Ein Fall für Binz? - Beat Miller - E-Book

Ein Fall für Binz? E-Book

Beat Miller

4,0

  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Wenn der Mord zur Nebensache wird, was bleibt dann dem Ermittler? – Die Suche nach dem Motiv und einem Weg zur Überführung des Täters. Binz muss verschlungene Wege gehen, mit Strategie seinen Vorteil suchen und bei alledem auch noch seine Kollegen überzeugen. Dennoch spielt ihm der Fall am Ende einen unerwarteten Streich. Ob ihm deshalb der Erfolg versagt bleibt, hat der Leser zu entscheiden.

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Seitenzahl: 217

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Beat Miller

Ein Fall für Binz?

Kriminalroman

Namen, handelnde Personen und Handlungen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten daher rein zufällig

Eine überaus anstrengende, am Ende dann aber doch erfolgreiche Arbeitswoche hatte nun hinter ihm gelegen. Binz hatte es wieder einmal allen gezeigt und keiner hatte zu Beginn geglaubt, dass ihm die Lösung des Falles gelingen würde. Er hatte im Betrugsdezernat der Frankfurter Polizei zwar nur ein Gastspiel gegeben. Sein ganz anderer Blick auf, oder besser gesagt hinter den Sachverhalt, hatte den Kollegen gezeigt, dass man als Polizist nicht auf die übliche Vorgehensweise vertrauen darf. Dafür hatten sie ihn erst schräg angesehen, dann aber doch gemerkt, dass er Recht hatte.

Natürlich hatte er es diesmal mit dem Ermittlungseifer ein wenig übertrieben gehabt. Er hatte den Kollegen vom Betrugsdezernat eben zeigen wollen, dass man bei den Rechten des Beschuldigten durchaus auch mal die Kirche im Dorf lassen kann. Schließlich hatte der Mann im Vernehmungsraum weit über hundert Menschen, darunter auch Freunde, um ihre Ersparnisse gebracht und hatte man bei der Durchsuchung von all dem Geld nichts mehr gefunden.

Der obligatorische zweite Vernehmungsbeamte hatte den Raum nach Vernehmungsbeginn kurz verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Binz hatte dem Beschuldigten seine Rechte bereits vorgelesen und diesen darauf hingewiesen gehabt, dass es ihm freistehe, sich zur Sache zu äußern oder einen Anwalt mit der Verteidigung zu beauftragen und zur Vernehmung beizuziehen, und nun hatten sie einander erst mal schweigend gegenüber gesessen.

Binz hatte abgewartet, bis die Tür zum Vernehmungszimmer ins Schloss gefallen war und dann hatte er den bis dahin sattelfest erschienenen Beschuldigten urplötzlich angeschrien und ihn mit der Wahrheit konfrontiert. Binz lautes Gebrüll war auf dem Gang des Polizeipräsidiums zu hören gewesen. Der Kollege war deshalb ins Vernehmungszimmer gestürmt, hatte Binz am Arm gepackt und gesagt: „Jakob, das kannst Du nicht machen!“

Binz hatte nun seinerseits den Raum verlassen und einen anderen Kollegen geholt, damit die Vernehmung ordnungsgemäß zu Ende geführt werden konnte. Gut eine dreiviertel Stunde hatte Binz draußen im Gang gewartet und als sich die Tür zur Vernehmung wieder geöffnet hatte, war der Kollege auf Binz zugekommen und hatte gesagt: „Er hat gestanden. Gute Arbeit, Binz!“

Seine Aufgabe im Betrugsdezernat war damit erfüllt, wenngleich ihn sein Brüll-Auftritt dienstlich in Schwierigkeiten brachte, die aber auch wegen seines großen Ermittlungserfolgs ohne ernste Konsequenzen im Sande zu verlaufen versprachen. Schließlich hatte er den Beschuldigten weder misshandelt, noch körperlich angegriffen oder sonst gequält. Er hatte ihn lediglich mit der blanken Wahrheit konfrontiert und ihn angeschrien, um ihn aus seiner selbstgefälligen Haltung herauszubringen. Er hatte wissen sollen, dass es jemanden gibt, der seinen Betrug nicht auf die leichte Schulter nimmt, so nach dem Motto: Die gierigen Opfer sind doch selber schuld. 

Nun hatte sich Binz auf der Reise in den verdienten Jahresurlaub befunden, hoffentlich auch zur Besinnung und inneren Umkehr, das jedenfalls hatte ihm sein Chef mit auf den Weg gegeben. 

Der Zug hatte den Frankfurter Hauptbahnhof bereits verlassen gehabt, Binz hatte einen Fensterplatz reservieren lassen und sich erst einmal darüber geärgert, dass dieser Platz bei seinem Erscheinen von einer Person bereits besetzt gewesen war. Er hatte sich die Person näher angesehen und gedacht, dass die junge Frau, die ein schlafendes Kind im Arm gehalten hatte, wohl schon länger in diesem Zug sitzt und das Kind, sollte er sie nun von ihrem Platz vertreiben, sicher aufwachen und dann ganz fürchterlich zu schreien beginnen würde. Sein Chef hatte ihm aber Besinnung und innere Umkehr geraten und also hatte Binz auf seinen reservierten Platz verzichtet und sich eben ins nächste Abteil begeben mit freiem Platz am Fenster.

Noch fuhr der Zug langsam durch ein Meer von Gleisanlagen hindurch hinaus aus der Stadt und liefen die Fahrgäste schwer bepackt durch die Gänge, um einen Sitzplatz zu ergattern. Im Abteil von Binz war zwar kein weiterer Platz mehr frei, man hatte dies von außen jedoch nicht leicht sehen können, da die Vorhänge zugezogen waren. Die Tür wurde folglich mehrfach auf- und zugestoßen und da sich Binz das bunte Treiben und die zunehmende Verzweiflung in den Gesichtern der Fahrgäste von seinem Platz aus sehr gerne angesehen hatte, hatte dieses dazu geführt, dass die Tür erneut aufgestoßen und laut ins Abteil hineingerufen wurde: „Binz, Du hier im Zug! Auch auf Dienstreise, oder was?“

Der Schmidt von der Frankfurter Mordkommission war über die Anwesenheit seines Kollegen im Zug hellauf begeistert und weil im Abteil kein Platz mehr frei und ersichtlich niemand bereit war, sich anstelle des Schmidt auf die Suche zu begeben, hatten sich die beiden, obwohl erst gegen halb zwölf, dafür entschieden, in das Zugrestaurant überzuwechseln und die Bewachung des bereits verstauten Gepäcks von Binz den übrigen Mitreisenden mit dem rein vorsorglichen Hinweis zu überlassen: „Wir sind Kollegen bei der Polizei!“

Gleichsam gegen den Strom drängten Binz und Schmidt durch die Sitzplatzsuchenden und deren mitgeführten Gepäckstücke zielsicher in Richtung Mitte des Zugs, setzten sich an den ersten freien Tisch im Restaurant und bestellten erst einmal nur ein Wasser.

Binz war für ein halbes Jahr ans Betrugsdezernat ausgeliehen gewesen und Schmidt hatte da natürlich einen ausführlichen Bericht von seinem Kollegen erwartet und gehofft, dass die Zeit bis zur Ankunft des Zuges in Stuttgart im Nu verflogen sein würde. Dort hatte auf Schmidt die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung gewartet und bis dahin hatte es geheißen: Na, dann erzähl doch mal.

„Ohne Namen, versteht sich,“ hatte Binz gesagt und sogleich damit begonnen, von seinem Betrugsfall zu erzählen: „Du wirst es nicht glauben!“

Der Fall spielte in Namibia und es ging um Diamanten. Dort unten gibt es jede Menge Minen. Der Abbau ist höchst lukrativ, zugleich aber finanzintensiv. Wahrscheinlich müssen dort Leute bestochen werden, um an die guten Claims zu kommen und es muss ja auch erst mal gebohrt werden, bis man an die Schätze gelangt. Jedenfalls kann im Ausgangspunkt gesagt werden: „Alles sehr undurchsichtig. In der Branche tummeln sich viele schräge Vögel.“

Wie auch immer! In unserem Fall war es so, dass sich ein findiger Geschäftsmann aus Frankfurt auf den Weg nach Namibia gemacht und von dort ein Dokument mit nach Hause zurückgebracht hat, aus welchem sich ein vom Staate Namibia verliehenes Schürfrecht ergab.

Das Dokument war auf die Firma des Frankfurter Geschäftsmanns ausgestellt und dieses Dokument hatte der Betrüger seinen engsten Freunden präsentiert und diese überzeugt, in das vorgeblich sehr lukrative Unternehmen „Diamant-Rausch“ kräftig zu investieren. Im Gegenzug wurden nicht börsennotierte Aktien herausgegeben und ein Hochglanzprospekt mit Bildern von schwerem Gerät, mit Stollen im Berg und einer Landkarte mit Zufahrtswegen gedruckt.

Nach wenigen Wochen war der Betrüger so an gut 200.000 Euro gelangt, hatte sich wieder auf die Reise nach Namibia gemacht und seinen Geschäftspartnern zum Abschied ganz euphorisch zugerufen: „Ihr werdet sehen, ich komme mit Diamanten zurück!“

Zwei Jahre später war der Betrüger wieder zurückgekehrt, hatte tatsächlich Diamanten im Wert von 40.000 Euro dabei und dann auch noch eine leicht vergilbte Landkarte zu einem noch viel größeren  Schürfgebiet als im Prospekt zuvor abgebildet gewesen war.

Die Geschäftspartner waren hellauf begeistert: Eine Rendite von 10%  pro Jahr und die Aussicht auf noch viel mehr. Das hatte gereicht, um eine kräftige Kapitalerhöhung und die Ausgabe neuer Aktien zu beschließen. 

Binz hatte innegehalten und seinen Kollegen fragend angeschaut, denn Schmidt hatte die ganze Zeit über vollauf begeistert zugehört und hätte es anscheinend auch vorübergehend bedauert, nicht selbst die Chance gehabt zu haben, an diesem Diamant-Rausch teilzunehmen, wäre nicht bereits klar gewesen, dass es sich um einen Betrugsfall gehandelt hat.

Von seinen Freunden und Geschäftspartnern erneut mit frischem Kapital ausgestattet, hatte sich der Betrüger nun wieder auf den Weg nach Namibia gemacht und konnte schon nach einem halben Jahr ein sich auf das in der vergilbten Karte abgebildete Gebiet beziehende Schürfrechtsdokument vorlegen. Ein riesen Coup für die Gesellschaft und Anlass zum kräftig Feiern für die hocherfreuten Gesellschafter: Champagner-Korken knallten, Kaviar-Dosen wurden geöffnet und leichte Mädchen aus Schwarz-Afrika aus dem Bahnhofsviertel geordert.

„Und, wie geht die Geschichte weiter?“ hatte Schmidt begierig wissen wollen. Doch die Betrugsgeschichte von Binz hatte gerade erst begonnen und er hatte gesagt: „Du wirst schon sehen, wie der Hase bei den Anlagebetrügern läuft.“

Vier von fünf Gesellschaftern hatte sich nach dem rauschenden Fest für eine kräftige Neuinvestition und vor allem für die Anwerbung neuer Investoren entschieden. Einer jedoch hatte nicht mehr das nötige Geld für einen Nachschlag und daher seine Investition zurückhaben oder wenigstens genau wissen wollen, wofür das Geld verwendet worden war: Kauf von Maschinen, Bezahlung von Arbeitern und so weiter.

Doch der Betrüger hatte sich darauf berufen, alle relevanten Unterlagen in seinem Schürf-Büro in Namibia zu haben und aus der Erinnerung nicht mehr sagen zu können, für was die 200.000 nun ganz konkret eingesetzt wurden. Das brachte Ärger, denn Geld zur Auszahlung des Geschäftsanteils war ja nicht vorhanden. Es musste  erst noch neues Kapital beschafft werden.

Die vier überzeugten Gesellschafter hatten sich hingegen weiter im Diamanten-Rausch befunden, auf eine große Zukunft gehofft und ihren Mitgesellschafter daher kurzerhand von der Feier ausgeschlossen. Schließlich hatte man sich das lukrative Geschäft nicht allein deshalb vermiesen lassen wollen, nur weil einer kalte Füße bekommt und nicht mehr investieren kann oder will.

Erneut hatte Binz seinen noch immer gespannten Kollegen fragend angesehen. Er hatte wissen wollen, wie der sich in der gegebenen Situation verhalten hätte. Der Schmidt hatte kurz überlegt und dann gesagt: „Also, ich weiß nicht. Aber es ist doch klar, dass man nicht alle Investitionen im Kopf haben kann und dass die Unterlagen im Büro in Namibia sind. Ich denke, ich hätte weiter investiert. Hat doch gut geklappt mit der ersten Schürfung. Immerhin 40.000 Euro Ertrag nach nur zwei Jahren.“

Und ganz genau so hatten dann auch all die Betrugsopfer gedacht, zusammen noch weitere 2.000.000 Euro in das Unternehmen „Diamant-Rausch“ investiert und ihre Aktien-Pakete sorgsam in den Safe gelegt.

Doch der Reihe nach: Derjenige, der von der Feier ausgeschlossen wurde, hatte sich aus Verärgerung und weil seine Frau den Eindruck hatte, dass da doch irgendetwas nicht stimmen könne, an die Staatsanwaltschaft gewandt und Strafanzeige wegen Verdacht auf Betrug gestellt.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Anzeige zum Anlass genommen, die Wohnung des Betrügers zu durchsuchen und alle Unterlagen mitzunehmen, die sich auf das Namibia-Geschäft bezogen hatten. Darunter: Entwürfe und Prospekte, Aktienpapiere, Schriftverkehr mit und aus Namibia, Auszüge vom deutschen Geschäftskonto der Gesellschaft mit vielen Überweisungen vor allem auf dasjenige in Namibia, Anfragen beim örtlichen Bergbauamt, Schürferlaubnisse des Staates in der Landessprache mit deutscher Übersetzung, eine Liste für die Neukundenwerbung, den Kapitalerhöhungsbeschluss und noch einige Kaufverträge für Bergbaumaschinen und Ähnliches. 

Alles hatte der Leiter der Durchsuchung unter lautstarkem Protest des Betrügers im Sicherstellungsverzeichnis vermerkt, davon eine Kopie zurückgelassen und die aufgefundenen Beweismittel, in zwei große Kisten verpackt, mitgenommen.

Es hatte nicht einmal einen Tag gedauert, dass sich bei der Polizei ein, nach dem Eindruck von Binz, windiger Verteidiger zur Akte gemeldet und Akteneinsicht beantragt hatte. Diese wurde zeitnah an Amtsstelle gewährt, weil der Verteidiger nach dem Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft verlangt und der den Untersuchungszweck wegen der bereits erfolgten Sicherstellung der verfahrensrelevanten Unterlagen als  nicht gefährdet eingeschätzt hatte.

Nicht einmal einen weiteren Tag hatte es gedauert, bis der Verteidiger zusammen mit seinem Antrag auf Verfahrenseinstellung wegen fehlenden Tatverdachts die Kopie des Verkaufsprospekts und die Schürflizenz nebst deutscher Übersetzung zur Akte gereicht und insoweit die Frage stellte: „Wo ist hier denn das Problem?“

Erneut hatte Binz seinen Kollegen erwartungsvoll angesehen, doch der Kollege hatte seinerseits nur fragend zurückgeblickt. „Was glaubst Du?“ hatte Binz gefragt und sich schon auf die Antwort gefreut. Doch auch Schmidt war da nichts komisch vorgekommen: „Aber wenn doch eine Lizenz vorlag und das Geld der Investoren auf ein Firmenkonto eingezahlt wurde, wo hätte man da einen Verdacht auf Betrug festmachen können?“

Binz hatte seinen Kollegen da durchaus bestätigen können und zu diesem gesagt, dass der zuständige Staatsanwalt das ebenso gesehen habe wie Schmidt, das Verfahren wurde daher zeitnah wieder eingestellt hatte und dem Betrüger so ein ‚Persilschein‘ mit auf den Weg zur ganz großen Investoren Road-Show gegeben wurde: „Nach der Verfahrenseinstellung waren alle Zweifel zerstreut und die Gesellschafter hatten den Betrüger für weitere acht Wochen zur Fortsetzung des ‚Diamant-Rausch-Geschäfts‘ mit den dafür benötigten 2.000.000 Euro auf die Reise geschickt.“

Und jetzt wird die Geschichte rund: „Das Geld war dann nämlich weg!“

Bei dieser Nachricht erschrak Schmidt, sah auf seine Uhr und stellte nicht eben zufrieden fest, dass der Zug schon bald in den Bahnhof von Stuttgart einfahren würde: „Sag mal, Jakob, wo fährst Du denn eigentlich hin?“

Und weil Binz seinerseits in Stuttgart zwecks Weiterfahrt nach Schwäbisch Gmünd auszusteigen hatte, hatte er den Schmidt da ganz beruhigen und noch auf eine Tasse Kaffee einladen können, damit der das Ende der Geschichte auch noch erfährt.

Binz hatte seinen Kollegen, bevor er weiter von seinem letzten Fall erzählte, zunächst einmal sehr nachdenklich angeblickt. Er hatte sich gefragt, wie es möglich sei, dass sogar solche Personen, welche die bösen Absichten der Verbrecher Tag täglich zur Kenntnis hatten nehmen müssen, so leicht über den Tisch hätten gezogen werden können.

Binz hatte von seinem Kollegen daher zunächst wissen wollen, was der denn geprüft hätte, wenn er als möglicher Investor für den sogenannten „Diamant-Rausch“ angesprochen worden wäre und der hatte dazu nur gesagt: „Ich hätte natürlich überprüft, ob es sich bei dem Stempel auf der Schürf-Lizenz um eine Fälschung handelt, und dann noch, ob die aus Afrika mitgebrachten Diamanten wirklich echt sind.“

Binz hatte Schmidt da beruhigen können: „Alles echt!“

Und während sein Kollege der Auflösung des Rätsels immer neugieriger entgegen zu fiebern schien, hatte sich bei Binz eine überaus zufriedene Wärme ums Herz gelegt und waren seine Augen vor lauter List nur so übergequollen.

Auf ein denk doch mal nach, hatte sich Binz dann aber nicht mehr verlegen wollen und daher dem Schmidt direkt auf den Kopf zugesagt: „Du willst ein Haus bauen, was brauchst Du dafür?“ Eine Baugenehmigung von der Gemeinde natürlich, „und was noch?“ Na ein Grundstück, das Dir gehört! „Oder hast Du es schon mal erlebt, dass Du Dich einfach auf ein fremdes Grundstück stellen und mit dem Bau beginnen darfst, nur weil Du im Besitz einer öffentlich-rechtlichen Baugenehmigung bist? Natürlich nicht, denn nur der Eigentümer kann das.“

Eine einfache Nachfrage, ob die Gesellschaft zur Schürf-Erlaubnis auch noch das passende Grundstück besitzt, hätte genügt, um den Betrüger auffliegen zu lassen, doch auf diese Idee war niemand gekommen: Weder die Investoren, noch die Polizei und auch nicht die zuständige Staatsanwaltschaft. Und also hatten sich mühelos 2.000.000 einsammeln und für was auch immer verwenden lassen. Das Geld jedenfalls war nach nicht allzu langer Zeit vollständig verbraucht oder versickert und alsbald hatten sich nach und nach jede Menge Geschädigte gemeldet und wegen der ausgebliebenen Rendite ihres Investments Strafanzeige erstattet.

Binz hatte all diese Personen als Zeugen vernommen gehabt, hatte sich all die vertröstenden Geschichten von wegen, es würde bei der Umsetzung des Projekts noch bürokratische Hürden geben, oder auch, der Fuhrpark stehe zwar schon zum Einsatz bereit, das Gelände werde jedoch derzeit noch nicht freigegeben, in Namibia sei es halt schwierig, man müsse Woche für Woche runterfliegen, um sich vor Ort kümmern zu können, angehört, und hatte das Ganze schließlich für sich dahin zusammengefasst, dass hier wohl deshalb nichts ging, weil nichts gehen konnte.

Der Betrüger selbst hatte sich, nachdem er von den vielen Anzeigen seiner Investoren Wind bekommen hatte, seinerseits bei der Polizei gemeldet und über seinen, wie Binz fand, windigen Verteidiger vorab volle Aufklärungsbereitschaft signalisiert. Er war daraufhin von Binz vernommen und sehr harsch mit der Wahrheit konfrontiert worden: „Weißt Du, ich habe ihn angeschrien und gefragt, wie es sein kann, dass er sogar Freunde und Bekannte betrügt.“

Die Vernehmung war dann von anderen Beamten weitergeführt worden und Binz hatte man danach gesagt, dass der Beschuldigte bereits gestanden und zugleich um Verständnis gebeten hätte: Es hätte ihn niemand gefragt, ob es denn auch eine Mine zur Lizenz gäbe und er hätte fest daran geglaubt, dass er eine solche finden und mit den eingesammelten 2.000.000 kaufen kann. Das Geld sei dann aber vollständig für Anschub-Investitionen aufgezehrt worden.

Die vielen Reisen nach Namibia, Verhandlung um Verhandlung, Bestechungsgelder und man will als Geschäftsführer von „Diamant-Rausch“ auch nicht leben wie ein Hund, versteht sich: „Wer macht schon Geschäfte mit einem, der nicht so aussieht, als könnte er sich das leisten.“

Dennoch Betrug und nicht bloß ‚schlechter Geschäftsmann‘. Die Prospekte und Sprüche von wegen, ‚wenn das Geld erst zusammen ist, kann es sofort losgehen‘, hatten bei näherem Hinsehen durchaus einen falschen Eindruck erweckt und bei Kenntnis dessen, dass es gar keine eigene Mine gab, hätte sicher auch keiner sein Geld zur Verfügung gestellt, nur damit einer auf gut Glück zwischen Afrika und Deutschland hin- und herfliegt und es sich gut gehen lässt.

„Und, sitzt der jetzt in Untersuchungshaft?“ hatte Schmidt von Binz wissen wollen und seine Arme dabei verschränkt: „Nein, er sitzt nicht.“

Das Betrugsdezernat hatte mit der Staatsanwaltschaft entschieden, den Betrüger in Freiheit zu belassen, um ihn beobachten zu können, damit er die Beamten zur Beute führt, sofern es eine überhaupt noch geben sollte. Schließlich hatte der Mann keinerlei Freunde mehr und würde sicher irgendwann Geld brauchen, das ihm keiner leiht und das er deshalb aus seinem Versteck holen muss. Jedenfalls eine Chance und der Grund dafür, dass die Verhaftung unterblieben war.

Binz und Schmidt hatten sich nach gut einer halben Stunde auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof voneinander verabschiedet. Schmidt hatte seinem Kollegen dabei anerkennend auf die Schulter geklopft und ihm einen schönen Urlaub gewünscht: „Tolle Geschichte Binz, Du bist ja echt ein schlauer Fuchs. Freue mich schon, wenn Du zur Mordkommission zurückkommst. Im Moment ist es aber eher ruhig. Du weißt schon, Fortbildungsveranstaltungen und so.“

Binz konnte die Freude darüber, dass sich alle hatten betrügen lassen, außer er selbst, nicht mehr verbergen und also hatte er sich mit einem breiten Lächeln seinerseits von Schmidt verabschiedet, ein baldiges Wiedersehen gewünscht und sich zum Bahnsteig begeben.

Der Regionalzug nach Schwäbisch Gmünd hatte den Bahnhof zwar fahrplanmäßig verlassen, aufgrund des gemeinsamen Aufenthalts mit Schmidt war es jedoch nicht der Zug gewesen, für den Binz eine Platzreservierung hatte und überdies war es nun schon eine Stunde später als geplant.

Die Fahrgäste hatten folglich nicht mehr nur aus Geschäftsreisenden und Rentnern bestanden, sondern vorwiegend aus Schülern und aus Auszubildenden, die sich durch die Gänge drängten und laut  miteinander quatschten, während sie auf ihre Handys starrten und auf dem Touchscreen herumfingerten.

Per Telefon hatte sich Binz sicherheitshalber bei seinem Hotel mitten in der Stadt Schwäbisch Gmünd, unweit vom Bahnhof und direkt an der Rems gelegen, danach erkundigt, ob es bei einer um eine Stunde verspäteten Anreise ein Problem geben würde, und sich dann nach einem Sitzplatz umgesehen.

Freie Plätze hatte es in diesem Zug jedoch erst nach Schorndorf gegeben und also hatte sich Binz unter die Schüler gemischt, deren Gespräche belauscht und sich so seine Gedanken gemacht, bis er die Frage einer in seiner Blickrichtung sitzenden Person vernahm, die einer anderen mit Kapuzenpulli und Springerstiefeln gestellt worden war: „Nein, am letzten Wochenende hatte ich keine Zeit, ich hab‘ mir erst die neuen Waffen besorgt und mich dann im Keller um die Leichen gekümmert.“

Binz blickte umgehend zur Seite und aus dem Fenster des Zuges hinaus. Er konzentrierte sich ganz auf sein linkes Ohr und wie durch ein Richtmikrophon hörte er nur das, was dort auf der Bank weiter besprochen wurde: Keine Nebengeräusche, kein „entschuldigen Sie mal, sie haben mich gerade gestreift,“ wenn sich jemand durch den Gang drängte, und auch sonst kein Wort: Binz war bei der Arbeit.

Der Kapuzenpulli wurde abgesetzt, das hatte Binz in der Spiegelung des Fensters sehen können, und heraus kam ein halb kahl rasierter Kopf mit einem roten Hahnenkamm und einer Tätowierung.

Sein Notizbuch hatte Binz zwar nicht zur Hand. Aber in seinem Kopf hatte er all das bereits haarklein notiert. Bei Mord war ihm alles und jedes wichtig, könnte ihn doch eine winzige Kleinigkeit auf die richtige Spur führen, und also hörte er weiter aufmerksam zu.

Auf die Frage, ob es denn geil gewesen wäre am Wochenende, hatte der mit Hahnenkamm deutlich hörbar mit freudiger Stimme sogleich bestätigt und sogar gesagt: „Richtig geil, Alter, das Blut hat nur so gespritzt, und einem von denen habe ich auch noch den Kopf abgeschlagen.“

Binz war entsetzt! Hatte man es hier womöglich mit einem Serienmörder zu tun? Irgendwie komisch hatte sich die Geschichte für Binz dann aber doch angehört. Keiner der umstehenden Personen hatte sich über das Gespräch der beiden Schüler gewundert und offenbar niemand Anstoß daran genommen, dass sich am letzten Wochenende hier das reinste Grauen abgespielt haben dürfte.

In Schorndorf angekommen, quietschten die Bremsen des Zuges und ruckelte dieser bis er zum Stehen gekommen war. Einige Schüler hatten sich bereits zum Aussteigen fertig gemacht und in den Gang gestellt. Andere hingegen hatten noch gewartet, bis die Türen aufgesprungen waren und das Aussteigen beginnen konnte. Binz hatte seinen Blick nun direkt auf die beiden Personen gerichtet: Er wollte nichts verpassen.

Im Vorbeigehen hatte der mit dem Hahnenkamm seinen Begleiter dann gefragt: „Und auf welchem Niveau bist Du beim Spiel? Hast Du auch schon hundert Krieger ausgelöscht wie ich, oder fängst Du damit gerade erst an?“

Binz Backen wurden mit einem Schlag warm und in seinem Kopf hatte es sich angefühlt, als würde jemand kräftig an einem Nerv ziehen. Zugleich schüttelte es ihn innerlich und Abscheu stieg in ihm herauf. Es ekelte ihn an, womit die jungen Leute so ihre Zeit verbrachten. Als würde es da nicht schon genug echte Verbrechen geben, da draußen in der Welt.

Und diese Kinder schlagen sich virtuell mit Genuss die Köpfe ein und verschachern freudig Leichen im Keller. Wo das nur hinführen soll, fragte sich Binz und weil nach Schorndorf nun wieder freie Plätze im Zug verfügbar waren, setzte er sich neben zwei ältere Damen, deren Thema ebenfalls die Jugend war.

„Hast Du gerade eben auch die beiden Buben schwätzen hören, von wegen abschlachten und so?“ hatte die eine gefragt und die andere hatte geantwortet: „Ja, mit was für Mist sich die jungen Leute da beschäftigen. Immer nur am Computer und alles virtuell. Wir haben da früher noch richtige Streiche gemacht. Erinnerst Du Dich?“

Binz war über den Gleichmut der Schwaben erstaunt.

Natürlich, zu seiner Zeit hatte es noch keine Computer gegeben und Spiele dieser Art wären sicherlich als menschenverachtend verboten gewesen. Aber von dem, was es seinerzeit als Streiche ganz real gegeben hatte, war schließlich auch nicht alles legal.

Binz hatte sich so seinerseits erinnert, aus dem wieder fahrenden Zug in die Landschaft geblickt, war den Windungen der Rems, so sie vom Zug aus zu sehen war, gefolgt und hatte von Weitem auf das hoch über dem Tal gelegene und durch eine Festungsmauer umschlossene Kloster Lorch geblickt. Vor dem geistigen Auge hatte er sich vorgestellt, wie er seinen Freunden aus Kindertagen voller Stolz seine neue Pistole mit Schreckschussmunition gezeigt und die, wenn ganz fest zugedrückt, selbst mit Schlüssel nicht mehr zu lösenden Handschellen dann auch angelegt hatte.

Sogleich war ihm das Mädchen aus der Nachbarschaft eingefallen welches Binz an einen Baum gefesselt hatte, weil die unbedingt bei Räuber und Gendarm mitspielen wollte, obwohl das doch gar nichts für Mädchen war. Endlos hatte sie an diesen Baum stehen müssen und sich nicht bewegen können, hatte immerzu gerufen, „macht mich los, macht mich los,“ damit aber kein Gehör gefunden.

Der Gendarm musste schließlich die Räuber fangen und im Wald hatte es davon jede Menge gegeben. Bei jedem Rascheln hatte der kleine Binz seine Pistole gezogen, zu dem Mädchen „pscht“ gesagt und dann mehrfach beherzt in Richtung des Geräuschs geschossen.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit war das Mädchen mit der nicht ganz ehrlichen Versicherung befreit worden, dass nun alle Räuber erledigt und tot seien, weshalb sie jetzt nach Hause gehen könne, ohne Angst haben zu müssen.

Heulend hatte sich die Kleine damals auf den Weg gemacht und mit hasserfülltem Blick zu Jakob Binz gerufen: „Mit Euch spiele ich nicht mehr, Ihr seid blöd. Das sag‘ ich meiner Mama.“ Und weil es nicht das erste Mal gewesen war, dass man sich über Jakob Binz sehr ärgert, hatte denn auch bereits am selben Abend die Mutter der Kleinen bei den Binzens zuhause geklingelt und schwere Vorwürfe erhoben.

Eine Woche Stubenarrest hatte es gegeben und als die Sonne wieder zu sehen war, wurde draußen eben einfach etwas anderes gespielt. Rollhockey mit echten Schlägern, echten Bällen und, wenn es dumm gelaufen war, mit echten Verletzungen. Oder es wurde sich hinten am Bus festgehalten und man wurde solange auf Rollschuhen über den Asphalt gezogen, bis die Fahrt so schnell wurde, dass, wenn es schief ging, man beim Auslaufen auf einem Stein ins Schleudern geraten, hinfallen und sich die Hose nebst Knie aufschlagen könnte  und daher noch rechtzeitig losgelassen hatte.

Erfahrungen dieser Art hatte die Jugend von heute sicherlich nicht, dafür aber wohl genügend Sitzfleisch für ein ganzes Wochenende. Verletzungen, rein virtuell.

Der Zug hatte nun Schwäbisch Gmünd erreicht. Binz zog seinen Koffer erst über den Bahnsteig, dann über den Gehweg und die Treppe zum Hotel hinauf. Er war nun angekommen im Urlaub und hatte nun vor sich auszuruhen, gemütlich zu frühstücken und an allen Nachmittagen eine Wanderung durch die schöne Gegend zu machen.

Schwäbisch Gmünd war die Stauferstadt unweit der berühmten drei Kaiserberge: Rechberg, Hohenstaufen und Stuifen. Dorthin hatte Binz wandern und sich zum ‚Einstieg ins Gebirge‘ mit dem Bus oder einem Taxi hinbegeben wollen. Eine Wanderkarte hatte er sich daher gleich bei seiner Ankunft im Hotel geben lassen und die bei einer Tasse heißen Tees auch gleich eingehend studiert.

In der Woche zuvor hatte es nun allerdings in der Region schwerste Unwetter und Wolkenbrüche gegeben. Auf den Gehwegen in der Stadt waren die Spuren des Hochwassers noch immer gegenwärtig gewesen und auch waren viele Geschäfte in der Stadt noch immer geschlossen und mit Renovierung befasst.

Binz hatte in der in seinem Hotelzimmer ausgelegten Tourismus-Broschüre eine Werbung von den wiederauferstandenen Alblaise (Linsen von der schwäbischen Alb) gelesen und sich diese im dazugehörigen Bio-Laden selbst ansehen wollen. Doch auch dieses Geschäft war völlig leer geräumt und mit einem Schild „Wasserschaden“ versehen.

Binz hatte seine Wanderpläne daher erst einmal zurückgestellt und sich an der Rezeption seines Hotels nach einer anderen Möglichkeit der Zerstreuung und Erholung erkundigt: „Sie haben völlig recht damit“ hatte die sehr freundliche Empfangsdame gesagt und hinzugefügt: „