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Jasmins lang ersehnter Traumurlaub in der Türkei endet in einem Desaster. Nach einem heftigen Streit fliegen ihr Freund und sein Zwillingsbruder wutentbrannt ohne sie nach Deutschland zurück. Jasmin ist völlig am Boden zerstört und grenzenlos enttäuscht. Ein attraktiver türkischer Mann nimmt sich der vollkommen verzweifelten Jasmin an. Sie verbringt eine wundervolle und romantische Zeit mit ihm. Sie verlieben sich unsterblich ineinander. Doch ihr Urlaub währt nicht ewig und sie fliegt schweren Herzens nach Deutschland zurück. Er verspricht ihr nachzukommen, doch er bleibt nur für kurze Zeit. Dem nicht genug: Er verlangt von ihr, dass sie mit ihm in der Türkei leben soll. Um ihn nicht zu verlieren, gibt sie alles in ihrer Heimat auf und folgt ihm. Jasmin ist zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin- und hergerissen und droht an den Problemen, die auf sie zukommen, zu zerbrechen. Werden sie die Hürden der unterschiedlichen Kulturen überwinden oder scheitert ihre Liebe endgültig daran?
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Seitenzahl: 592
Veröffentlichungsjahr: 2017
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JOANA LEHMANN
EIN HAUCH VON SOMMERGLÜCK
Jasmins lang ersehnter Traumurlaub in der Türkei endet in einem Desaster. Nach einem heftigen Streit fliegen ihr Freund und sein Zwillingsbruder wutentbrannt ohne sie nach Deutschland zurück.
Jasmin ist völlig am Boden zerstört und grenzenlos enttäuscht.
Ein attraktiver türkischer Mann nimmt sich der vollkommen verzweifelten Jasmin an. Sie verbringt eine wundervolle und romantische Zeit mit ihm. Sie verlieben sich unsterblich ineinander. Doch ihr Urlaub währt nicht ewig und sie fliegt schweren Herzens nach Deutschland zurück. Er verspricht ihr nachzukommen, doch er bleibt nur für kurze Zeit.
Dem nicht genug: Er verlangt von ihr, dass sie mit ihm in der Türkei leben soll. Um ihn nicht zu verlieren, gibt sie alles in ihrer Heimat auf und folgt ihm. Jasmin ist zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin- und hergerissen und droht an den Problemen, die auf sie zukommen, zu zerbrechen.
Werden sie die Hürden der unterschiedlichen Kulturen überwinden oder scheitert ihre Liebe endgültig daran?
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Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der elektronischen Vervielfältigung, der Übersetzung in andere Sprachen sowie das Recht der Speicherung und Verarbeitung, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Alle in diesem Roman vorkommenden Ereignisse, Handlungen und Personen sind ausschließlich fiktiv und frei erfunden.
Sollten dennoch Ähnlichkeiten mit real existierenden oder toten Menschen und ihren Lebensläufen bestehen, so sind diese rein zufällig und keineswegs beabsichtigt.
Covergestaltung: © Tom Jay – Grafikdesign -
Lektorat: Monika Pliska
Korrektorat: Papyrus Autorensoftware
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Joana Lehmann (Pseudonym) wurde 1959 in Frankfurt am Main geboren.
In Frankfurt verbrachte sie auch ihre Jugendzeit. Sie lernte in Frankfurt ihren Mann kennen und zog nach ihrer Heirat in den Main-Taunus Kreis. Nacht acht Jahren Ehe verstarb ihr Mann plötzlich und unerwartet. Einige Jahre später fand sie einen neuen Lebenspartner, heiratete ihn und lebt seitdem glücklich in der Nähe von Kaiserslautern.
Weitere Infos zu den bisher erschienenen Bücher der Autorin finden Sie am Ende des Buches oder unter www.joanalehmann.de
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Schlägt dir die Hoffnung fehl, nie fehle dir das Hoffen! Ein Tor ist zugetan, doch tausend sind noch offen.“ (Friedrich Rückert)
Kein Weg zu dir
Ich bin traurig,denn ich finde keinen Steg,der über die uns trennende Entfernung führt.Kein Wort, das ich dir sagte oder schrieb,hat je dein Herz berührt.Kein Weg, den ich gehe,bringt mich zu dir.Sag mir nur eins,warum meldest du dich nicht bei mir?Du hast doch sicher längst gemerkt,wie sehr ich dich liebeund wie gerne ichfür immer bei dir bliebe.Doch du gönnst mir noch nicht einmal ein Wort,und so geht die Zeit fort und fort.Dabei wünsch ich mir so sehr,du wärst für immer und alle Ewigkeitfür ein Leben zu zweit bereit.
(unbekannter Autor)
Jasmin rekelte sich schlaftrunken im Bett und konnte sich ein Gähnen nicht verkneifen. Sie warf einen Blick auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Es war bereits neun Uhr. Ein herrlicher Morgen, die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Mit einem tiefen Seufzer richtete sie sich im Bett auf und streckte sich ausgiebig. Eine leichte Sommerbrise wehte durch das geöffnete Fenster. Jetzt raus mit dir, dachte sie.
Im Grunde war sie sehr zufrieden mit ihrem bisherigen Leben. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren hatte sie vieles erreicht. Sie arbeitete bei einem namhaften Elektroverband in Frankfurt. Dort war sie als Chefsekretärin tätig. Ihr Chef Prof. Dr. Weinhaus stellte hohe Anforderungen an sie, die einiges von ihr abverlangten. Der Verdienst erlaubte es ihr eine Vierzimmerwohnung mit Terrasse zu mieten, mit einem herrlichen Ausblick auf den Main. Ihr liebevoll eingerichtetes Zuhause erfüllte sie mit Stolz.
Der Alltag stimmte sie jedoch des Öfteren etwas traurig. Jasmin fehlte einfach der richtige Mann an ihrer Seite. Sie war durchaus in der Lage sich selbst zu versorgen und wollte auch niemals abhängig von einem Mann sein, das war unvorstellbar für sie. Es gab für sie nichts Wichtigeres, als eigenständig zu sein und es auch in der Zukunft zu bleiben. Sie wünschte sich einen Partner, mit dem sie ihre Alltagssorgen teilen konnte und eine breite Schulter zum Anlehnen, wenn es ihr danach war. Denn auch solche Phasen gab es in Jasmins Leben.
Seit mehreren Jahren verband sie eine lockere Beziehung zu Gunnar. Er war neunzehn Jahre älter als sie. Das Handicap in ihrer Beziehung war sein Zwillingsbruder Hendrik.
Die beiden waren unzertrennlich, da sie eineiige Zwillinge waren. Bekam Gunnar Kopfschmerzen, so hatte sein Bruder Hendrik garantiert auch welche. Hendrik besaß das Talent, sich ständig zwischen sie und Gunnar zu drängen, was Jasmin äußerst wütend machte.
Ungestörte Momente gab es zwischen Gunnar und ihr praktisch zu keiner Zeit. Die Augenblicke der Zweisamkeit konnten sie lediglich in Jasmins Wohnung genießen, wenn sein Bruder schmollend Zuhause zurückblieb.
Gunnar und Hendrik ähnelten sich bis auf das Haar. Blaue Augen, kurze blonde Haare, ein Grübchen am Kinn und einem durchtrainierten Körper. Ein Gesamtpaket, dass sich sehen lassen konnte, aber vom Charakter her waren jedoch beide von Grund auf verschieden.
Gunnar war eher der heitere und lockere Typ und ständig zu einem Späßchen aufgelegt. Jasmin gefiel das nette Lächeln und die schelmischen Blicke, die Gunnar ihr bei jeder Gelegenheit zuwarf, wenn sie ungestört waren. Er war galant und äußerst hilfsbereit. Er las ihr für gewöhnlich jeden Wunsch von den Augen ab. Jedoch erinnerte er sie fortwährend an den immensen Altersunterschied von neunzehn Jahren, der zwischen ihnen bestand. Jasmin ignorierte seine diesbezüglichen Bemerkungen. Sie fühlte sich wohl und geborgen an Gunnars Seite und das war für sie die Hauptsache! Was spielte das Alter für eine Rolle, wenn man sich gut verstand. Höchstwahrscheinlich würde sich das in späteren Jahren zeigen, aber darüber wollte sie derzeit noch nicht nachdenken. Die Zwillinge erfreuten sich bester Gesundheit und sprühten förmlich vor Tatendrang ständig etwas Neues zu unternehmen und auf dem Laufenden zu bleiben.
Hendrik war der Ruhigere von beiden und eher der in sich gekehrte, aber auch der Intellektuellere, mit dem man bis spät in die Nacht reden und über brisante Themen diskutieren konnte. Das Grübeln gehörte ebenso zu seinem Alltag, wie einfach nur stundenlang seinen Gedanken nachzuhängen, und Löcher in die Luft zu starren. In Sachen Technik war er seinem Zwillingsbruder allerdings weitaus überlegen. Sein Beruf als Fotofachverkäufer hatte er sich zum Hobby gemacht. Er liebte ebenso die Kunst als auch die Fotografie.
Gunnar hingegen hatte, wenn man so sagen darf, zwei linke Hände. Er arbeitet bei einem namhaften Chemiewerk in Frankfurt. Vor einigen Jahren hatte er es sogar fertiggebracht, während einer Versuchsreihe, die missglückte, das Labor in die Luft fliegen zu lassen. Seitdem begleitete er eher einen ruhigeren Job in der Firma. Er durfte im Laboratorium nur noch die Reagenzgläser abstauben oder andere leichte Tätigkeiten verrichten, bei denen er keinen größeren Schaden anrichten konnte. Die ihm übertragenen Aufgaben trugen erheblich zum allgemeinen Firmenfrieden bei.
Hendrik arbeitet am Frankfurter Flughafen bei einem namhaften Fotogeschäft und ging vollständig in seinem Beruf als Fotofachverkäufer auf. Sein Verdienst ließ eher zu wünschen übrig. Meistens arbeitete er bis spät abends und musste nach Dienstschluss mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren. Des Öfteren verschlief er den Haltepunkt und wurde vom Zugbegleiter an der Endstation geweckt, dann war es an Gunnar, der sich wütend auf den Weg machte, um seinen Zwillingsbruder dort abzuholen.
Gunnar verdiente wesentlich besser als Hendrik, aber das spielte keine Rolle, denn das, was sie beide als Einkommen erzielten, warfen sie in einen gemeinsamen Topf. So konnten sie sich manches leisten, wofür andere ewig sparen mussten. Vor einigen Jahren hatten sie sich ein Segelboot und ein Reisemobil gekauft, das sie sehr gerne in ihrer Freizeit nutzten. Es bereitete den Zwillingen und Jasmin viel Spaß damit durch die Gegend zu fahren und einfach an einem Ort zu verweilen, der ihren Gefallen gefunden hatte. Das gab ihnen ein Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit. Da das Segelboot ganzjährig in Kroatien im Hafen lag, verbrachten sie die meisten ihrer Sommerurlaube dort, aber leider immer zu dritt.
Jasmin und Gunnar hatten getrennte Wohnungen und trafen sich vorwiegend am Wochenende. Im Grunde genommen konnte sie sich in keinerlei Hinsicht beschweren, da die Zwillinge ausgesprochen höflich und liebenswürdig waren, was man von den meisten Jungs in Jasmins Alter nicht behaupten konnte. An den Wochenenden, die sie bei Gunnar verbrachte, bekam sie sogar das liebevoll zubereitete Frühstück ans Bett gebracht. Leider hielt sie überhaupt nichts vom Frühstücken, da sie ein ausgesprochener Morgenmuffel war und ausgiebigen Schlaf bevorzugte, aber Gunnar zuliebe machte sie gerne eine Ausnahme.
Heute war ein Tag, der Jasmin besonders fröhlich stimmte, denn es war ihr erster Urlaubstag. Sie erwartete Gunnar in wenigen Stunden, dann ging es mit dem Flieger in Richtung Türkei. Zuvor mussten sie mit dem Zug nach Düsseldorf fahren, denn einen Direktflug von Frankfurt aus, gab es nicht. Den Segeltörn in die Türkei hatten sie bereits Anfang des Jahres gebucht. Das Segelboot hatten sie für drei Personen gechartert.
Wie sollte es anders sein, sein Bruder Hendrik war selbstverständlich auch mit von der Partie. Die beiden waren wie siamesische Zwillinge und keiner tat etwas ohne den anderen.
Das einzige Manko war, dass sich noch ein Pärchen nachträglich angemeldet hatte, mit dem Gunnar und Hendrik seit längerer Zeit befreundet waren, um ebenfalls mitzufahren. Von Reinhold und Vivian hielt Jasmin nicht viel. Er ein reicher Geschäftsmann und sie eine verwöhnte junge Frau, der es niemand recht machen konnte. Eigentlich verfügten beide über genügend Geld, um sich eine eigene Luxusyacht zu chartern. Aber nein, ausgerechnet auf ihren Segeltörn hatten sie ihr Augenmerk gerichtet und die Zwillinge dazu überredet, sie mit an Bord zu nehmen und das für ein paar lumpige Euros. Da Gunnar und Hendrik nicht »nein« sagen konnten, um auf keinen Fall die langjährige Freundschaft mit Reinhold und Vivian aufs Spiel zu setzen, willigten sie schließlich ein, sie mitzunehmen.
Jasmin ließ sich dadurch die Urlaubsstimmung nicht verderben und begann die restlichen Sachen in ihrem Trolley zu verstauen. Sie warf noch einen letzten kritischen Blick in den Spiegel, da klingelte es bereits an der Wohnungstür. Beschwingten Schrittes öffnete sie Gunnar.
»Guten Morgen. Ich habe dich bereits erwartet.«
»Hallo Jasmin. Bist du startbereit?«
»Ja, wir können los. Ich schließe nur noch die Wohnungstür ab.«
»Gut, dass du fertig bist. Hendrik wartet bereits ungeduldig im Auto!«, sagte Gunnar bestens gelaunt. Er zeigte ihr sein strahlendes Lächeln und gab ihr einen Kuss.
Gunnar schnappte sich den Trolley von Jasmin und sie warf einen letzten Blick in die Wohnung und überzeugte sich noch einmal davon, dass alles seine Ordnung hatte. Ihre Nachbarin kümmerte sich während ihrer Abwesenheit um die Pflanzen und versprach ab und zu nach dem Rechten zu schauen. Jetzt konnte der lang ersehnte Urlaub beginnen.
Hendrik stand bereits vor dem Suzuki und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Autodach herum.
»Jetzt wird es aber höchste Zeit, dass ihr eure Hintern in Bewegung setzt. Steigt endlich ein!«
»Das ist aber eine nette Begrüßung!«
»Entschuldige bitte Jasmin. Ich bin etwas nervös, denn ich möchte den Zug auf keinen Fall verpassen!«
»Wir sind in fünfzehn Minuten am Hauptbahnhof! Ich verstehe deine Aufregung nicht!«
Jetzt geht das schon wieder los, dachte sie, sagte aber kein Wort dazu und stieg in das Auto und nahm auf dem Rücksitz Platz.
Eilig verstaut Hendrik den Trolley im Kofferraum und fuhr schimpfend los.
Gunnar legte seinen Arm um Jasmin und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Obwohl es keinen Grund zur Aufregung gab, war Hendrik unheimlich nervös, wie immer, wenn besondere Ereignisse, die nicht zum Alltag gehörten, bevorstanden.
Nach fünfzehn Minuten Fahrzeit erreichten sie den Frankfurter Hauptbahnhof, parkten den Wagen im Parkhaus und begaben sich zum Bahnsteig. Sie hatten Glück und fanden noch ein freies Abteil. Gerne hätten sie eine Zigarette geraucht, aber leider herrschte im Zug striktes Rauchverbot.
Das war die negative Seite der Zugfahrt. Wenige Stunden später erreichten sie den Düsseldorfer Bahnhof und fuhren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Flughafen. Hier erwartete sie alle eine unliebsame Überraschung. Der Abflugtermin nach Dalaman verzögerte sich um sechs Stunden, da der ursprünglich gebuchte Flug gestrichen worden war. Ratlosigkeit machte sich breit. Gunnar tobte und Hendrik fiel mit heftigen Schimpftiraden ein. Der Düsseldorfer Flughafen war die reinste Einöde im Vergleich zum Frankfurter. Hier gab es noch nicht einmal ein offenes Geschäft zu dieser späten Stunde. Alle Läden waren bereits seit zweiundzwanzig Uhr geschlossen. Sie nahmen auf harten, ungemütlichen Stühlen Platz und versuchten es sich darauf so bequem, wie möglich zu machen. Gunnar schimpfte fortwährend und wühlte in seiner Hosentasche nach Hartgeld, um Cola aus dem Getränkeautomaten zu besorgen. Für zwei Getränke hatte er noch Kleingeld, also teilten sie sich die zwei Dosen Cola brüderlich. Alle waren stinksauer, aber zu ändern war jetzt an der bescheidenen Situation ohnehin nichts mehr. Die Zeit verging schleppend, Minute für Minute, Stunde um Stunde. An Schlaf war ganz und gar nicht zu denken, auf den harten Stühlen. Hendrik fielen zwar die Augen zu des Öfteren zu, aber wenige Augenblicke später schrak er wieder hoch. Jasmin taten mittlerweile alle Knochen vom langen Sitzen weh, deshalb schlug ihr Gunnar vor, gemeinsam in die Stadt zu gehen. Jasmin lehnte dies kategorisch ab, da sie Angst hatte, dass während ihrer Abwesenheit ihr Reisegepäck abhandenkommen könnte. Also harrten sie alle drei mürrisch bis um fünf Uhr aus, bis endlich der Schalter zum Einchecken öffnete.
Eine Stunde später saßen sie erschöpft, durstig und mit knurrendem Magen im Flieger nach Dalaman. Entspannt lehnten sie sich in die Polster zurück. Gunnar legte besitzergreifend seinen Arm um Jasmin. Ihr war das nur recht, so ließ Hendrik sie wenigstens in Ruhe, der war jedoch nach wenigen Minuten ohnehin eingeschlafen, was nach dieser schrecklichen Nacht kein Wunder war. Ihr war es entsetzlich kalt, denn im Flugzeug zog es aus allen Ritzen, da sie im Bereich des Notausgangs saßen. Jasmin hatte eiskalte Füße. Endlich reichte die Stewardess ihr lächelnd eine Decke, nachdem sie mehrmals darum gebeten hatte. Langsam wurde es ihr wärmer. Gunnar war inzwischen auch eingeschlafen, was seine regelmäßigen Atemzüge verrieten. Die Ruhe währte jedoch nicht lange, da kamen die Stewardessen und reichten ihnen das Essen. Gunnar brummelte etwas Unverständliches und setzte sich mürrisch auf und klappte sein Brett herunter, um die Mahlzeit dort abzustellen.
»Jetzt ist es noch unbequemer und enger, als zuvor!«, sagte er wütend.
Jasmin nickte zustimmend.
Hendrik erwachte ebenfalls und richtete sich fluchend im Sitz auf und fingerte an dem Sicherheitsgurt herum. An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken! Kurz darauf kamen die Flugbegleiterinnen mit dem Getränkewagen vorbei und sammelten die leeren Getränkebecher ein. Wenige Minuten später kündigte der Pilot den Landeanflug an. Er teilte den Passagieren mit, dass in der Türkei schönes Wetter sei, welches auch in den kommenden Tagen die Wetterlage bestimmen würde. Die Außentemperatur betrug 39,5 Grad. Wenigstens eine erfreuliche Nachricht an diesem Morgen. Er bat die Fluggäste die Sitzplätze einzunehmen und die Sitzlehnen in eine senkrechte Position zu bringen, da sie im Landeanflug auf Dalaman seien.
Die Landung war mehr als miserabel. Der Pilot hatte seinen Flugschein vermutlich im Lotto gewonnen! Es ruckelte und holperte beim Aufsetzen der Maschine auf die Rollbahn, bis sie schließlich ihre endgültige Parkposition erreicht hatte. Erleichtert atmeten alle durch. Nach einigen Minuten des Wartens konnten sie endlich das Flugzeug verlassen. Als sie ins Freie traten, erschlug sie die Hitze förmlich. Jasmin stöhnte und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Kurz darauf erreichten sie per Shuttlebus das Flughafengebäude von Dalaman. Überall Menschenmassen, wohin man auch schaute. Die Beamten überreichten ihnen das Visum, das sie ausfüllen sollten, welches aber leider in türkischer Sprache abgefasst war. Na toll! Irgendwie schafften sie es, die gewünschten Daten einzutragen und konnten endlich passieren. Sie reihten sich in eine endlose Warteschlange von Reisenden ein und warteten geduldig auf das Gepäck. Gunnar angelte einen Koffer nach dem anderen vom Gepäckband, hievte sie auf den Gepäckwagen und anschließend verließen sie gemeinsam das Flughafengebäude. Draußen schauten sie sich suchend nach dem Reisebus um. Sie entdeckten eine junge, hübsche Hostess mit langen blonden Haaren. Sie stand etwas abseits vom Geschehen, mit einem Schild in der Hand, auf dem »Marmaris« in großen Buchstaben und die Busnummer geschrieben waren. Sie irrten durch unendliche Busreihen und wurden nach langem Suchen endlich fündig. Der Anblick des Reisebusses war erschreckend, denn er sah keinesfalls verkehrssicher aus. Beim Besteigen des Omnibusses kam ihnen heiße stehende Luft entgegen. Es war kaum zum Aushalten. Von klimatisierten Bussen hatten sie in der Türkei vermutlich noch nichts gehört.
Der Reiseleiter stellte sich kurz vor und verlas die Bordliste, um die Anwesenheit zu prüfen. Er erklärte den Mitreisenden, dass sie in einem kleinen türkischen Dorf einen Zwischenstopp einlegen würden, um sich dort zu erfrischen und zu stärken. Er gab den Urlaubern vorab Tipps, was man bei der Wahl des Essens unbedingt beachten sollte.
Die Transferzeit belief sich auf zweieinhalb Stunden und das bei dieser unerträglichen Hitze. Die Kleidung klebte ihnen nach wenigen Minuten Fahrzeit am Körper fest. Schweiß lief ihnen den Rücken hinunter.
Die ersten Eindrücke von der Türkei, die sie gesammelt hatten, waren eher ernüchternd. Ihre Vorstellungen von dem Land waren etwas anders. Rechts und links der Straße erstreckte sich nur karges und unbebautes Land. Vereinzelt konnte man einige Olivenbäume sehen, unter denen Männer gelangweilt den Frauen zusahen, wie sie die Arbeiten auf dem Feld verrichteten. Vermummte Frauen kauerten am Wegesrand oder ritten mit ihren vollgepackten Eseln die ungepflasterte Straße entlang. Ein merkwürdiges Land dachte Jasmin. Sie ließ sich jedoch dadurch nicht ihre Urlaubslaune verderben, denn meistens waren die ersten Eindrücke falsch, aber ein komisches Gefühl blieb dennoch zurück.
Nach einer Stunde Fahrt erreichten sie das vom Reiseführer angekündigte Restaurant. Total verschwitzt nahmen sie im Schatten eines Olivenbaumes an einem freien Tisch Platz. Kurz darauf eilten eifrige Kellner herbei und zeigten ihnen verschiedene Fleischstücke, die auf einer Platte drapiert waren. Sie schauten Hilfe suchend zum Reiseführer.
»Ihr sollt euch ein Stück Fleisch aussuchen. Dies wird in der Küche zubereitet und als Beilage wird Salat der Saison und Fladenbrot gereicht«.
»Na toll«, dachte Jasmin und deutete auf ein appetitlich aussehendes Stück Fleisch.
Gunnar und Hendrik taten es ihr gleich. Da sie nicht wussten, was sie trinken sollten, entschieden sie sich für eine Flasche Mineralwasser, da konnte man keinesfalls etwas verkehrt machen. Überraschenderweise schmeckte das einfach zubereitete Essen vorzüglich, obgleich sie keine Ahnung hatten, was sie genau zu sich nahmen, aber egal, der erste Hunger war gestillt.
Nach einer Stunde trommelte der Reiseführer die Truppe zusammen und bat alle in zehn Minuten am Bus zu sein. Jasmin graute es vor der schlechten Luft im Inneren des Busses, nahm aber ohne Murren ihren Sitzplatz ein. Die Fenster ließen sich nicht öffnen. Sie hatte sich den Rest des Mineralwassers mitgenommen, falls sie Durst bekommen würde.
»Hoffentlich sind wir bald in Marmaris«, sagte Jasmin.
»In ungefähr einer Stunde dürften wir dort sein«, erwiderte Gunnar.
»Ich hoffe es, sonst versagt noch mein Kreislauf bei der schrecklichen Hitze. Mir ist ganz schwindlig. Wenn man bloß ein Fenster öffnen könnte, das wäre schon ein wenig Erleichterung!«
»Jasmin, ich kann es auch nicht ändern, mir geht es auch kein bisschen besser, da müssen wir jetzt durch, ob wir wollen oder nicht!«
Nach einer Fahrtzeit von einer Stunde erreichten sie schließlich den Hafen von Marmaris. Es war bereits Nachmittag und die Hitze wurde noch unerträglicher. Alle sehnten sich nach einer kalten Dusche, um endlich die Kleidung zu wechseln, die ihnen wie eine zweite Haut am Körper klebte.
»Meine Damen und Herren, bitte folgen Sie mir ins Charterbüro mit ihrem Gepäck. Sie können dort ihre Sachen unterstellen«, sagte der Reiseleiter.
Alle Anwesenden folgten ihm ins Büro und bekamen einen Begrüßungscocktail überreicht. Dankbar wurde das gekühlte Getränk entgegengenommen.
Nach einigen Minuten klatschte jemand in die Hände. Alle Blicke waren auf einen drahtigen Mann, mittleren Alters in Bermudashorts und mit einem Muskelshirt bekleidet, gerichtet. Er hatte dunkelblondes gelocktes Haar, stechend blaue Augen und einen durchtrainierten Körper, der sämtliche Blicke der Frauen auf sich zog.
»Ich darf Sie alle recht herzlich in Marmaris begrüßen. Mein Name ist Bruno. Ich bin ihr Flottillenführer und begleite Sie während des Segeltörns und stehe Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung. Allerdings gibt es während der Tour auch einige Regeln zu beachten, aber darauf komme ich morgen noch im Laufe des Tages, zurück. Jetzt haben Sie erst einmal die Gelegenheit dazu, sich frisch zu machen. Die Duschen und Toiletten finden Sie in der gegenüberliegenden Marina. Danach treffen wir uns gegen achtzehn Uhr wieder hier vor dem Büro, anschließend werden Ihnen die Segelboote zugeteilt. Wenn Sie noch Fragen haben, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung«, sagte Bruno.
Keiner der Anwesenden meldete sich zu Wort. Jetzt hatten sie noch zwei Stunden Zeit, um sich frisch zu machen. Kurz darauf ging das Gewühle im Reisegepäck los, um passende Kleidung zu finden. Alle Reisenden öffneten ihre Koffer und Seesäcke und stöberten wahllos darin herum. In der Marina sah es nach einigen Minuten wie auf einem türkischen Basar aus. Jasmin fluchte leise vor sich hin, denn so hatte sie sich den ersten Urlaubstag keineswegs vorgestellt. In der Marina standen gerademal sechs Duschen für insgesamt vierzig Personen zur Verfügung, das war bei Weitem nicht ausreichend. Während der Wartezeit hatten sie ein gemütliches Plätzchen im Schatten auf der Terrasse gefunden. Für eisgekühlte Drinks sorgte die nette Bedienung. Nach dem Duschen fühlten sie sich wie neugeboren und der Ärger der Anreise verflog allmählich.
»Gunnar, ich bin gespannt auf unser Segelboot! Können wir uns nicht ein wenig am Hafen umsehen? Es ist noch eine Weile Zeit bis zum vereinbarten Treffen!«
»Gerne Jasmin!«
»Hendrik kommst du mit oder ziehst du es vor hierzubleiben?«
»Ich bleibe hier, die Hitze macht mir ziemlich zu schaffen! Geht nur, ich warte hier auf euch!«
»Tschüss bis nachher …«, sagte Gunnar.
Gemütlich schlenderten sie Arm in Arm die Uferpromenade entlang. Es lagen unzählige Schiffe am Hafen mitunter auch Luxusyachten, Katamarane und Segelboote.
»Schau Mal Gunnar, da drüben liegen riesige Luxusliner im Hafen, so etwas habe ich bislang nur in den Medien gesehen!«
»Das ist durchaus beeindruckend, vielleicht haben wir während unseres Aufenthaltes einmal die Gelegenheit eine solche Yacht zu besichtigen«, erwiderte Gunnar.
»Das ist bestimmt interessant. Ich war noch nie auf so einem gigantischen Pott!«
Vor zwei Jahren hatten sie die Düsseldorfer Bootsausstellung besucht, dort war es aber nur den VIP-Gästen gestattet, die großen Yachten von innen zu besichtigen. Schade! Trotzdem hinterließ die Bootsausstellung damals einen bleibenden Eindruck.
»Wo liegen eigentlich unsere Segelboote? Ich kann sie nirgendwo entdecken!«
»Ich weiß nicht!«, sagte Gunnar gedehnt.
Sie schlenderten gemütlich auf der Uferpromenade am Hafen entlang.
»Gunnar, schau doch Mal, wie viele Menschen sich in den Straßen tummeln! Dort gibt es bestimmt einiges Interessantes zu sehen. Lass uns bitte hingehen!«
»Wenn es unbedingt sein muss, aber denke daran, wir müssen in einer Stunde wieder am Charterbüro sein!«, gab Gunnar zu bedenken.
»Nur ein halbes Stündchen, dann gehen wir zurück, versprochen!«
»Na, dann komm, du lässt mir sonst doch keine Ruhe!«, sagte Gunnar einlenkend.
In den engen Nebengassen von Marmaris herrschte ein kunterbuntes Treiben. Teppichhändler standen an jeder Ecke und versuchten die Urlauber zu überreden mit in den Laden zu kommen auf eine Tasse Tee, Wasser oder türkischen Kaffee. Ein Geschäft reihte sich an das andere. Hier wurden Schmuck, Leder, Kleidung, Taschen, Schuhe und Imitate von fast allen namhaften Designern, Waren aus Onyx sowie Meerschaumpfeifen zum Kauf angeboten. Manche Verkäufer zogen, wild gestikulierend, die verdutzten Touristen einfach in den Laden hinein und versuchten ihr Handelsgut loszuwerden. Kaufte man nichts, wurden sie wütend und rannten schimpfend hinter den Urlaubern her. Sie betitelten sie als Banditen. Andere Touristen verließen händeringend die Läden und suchten rasch das Weite. Die Menschenmassen wurden immer dichter, Gedränge entstand in den engen Gassen und der Lärm wurde fast unerträglich.
»Jasmin, lass uns bitte jetzt gehen, der Trubel wird mir zu viel. Ich war schon auf unzähligen Basaren, aber hier ist echt die Hölle los!«
»Ja, du hast recht! Die Händler sind sehr aufdringlich, das mag ich auch nicht! Ich gehe lieber in Ruhe einkaufen und lasse mich äußerst ungern zum Kauf drängen!«
Genervt kehrten sie dem hektischen Treiben der Händler den Rücken zu und gingen zur Marina zurück. Dort wartete die Truppe bereits vor dem Charterbüro auf den Flottillenführer Bruno. Hendrik hatte sich auch zu den Wartenden gesellt.
»Prima, dass ihr auch schon da seid. Ich dachte, ihr hättet euch bei dem Trubel in Marmaris verlaufen!«
»Nein, das haben wir nicht, wie du siehst!«, antwortete Gunnar mürrisch.
Erschöpft ließen sie sich an einem freien Tisch vor dem Charterbüro nieder. Kurz darauf brachte der freundliche Kellner ein weißes milchiges Getränk, welches ihnen gänzlich unbekannt war. Jasmin nippte vorsichtig am Glas.
»Gunnar, das schmeckt ausgezeichnet. Ich glaube, Anis zu schmecken!«
»Das ist Raki, den kann man mit dem griechischen Ouzo vergleichen. Den türkischen Raki kann man mit Wasser verdünnen oder auch pur trinken!«, sagte Gunnar erklärend.
»Gut zu wissen! Danke für die Info!«
»Sag mal Gunnar, wollten heute nicht Vivian und Reinhold zu uns stoßen!«
»Soviel ich weiß, sind sie bereits seit gestern in Marmaris. Vermutlich kommen sie gleich!«
»Meinetwegen können sie bleiben, wo der Pfeffer wächst«, sagte sie empört!
»Jasmin akzeptiere endlich, dass sie von uns eingeladen sind. Also finde dich damit ab!«
»Du weißt genau, dass das Segelboot nur für uns drei gechartert wurde! Jetzt sind wir fünf Personen, wie stellst du dir das vor, eine Woche auf so engem Raum zusammenzuleben?«
»Wir werden uns schon auf irgendeine Weise arrangieren!«
»Die Schlafplätze sind aber nicht ausreichend«, gab Jasmin zu bedenken.
»Warte erst einmal ab, uns das Segelboot zugewiesen wird, dann sehen wir weiter!«
Wenn man vom Teufel spricht! …
»Hallo, da seid ihr ja! Wir haben in der Zwischenzeit vor lauter Langeweile alle Teppiche von Marmaris aufgekauft«, sagte Reinhold grinsend.
Natürlich war dies ein Scherz. Er hatte es echt drauf, die Mitmenschen an der Nase herumzuführen, das war eine Charaktereigenschaft, die Jasmin an ihm besonders hasste. Reinholds Aufschneiderei ging ihr total gegen den Strich. Seine ganze Art war ein rotes Tuch für sie. Vivian war auch keinen Deut besser, sie erwartete stets, dass man ihr im wahrsten Sinne des Wortes den »roten Teppich« ausrollte, wenn sie in Erscheinung trat. Für sie war nichts gut genug. Sie war einfach nur eine verwöhnte junge Frau, der man partout nichts recht machen konnte.
Kaum hatten die beiden am gemeinsamen Tisch Platz genommen, zitierte Reinhold einen freien Kellner heran. Er nahm ein Bündel Geldscheine aus seinem Portemonnaie und wedelte der irritierten Bedienung damit vor der Nase herum.
»Wir hätten gerne zwei Flaschen Wein, aber den Besten, den Sie haben!«, sagte er großspurig.
Der Kellner nickte und ging davon!
»Reinhold, die Leute verdienen hier kaum Geld und du schmeißt gleich ein Bündel Geldscheine auf den Tisch, findest du das nicht etwas übertrieben?«
»Ich weiß überhaupt nicht, warum du dich so aufregst, Jasmin! Ich habe genug Geld, ich könnte die Kneipe kaufen!«
»Mach, was du willst, aber in Ordnung finde ich dein Verhalten auf keinen Fall!«, erwiderte sie wütend.
Sie schluckte ihre Wut hinunter. Sie hatte nicht die Absicht, es sich schon am ersten Tag mit den beiden zu verderben, denn dann bekäme sie auch den Zorn von Gunnar und Hendrik zu spüren, das wollte sie auf jeden Fall vermeiden! Gleich am ersten Urlaubstag Streit anzufangen, das musste nicht unbedingt sein.
Während alle auf die Übernahme des Segelbootes warteten, tranken sie den sündhaft teueren Wein, welcher Jasmin ehrlich gesagt, überhaupt nicht mundete. Nicht alles, was teuer war, schmeckte auch!
»Vivian habt ihr die Absicht auf dem Segelboot zu übernachten oder bleibt ihr in Marmaris im Hotel«, wagte sie vorsichtig zu fragen.
»Nein, Jasmin, wir hatten nur für letzte Nacht das Hotelzimmer gebucht. Den restlichen Urlaub verbringen wir natürlich mit euch gemeinsam. Auf dem Segelboot zu übernachten, stelle ich mir unheimlich romantisch vor. Das ist doch Mal etwas anderes, wie immer diese Hotels! Meinst du nicht auch Schatz?«
»Sicher Vivian, aber wenn ich ehrlich bin, ein weiches Bett würde ich den harten Kojen jederzeit vorziehen. Denke bitte an meinen Rücken!«
»So fürchterlich wird es bestimmt nicht werden! Wenn doch, können wir zu jeder Zeit in ein Hotel ausweichen«, sagte Vivian besänftigend.
Die werden sich noch wundern, wie romantisch das wird. Irgendwie ahnte Jasmin, dass das Ganze in einer Katastrophe enden würde, warum wusste sie auch nicht genau zu sagen.
Endlich wurde die Geduld der Wartenden belohnt und Bruno bat um ihre Aufmerksamkeit.
»Ich begrüße euch alle recht herzlich zum Flottillensegeln und wünsche euch einen schönen und unvergesslichen Aufenthalt in der Türkei. Während dieser Zeit stehe ich euch für Fragen und Probleme aller Art gerne zur Verfügung.
Jetzt habe ich noch einige grundsätzliche Informationen, die wichtig sind und bitte um eure geschätzte Aufmerksamkeit: »Auf all den Segelbooten waren eine Grundausstattung von sauberer Bettwäsche, Handtücher und Geschirrtüchern sowie eine voll ausgestattete Bordküche vorhanden. Ebenso ein Vorrat an Gas zum Kochen und ein Tank mit Frischwasser. Weiterhin ein voller Tank mit Treibstoff. Die Endreinigung muss am letzten Reisetag selbst von der Crew vorgenommen werden.
In jedem Hafen, den wir anlaufen, gibt es genügend Geschäfte und Basare, wo ihr euch für den täglichen Bedarf eindecken könnt. Außerdem findet ihr dort viele türkische Restaurants, in denen man gut und günstig essen kann. Das Zubereiten von Mahlzeiten an Bord gestaltet sich ohnehin schwierig, da wir uns die meiste Zeit auf offener See befinden. Währenddessen ist es strengstens untersagt zu kochen. Die Bordküche wird nur benutzt, wenn wir im Hafen vor Anker gegangen sind, sonst ist sie für alle tabu. Dann gibt es noch einige Regeln zu beachten, die dringend befolgt werden sollten. Keiner entfernt sich während des Segelns von der Flottille. Außerdem ist es Pflicht, während des Segels ständigen Funkkontakt mit den anderen zu halten. Nenne ich euch einen Treffpunkt, so sollte dieser unbedingt eingehalten werden. Weiterhin ist es strengstens verboten, im Hafen die Bordtoilette zu benutzen, da euch in der Marina sanitäre Anlagen zur Verfügung stehen. Die Toiletteninhalte werden an Land, an den dafür vorgesehenen Stellen ordnungsgemäß entsorgt und keinesfalls auf offener See. Das sind einige Grundsatzregeln, die ihr befolgen solltet, andernfalls wäre es das Ende eures Segeltörns, das wäre doch schade! Und jetzt teile ich euch die Segelboote zu!«, sagte Bruno mit seinem französischen Akzent.
Sie bekamen das Boot mit dem Namen »Kalmi« zugewiesen. Jasmin rutschte bereits ungeduldig auf dem Stuhl hin und her und konnte es vor Neugier kaum noch aushalten. Sie warf Gunnar und Hendrik einen fragenden Blick zu.
»Na kommt, dann wollen wir uns die Segelboote einmal genauer ansehen!«, sagte Gunnar ebenfalls neugierig geworden.
Alle fünf schlenderten am Hafen entlang und hielten gespannt Ausschau nach dem Boot. Langsam kam Ungeduld auf, da sie es nirgendwo entdecken konnten.
»Gunnar, schau Mal, hinten am Anlegesteg, auf dem Segelboot steht »Kalmi«, das wird es wahrscheinlich sein!«, sagte sie und drängte die anderen rascher zu gehen.
Als sie am besagten Boot ankamen, konnte Jasmin ihren Ärger nicht zurückhalten. Auch Gunnar, Hendrik, Reinhold und Vivian schauten entsetzt drein und schüttelten den Kopf. Gunnar brummelte etwas vor sich hin, was keiner verstehen konnte, da er wieder in den steirischen Dialekt verfallen war. Das tat er immer, wenn er wütend oder besonders aufgeregt war.
»Das kann unmöglich unser Boot sein, dass wir gechartert haben. Hier fanden höchstens drei Leute Platz, aber auf keinen Fall fünf erwachsene Personen!«, sagte Gunnar ärgerlich.
»Ich habe es dir doch gleich gesagt, dass das Segelboot für fünf Personen nicht genügend Platz bietet, aber du wolltest davon partout nichts wissen und hast trotzdem Vivian und Reinhold eingeladen! Wie stellst du dir das die nächsten zwei Wochen vor, auf derart engem Raum zusammenzuleben?«, fragte Jasmin entrüstet und innerlich vor Wut kochend.
»Jasmin, lass uns erst einmal das Innere des Bootes besichtigen, dann sehen wir weiter. Irgendwie werden wir uns arrangieren!«, sagte er einlenkend.
»Du hast gut reden Gunnar, lass uns hineingehen!«
Als sie das Innere des Bootes in Augenschein nahmen, wurde Jasmin immer stiller. Das war bestimmt ein Albtraum, aber sie war leider hellwach. Im vorderen Bereich des Segelbootes befanden sich insgesamt vier Kojen, wobei jeweils zwei davon übereinander lagen. Dazwischen stand ein festmontierter Tisch. Im Heckteil des Bootes befand sich ein Schrank zum Verstauen der Kleidung oder anderen Utensilien, eine Kabine für zwei Personen und eine Nasszelle mit Toilette. Die Kabine war so klein, dass man darin Platzangst bekam. Von Luxus konnte man hier in keiner Weise sprechen.
Gunnar wies, großzügig, wie er war, Vivian und Reinhold die Doppelkabine zu. Jasmin schluckte ihren Ärger hinunter, musste jedoch grinsen, als sie sah, dass die Tür der Nasszelle eine Doppelfunktion hatte. Wenn jemand auf das stille Örtchen ging, so verschloss man mit der Kabinentür die Toilette und das hatte zur Folge, dass jeder in die Kabine von Vivian und Reinhold Einsicht nehmen konnte, wenn sie schliefen.
Jasmin war den Tränen nahe, so hatte sie sich ihren Urlaub mit Gunnar gewiss nicht vorgestellt. Mit weiteren vier Personen auf dermaßen engem Raum zwei Wochen lang auskommen zu müssen, gestaltete sich mit Sicherheit nicht einfach. Von Intimsphäre konnte hier keine Rede sein. Zwischen Gunnar und ihrer Koje befand sich ein Tisch, der festmontiert war und Hendrik schlief über Gunnar. Das würde ein richtig romantischer Urlaub werden! Sie waren sozusagen von Tisch und Bett getrennt. Auf Zärtlichkeiten würde sie wohl oder übel während des Urlaubs verzichten müssen, wie es aussah.
Die Zwillinge nahmen inzwischen die Doppelkojen auf der rechten Seite im Vorraum des Bootes in Beschlag und Jasmin blieben die andere Koje und die darüber liegende zur freien Verfügung. Sie versuchte, sich in den unteren Teil des Etagenbettes, zu legen. Das war ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Koje über ihr war so dicht über ihrem Kopf angebracht, dass sie das Gefühl hatte, dort unten zu ersticken. Entrüstet und nach Luft schnappend kletterte sie aus der Koje. Über eine kleine Leiter gelangte sie in die obere Koje und versuchte es dort mit Probe liegen. Das war schon etwas besser. Hier gab es noch ein wenig Luft bis zur Decke. Die untere Koje blieb vorerst unbenutzt. Indessen packte Vivian ihre zwei Koffer aus – einer war nur statthaft pro Person – und füllte den einzigen Schrank im Boot vollkommen mit ihren Sachen. Für die Klamotten der anderen war kein Platz mehr vorhanden. Na prima! Jasmin kochte vor Wut. Sie nahm ihren Koffer und stellte ihn wutentbrannt auf die untere Koje, die ohnehin ungenutzt blieb, da es Gunnar vorzog, in der Doppelkoje über Hendrik zu nächtigen. Am liebsten hätte sie Gunnar auf der Stelle erwürgt, weil er Vivian und Reinhold die einzige Schlafkabine mit etwas Privatsphäre zugewiesen hatte, in der es sich die beiden - wie selbstverständlich - gemütlich machten. Gewiss verschwendeten sie keinerlei Gedanken daran, wie sie im vorderen beengten Teil des Bootes zurechtkamen.
Jasmin wusste, dass Gunnar als Gastgeber lieber selbst auf Bequemlichkeiten verzichtete, bevor es die Gäste taten. Ihr Ärger steigerte sich ins Unermessliche, als sie sah, dass Gunnar seine Sachen an Deck in irgendwelchen Kisten verstaute, die eigentlich für Schwimmwesten, Trockeneis und Vorräte vorgesehen waren. Ohne Worte ...
Wenn Jasmin daran dachte, dass sie für den Segeltörn fünftausend Euro gezahlt und die beiden sich gerademal mit lächerlichen tausend Euro daran beteiligten hatten, so wurde sie immer ärgerlicher. Reinhold verdiente genügend Geld, um sich eine eigene Yacht kaufen zu können. Aber nein, sie mussten sich ausgerechnet auf ihrem Boot einnisten und alles in Beschlag nehmen.
»Hallo Leute, darf ich einmal kurz um eure Aufmerksamkeit bitten! Wir werden heute Nacht im Hafen bleiben und erst am Morgen auslaufen. In der ersten Tageshälfte bekommt ihr dann weitere Infos über den genauen Kursverlauf. Jetzt ist erst einmal Entspannung angesagt, damit ihr euch von den Strapazen der Anreise erholen könnt. Ich wünsche euch eine angenehme Nachtruhe. Wir sehen uns dann morgen früh!«, sagte Bruno der Flottillenführer und war bereits zur nächsten Yacht unterwegs.
Ihr Segelboot stand mit der Bordtür genau zum Hafen hin gerichtet. Unweigerlich konnte jeder Vorübergehende ins Innere des Bootes Einsicht nehmen. Jasmin schauderte es bei dem Gedanken, ständig von vorbeigehenden Passanten beobachtet zu werden. Die Luft an Bord war dermaßen stickig, dass man unmöglich die Tür schließen konnte, ohne in Atemnot zu geraten.
»Gunnar, ich habe Hunger! Wie sieht es denn mit den anderen aus?«
»Ich frage, ob sie mitkommen möchten! In Hafennähe gibt es genügend Gaststätten. Dort finden wir bestimmt etwas Geeignetes zum Einkehren!«
Wenige Minuten später brachen sie alle auf und schlenderten gemütlich am Hafen entlang. Ein Restaurant reihte sich an das andere. Reinhold nahm wieder einmal das Zepter in die Hand und drängte sie förmlich in ein Lokal, dass er von seiner Erkundungsstour vom Vorabend kannte. In seiner großkotzigen Art zitierte er den Kellner an den Tisch und bestellte eine Flasche Raki, Wasser und zwei Flaschen Wein. Er hielt es noch nicht einmal für nötig, zu fragen, was die anderen für einen Getränkewunsch hatten. Jasmin war fassungslos. Wie konnte er einfach über ihren Kopf hinweg entscheiden, was sie trank? Ihr fehlten die Worte. Sie verabscheute Alkohol bei derartigen Außentemperaturen. Viel lieber hätte sie jetzt eine schöne kalte Limonade getrunken. Gunnar legte beruhigend seine Hand auf die ihre. Kurz darauf erschien die Bedienung mit dem Gewünschten und Reinhold wies ihn an, eine Platte mit Fleisch zu bringen, um eine Auswahl zu treffen, was jeder essen möchte. Der Kellner eilte wortlos davon.
Nachdem die Mahlzeit ausgewählt war, aber keiner so recht wusste, was er überhaupt bestellt hatte, wurden sie letztendlich doch noch angenehm überrascht. Das ihnen gereichte Fleisch war lecker und vor allem sehr gut gewürzt. Frisches Fladenbrot und eine große Platte mit Salaten der Saison standen für alle bereit. Gesättigt und müde lehnte Jasmin sich nach der Mahlzeit in ihrem Stuhl zurück. Reinhold schenkte fortwährend Wein nach, bis sie schließlich die Hand protestierend auf das Glas legte.
»Ich möchte keinen Wein mehr! Trinkt ihr den Rest! Außerdem ist es bereits ziemlich spät und ich bin todmüde.«
Gunnar und Hendrik stimmten Jasmin zu. Missmutig verlangte Reinhold die Rechnung. Vivian sagte kein Wort zu alldem. Allem Anschein war es für sie normal, dass er die Dinge selbst in die Hand nahm und eigenmächtige Entscheidungen traf.
Als sie zur Yacht zurückkehrten, war es mittlerweile dunkel. Auf den Kojen lag frische Bettwäsche für sie alle bereit. Jasmin bezog alle drei Schlafplätze. Vivian und Reinhold sollten sich gefälligst selbst darum kümmern. Total geschafft legten sie sich in die Kojen. Jasmin war traurig, weil Gunnar so weit von ihr entfernt nächtigte. Sie hätte gerne noch ein wenig mit ihm geschmust, aber daran war unter den gegebenen Umständen nicht zu denken. Plötzlich schrak sie hoch. Im Hafen brach ein Heidenlärm aus. Bongotrommler, Blumenmädchen, Feuerschlucker, Musikanten und Teppichverkäufer ließen sich genau vor ihrem Segelboot nieder.
»Gunnar, hörst du den Lärm? Das ist ja kaum zum Aushalten, wie soll man da schlafen können?«
»Jasmin beruhige dich, vielleicht ziehen sie bald weiter!«
»Da bin ich aber gespannt!«
Leider löste sich die Truppe nicht auf, sondern der Krach nahm noch an Intensität zu. Mittlerweile hatten sich eine Menge Touristen um ihr Boot versammelt, die den Schaustellern zusahen. Jasmin dachte, sie sei in einer Zirkusvorstellung.
Die Nachtruhe war gelaufen!
»Was ist denn das für ein Lärm? Ich war gerade ein wenig eingeschlafen«, sagte Vivian aufgebracht.
Sie war leichenblass und das Haar hing ihr wirr im Gesicht. Auf irgendeine Weise passte ihr Anblick zum Schauspiel am Hafen, das hier gerade geboten wurde. Der Trommelwirbel wurde immer lauter, die Blumenmädchen verteilten Rosen an die vorübergehenden Passanten und jubelten ihnen zu. An Schlafen war jetzt nicht mehr zu denken, infolgedessen begaben sie sich alle an Deck und schauten zwangsläufig dem kunterbunten Treiben zu. Jasmin konnte sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten. Hendrik holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Raki und Mineralwasser. An und für sich wollte sie keinen Alkohol mehr trinken, aber um ihren Ärger hinunter zu spülen, nahm sie das Glas dankend an. Leider blieb es nicht bei dem einen Glas Raki und Jasmin spürte Aggressivität in sich aufsteigen, denn der Tag war einfach zu lang und anstrengend für sie gewesen. Etwas taumelnd, den Alkohol nicht gewöhnt, stand sie auf und zog sich in die obere Koje zurück. Die anderen waren ihr egal, sie wollte nur noch schlafen. Sie versuchte es sich in der Koje bequem zu machen, doch das war schier unmöglich. Die Decke schien immer näherzukommen und sie bekam Platzangst. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. Aufsetzen konnte sie sich auch nicht, sonst hätte sie sich an der Deckenwand den Kopf gestoßen. Fortwährend lärmte es vor dem Boot, die anderen waren auch noch draußen und lachten viel zu laut, was ebenfalls auf zu viel Alkoholkonsum zurückzuführen war. Jasmin wälzte sich unruhig von einer Seite zur anderen. Irgendwann schlief sie vor Erschöpfung ein.
Am nächsten Morgen erwachte sie mit quälenden und stechenden Kopfschmerzen. Als sie die Augen öffnete, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Als ihr Blick in die Runde schweifte, entdeckte sie Gunnar und Hendrik immer noch schlafend auf der gegenüberliegenden Koje. Die beiden schnarchten dermaßen laut, dass sie sich die Ohren zuhalten musste. Das kam mit Sicherheit vom vielen Raki. Sie fasste sich stöhnend an den schmerzenden Kopf. Vorsichtig richtete sie sich auf und kletterte langsam die Leiter hinunter.
»Na, Jasmin, auch schon wach?«, fragte Reinhold grinsend und pfiff laut vor sich hin.
Sie hätte ihn erwürgen können. Plötzlich stand Vivian hinter ihr. Erschrocken wandte Jasmin sich um. Sie bot einen erbärmlichen Anblick. Sie war aschfahl im Gesicht, ungeschminkt und nur spärlich mit einem T-Shirt bekleidet. So kannte sie Vivian überhaupt nicht. Sie legte im Allgemeinen auf ihr Äußeres größten Wert. Sie sah für gewöhnlich aus, als wäre sie einem Modejournal entstiegen.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte Jasmin sie erstaunt.
»Ich habe kein Auge heute Nacht zugemacht. Reinhold war total überdreht und hat überhaupt keinen Schlaf gefunden und sitzt schon die ganze Nacht an Deck. Die Hitze in der Doppelkabine war unerträglich und kaum zum Aushalten. Die Luft steht dort! Wir konnten die Tür nicht öffnen, da bis weit nach Mitternacht ständig Touristen am Hafen flaniert sind. Das war die schrecklichste Nacht in meinem Leben. Außerdem hat das Boot geschaukelt«, sagte sie entrüstet.
»Da bin ich froh, dass ich nicht die Einzige bin, der es schlecht geht! Ich gehe jetzt ins Charterbüro hinüber, um zu duschen, kommst du mit Vivian?«
»Ja, warte, ich hole nur meine Sachen!«
Gemeinsam gingen sie ins Büro. Hier standen bereits einige der Truppe zum Duschen an. Jasmin setzte sich auf einen freien Stuhl und Vivian tat es ihr gleich. Es dauerte mindestens eine halbe Stunde, bis sie endlich an die Reihe kamen. Nach dem Jasmin ein Duschbad genommen hatte, fühlte sie sich bedeutend besser und langsam verflüchtigten sich ihre starken Kopfschmerzen.
Jasmin und Vivian bahnten sich einen Weg durch die immer noch wartenden Personen vor der Dusche, zum Boot zurück.
Reinhold hatte inzwischen zu ihrem Erstaunen den Kaffeetisch an Deck gedeckt. Gunnar und Hendrik waren mittlerweile aus dem Tiefschlaf erwacht. Beide schauten ziemlich mürrisch drein. Als Jasmin Gunnar einen Morgenkuss auf den Mund hauchen wollte, drehte er den Kopf zur Seite und murmelte etwas, was sie nicht verstehen konnte. Irritiert setzte sie sich neben ihn. Er sprach kein Wort, auch nicht zu den anderen. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was ihm für eine Laus über die Leber gelaufen war.
»Gunnar, was hast du denn?« brach sie das eisige Schweigen. »Jasmin, mir brummt der Schädel, ich glaube, er platzt gleich! Dieser »scheiß Raki«, so schnell trinke ich das Zeug nicht wieder!«, sagte er mürrisch und fasste sich an seinen Brummschädel.
»Am besten du springst unter die Dusche, danach ging es mir auch bedeutend besser. Wenn das Duschen nicht hilft, kannst du gerne Kopfschmerztabletten bekommen!«
»Okay Jasmin. Bis gleich!«
Als Gunnar nach einer Weile wieder zu ihnen stieß, war er nicht mehr ganz so fahl im Gesicht und ein vorsichtiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
»Jasmin, du hattest recht, die Dusche hat Wunder bewirkt, aber noch einmal trinke ich das Gesöff nicht, das war mir eine Lehre. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so heftige Kopfschmerzen!«
»Man sollte niemals nie sagen!«, sagte Jasmin grinsend und nahm bei den anderen am reichhaltig gedeckten Frühstückstisch Platz.
Plötzlich tauchte Bruno der Flottillenführer auf, gesellte sich zu ihnen, gab die erste Route mit dem Zielort und dem zugehörigen Kurs bekannt.
»Leute, ich lege euch hiermit noch einmal ans Herz, ständig mit der gesamten Flottille in Funkkontakt zu bleiben. Solltet ihr vom Kurs abkommen oder dergleichen, könnte es äußerst brenzlig für alle werden. Die Gewässer sind voller Tücken und eine Inselgruppe gleicht der anderen. Gunnar, wie ist denn eure bisherige Segelerfahrung?«
»Mein Bruder Hendrik und ich hatten bis vor ein paar Jahren ein eigenes Segelboot in Kroatien im Hafen von Malin Lošinj liegen. Leider wurden die Liegegebühren immer teurer und wir waren aus finanziellen Gründen gezwungen, das Segelboot zu verkaufen.«
»Dann brauche ich euch nicht mehr viel erklären, als alte Seebären. Haltet euch bereit, in einer Stunde legen wir ab, euren Kurs kennt ihr bereits!«, sagte Bruno mit französischem Akzent.
Im Hafen herrschte reges Treiben, alle Segelboote wurden zum Auslaufen flott gemacht. Es gab ein riesiges Durcheinander beim Ablegen, viel Geschrei, weil manche ihre ersten Segelversuche machten und nach mehreren Wendemanövern quer zwischen den anderen Booten feststeckten. Die Aufregung war groß. Nach gut einer Stunde liefen alle Segelboote endlich aus dem Hafen von Marmaris aus und ließen die lebhafte Stadt hinter sich.
Einige Seemeilen von Marmaris entfernt, setzte Hendrik die Segel und Gunnar bediente das Ruder. Je weiter sie auf das offene Meer kamen, desto höher wurde der Wellengang.
Vivian machte es sich zwischen den Segeln mit den Polsterauflagen aus den Kojen bequem. Jasmin konnte das nicht gutheißen, denn wenn die Wellen brachen und die Gicht über Bord spritzte, würden die Auflagen nass und mit einer Kruste Salzwasser überzogen. Sie hatte keine Lust nachts auf feuchten und klebrigen Polstern zu nächtigen. Jasmin schluckte ihre Wut hinunter. Das Meer wurde immer unruhiger. Sie war schon des Öfteren mit den Zwillingen gesegelt und sie konnte sich als seefest bezeichnen. Sie wusste daher, dass sie sich auf keinen Fall verkrampfen durfte, sondern mit den Bewegungen der Wellen mitgehen musste. Sie betrachtete indessen die schöne Landschaft, die sich ihr bot. Sie revidierte den Eindruck vom ersten Reisetag. Die Umgebung ringsherum war sehr malerisch. Überall ragten kleine Inseln mit einer üppigen grünen Vegetation aus dem Meer.
»Schau Mal Gunnar, vor uns segelt Bruno. Kannst du ihn sehen? Am besten du bleibst direkt hinter ihm, so sind wir genau auf Kurs!«
»Ja, mache ich!«
Vivian hielt sich mittlerweile nur noch krampfhaft auf ihrem Polster. Bei jeder Welle bekam sie einen ordentlichen Schwall Wasser über und sie spuckte angeekelt das Salzwasser aus. Das Boot neigte sich bedrohlich auf die Seite. Vivian wurde leichenblass und machte Anstalten das Deck zu verlassen, als eine riesige Welle über das Boot schwappte. Sie kam ins Straucheln und fiel unsanft gegen die Reling. Schimpfend verließ sie das Deck. Das war natürlich das Schlimmste, was sie tun konnte, denn unter Deck bekam sie den Seegang erst richtig zu spüren. Nach einigen Minuten hörte Jasmin, dass sich Vivian übergeben musste. Kurz darauf tat es ihr Reinhold gleich und übergab sich an der Reling. Der Wind stand ungünstig und blies ihm das Erbrochene ins Gesicht. Er wischte es sich angeekelt weg und ging zu Vivian unter Deck. Ihr taten die beiden ausgesprochen leid.
»Gunnar, wo ist Bruno geblieben? Ich kann sein Boot nirgendwo mehr sehen!«, sagte Jasmin ängstlich.
»Ich habe auch nicht genau darauf geachtet, da die See plötzlich sehr rau wurde, da hatte ich meine Last, den angegebenen Kurs zu halten. Irgendwie glich eine Inselgruppe der anderen, an denen wir vorbeigesegelt sind. Dann kam auch noch der Nebel auf und die Sicht wurde immer schlechter! Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wo wir uns derzeit befinden!«
»Gunnar, das ist hoffentlich nicht dein Ernst?«
»Doch leider!«
»Was machen wir denn jetzt? Hast du das Funkgerät eingeschaltet?
»Nein, wozu denn!«
»Vielleicht deswegen, um mit den anderen in Funkkontakt zu bleiben und nachzufragen, wie wir wieder zu ihnen stoßen können!«, sagte Jasmin aufgebracht.
»Ich habe noch nie ein Funkgerät gebraucht!«
»Dann ist jetzt der Zeitpunkt dafür oder willst du noch Stunden um die Inselgruppen segeln, außerdem wird es bald dunkel, schon einmal daran gedacht?«, sagte Jasmin aufgebracht.
»Lass mich in Ruhe, ich finde die anderen bestimmt wieder!«
»Da bin ich aber gespannt, wie du das anstellen willst ohne Funk und gänzlich vom Kurs abgekommen. Wie das bei eurer Segelerfahrung passieren konnte, ist mir ein Rätsel!«
»Noch ein Wort und ich vergesse mich!«, sagte Gunnar zornig.
Jasmin zog es vor, am besten nichts mehr zu sagen und ging ebenfalls unter Deck zu den anderen, die immer noch leichenblass in ihrer Doppelkabine saßen und mit der ansteigenden Übelkeit kämpften.
Nach einer Viertelstunde hörte Jasmin Hendrik am Funkgerät hantieren und vernahm nach einigen Sekunden die wütende Stimme von Bruno.
»Wo steckt ihr denn um Gottes willen? Wir dachten, wir hätten euch verloren bei dem starken Seegang. Warum ist euer Funkgerät nicht eingeschaltet? Wir versuchen seit Stunden mit euch Kontakt aufzunehmen, leider erfolglos. Ich habe eingangs extra erwähnt, wie wichtig es ist, in ständigem Funkkontakt miteinander zu stehen! Ich dachte, das sei klar und deutlich bei euch angekommen, aber anscheinend nicht!«
»Entschuldige bitte, wir haben nicht daran gedacht«, erwiderte Hendrik zaghaft.
»Wie kann man als erfahrener Segler vergessen, das Funkgerät einzuschalten? Jetzt nehmen wir Kurs auf Kumlubük, wie vorher besprochen. Wir sehen uns dann in einer halben Stunde!«, sagte Bruno aufgebracht.
Als sich das Meer beruhigte, erschienen Vivian und Reinhold mit blasser Gesichtsfarbe an Deck und gesellten sich wieder dazu. Reinhold, der sonst sehr gesprächig war, sagte kein Wort.
»Leute, dass mache ich nicht noch einmal mit! Sobald wir im nächsten Hafen anlegen, werde ich mir sofort Tabletten gegen Seekrankheit besorgen, denn sonst kann ich den Segeltörn abbrechen!«, stellte Vivian fest.
Im Stillen dachte Jasmin, hoffentlich verschwinden die vom Boot, dann haben wir wenigstens Ruhe und können den Urlaub genießen. Beide hatten vor Reisebeginn behauptet nicht seekrank zu sein, das war gelogen, wie vieles mehr.
Nach dreistündiger Irrfahrt war endlich Land in Sicht. Es konnte sich nur um Kumlubük handeln. Mit dem Fernglas machten sie Bruno am Hafen aus, der ungeduldig am Anlegesteg hin und her lief. Etwas Gutes verhieß das nicht. Gunnar verzog keine Miene und nahm Kurs auf die Bucht.
Jasmin hätte nie gedacht, dass ausgerechnet sie diejenigen sein würden, die Hilfe von Bruno in Anspruch nehmen mussten. Gunnar saß am Ruder und steuerte den Steg an.
»Hendrik, was machst du denn? Wirf doch endlich die Leine zu Bruno rüber!«
»Es geht nicht, sie hat sich total verknotet! Ich kann sie nicht entknoten!«, sagte er mit hochrotem Kopf.
Jasmin sah, wie sich Hendrik abmühte und ihm kleine Schweißperlen auf die Stirn traten. Sie eilte zu ihm und half mit, die Leine zu entwirren. Gunnar blieb am Ruder und schaute finster drein. Nach mehreren Versuchen gelang es den beiden, endlich die Leine freizubekommen. Jetzt konnte Gunnar beidrehen und seitwärts am Steg anlegen. Hendrik warf Bruno die Leine zu, der sie anschließend vertäute.
»Als alte Seebären müsstet ihr doch wissen, dass man vorher die Leinen klarmacht! Das hätte euch nicht passieren dürfen! Ich erteile euch hiermit den ersten Verweis, weil ihr ohne Funkkontakt gesegelt seid. Seit Stunden warten wir auf euch. Noch so ein Vorfall in dieser Art und ihr könnt eure Koffer packen und nach Hause fliegen. Die Regeln sind nicht zum Vergnügen aufgestellt worden. Ich hoffe, wir haben uns verstanden!«
Keiner sagte etwas - betretene Stille. Bruno eilte wütend davon und gesellte sich zu den anderen der Gruppe und ließ sie einfach stehen.
Nachdem sich die Aufregung etwas gelegt hatte, beschlossen sie alle gemeinsam Kumlubük zu erkunden.
»Wie lange bleiben wir denn jetzt in dieser Bucht Gunnar?«
»Ich denke über Nacht, das habe ich vorhin aufgeschnappt. Soviel ich weiß, müssen wir an Bord übernachten. Toiletten und Duschen stehen uns in der Anlage zur Verfügung.«
»Das kann ja eine tolle Nacht werden!«
»Jasmin, schau mal, da drüben unter den Palmen stehen Liegestühle, dort können wir heute übernachten! Das ist bestimmt wesentlich bequemer, wie in den engen Kojen zu nächtigen und zudem sind wir an der frischen Luft. Warten wir es ab, bis es dunkel wird, möglicherweise haben wir Glück und die Liegen stehen noch dort. Wenn nicht, nehmen wir einfach unsere Decken und schlafen am Strand, wenn du damit einverstanden bist. Gunnar zwinkerte ihr schelmisch zu.
Jasmins Ärger verflog schlagartig und sie lächelte Gunnar liebevoll an. Wie sehr hatte sie sich in den vergangenen Tagen gewünscht, ein paar Stunden mit ihm ungestört verbringen zu können. Vielleicht ergab sich heute Nacht eine Chance auf etwas Zweisamkeit.
Die Bucht war ein Traum und idyllisch gelegen.
Kumlubük war ein noch relativ unbebauter Urlaubsort mit einigen wenigen kleinen Hotels, meist Boutiquehotels.
In unmittelbarer Nachbarschaft, hoch oben auf einem felsigen Berg über der Bucht, fand man die Überreste einer antiken Stadt. Amos-Kent bot neben den Resten eines Theaters und den Stadtmauern auch eine besonders schöne Aussicht auf die Buchten rund um Marmaris.
Hand in Hand schlenderten Gunnar und Jasmin an dem feinen langen Sandstrand, der eigens für die Hotelgäste aufgeschüttet worden war, entlang. Blendend weiß brach sich die Brandung am Strand und das Meer leuchtete in den Farben Saphir und Türkis. Auf der anderen Seite der Bucht erstreckte sich ein langer Kieselstrand mit kristallklarem Wasser. Das einzige große Hotel, das sich in dieser Bucht befand, war großzügig angelegt. Überall in der Anlage flatterten bunte Schmetterlinge und der Duft fremdartiger Blumen hing in der Luft. Eine Bougainvillea vergoss ihre leuchtenden Blüten über einem Bachlauf, der leise vor sich hin plätscherte. Wunderschöne Blumenrabatten säumten die Wege zum Strand.
Kleinere Hotels befanden sich etwas außerhalb. Sie kamen an einem Restaurant und einer gemütlichen Strandbar vorbei. Viel gab es in dieser Bucht nicht, aber sie war traumhaft romantisch. Ideal für Verliebte oder Urlauber, die ihre Ruhe genießen wollten.
»Gunnar wollen wir schwimmen? Schau, wie klar das Wasser ist! Hast du Lust mitzukommen?«
»Ja, lass uns gehen!«
Sie gingen zur Kalmi zurück und zogen die Badesachen an und liefen barfuß durch den feinen Sand zum Strand hinunter. Heute war es sehr heiß, deshalb suchten sie sich einen schattigen Platz unter einer Palme und breiteten die Handtücher auf den Liegestühlen aus. Jasmin zog Gunnar mit sich ins Wasser. Es war herrlich, diese unendliche Weite des Meeres. Sie schwammen um die Wette bis zur nächsten Boje, bis Gunnar auf einmal »Vorsicht« rief.
»Was ist denn Gunnar?«
»Hier sind Feuerquallen, lass uns schleunigst wieder ans Ufer schwimmen.«
»Wo denn Gunnar? Ich kann keine sehen!«
»Schau genau hin, sie sind überall, wohin ich auch blicke, lass uns sofort aus dem Wasser gehen!«
Sie schaute sich um und tatsächlich, überall schwammen die Quallen um sie herum. Vorsichtig bahnte sich Jasmin einen Weg durch die Feuerquallen und atmete erleichtert auf, als sie den Strand erreichte.
»Mensch, da hatten wir echt Glück, dass uns keine erwischt hat«, sagte Jasmin außer Puste geraten, da sie schnell geschwommen war, um an Land zu kommen. So eine idyllische Bucht und dann diese blöden Quallen, die haben mir das Schwimmen vermiest!«
»Die werden mit der Meeresströmung in die Bucht getrieben, das ist leider nicht zu ändern! An anderen Tagen findest du vermutlich keine in der Bucht. Allem Anschein nach haben wir heute Pech«, sagte Gunnar.
Jasmin wusste, dass eine einzige Feuerqualle höllische Schmerzen auslösen kann, die ähnlich einer Verbrennung sind, und war froh, mit keiner der Quallen in Berührung gekommen zu sein.
»Scheinbar haben wir auf dieser Reise das Pech gepachtet«, erwiderte sie zynisch.
Gunnar sagte nichts dazu und legte sich auf den Liegestuhl. Plötzlich riss er sie aus ihren Gedanken.
»Jasmin, schau Mal, da drüben kannst du in weiter Ferne die Umrisse von Dalyan sehen, das ist unser nächstes Reiseziel. Heute ist besonders klare Sicht!«
Sie folgte seinem Blick und nickte geistesabwesend.
»Gunnar hast du keinen Hunger? Wir haben seit Stunden nichts mehr gegessen!«
»Lass uns zu den anderen gehen und fragen, ob sie mitkommen möchten oder ob noch weiteres geplant ist! Nicht, dass wir uns erneuten Ärger einhandeln, wenn wir auf eigene Faust etwas unternehmen!«
«Muss das sein Gunnar, ich wäre viel lieber mit dir alleine!«
»Ja, denn eine weitere Abmahnung möchte ich heute nicht mehr riskieren. Also komm bitte mit!«
Widerstrebend folgte sie Gunnar zum Anlegesteg. Dort standen Vivian, Reinhold und Hendrik und winkten ihnen zu, als sie ihrer ansichtig wurden.
»Wo bleibt ihr denn? Wir sollen zum Barbequegrill kommen, heute Abend gibt es Lamm vom Grill, Salat und Fladenbrot«, sagte Hendrik.
»Muss das sein?«
»Ja, wir sollen uns dort alle in fünfzehn Minuten einfinden, denn nach dem Essen wird uns Bruno die Route für morgen bekannt geben.
»Ich hatte ehrlich gesagt die Absicht, mit Vivian ins Restaurant zum Essen zu gehen. Lamm gehört nicht unbedingt zu unseren Lieblingsspeisen«, bemerkte Reinhold und tätschelte Vivians Hintern.
»Wir sollten besser Brunos Aufforderung Folge leisten, danach könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt«, sagte Gunnar mit Nachdruck.
Missmutig machten sie sich auf den Weg zum besagten Grillabend. Der Grillplatz war rundherum mit Fackeln hell erleuchtet. Die gesamte Reisetruppe war versammelt und hatte sich im Sand oder auf den Liegestühlen niedergelassen. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Alle redeten durcheinander, man konnte kaum sein eigenes Wort verstehen. Gunnar besorgte an der Strandbar zwei Gläser Tequila Sunrise mit bunten Schirmchen verziert. Jasmin nahm den Cocktail dankend entgegen und prostete ihm lächelnd zu. Nach dem zweiten Glas Tequila wurde die Stimmung gelöster. Reinhold und Vivian machten es sich etwas abseits auf einem Liegestuhl bequem und tauschten in aller Öffentlichkeit Zärtlichkeiten miteinander aus. Jasmin fand das äußerst schamlos, aber sie sagte nichts und nippte an ihrem Tequila.
»Leute, ihr könnt jetzt euer Essen holen, die Lammspieße sind fertig. Salate und Fladenbrot sowie das Dessert stehen am Buffet für euch bereit. Ich wünsche allen einen guten Appetit«, sagte Bruno.
Gunnar, Jasmin und Hendrik reihten sich in die Schlange ein, die sich bereits gebildet hatte, und warteten geduldig, bis sie an die Reihe kamen. Jasmin beobachte, dass Vivian und Reinhold sich ausschließlich am Salatbuffet bedienten. Von den Lammspießen wollten sie scheinbar nichts wissen.
Mit voll beladenen Tellern ließen sie sich im Sand etwas abseits vom Grill nieder. Hendrik war der Erste, der den Spieß probierte. Er verzog angewidert das Gesicht und spuckte das Fleisch in hohem Bogen wieder aus.
»Das ist ja noch roh! Grillen können die auch nicht!«, sagte er.
Jasmin probierte ebenfalls und musste ihm recht geben, das Fleisch war roh, lauwarm und schmeckte daher tranig. Lamm muss heiß serviert werden, sonst ist es nicht genießbar. Hendrik buddelte kurzerhand ein Loch im Sand und vergrub seinen Spieß. Sie taten es ihm gleich. Jasmin schaute sich unsicher um, aber offenbar waren die anderen mit sich selbst beschäftigt und keiner hatte ein Augenmerk auf sie gerichtet. Sie stocherte lustlos in ihrem Salat herum, dem es ebenfalls an Würze fehlte, aber der Hunger trieb ihn rein.
»Gunnar, wenn Bruno die Route bekannt gegeben hat, gehen wir zum Restaurant und Essen noch eine Kleinigkeit. Der Salat war auch nicht der Burner!«
»Okay Jasmin!«, sagte Gunnar.
»Ich darf kurz um eure Aufmerksamkeit bitten. Bildet einen Kreis um mich, dann brauche ich nicht so laut zu sprechen, wenn ich die Route für den morgigen Tag bekannt gebe. Also, wir laufen morgens früh um acht Uhr aus und nehmen dann direkten Kurs auf Dalyan. Weitere Infos bekommt ihr morgen früh kurz vor dem Ablegen. Die Funkgeräte bleiben alle eingeschaltet ohne Ausnahme! Ich wünsche euch einen schönen Abend, dann bis Morgen!«, sagte Bruno.
»Gehen wir jetzt Essen? Mir knurrt der Magen!«
»Okay, lass uns aufbrechen Jasmin. Ich habe auch Hunger.«
Sie steuerten auf das einzige Restaurant zu, das es in dieser Bucht gab. Von dort bot sich den beiden ein atemberaubender Blick auf das offene Meer. Der Kellner brachte, kaum dass sie Platz genommen hatten, die Speisekarte. Sie verfügte sogar über eine deutschsprachige Seite, das machte das Aussuchen der Speisen einfacher. Jasmin bestellte sich ein gefülltes Hacksteak und als Beilage Pommes frites und Gunnar bevorzugte ein Fischgericht mit Kartoffeln.
Das Essen schmeckte vorzüglich und rasch war der rohe Lammspieß vom Grillabend in Vergessenheit geraten. Nachdem sie bezahlt hatten, machten sie es sich an der nicht unweit entfernten Strandbar mit schöner Musik gemütlich.
Als sie auf ihren gemeinsamen Urlaub anstoßen wollten und im Glauben waren, einige Minuten für sich zu haben, ließ eine wohlbekannte Stimme sie herumfahren.
»Na, ihr zwei Turteltauben, seid ihr schon lange hier?«
»Nein, Reinhold, wir sind gerade erst gekommen!
»Dann lasst uns Party machen! Ich bestelle eine Flasche Whisky mit Eis, dann lassen wir es richtig krachen. Hendrik und Vivian kommen auch gleich nach.«