Ein Herz und keine Krone - Anne Bodmann - E-Book

Ein Herz und keine Krone E-Book

Anne Bodmann

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Die Fürstin Theodora von Reichenbach ging unruhig in ihrem Salon auf und ab. Sie erwartete den Rechtsanwalt Dr. Karl Schuster, der die Fürstenfamilie seit Jahrzehnten in allen juristischen Fragen beriet. Sie wollte ihr Testament machen. Schon lange hatte sie diese Aufgabe vor sich her geschoben, es war ihr lästig gewesen, und immer war ihr etwas dazwischengekommen. Jetzt aber wollte sie keine Ausreden mehr gelten lassen. Die Fürstin war mit ihren sechzig Jahren nicht alt. Sie war eine schlanke, gepflegte Erscheinung, der man die Jahre nicht ansah. Da sie viel Sport trieb, Reiten vor allem, war sie elastisch geblieben. Theodora von Reichenbach bewahrte Haltung in allen Dingen. Sie selbst unterwarf sich freiwillig einer straffen Diszi­plin, erwartete das aber auch von anderen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr und runzelte die Stirn. Schon eine Viertelstunde über die Zeit! Warum konnte der Anwalt nicht pünktlich sein? Verdiente die Anwaltskanzlei Dr. Schuster nicht genug an Reichenbach und seinen vielfältigen Rechtshändeln? Gewiss gründete sich sein Wohlstand vor allem auf seinen Beziehungen zum Fürstenhaus Reichenbach. Da konnte man wenigstens Pünktlichkeit von ihm erwarten. Es klopfte an der Tür. Endlich!

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Fürstenkrone – 217 –

Ein Herz und keine Krone

Eine turbulente Verwechslung bringt Delia und Sebastian zusammen...

Anne Bodmann

Die Fürstin Theodora von Reichenbach ging unruhig in ihrem Salon auf und ab. Sie erwartete den Rechtsanwalt Dr. Karl Schuster, der die Fürstenfamilie seit Jahrzehnten in allen juristischen Fragen beriet. Sie wollte ihr Testament machen. Schon lange hatte sie diese Aufgabe vor sich her geschoben, es war ihr lästig gewesen, und immer war ihr etwas dazwischengekommen. Jetzt aber wollte sie keine Ausreden mehr gelten lassen.

Die Fürstin war mit ihren sechzig Jahren nicht alt. Sie war eine schlanke, gepflegte Erscheinung, der man die Jahre nicht ansah. Da sie viel Sport trieb, Reiten vor allem, war sie elastisch geblieben. Theodora von Reichenbach bewahrte Haltung in allen Dingen. Sie selbst unterwarf sich freiwillig einer straffen Diszi­plin, erwartete das aber auch von anderen.

Sie schaute auf ihre Armbanduhr und runzelte die Stirn. Schon eine Viertelstunde über die Zeit! Warum konnte der Anwalt nicht pünktlich sein? Verdiente die Anwaltskanzlei Dr. Schuster nicht genug an Reichenbach und seinen vielfältigen Rechtshändeln? Gewiss gründete sich sein Wohlstand vor allem auf seinen Beziehungen zum Fürstenhaus Reichenbach. Da konnte man wenigstens Pünktlichkeit von ihm erwarten.

Es klopfte an der Tür. Endlich! Der Butler meldete der Fürstin, dass Herr Dr. Schuster eingetroffen sei und bitte, von ihr empfangen zu werden.

»Es ist gut, Jacques. Ich lasse bitten.«

Fürstin Theodora lächelte. Der gute Jacques! Er war nun schon fünfundzwanzig Jahre im Haus, aber seine steife Art und seine gestelzten Redewendungen hatte sie ihm nicht abgewöhnen können.

»Warum sind Sie so schrecklich vornehm, Jacques?«, hatte sie ihn früher oft gefragt und darauf nur immer die würdevolle Antwort bekommen: »Ich diene in einem großen Haus und muss mich in dieser Aufgabe entsprechend benehmen.«

Er hieß auch nicht Jacques. Sein wirklicher Name war Jakob Müller, aber er hatte schon früh beschlossen, aus dem deutschen Jakob den französischen Jacques zu machen.

Der Anwalt betrat den Salon und verbeugte sich tief vor der Fürstin.

»Ich muss mich entschuldigen, Fürstin. Ich steckte unterwegs in einem Stau und bin deswegen zu spät gekommen. Ich hoffe, dass Sie noch nicht lange gewartet haben.«

Die Fürstin zog die Augenbrauen hoch und schaute auf die Uhr, antwortete aber nicht. Sie wies Dr. Schuster einen Platz auf einem der zierlichen Sessel zu und fragte: »Was darf ich Ihnen bringen lassen? Kaffee, Tee oder einen Sherry? Aber Sie dürfen auch andere Wünsche äußern, Dr. Schuster.«

Der Anwalt entschied sich für einen Sherry, obwohl er den süßen Wein gar nicht mochte. Aber es war wohl nicht ratsam, noch Sonderwünsche anzumelden, nachdem die Fürstin solch einen Blick auf ihre Uhr geworfen hatte.

»Sie haben mich rufen lassen, Fürstin?«, eröffnete er das Gespräch.

»Ich denke, ich sollte mein Testament machen, Herr Dr. Schuster. Es wird Zeit, dass ich mein Haus bestelle.«

»Aber ich bitte Sie, Fürstin! Sie sind jung, gesund und leistungsfähig. Wer denkt da schon ans Sterben?«

»Ich. Auch mein Mann war gesund und leistungsfähig, als er den Autounfall erlitt. Und mein Sohn Johannes war es nicht minder, als er mit dem Flugzeug abstürzte. Ich bin die einzige Überlebende in dieser Familie und muss nun eine Entscheidung treffen, wer den Besitz erben soll. Ich tu es wahrhaftig nicht gern. Viel lieber wäre es mir gewesen, wenn mein Sohn geheiratet hätte und ich jetzt Enkelkinder versorgen müsste. Aber was soll’s? Ich habe mich in langen Jahren mit dem Verlust der liebsten Menschen abgefunden. Nun muss ich an die Zukunft denken.«

»Ich nehme an, Fürstin, Sie denken an eine Lösung, die auch den Wünschen des Fürsten entsprochen hätten. Wahrscheinlich haben Sie auch mit Ihrem Gemahl über die Erbfolge gesprochen.«

»Das haben wir eben nicht, Doktor. Als mein Mann tödlich verunglückte, lebte ja mein Sohn noch. Es war ein Erbe da, der einzig mögliche Erbe. Wenige Jahre nach dem Tode meines Mannes stürzte mein Sohn mit einer Sportmaschine ab. Er war noch nicht verheiratet und hinterließ daher auch keine Kinder.«

»Die Brüder des Fürsten?«

»Daran habe ich auch gedacht. Dann bliebe der Besitz wenigstens in der Familie. Es gibt da gewisse Schwierigkeiten. Es existiert bei den Reichenbachs ein Hausgesetz, dem jeder Reichenbach unterworfen ist. Daneben gibt es das Bürgerliche Recht, das für jeden Staatsbürger verbindlich ist. Bei uns ist es so, dass nur der älteste Sohn das Erbe antreten kann. Die jüngeren Geschwister müssen, sobald sie großjährig sind, vor einem Notar den Verzicht auf den Familienbesitz erklären. Die jüngeren Brüder meines Mannes haben dafür eine Entschädigung und eine Ausbildung bekommen.«

»Und dann ist der eigentliche Erbe ausgefallen«, meinte Dr. Schuster nachdenklich.

»Als Johannes starb, war ich seine Erbin, er hatte keine Frau, keine Kinder und Geschwister. So beerbte ihn seine Mutter, obwohl das Hausgesetz diesen Fall nicht vorgesehen hatte. Ich trat die Erbschaft nach dem Bürgerlichen Gesetz an. Denn seine beiden Onkel sind entfernter mit ihm verwandt und deren Kinder auch. Außerdem haben die beiden Brüder meines Mannes schon vor langen Jahren auf ihr Erbe verzichtet. Sagen Sie selbst, Doktor, wer beerbt mich nun?«

»Haben Sie eigene Verwandte? Geschwister?«

»Wie Sie vielleicht wissen, bin ich eine geborene Prinzessin von Quentin. Bei uns galt ein ähnliches Gesetz. Mein Bruder Hugo war der Erbe, ich erhielt eine Aussteuer und eine Mitgift. Hugo lebt nicht mehr, und seine Witwe soll nicht meine Erbin sein, denn ich meine, dass der Reichenbachsche Besitz in der Familie Reichenbach bleiben soll.«

»Da müssten Sie allerdings wirklich ein Testament erstellen, Fürstin«, sagte der Anwalt, der ihre Ausführungen aufmerksam verfolgt hatte. »Wen von den Brüdern Ihres Mannes wollen Sie denn bedenken, Prinz Christian oder Prinz Gero?«

»Keinen von beiden. Sie haben schließlich schon vor langer Zeit darauf verzichtet. Und außerdem sind beide älter als ich, möglicherweise bestimme ich einen Erben, der noch vor mir stirbt. Dazu kommt, dass sie beide bürgerliche Berufe gewählt haben und darin erfolgreich sind. Christian ist Anwalt in München, er ist ein gesuchter Strafverteidiger. Und Gero ist Diplomingenieur und ein bekannter Flugzeugkonstrukteur. Nein, Dr. Schuster, ich denke an die nächste Generation.«

»Wie viele Kinder haben die Brüder Ihres Gemahls, Fürstin?«

»Prinz Christian hat eine Tochter, Delia, sie wird 19 oder 20 Jahre alt sein. Und Prinz Gero hat einen Sohn Sebastian, der dürfte Mitte zwanzig sein.«

»Ja, dann …, dann entscheidet Ihre Vorliebe für den einen oder anderen. Oder Ihre gute Meinung, wer denn von beiden geeigneter ist, die Güter und die verschiedenen Unternehmen des Fürsten zu leiten. Vielleicht teilen Sie auch den Besitz unter den beiden. Es dürfte für jeden noch genug sein.«

»Teilen kommt nicht infrage. Das hätte auch mein Mann nicht gewünscht. Die anderen Fragen kann ich Ihnen nicht beantworten. Wer mir lieber ist? Da müsste ich sie doch wenigstens kennen. Ich habe Delia zuletzt bei ihrer Taufe gesehen. Das Verhältnis meines Mannes zu seinen Brüdern war nicht das beste. Sie haben ihre Antipathie einfach auf mich übertragen. Es gab keinen Kontakt mehr zu ihren Familien.«

»Hmm«, machte der Anwalt nachdenklich. »Da wäre dann noch Prinz Sebastian, der Sohn Ihres Schwagers Gero.«

»Für ihn gilt dasselbe wie für Delia. Ich sah ihn zuletzt bei der Taufe. Ich gebe zu, dass ich zuerst an ihn gedacht habe, als ich einen Erben suchte. Schließlich ist er ein Mann und wird daher seinen Namen an seine Nachkommen vererben. Dann bliebe der Besitz nicht nur in der Familie, sondern auch in der Hand eines Namensträgers. Aber …«

»Aber?«, fragte der Anwalt.

»Mein Schwager Gero ist mit einer bürgerlichen Frau verheiratet. Seine Frau Charlotte ist eine geborene Bente. Nette ordentliche Leute, gewiss. Aber ihr gemeinsamer Sohn Sebastian stammt daher nur teilweise aus dem Uradel.«

Dr. Schuster hatte eine boshafte Bemerkung auf der Zunge, aber angesichts der Tatsache, dass seine Kanzlei ihre Existenz zum größten Teil der Fürstenfamilie von Reichenbach verdankte, schwieg er lieber. Es war ohnehin ein aussichtsloses Unterfangen, der Fürstin Theodora den Adelsstolz auszutreiben.

»Und was ist mit der Tochter Ihres Schwagers Christian?«

»Delia? Da sieht das schon ganz anders aus. Ihre Mutter Isolde ist eine geborene Gräfin von Bernbach. Delias Abkunft ist also ohne Tadel. Nur ist sie leider ein weibliches Mitglied der Familie Reichenbach.«

»Ja, Fürstin, da ist guter Rat teuer. Sie werden sich wohl oder übel für einen von beiden entscheiden müssen.«

»Natürlich. Aber für wen?«

»Vielleicht sollten Sie sie beide erst einmal kennenlernen? Erst dann werden Sie wissen, wer Ihnen sympathischer ist oder wer sachverständiger ist und daher die Besitzungen besser verwalten wird. Laden Sie beide hierher nach Reichenbach ein, dann werden Sie es ja sehen. Oder Sie besuchen sie bei ihren Eltern.«

»Das Letztere scheidet wohl aus!«, sagte die Fürstin hoheitsvoll. »Bleibt also nur, die beiden jungen Leute hierherzubitten. Meinen Sie wirklich, mein Neffe und meine Nichte würden meiner Einladung folgen?«

»Das kann ich nicht beurteilen. Versuchen Sie es, Fürstin. Nur so können Sie Klarheit gewinnen. Ich denke, dass das Testament noch so lange Zeit hat.«

Der Anwalt verabschiedete sich. Gleich nachdem er gegangen war, ließ die Fürstin ihren Sekretär rufen. Gerhard Brand war normalerweise in der Fürstlich Reichenbachschen Gutsverwaltung beschäftigt, bei Bedarf fungierte er als Privatsekretär der Fürstin. Sie schätzte an ihm die Pünktlichkeit und Genauigkeit, aber auch seine absolute Loyalität und Verschwiegenheit. Sie gab ihm den Auftrag, die Aufenthaltsorte und Adressen von Delia, Prinzessin von Reichenbach, und von Sebastian, Prinz von Reichenbach, ausfindig zu machen und die beiden jungen Leute zu einem Ferienaufenthalt auf dem Stammsitz ihrer Familie, Schloss Reichenbach, einzuladen.

*

In dem renommierten Schweizer Töchterpensionat Brünnlisgrund war die Abschlussfeier soeben beendet. Die jungen Mädchen des letzten Schuljahres hatten die eidgenössische Matura, das dortige Abitur, bestanden und ihr Diplom aus den Händen des Direktors entgegengenommen. Die Feier war umrahmt von Darbietungen aller Art, von Chor- und Orchestermusik und vielen feierlichen Reden. Manche Abschiedsträne war geflossen. Die Eltern, die zum Teil aus Übersee gekommen waren, waren stolz auf ihre Töchter und glücklich, sie wieder mit nach Haus nehmen zu können.

Alle Schülerinnen stammten aus angesehenen Familien, denn wer sonst hätte das staatliche Schulgeld aufbringen können? Sie kamen aus Unternehmerkreisen, aus altem Adel, aus Gutsbesitzersfamilien. Manche Väter waren Diplomaten, die ihre Töchter nicht in exotische Länder mitnehmen wollten und die sie deswegen lieber in einem europäischen Internat ausbilden ließen.

Unter ihnen waren auch Delia Prinzessin von Reichenbach und ihre beste Freundin, Amelie von Dorenberg. Sie beide waren ausgezeichnete Schülerinnen gewesen, denen der Abschied von ihrer »Penne« ehrlich leidtat.

»Ich werde unser gutes altes Brünnlisgrund sehr vermissen«, seufzte Amelie.

»Ich auch. Es waren schöne Jahre hier«, meinte Delia.

Amelies Vater drängte zum Aufbruch. Der Freiherr von Dorenberg betrieb eine Brauerei in Niederbayern. Da Delias Eltern nicht abkömmlich gewesen waren, hatte er sich bereit erklärt, Delia in seiner großen Limousine mitzunehmen und sie in München-Grünwald abzuliefern, wo die Familie eine behagliche Villa bewohnte.

Sie hatten gerade ihre vielen Koffer und Bücher verstaut und wollten sich in den Wagen setzen, als eines der Stubenmädchen von Brünnlisgrund angestürzt kam und einen Brief in der Hand schwenkte.

»Für Sie, Delia!«, rief sie schon von Weitem. »Wie gut, dass Sie noch nicht fort sind.«

»Danke, Betty«, sagte Delia und wollte den Brief achtlos in ihre Tasche stopfen.

»Willst du nicht aufmachen?«, drängte Amelia.

»Was soll’s schon sein?«, meinte Delia. »Na, gut, damit du Ruhe gibst.«

Sie riss den Brief ziemlich achtlos auf.

»Das teure Büttenpapier! Und das edle Wappen!«, spottete Amelie. »Und du gehst damit um, als wäre es eine Reklamesendung.«

Freiherr von Dorenberg und seine Frau hatten auf den Vordersitzen des Wagens Platz genommen, und die beiden jungen Damen saßen im Fond. Während Amelies Vater den Wagen startete, las Delia endlich ihren Brief.

»Du machst ja solch ein verwundertes Gesicht«, meinte Amelie. »Gibt es was Neues?«

»Eine Tante hat mich für die Sommerferien eingeladen. Sie wohnt auf dem Stammsitz unserer Familie.«

»Ist sie nett?«, fragte Amelie neugierig.

»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich kenne sie nicht.«

»Na, so was. Und wieso lädt sie dich ein?«

»Lies es selbst. Vielleicht verstehst du es besser als ich.«

Damit reichte Delia der Freundin den Brief. Amelie las mit wachsendem Erstaunen:

Liebe Nichte Delia!

Wie ich erfahren habe, besuchst Du in der Schweiz ein Internat. Ich habe viel Gutes über die Töchterschule Brünnlisgrund erfahren und freue mich, dass Dich Deine lieben Eltern dort ausbilden lassen.

In der Vergangenheit haben sich unsere Wege nur selten gekreuzt. Ich würde Dich sehr gern kennenlernen und bitte Dich hiermit, Deine Sommerferien auf Schloss Reichenbach zu verbringen. Sicher wird es Dir Freude machen, die Vergangenheit Deiner Familie näher kennenzulernen. Du warst noch nie auf Schloss Reichenbach, das in vielen Jahrhunderten unseren Vorfahren Haus und Heimat war.

Vielleicht kannst Du Dir auch eine Zukunft auf Schloss Reichenbach vorstellen. Aber das kannst Du erst wissen, wenn Du einmal hier gewesen bist. Übrigens habe ich auch Deinen Vetter Sebastian eingeladen, den Sohn Deines Onkels Gero, den ich nicht besser kenne als Dich. Ich hoffe, dass auch er kommen wird. Gib mir bald Nachricht, wann Du kommst. Ich freue mich auf Deinen Besuch.

Deine Tante Theodora, Fürstin von Reichenbach.

»Hmm«, sagte Amelie. »Was wirst du machen?«

»Erst einmal werde ich meine Eltern fragen, was sie davon halten. Wahrscheinlich werden sie mir von der Reise abraten, so herzlich waren die Beziehungen nicht.«

»Und was willst du selbst?«

»Es würde mich schon locken.«

Amelie nahm den Brief noch einmal zur Hand und studierte ihn aufmerksam.

»Hat deine Tante einen Sohn?«, fragte sie plötzlich.

»Sie hatte einen, aber der ist vor Jahren mit einem Sportflugzeug abgestürzt. Es war eine große Aufregung in der Familie. Meine Eltern sind zur Beisetzung hingefahren, ich blieb zu Haus. Ich war damals erst neun Jahre alt, und hatte gerade Scharlach. Ich glaube, mein Vater hatte ein wenig die Erwartung, der Nächste in der Erbfolge zu sein.«

»War er es?«

»Offenbar nicht. Wir sitzen ja noch in München.«

»Wenn ich den Brief genau betrachte, dann fällt mir einiges auf.«

»Und was, bitte schön?«