass du es überhaupt bemerkst. Wir werden darauf ausführlich zurückkommen. Kurz gesagt bedeutet das, dass du Dinge über dich, die Welt, über Beziehungen und den Umgang mit Kindern gelernt hast, von denen du zumeist nicht mal weißt. Außerdem ist nicht alles, was wir für wahr halten, auch tatsächlich wahr oder für alle wahr. Viel zu oft machen wir aus relativer Wahrheit absolute Wahrheiten, was wiederum darin begründet ist, auf welche Weise wir von unseren Eltern lernen, denn wir wissen ja nun: Das, was wir von ihnen über die Welt lernen, wird für uns zur Welt. Das Dilemma ist perfekt, weil wir davon ausgehen, dass andere die Welt genauso wahrnehmen wie wir, dass sie also dieselbe Brille der Wahrnehmung vor den Augen haben. Und als sei das alles nicht absurd und unkontrollierbar genug, nein, du folgst dieser gelernten inneren Ordnung und handelst auf höchst logische, aber unbewusste Art so, dass diese Ordnung erhalten bleibt. Denn dann ist deine innere Welt gerade, und nach dieser Balance strebt deine Psyche in jedem Augenblick. Diese innere Haltung wirkt in jedem Moment deines Alltags, den dein Kind seine Kindheit nennt: Wenn du mit deinem Kind über den dritten Nachtisch diskutierst, wenn du dir wünschst, von ihm gehört zu werden und es doch bitte sein Zimmer aufräumen soll oder wenn du dich über den Lehrer deines Kindes ärgerst. Deine unbewusste und in der Kindheit erworbene Haltung zum inneren Gerüst der Welt wirkt zu jedem Zeitpunkt deines Tages auf deine Handlungen. Während du also behauptest, etwas Neues zu wollen, handelst du, um das Alte zu erhalten. Und dann wunderst du dich über das Ergebnis. In diesem Fall darüber, dass du eine harmonische, starke und authentische Beziehung zu deinem Kind leben möchtest, auf eine Art und Weise, die du nicht gelernt hast, für die du keine Vorbilder finden kannst und die deiner inneren Ordnung völlig zuwiderläuft.

Höchste Zeit, deine gefärbte Brille abzunehmen und umzulernen.

Gesellschaftliche Erwartungen

Einhergehend mit all dem, was wir alles nicht über echte Verbundenheit in Beziehungen wissen, machen uns zusätzlich gesellschaftliche Erwartungen das Leben schwer, denn in dieser Gesellschaft soll sich unser Kind ja zurechtfinden. Spätestens mit Eintritt in die Schule haben Eltern dann das Gefühl, dass sie nun nicht mehr allein Quelle, Inspiration und sicherer Hafen für die Weltanschauung des eigenen Kindes sind. Sie merken, dass der Einfluss des Systems, in dem wir alle leben und das wir alle ausmachen, erheblich oder auch zu groß ist. Familien, die »kindergartenfrei« leben oder ihre Kinder als »Freilerner« nicht zur Schule schicken möchten, erleben einen echten Boom. Immer mehr Eltern haben das Gefühl, die Persönlichkeit ihres Kindes mit Eintritt in diese Institutionen an die Gesellschaft auszuliefern, ja, sie auf eine bestimmte Art zu verlieren. Sie sind der Überzeugung, dass es ihrem Kind nicht möglich sei, es selbst zu bleiben und gleichzeitig im gesellschaftlichen System anzukommen oder dieses gar zu gestalten. Sie glauben, dass Individualität und Zugehörigkeit zum System sich ausschließen und das Kind sich unweigerlich für die Zugehörigkeit entscheiden müsse. So sehen sie keine andere Möglichkeit, diesem Spagat zu begegnen, als ihn zu vermeiden und ihr Kind dem System eben nicht auszusetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es möglich ist, die von Eltern als Gefahr wahrgenommenen Erwartungen im Außen nicht vermeiden zu müssen, sondern überwinden zu können. Das ist die einzige langfristige und nachhaltige Lösung für unsere Kinder – zumindest wenn wir möchten, dass das Kind zu einem integrierten und essenziellen Bestandteil dieser Gesellschaft wird. Zu einem Bestandteil, der sich mit all seinem Potenzial und seiner ganzen bunten Persönlichkeit einbringen und sie bereichern kann und nicht nur mit dem Teil, der aktuell als gesellschaftskonform angesehen wird.

Selbstredend gehören zur Gesellschaft auch deine Familie, im engeren und im weiteren Sinne, deine Nachbarn, die Eltern der Freunde deines Kindes und deine beste Freundin oder dein Kollege. Alle eben. Wir alle sind diese Gesellschaft und wir alle tragen unsere Wahrnehmungsbrille auf unserer Nase spazieren, durch die die Welt in einer individuellen Farbe erscheint. Dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden, würden wir nicht automatisch davon ausgehen, dass unser Gegenüber dieselbe Brille trägt. Denn dadurch meinen wir, dass alle anderen über dieselbe innere Ordnung verfügen wie wir, die Welt also genauso wahrnehmen und auch das Gleiche für »richtig« halten.

Immer dann, wenn genügend Menschen etwas gleichzeitig für richtig halten, entsteht eine Norm, eine Konvention, eine Orientierung im Außen, die uns Halt und Übersicht darüber vermitteln soll, wer wir sind, wer wir besser nie sein werden und wo wir im Leben und im Rang der Gesellschaft stehen. Diese Erwartungen können erheblichen inneren Druck ausüben, etwa weil der Lehrer zum dritten Mal in einem Halbjahr darauf hinweist, dass ein Kind die Norm nicht erfüllt, dass es zu laut, zu leise, zu fordernd, zu unbeteiligt, zu ruhig, zu unruhig, zu anders ist. Das beunruhigt die Eltern zumeist sehr, denn sie haben sich still und heimlich gewünscht, ihr Kind passe in die Norm. In meiner Praxis begegnet mir nahezu kein Elternteil, der darüber nicht besorgt ist, was sich in Aussagen widerspiegelt wie: »das Kind muss doch lernen, dass es nicht immer alles entscheiden kann«; »ein Kind muss sich auch mal unterordnen können«, »man kann nicht immer nur Spaß haben«; »das Leben ist kein Ponyhof«.