Ein Frosch zum Küssen - Mila Summers - E-Book

Ein Frosch zum Küssen E-Book

Mila Summers

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Beschreibung

Emily Havisham verliert kurz vor Weihnachten ihren Job und findet sich wenige Zeit später in der Marketingabteilung eines Unternehmens wieder, das allen Ernstes meint, Freddy der Frosch wäre ein adäquater Ersatz für Santa Claus. Sicher, diese Firma bräuchte unbedingt kompetente Unterstützung, aber ist das wirklich die Herausforderung, nach der sie sucht? Außerdem rückt ihr ihr Chef Liam Morris eindeutig zu nahe auf die Pelle. Noch ehe sie ihren Vorgesetzten in die Schranken weisen kann, verliert sie ihr Herz an den Womanizer, der nichts, aber auch rein gar nichts anbrennen lässt. Kann das gut gehen?

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Mila Summers

Ein Frosch zum Küssen

Über das Buch:

Emily Havisham verliert kurz vor Weihnachten ihren Job. Wenige Zeit später findet sie sich in der Marketingabteilung eines Unternehmens wieder, das allen Ernstes meint, Freddy der Frosch wäre ein adäquater Ersatz für Santa Claus.Sicher, diese Firma bräuchte unbedingt kompetente Unterstützung, aber ist das wirklich die Herausforderung, nach der sie sucht? Außerdem rückt ihr ihr Chef Liam Morris eindeutig zu nahe auf die Pelle. Noch ehe sie ihren Vorgesetzten in die Schranken weisen kann, verliert sie ihr Herz an den Womanizer, der nichts, aber auch rein gar nichts anbrennen lässt. Kann das gut gehen?

Über die Autorin:

Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und der kleinen Tochter in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.

Ein Frosch zum Küssen ist der dritte Band der Kurzromanserie, die in Chicago spielt.

Bisher erschienen:

Küss mich wach (Band 1 der Tales of Chicago)

Vom Glück geküsst (Band 2 der Tales of Chicago)

Ein Frosch zum Küssen (Band 3 der Tales of Chicago)

Küsse in luftiger Höhe (Band 4 der Tales of Chicago)

Zum Küssen verführt (Band 5 der Tales of Chicago)

Weitere Bücher der Autorin:

Manhattan Love Stories

Irresponsible Desire (Band 1)

Irrepressible Desire (Band 2)

Vielleicht klappt es ja morgen. Liebe in (wahlweise Hamburg, Leipzig, Wien oder Würzburg)

Rettung für die Liebe (Band 4 der Sieben Sommersünden, ein Projekt mit sechs weiteren Autorinnen und Autoren)

Schneegestöber (Charitybuch für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden)

Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Allerdings gibt es ein Wiedersehen mit den Protagonisten der vorhergehenden Bücher.

MILA

SUMMERS

Ein Frosch zum Küssen

Kurzroman

Band 3

Tales of Chicago

Deutsche Erstauflage Dezember 2015

Copyright © Mila Summers

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: Genya Bieberbach

Covergestaltung: Nadine Kapp

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, bedürfen der Einwilligung der Autorin.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Kapitel 1

»Du bist also wirklich Santa?«, fragte das kleine goldgelockte Mädchen auf seinem Schoß mit großen Augen.

»Ja, der bin ich«, erwiderte er wenig überzeugend. Warum hatte er sich bloß von seinem Vater überreden lassen, dessen alljährlichen Weihnachtsmann-Posten zu übernehmen?

Er könnte jetzt ganz entspannt mit seinen Kumpels um die Häuser ziehen, ein paar Bierchen in irgendeiner Kneipe kippen und dann eine nette Blondine in seine Singlewohnung am Lake Shore Drive, der teuersten Wohngegend Chicagos, entführen. Aber leider …

»Warum bist du so grün?« Das Mädchen beäugte ihn kritisch und strich ihm vorsichtig über das Kopfteil seines Kostüms. »Geht nicht ab. In Farbe bist du also nicht gefallen. Meine Mum sagt immer: Wasch dir deine Hände, die sind so schwarz wie bei einem Kaminkehrer. Hast du dich vielleicht schon länger nicht mehr gewaschen und siehst deshalb so grasgrün aus?«

Tja, ihm wäre es ja auch lieber gewesen, er hätte sich für das Event in Dads Shopping Mall dessen Santaverkleidung borgen können. Dummerweise hatte sich dieser allerdings gerade heute dazu bereiterklärt, in der Suppenküche Bedürftigen das Essen auszugeben – verkleidet als Weihnachtsmann.

Dieses klitzekleine, aber durchaus wichtige Detail hatte er ihm verschwiegen und eine halbe Stunde vor der Veranstaltung hier in der Shoppingmall ganz beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Natürlich viel zu spät, um sich anderweitig nach Ersatz umzusehen.

Da damit zu rechnen war, dass ein Haufen Presse vor Ort sein würde, wenn Harrison Morris höchstpersönlich die Suppenkelle schwang, blieb Liam nichts anderes übrig, als das plüschige Dress des Firmenmaskottchens „Freddy“ überzustreifen und sich darin der langen Schlange an hoffnungsvollen Kinderaugen zu stellen.

Oh Gott, er kam sich so schäbig vor, als er dem kleinen Mädchen versicherte, der zu sein, der ihre Wunschliste entgegennehmen und für deren Erfüllung einstehen würde. Die unsagbar grausame Hitze im Inneren des Anzugs trieb ihm sintflutartige Schweißmassen über den Rücken. Weglaufen ging leider nicht. Viel zu anstrengend. Nur gut, dass er dieses absurde Kopfteil trug und ihn so keiner erkannte.

»Sag mal, lieber Santa, bist du vielleicht krank?«

»Wieso fragst du mich das, liebe Emma?«

»Na ja, du bist eben so grün im Gesicht«, offenbarte die schätzungsweise Vierjährige ausgesprochen ehrlich ihren Verdacht. »Vielleicht war das Essen nicht gut oder du hast zu viel genascht. Meine Mum sagt immer: Iss nicht zu viel, sonst bekommst du Bauchweh. Was meinst du? Ob das vielleicht der Grund dafür ist, dass du so komisch aussiehst?« Dabei neigte sie ihren Kopf unschlüssig mal zur rechten, mal zur linken Seite. Gekonnt besah sie ihn sich aus allen Perspektiven, während sie aufgeregt auf seinem Schoß herumhopste. »Und weißt du was?«

»Was denn?«

»Du siehst Mr. Freddy ziemlich ähnlich. Der war bei der Märchenparade dabei. Hm … Wann war die noch mal? Mummy? Wann war die Parade, wo ich so viele Bonbons bekommen habe und ganz schlimme Bauchschmerzen hatte?«, schrie sie durch die Menge an wartenden Müttern und Vätern, die den Weg auf sich genommen hatten, um mit ihren Kindern dem echten Santa zu begegnen, und nun ihm gegenüberstanden. Mr. Morris junior im grünen Freddy-Kostüm.

Ihre Gesichter sprachen Bände. Eine Mutter, die mit ihrem Sohn als Nächste an der Reihe war, starrte ihn ungläubig an, während sie ihrem Fünf- oder Sechsjährigen standhaft immer aufs Neue zu erklären versuchte, dass der echte Santa gerade verhindert war. Missliche Wetterlage … Schneestürme … Glatteis auf der Schlittenrampe, das waren nur einige Wortfetzen, die er von der Unterhaltung aufschnappen konnte.

Immer wieder trafen ihn die fragenden und zugleich missbilligenden Blicke des Publikums. Der Satz Wollt ihr uns eigentlich veräppeln? eines der Wartenden traf ziemlich gut ihre aktuelle Gemütslage. Okay, wenn sie Eier dabei gehabt hätten, wäre er sicher nicht so glimpflich davongekommen.

Nur gut, dass Buddy vom Elfenteam im wirklichen Leben auf den Namen Francesco hörte und die Sicherheit seiner Familie gewährleistete. Liam konnte sich das Grinsen unter dem Kostüm nicht verkneifen.

Francesco sah einfach zu komisch aus in seinen rot-weiß-gestreiften Strumpfhosen, dem grünen Kostüm, das über und über mit Glöckchen behangen war, sowie den berüchtigten Elfenschuhen mit der kleinen Schelle vorne an der Spitze. Diese rundeten sein Outfit erst richtig ab und durften definitiv nicht fehlen.

Nach dieser ganzen Sache hier musste er unbedingt ein Foto von ihm machen und ihn bei nächster Gelegenheit damit aufziehen.

»Jetzt weiß ich es endlich«, meldete sich Emma wieder zu Wort. Der kleine Mund kräuselte sich dabei, während sie gekonnt ihre Stirn in Falten legte.

»Was denn?«

»Na, wer du bist.«

»Wer bin ich denn deiner Meinung nach?«

»Das ist so klar wie Kloßbrühe: Du bist der Froschkönig.«

Ein genervtes, kollektives Raunen ging durch die Reihen, nachdem Emma die Bombe hatte platzen lassen und damit all die mühevoll aus den Fingern gesogenen Ausreden der Eltern zunichtemachte.

Pustekuchen. Die Kinder rebellierten, wollten nun direkt in die Spielwarengeschäfte der Mall und nicht länger darauf warten müssen, diesem Hochstapler ihre innigsten Weihnachtswünsche anzuvertrauen.

Nach und nach lichtete sich das Feld. Die bitterbösen Blicke der Eltern musste er jedoch weiterhin über sich ergehen lassen. Zu einem wirklichen Aufstand kam es Gott sei Dank nicht. Offensichtlich wollten die Eltern die zarten Gemüter ihrer Schützlinge und ihre eigenen Nerven nicht weiter strapazieren.

Konnte man auch nachvollziehen. Da kam man zum alljährlichen Make-a-wish in die Morris-Mall und hoffte, dort auf Santa zu treffen, und bekam stattdessen Freddy, den Frosch, präsentiert. Oh, das würde im Internet sicher ganz schlechte Bewertungen für die Mall nach sich ziehen. Blieb nur zu hoffen, dass sein alter Herr davon nichts mitbekam.

Für das Social Media Marketing war er in der Firma verantwortlich. Wie er seinem Team dieses Debakel allerdings erklären sollte, war dabei eine nachrangige Frage, der er sich sicherlich bald stellen musste.

»Du?« Das kleine Wesen auf seinem Schoß stupste ihn in seinen grünen Froschbauch.

»Huch, du bist ja noch da. Willst du nicht mit deiner Mum Geschenke für dich suchen gehen? Ich leg auch ein gutes Wort für dich ein.« Dies in Form eines universell einlösbaren Gutscheins mindestens in Höhe von fünfzig Dollar, wollte er nicht Gefahr laufen, dass ihn ihre Mutter aufgrund der Vortäuschung falscher Tatsachen anzeigte.

»Na, ich warte noch auf die Bonbons. Oder gibt es die heute nicht?« Dabei blickte sie ihn so erwartungsvoll an, wie es nur Kinder konnten. Beinahe wäre er höchstpersönlich losgeeilt, um welche bei Mrs. Thompsons Süßwarenstand im zweiten Obergeschoss zu besorgen. Zum Glück fiel ihm rechtzeitig wieder ein, dass ihm sein Dad wenigstens Zuckerstangen in Hülle und Fülle dagelassen hatte. Das Einzige, was er ihm an dieser Stelle zugutehalten musste, war die Tatsache, dass er ihn nicht ohne Candies der hungrigen Meute ausgesetzt hatte.

Nachdem er Francesco angewiesen hatte, dem kleinen Mädchen – zum Entsetzen seiner Mutter – den fünf Pfund schweren Eimer mit Süßigkeiten zu übergeben, blickte er zufrieden auf sein Tagwerk.

Wenigstens einen Menschen hatte er heute glücklich machen können. Emma würde sicher zu einer sehr zufriedenen Kundin der Mall heranwachsen. Auftrag erfüllt.

***

Was dachten sich diese Kaufhausheinis bloß dabei? Mittlerweile gab es ja echt die skurrilsten Sachen. An Ostern hatte beispielsweise im Konkurrenzunternehmen ein paar Straßen weiter ein Lebkuchenwettessen mit den Restbeständen des Vorjahres stattgefunden. Diese Aktion hier schoss aber definitiv den Vogel ab.

Jedes Unternehmen hatte so seine Eigenheiten, doch was sich das Marketing bei dieser absonderlichen Inszenierung gedacht hatte, blieb mir schleierhaft.

Wenn nicht gerade Weihnachten gewesen wäre, hätte man es als eine ganz lustige Werbekampagne einstufen können. Wirklich pfiffig und durchaus ein Novum auf dem Gebiet. Zumindest hatte ich noch nichts dergleichen gehört, obwohl ich ja selbst im Marketing tätig war. Aber irgendwann musste mal Schluss sein. Schließlich ging es hier um Weihnachten.

»Wie lange dauert das denn noch?« Meine Zwillingsschwester Sue hielt meine schlafende Nichte im Arm.

Die kleine Hannah war zwar mit ihren vier Monaten viel zu jung, um dem Weihnachtsmann ihre ellenlange Wunschliste zu präsentieren. Dennoch hatten wir uns mitten in der Rushhour ans andere Ende der Stadt aufgemacht, um ihn zu sehen. Den Mann, der auch meine Kindheit maßgeblich mitgeprägt hatte, für den ich jedes Jahr Milch und Kekse herausgelegt hatte, während ich Wochen vor seiner Ankunft feierlich gelobte, ein besserer Mensch zu werden: Santa.

Kopfschüttelnd stand ich da. Doch wie bei einem Verkehrsunfall war ich einfach nicht in der Lage, wegzusehen und meine Schwester davon zu überzeugen, dass es für alle besser wäre, nicht länger an dieser Veranstaltung teilzunehmen.

Das ersehnte Foto mit Santa und der kleinen Hannah war nun eh Geschichte. Wie hätte Sue ihrer Tochter später erklären sollen, warum anstatt Santa ein quietschgrüner Frosch mit seinen hervorstehenden Glubschaugen in die Kamera glotzte, während über dem Bild in allerschönster, geschnörkelter Sonntagsschrift stehen würde: Dein erstes Weihnachtsfest mit Santa.

Das Ganze war eine Farce und ich würde keinen Moment länger diesem absonderlichen Schauspiel beiwohnen.

»Sue, lass uns gehen! Das bringt hier nichts, Liebes«, versuchte ich möglichst einfühlsam auf meine hormongeschüttelte Schwester einzureden. Wer glaubte, dass Frauen nach der Geburt wieder ganz die Alten waren, sollte mal sehen, wie eine stillende Mutter in Tränen ausbrechen konnte, wenn man das letzte Gummibärchen aus der Packung nahm.

Tja, und so stand sie nun vor mir. Den Tränen nahe blickte mich meine zehn Minuten ältere Schwester zutiefst betrübt an. Ihre Mundwinkel hingen schlaff nach unten und in ihrem Kinn bildete sich dieses kleine Grübchen, das ich auch von mir kannte.

Noch ehe ich weitere triftige Argumente anbringen konnte – wobei ein Blick auf das Podium für jeden vernünftig denkenden Menschen hätte ausreichen müssen – wachte meine Nichte schreiend auf. Respekt. Sogar diesem kleinen Wesen war ohne Umschweife in wenigen Sekunden klar geworden, wie bizarr das Ganze war.

Mittlerweile kaute Sue nervös auf ihrer Unterlippe herum. Sie haderte mit sich, ob sie gehen oder bleiben sollte. Jedes Mitglied unserer Familie hatte ein Baby-Foto mit dem Santa aus der Morris-Mall in dem allerersten Fotobüchlein, das unsere Mum für jeden von uns gemacht hatte.

Ich kannte meine eineiige Schwester nur zu gut, um zu wissen, wie traditionsbewusst sie war. Sie eiferte in allen Dingen ihrem großen Vorbild nach und wagte es oft nicht, von den Vorgaben abzuweichen.

Mum war für uns alle eine wahre Überlebenskünstlerin. Sie hatte es geschafft, unseren großen Bruder und uns beide unter einem Dach großzuziehen, ohne dass wir uns in den rebellischen Jahren der Pubertät die Schädel eingeschlagen hatten.

»Ich weiß nicht. Ich hätte schon gerne ein Bild gehabt«, äußerte sie ihre Bedenken, derweil sie das weinende Kind in ihren Armen zu beruhigen versuchte.

»Mit Freddy, dem Frosch? Komm schon, Sue, das kann nicht dein Ernst sein. Ich bastel dir was in Photoshop. Versprochen!« Händeringend setzte ich alles auf eine Karte und schüttelte meinen letzten Trumpf aus dem Ärmel: »Außerdem hat Mum bei unserem Bild auch getrickst. Hast du dir das mal genauer angesehen? Nie im Leben waren wir auf dem Bild zehn Monate alt. Die Aufnahme muss aus dem Folgejahr stammen.«

»Das glaub ich nicht. Mum würde nie … Nein, das hätte sie nicht … Schließlich lügt sie heute nur in den allerausweglosesten Situationen. Nein, ich glaub dir nicht.«

Noch ehe wir die Sache wie zwei erwachsene Frauen ausdiskutieren konnten, bildete sich ein Tumult in der Masse und ein kleines Mädchen stapfte, schwer beladen mit einem riesigen Behälter voller Zuckerstangen, freudestrahlend an uns vorbei.

Ein Blick nach vorne bestätigte meine Vermutung: Freddy, der Frosch, hatte die Bühne verlassen. Die Show war vorbei.

Kapitel 2

»Miss Havisham, ich bedaure sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Sie zum Ende des Monats kündigen müssen.«

»Was? Ich meine … Wie bitte?«, erwiderte ich perplex auf den wenig einfühlsam verpackten Rausschmiss meines Chefs.

Mr. MacDoughall oder, wie ich ihn in Gedanken nannte, das Walross blickte stoisch auf das weiße Papier, das vor ihm auf dem Tisch lag. Während er mit der einen Hand immer wieder über die ergrauten Spitzen seines Schnurrbartes strich, wiederholte er: »Ja, ohne Zweifel, Sie stehen auf der Liste. Emily Havisham. Ich habe es soeben noch einmal geprüft. Ihr Abteilungsleiter hatte die Vorgabe, seine Mitarbeiterzahl zu dezimieren, um die Ressourcen des Unternehmens besser ausschöpfen zu können. Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Sie in diesem Fall auch von der Maßnahme betroffen sind. Aber nehmen Sie sich’s nicht allzu sehr zu Herzen, Kindchen.“

Kindchen? Ich hatte mich doch wohl hoffentlich verhört.

„Sie sind jung und haben das ganze Leben noch vor sich. Mr. Ferguson hat keinerlei Beanstandungen angebracht, die mit Ihrer Leistung einhergehen würden. Ihre Entlassung ist lediglich dem Zufall geschuldet. Kopf hoch, Miss Havisham! Da draußen gibt es noch unzählige Herausforderungen, denen Sie sich voller Mut und Tatendrang stellen können. Glauben Sie an sich!«, endete er seinen Wortschwall pathetisch, während er mich durchdringend ansah und sein Doppelkinn bedrohlich zu beben begann.

»Aber es ist doch bald Weihnachten«, stotterte ich. Dieses Gespräch mit dem Chef hatte ich mir definitiv anders vorgestellt.

»Papperlapapp, es gibt immer eine Möglichkeit, wenn man nur will. Miss Havisham, lassen Sie nicht zu, dass Sie in dieses tiefe, schwarze Loch hinabblicken, das ihre Aufmerksamkeit vom Wesentlichen ablenkt. Bleiben Sie auf dem richtigen Pfad der Tugend und kämpfen Sie! Den Kopf in den Sand stecken, kann schließlich jeder. Erst gestern hab ich zu meinem Golfpartner gesagt: Arthur, es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber es ist auch nicht alles Scheiße, was stinkt.« Sein zufriedenes Röcheln ließ mich erschrocken zusammenfahren.

Abertausende Gedanken schossen mir durch den Kopf. Meine eigene Wohnung konnte ich mir nun endgültig abschminken. Nach dem Studium hatte ich gehofft, bald auf eigenen Füßen stehen zu können.

Ich wollte nicht undankbar klingen, aber mit Mitte zwanzig wäre ich wirklich gerne langsam flügge geworden. Meine Schwester war bereits verheiratet und hatte eine Tochter, mein Bruder hatte ebenfalls eine Familie gegründet.

So langsam musste ich echt schauen, dass ich aus den Puschen kam, wollte ich nicht als alte Jungfer enden. Doch jetzt musste ich erst mal einen neuen Job suchen. Damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet.

Als mich Mr. MacDoughalls Sekretärin anrief und mir erklärte, ich hätte heute einen Termin mit dem Big Boss, hatte ich mir noch in den schillerndsten Farben ausgemalt, was für tolle Nachrichten er für mich haben könnte.

Verträumt hatte ich solch klangvollen Worten wie Gehaltserhöhung oder Beförderung nachgehangen und sah mich endlich am Ziel angelangt. Nur leider war des Walross’ Offenbarung so gar nicht mit meinen Wunschvorstellungen kompatibel.

»So müssen Sie es auch sehen. Nehmen Sie den Anlass dazu, Ihr Leben neu zu strukturieren. Steigen Sie wie Phönix aus der Asche und überraschen Sie all Ihre Kritiker. Lassen Sie sich von solch banalen Dingen wie Weihnachten nicht aus dem Konzept bringen. Schließlich findet das Fest alljährlich seit über sechzehnhundert Jahren statt.«

Wie Phönix aus der Asche. Pah, dass ich nicht lachte. Was waren das bloß für schwülstige Phrasen ohne jedweden Bezug zu dem Häufchen Elend, das sich da vor ihm im Staub suhlte.

Egal, was da aus der Asche aufsteigen würde, als Phönix würde ich sicher nicht wiedergeboren werden. Eher als Augenringe-bis-zum-Boden-Träger oder Talkshows-am-helllichten-Tag-Gucker. Reiß dich zusammen, ermahnte mich das letzte Fünkchen Stolz, das noch übrig geblieben war.

Ja, die Kugel war in den Brunnen gefallen, aber emanzipierte Frauen des einundzwanzigsten Jahrhunderts schafften es ja wohl selbst, dafür zu sorgen, dass sie da wieder rauskam, oder? Also, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen!

»Und soll ich Ihnen was sagen? Es wird sicher auch nächstes Jahr wieder ein Weihnachtsfest für Sie geben. Vielleicht schaffen Sie es bereits bis zum siebten Januar mit einer neuen Anstellung. Dann feiern Sie einfach mit den orthodoxen Christen das Fest. Man muss heutzutage flexibel sein in dieser Welt. Vor allem, wenn man Karriere machen möchte. Sie wollen doch Karriere machen, Miss Havisham? Sehe ich das richtig?«

Sie wollen doch Karriere machen, äffte ich den arroganten Saftsack innerlich nach. Was glaubte er eigentlich, wer er war? Hielt mir hier von seinem hohen Ross herab eine Rede darüber, wie das wirkliche Leben da draußen aussah, als sei ich ein abseits jedweder Zivilisation lebendes Steinzeitmädchen, das nur mit seiner Hilfe aus ihrer Höhle gefunden hatte. Hallo?

Ich hatte meinen Abschluss in Harvard mit Auszeichnung gemacht und hatte über LinkedIn bereits drei Jobangebote bekommen, noch ehe ich mich selbst auf die Suche gemacht hatte.

Dummerweise hatte ich keines davon angenommen. In meinem naiven Irrglauben, die ganze Welt läge mir zu Füßen, war ich auf die Suche nach der Werbeagentur gegangen, bei der ich mein Handwerk von der Pike auf lernen konnte.

Hammersmith & Porter war meine erste Wahl gewesen. Die renommierte Agentur war weit über die Stadtgrenzen Chicagos hinaus für ihre erfolgreichen Kampagnen bekannt.

Ein Politiker betrügt seine Frau? Das Verhältnis fliegt auf? Die Medien dürfen keinen Wind davon bekommen? Dann kommen Sie zu Hammersmith & Porter, um Ihr Image wieder aufzupolieren. Ihre Sportkarriere läuft ganz gut, könnte aber mehr Gewinn abwerfen in Form von lukrativen Werbeverträgen? Dann kommen Sie zu Hammersmith & Porter.

Nach nur wenigen Tagen in der Firma wusste ich genau, wie der Hase lief. Das Konzept der maßlos überschätzten Werbeagentur beruhte auf der Produktion von aberwitzigen Wunschvorstellungen und solchen, die ab und an Wirklichkeit wurden.

Was hier in großem Stil produziert wurde, war in über neunzig Prozent der Fälle heiße Luft und dennoch strömten immer mehr Menschen herbei, um sich hier Rat zu suchen. Verrückt.

»Jeder Rückschlag macht Sie nur härter. Denken Sie immer an meine Worte. So, nun muss ich aber ins nächste Meeting. Es hat mich sehr gefreut … ich meine, es ist natürlich sehr bedauerlich, dass wir uns unter diesen Umständen erst so richtig kennenlernen durften. Aber man sieht sich doch meist zweimal im Leben. Vielleicht beim nächsten Mal nur auf einer Charityveranstaltung am Büffet. Wer weiß das schon so genau.«

Oh, liebend gerne. Vielleicht kam ich dann in den Genuss, diesem Lackaffen ein Glas des teuersten Champagners ins Gesicht zu schütten. Wer weiß. Vielleicht hatte er ja recht und man traf sich wirklich noch einmal. Dann würde ich allerdings besser vorbereitet sein.

»Gut, Miss Havisham, die Papiere bekommen Sie die nächsten Tage per Post zugesandt. Für die kommenden vierzehn Tage erwarte ich dennoch ein Höchstmaß an Disziplin von Ihnen. Außerdem sollten Sie das Ausscheiden aus der Firma nicht unbedingt an die große Glocke hängen. Ich dulde keinen Klatsch und Tratsch in meinem Unternehmen. Haben Sie mich verstanden?«

Endlich, meine Chance war gekommen. Und? Nutzte ich sie? Bot ich meinem Arbeitgeber endlich mal die Stirn und sagte ihm, was ich von seinen leeren Floskeln hielt? Warf ich alles in die Waagschale, um erhobenen Hauptes aus diesem Affenzirkus ausbrechen zu können?

Als ich all meinen Mut zusammengenommen hatte und gerade loslegen wollte, hörte ich das Walross sagen: »Schön, dass das geklärt ist. Dann können Sie ja wieder an die Arbeit gehen. Rachel braucht noch Unterstützung bei dem Rosemont-Projekt. Oder ist noch etwas?«, fragte er mich allen Ernstes, nachdem ich mich nicht gleich von meinem Platz erhob und ihn nach wie vor mit offenem Mund regungslos anstarrte.

Perplex antwortete ich schließlich: »Nein, alles in bester Ordnung.«

Kapitel 3

Tja, und nun? Was sollte ich bloß machen? Am liebsten hätte ich meine Sachen gepackt und wäre einfach abgehauen. Wie sollte ich mich denn auf das Rosemont-Projekt konzentrieren, während in mir ein Sturm toste, der jederzeit zu einem Hurrikan mutieren konnte?

Schließlich entschied ich mich dazu, die Damentoilette im fünfundzwanzigsten Stockwerk aufzusuchen, nachdem ich mir eine Schachtel Zigaretten besorgt hatte. Dumm nur, dass mir das Feuerzeug fehlte und ich gar keine Raucherin war. Aber irgendwie hatte ich urplötzlich das dringende Bedürfnis, eine zu qualmen.

Seit einem halben Jahr arbeitete ich in dieser Firma, hatte unzählige Überstunden angehäuft, auf Urlaub verzichtet und hatte immer bereitgestanden, wenn Not am Mann war. Und wie dankte sie es mir? Mit einem Arschtritt kurz vor Weihnachten.

Da wurde ich meiner Rolle als schwarzes Schaf der Familie mal wieder vollends gerecht. Mitch, der brave Anwalt, und Sue, die treuliebende Ehefrau und Mutter, meine Geschwister waren in allem, was sie taten, perfekt. Sie waren immer auf dem rechten Pfad der Tugend geblieben und hatten sich nie von den abzweigenden Gabelungen verführen lassen.

Wobei Mitchs Image in letzter Zeit etwas gelitten hatte, als er uns eine Anhalterin, die er nur wenige Stunden vorher in seinem Wagen mitgenommen hatte, als seine Freundin präsentierte, um seiner Familie das verliebte Paar vorzuspielen.

Aber auch aus dieser Geschichte hatte mein ach so charmanter Bruder ein Happy End gezaubert, indem er sich einfach in seine gekaufte, vorgetäuschte Freundin verliebte, sie heiratete und ein Kind mit ihr bekam. Und wenn sie nicht gestorben sind, bla, bla, bla.

Ich war da ganz anders. Klar, ich hatte meinen Abschluss in Harvard gemacht und war eine der Jahrgangsbesten, dennoch hatte ich alles mitgenommen, was rechts und links des Weges gelegen hatte: wilde Partys, die Mitgliedschaft bei der Studentenverbindung der Delta Phis, Haschkekse und einiges mehr. Nur keine Männer. Das hatte sich irgendwie nie so recht ergeben, nachdem ich mich nach der High School von Matthew getrennt hatte.

Die erste große Liebe vergisst man wohl nie. In meinem Fall hatte ich die Trennung nie verwunden. Meiner Ansicht nach waren Matthew und ich Seelenverwandte. Als wir auf unterschiedliche Universitäten wechselten, hielt es mein Freund jedoch für sinnvoll, die Beziehung zu beenden, damit wir uns beide frei entfalten konnten.

Was so viel hieß wie, dass jedem die Möglichkeit gegeben war, möglichst viele Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht zu sammeln. Dabei wäre ein Partner am anderen Ende des Landes nur hinderlich gewesen. So seine These.