Ein Lied in allen Dingen - Philipp Schönthaler - E-Book

Ein Lied in allen Dingen E-Book

Philipp Schönthaler

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Beschreibung

Der Starflötist Niklas Metnev tourt durch Deutschland, in Begleitung eines Simultandolmetschers, aus dessen Sicht erzählt wird. Er ist ein kleiner Teil einer Musikindustrie, die ihn bis zum bitteren Ende verwertet und dabei die widrigen Bedingungen seiner Existenz schafft. Mit seiner Erzählung über den Musiker Niklas Metnev nahm Philipp Schönthaler beim Wettlesen des Ingeborg-Bachmann-Preises 2013 teil.

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Seitenzahl: 18

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Philipp Schönthaler

EIN LIED IN ALLEN DINGEN

Erzählung

Inhaltsverzeichnis

Ein Lied in allen Dingen
Weitere Titel von Philipp Schönthaler
Das Schiff das singend zieht auf seiner Bahn. Roman
Nach oben ist das Leben offen. Erzählungen
Impressum

Ein Lied in allen Dingen

Der Auftakt seiner Deutschlandtournee war ein Erfolg: Um 20 Uhr verlässt Niklas Metnev die 35 Quadratmeter große Stargarderobe im Backstagebereich und steigt die schmale Montagetreppe hinauf, die zum Deckentragwerk der SAP Arena in Mannheim führt, vor ihm der Bühnentechniker und Veranstaltungsassistent, direkt in Metnevs Rücken ich, schreibt Missfelder: Der Techniker und Assistent plaudern mit gesenkter Stimme, das Lochblech scheppert unter den Tritten von Metnevs Lederstiefeln. Ein Aluminiumsteg auf der Westseite der Halle verläuft in Längsrichtung parallel zu den Doppel-T-Stahlträgern der gewölbten Dachkonstruktion, im hinteren Hallendrittel öffnet sich der Montagesteg auf eine kleine Plattform. Wie bei der Generalprobe am späten Nachmittag steigt der 30-jährige in den Gurt, unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn ist Metnev stets in sich gekehrt, wortkarg, nur seine Mundpartie und Lippen bewegt er stumm, grimassiert. Der Gurt wird ihn um Oberschenkel und Hüfte geschlungen durch die Luft tragen, ähnlich wie ein Klettergurt, nur dass die Trageschlaufe am Rücken in Höhe des Nackens angebracht ist, ein elastisches Brustband stützt zudem das Rückgrat, hält den nur minimal aus dem Lot nach vorne gekippten Körper aufrecht. Höchste Priorität kam bei der Anfertigung des Spezialgurts der maximalen Beweglichkeit von Nacken und Torso zu, die Stiefel, die in zwei Fußschlaufen stecken, erlauben es Metnev selbst in schwebendem Zustand die nötige Körperspannung aufzubauen, indem er die Fersen kraftvoll nach unten in die Schlaufen drückt. In Zusammenarbeit mit dem jungen Choreographen verfiel Metnev zudem darauf, nur das rechte Bein zur Gänze durchzustrecken, während er das linke leicht anhebt, in der Kniekehle um zehn Grad anwinkelt, die Fußspitze drückt sich, auch des gesteigerten Gefühls der inneren Balance halber, in die rechte Wade und resultiert erst so in der visuellen Wirkung der Schwerelosigkeit, die es zeitweise unmöglich macht zu unterscheiden, ob der Körper soeben im Auf- oder Absteigen begriffen ist – ein Schwebezustand, der faktisch zwar gegeben sein mag, optisch jedoch erst durch die technischen Kniffe erzeugt wird.