EIN MÄDCHEN SPIELT FALSCH - James Mayo - E-Book

EIN MÄDCHEN SPIELT FALSCH E-Book

James Mayo

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Beschreibung

»...und die Halle des Grand Hotels, in der ich diese Zeilen diktiere, sieht genauso aus, als stamme sie aus einem Humphrey-Bogart-Film. Unwillkürlich erwartet man, Bogart in seinem Trenchcoat hereinkommen zu sehen, und ich wette, dass die Gäste nicht einmal aufblicken würden, wenn er tatsächlich hereinspazierte.«

Das sagt Charles Hood in Nicaragua, kurz bevor er einen ganz besonderen Art Bombe begegnet.

Denn jetzt betritt Matilda Roebeck die erregende, farbenprächtige, verkommene Szenerie. Welch ein herrliches Supermädchen - und in welch dunkle Abenteuer ist sie verstrickt...!

 

James Mayo (eigtl. Stephen Coulter, * 21. August 1914; † 16. Juli 1986) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Besonders bekannt sind seine Kriminal-Romane um den kultivierten Spion Charles Hood.

Der Roman Ein Mädchen spielt falsch erschien erstmals im Jahr 1971; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1973.

Der Verlag DER ROMANKIOSK veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe DIE MITTERNACHTSKRIMIS.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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JAMES MAYO

 

 

Ein Mädchen spielt falsch

 

Roman

 

 

 

 

Die Mitternachtskrimis, Band 9

 

 

Der Romankiosk

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

EIN MÄDCHEN SPIELT FALSCH 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

 

»...und die Halle des Grand Hotels, in der ich diese Zeilen diktiere, sieht genauso aus, als stamme sie aus einem Humphrey-Bogart-Film. Unwillkürlich erwartet man, Bogart in seinem Trenchcoat hereinkommen zu sehen, und ich wette, dass die Gäste nicht einmal aufblicken würden, wenn er tatsächlich hereinspazierte.«

Das sagt Charles Hood in Nicaragua, kurz bevor er einen ganz besonderen Art Bombe begegnet.

Denn jetzt betritt Matilda Roebeck die erregende, farbenprächtige, verkommene Szenerie. Welch ein herrliches Supermädchen - und in welch dunkle Abenteuer ist sie verstrickt...!

 

James Mayo (eigtl. Stephen Coulter, * 21. August 1914; † 16. Juli 1986) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Besonders bekannt sind seine Kriminal-Romane um den kultivierten Spion Charles Hood. 

Der Roman Ein Mädchen spielt falsch erschien erstmals im Jahr 1971; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1973.  

Der Verlag DER ROMANKIOSK veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe DIE MITTERNACHTSKRIMIS.

   EIN MÄDCHEN SPIELT FALSCH

 

 

 

 

 

 

 

  INTERNBRIEF

 

ABSENDER: Miss W. Proxmire

 

In der Anlage übersende ich Ihnen den vollständigen Text von Mr. Hoods letztem Bericht.

 

(gezeichnet) Wynyfrede P. Proxmire 

- Leiterin der Schreibzentrale

 

*) Wieder einmal habe ich wegen einiger besonderer Bemerkungen unseres lieben Mr. Hood die Bänder persönlich abschreiben müssen. Meinen Mädchen konnte ich es nicht zumuten, sich mit derartigem Material zu befassen. Ich bin bereits abgehärtet.

W. P. P.

 

Verteiler: A2J – 4 Durchschläge

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Miss Proxmire, hier spricht Charles Hood im Grand Hotel Managua, dritter März, nachmittags drei Uhr dreißig; und von der Stelle aus an der ich stehe und in den Rekorder diktiere, kann ich an dem Fenster auf der anderen Seite des Swimmingpools einen kräftig gebauten, nackten jungen Mann von etwa vierundzwanzig Jahren sehen, mit dunklem Haar, einer sonnengebräunten Brust, die Sie schön modelliert nennen würden, und einem anscheinend harten – hm – Bauch. Hm-hm – also lassen Sie Ihrer Phantasie freies Spiel, Miss Proxmire; stellen Sie sich vor, wie Sie dort drüben mit Ihrem Liebsten stehen, die Haare auf seiner Brust streifen Ihre muschelfarbenen Brustwarzen, Sie also Sie in Ihrem durchsichtigen weichen Traumdings von bikinigroßem Schlüpfergürtel gehen zum Bett, und seine jungen Unterarme umschließen Ihren Derrière, während er den ersten Kuss auf Ihre Punktkarte platziert, Liebste; aber Sie haben gewiss bereits erraten, dass dies nicht die Hauptsache ist, die ich zu berichten habe. Punkt. Was unsere hochverehrten Chefs wissen sollten, Miss Proxmire, ist, dass ich heute früh in der Halle dieses Hotels angesprochen wurde. Das Hotel ist recht beachtlich, möchte ich sagen; und falls Sie nicht wissen sollten, wo Managua liegt, es liegt in Nicaragua, tja ich sagte gerade Nicaragua. Sicherlich brauche ich das nicht zu buchstabieren – hm –, es liegt auf dem schmalen Landstreifen zwischen den Vereinigten Staaten und Südamerika, nördlich von Panama, und es ist... Moment mal – Moment, da kommt schon wieder dieser verdammte Kellner mit Getränken, die ein anderer bestellt hat; das ist jetzt das dritte Mal.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Hood zwei. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, vielleicht hat nichts von alledem etwas zu bedeuten; ich diktiere es nur für alle Fälle, Liebling. Also, um wieder fortzufahren, ich sitze hier in der Hotelhalle und warte auf den jungen Jack McGinnis, das ist dieser blitzgescheite hiesige Agent, von dem ich neulich geschrieben habe. Ich sitze also hier mit etwas Trinkbarem, und da kommt so ein tolles Supermädchen – vielleicht mit einem Schuss Jane Fonda, Sie wissen was ich meine – honigblond, mit geschlitztem Rock, und sagt: Ach, Mr. Hood, Sie sind doch Detektiv, nicht wahr? Ich bin Matilda Roebeck, guten Morgen. Englische Stimme. Und setzt sich mir gegenüber; und noch ehe ich sie fragen kann, woher sie das weiß, erzählt sie, dass sie mit ihrem Stiefvater Schwierigkeiten hat. Er lässt ihr nachspionieren. Punkt. Ihr Stiefvater ist ein sehr bösartiger Mann, Anführungszeichen, er könnte mir sehr schaden, Anführungszeichen geschlossen; sie sagt, er hasst mich. Punkt.

Na ja, um es kurz zu machen, Miss Proxmire, wir sitzen da und unterhalten uns; und ich sage, vielleicht gefallen dem Mann, der Ihnen nachspioniert nur Ihre großen blauen Augen; und sie sagt, ehrlich, ich habe Angst, heute Abend werde ich in der Bar El Parador sein, und ich weiß bestimmt, dass er sich im Laufe des Abends irgendwo an mich heranmachen wird. Können Sie mir nicht helfen, Mr. Hood, Fragezeichen. Sie sagt, er sei ein dunkelhaariger junger Mann, der beim Gehen die Arme nicht schwenkt. Punkt. Nun, wie unsere verehrten Herren Chefs wissen, ist Managua nicht die Kensington High Street, und ich sage: Tut mir leid, ich reise heute Abend nach Europa. Und sie zieht eine große Schau ab, damit ich noch bleibe. Also sage ich, um sie zufriedenzustellen, schön, ich bleibe; und sie schenkt mir ein Lächeln und sagt, ich solle in der El-Parador-Bar nach ihr Ausschau halten. Und als sie durch die Halle zwischen den Tischen hindurch davonrauscht und alles sie anstarrt, kommt Jade

McGinnis daher und blickt sich nach diesem herrlichen Popo um, der von einer Seite zur anderen schwingt, was man bekanntlich ticktack nennt, Miss Proxmire; und Jack pfeift und sagt: Mein Gott, ist das eine dufte Biene, hat sie mit dir gesprochen. Fragezeichen. Ich erzähle ihm die Geschichte; und er sagt, er wird sich um die Sache kümmern und... Halt, Ausrufungszeichen. Miss Proxmire, warten Sie, bis Sie einmal Jack McGinnis zu sehen kriegen: sechsundzwanzig Jahre alt, braunes Haar, eine Traumjacht von jungem Mann. Ich nehme ihn nächstes Mal mit nach London; und es wird nicht lange dauern, dann werden Sie sich mit ihm auf dem Teppich im Büro herumwälzen, Punkt. Schluss für heute! Musik blendet auf und schwindet.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Um die Dinge der Reihe nach zu erzählen (Verzeihung, Proxmire: jetzt kommt Hood drei) – wie gesagt, um alles der Reihe nach zu erzählen, weil da nämlich etwas im Gange ist, lag ich also bis vor etwa einer halben Stunde nackt in meinem Zimmer, während die Klimaanlage klapperte und der Rest meines Scotch und Soda auf einem Stuhl stand, und blätterte in Newsweek. Dann sah ich, dass es zwölf Minuten vor elf war, und stand auf, um mich anzukleiden.

Können Sie sich die Situation vorstellen, Proxmire? Eine heiße Nacht, die Lichter wegen der Hitze gedämpft, von draußen dringen schwache Fetzen von Rock-Musik herein. Als ich aus dem Fenster blicke, sitzt da immer noch die große Brünette mit dem dicken Papi an dem Tisch neben dem Schwimmbad; und ich denke mir, dass es ein Jammer ist, eine derartige Gelegenheit verpassen zu müssen. – Vorhin hatte sie mir ein wahrhaft goldiges »Komm doch!« zugeblinzelt.

Habe den ganzen Abend auf einen Anruf von Jack McGinnis gewartet, weil Jack weiß, dass ich abreise und er zum Flugplatz hinauskommen soll, um sich von mir zu verabschieden. Aber vermutlich ist er bei dieser verrückten Blondine, wie heißt sie doch? Ach ja, Roebeck, Matilda Roebeck – sieht gut aus, und man kann es sich genau vorstellen: Ein niedriges Sofa, die Fenster für die blaue, duftende Nacht geöffnet, eine Andeutung von Palmen, der Rock des Mädchens ist durch den Druck von Jacks Knie hinaufgerutscht, das Gesicht ist von – ach, von Schweiß ein wenig feucht; und sie lehnt sich zurück und zieht seinen Kopf in der Umarmung an sich und – bla – bla – bla...

Jack ist schwer auf Draht und wird wissen, wie er sich zu verhalten hat.

Ich zog mich also an und dachte dabei, dass der Heimflug keine Vergnügungsreise sein würde: Wir sollten in Curasao noch Fluggäste aufnehmen, Negermädchen, die als Krankenschwestern nach Amsterdam wollten. Trotzdem, Managua war durchaus in Ordnung. Und ehe wir weitermachen, Miss Proxmire, sollten wir das ein bisschen näher erklären.

Es ist eine Stadt mit Charakter – da gibt’s Flieger, die tagsüber die Felder besprühen und abends Anschluss suchen, zweifelhafte Vögel von den halbzivilisierten Inseln in der Karibischen See, Ölmagnaten, die vor Geld stinken, angebliche Geschäftsmänner von überall, narbenbedeckt und schäbig, und sie alle trinken ihr Bier und sprechen aus dem Mundwinkel, manche sogar nur aus dem Ohrwinkel.

Und die Halle des Grand, in der sie alle sitzen, wo auch ich eben sitze und diese Zeilen diktiere, sieht aus, als stammte sie aus einem Humphrey-Bogart-Film. Unwillkürlich erwartet man, Bogart in seinem verdammten Trenchcoat hereinkommen zu sehen, als ob Trenchcoats hier die übliche Kleidung wären; und ich wette, dass die Gäste, wenn er hereinspazierte, nicht einmal aufblicken würden.

Sie fragen sich, wie ich überhaupt nach Managua geraten bin, nicht wahr? Angesichts Ihrer sprichwörtlichen Tüchtigkeit, Proxy, meine Liebe, zweifle ich keinen Augenblick daran, dass Sie sich an jede Einzelheit des Auftrags erinnern, mit dem man mich vor fünf – nein, sechs – Wochen nach Panama schickte. Nun, als meine Arbeit in Panama getan war, beschloss ich, für ein paar Tage hier heraufzufahren, um im Nicaraguasee, wo es phantastische Schwertfische und Tarpone gibt, zu angeln. Deshalb nahm ich die planmäßige TACA-Maschine, die dieser Landenge entlangfliegt, wo sich die mittelamerikanischen Staaten einer neben dem anderen drängen. – Sie kennen sie doch, oder muss ich Ihrem Gedächtnis nachhelfen, Süße, hm? Costa Rica – stimmt! San Salvador – stimmt! Honduras – jawohl! Und noch einer – nur noch einer, na, sagen Sie es doch – natürlich, Nicaragua! Vielen Dank! Ausgezeichnet! Sie haben den ersten Preis der Firma Bruchband & Co. gewonnen, eine Geschirrspülmaschine vom Typ Maxomatic! Applaus für Miss Proxmire, meine Damundherrn...

Hier sind wir weitab von den üblichen Touristenstraßen, hier gibt es weder Golfclubs noch Hosenanzüge à la Capri; stattdessen gibt es die Sonne und Vulkane und stille Plätze mit Palmen und Heldendenkmälern und Kirchen aus der spanischen Kolonialzeit, den durchdringenden Geruch von einem Dutzend verschiedener Menschenrassen, braunhäutige Mädchen, die ihre Liebe um der Liebe willen verschenken, bla-bla-bla.

Ich schlüpfte also, wie gesagt, in meine am Austin Hill gekaufte teure Hose, zog mich fertig an, sah den Koffer nach und ließ das Schloss der Reisetasche einschnappen. Ein letzter Blick in die Runde – lebe wohl, Managua – Hand auf der Türklinke. Und in diesem Augenblick schrillte das Telefon.

Ich blieb stehen, blickte es über die Schulter an, ich wollte nicht abnehmen; aber dann ging ich doch zurück und hob den Hörer ab. »Ja?« Die Verbindung war schlecht. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine undeutliche Stimme. »Spreche ich mit Mr. Charles Hood?«

»Ja, und?«

»Hier spricht Captain Alvarez von der Stadtpolizei. Stimmt es, dass Sie im Begriff sind, das Hotel zu verlassen?«

Was, zum Teufel, soll das? dachte ich. Er hat doch sicher beim Empfang nachgefragt und erfahren, dass ich abreisen will. »Es stimmt«, sagte ich.

»Ich muss Sie bitten, zu bleiben und unten in der Halle auf mich zu warten.«

»Tut mir leid, ich bin gerade auf dem Weg zum Flugplatz. Meine Maschine startet um Mitternacht.«

»Das wird nicht möglich sein. Sie werden Ihre Buchung rückgängig machen müssen.«

Sein Ton gefiel mir nicht. »Warum?«

»Ich kann am Telefon nicht darüber sprechen. Einer meiner Leute ist zu Ihrem Hotel unterwegs und wird sich in ein paar Minuten in der Hotelhalle bei Ihnen melden. Haben Sie die Güte, auf ihn zu warten.«

»Hören Sie mal zu!«, sagte ich. »Wenn es sich um irgendwelche administrativen Einzelheiten handelt, dann können wir das doch am Flughafen klären. Ich würde...« Aber er hatte bereits aufgelegt.

Eine Minute lang verspürte ich Lust, das Ganze einfach zu ignorieren und abzureisen, denn vermutlich ging es um mein Visum oder irgendetwas Ähnliches; aber ich hatte noch reichlich Zeit, und am Flughafen würde man mich sowieso erwischen. Deshalb kam ich hierher in die Halle; und ich glaube, da ist schon der Mann, den Alvarez geschickt hat. Er sieht sich nach allen Seiten um, aber ein Beamter der Einwanderungsbehörde ist das bestimmt nicht, das ist ein Krimineller, groß und kräftig, dunkler Anzug und schwarze Brille. Dann wollen wir also, Proxy, wir werden ja sehen, was los ist.

 

 

 

Viertes Kapitel

 

 

Schnell ein paar Worte, Hood vier, Miss Proxmire; ich diktiere auf der Straße, kann nicht lauter sprechen, Jack McGinnis heute Abend in der Vierten Calle Südwest ermordet aufgefunden, Schuss ins Gesicht; man hat eine Kugel Kaliber zweiunddreißig gefunden; Alvarez behindert mich. Schluss für jetzt, später mehr.

 

 

 

Fünftes Kapitel

 

 

Das ist Nummer fünf. Ich kann es nicht fassen, ich diktiere dies in Jack McGinnis’ Büro. Und inzwischen sind, schauen wir mal nach, elf Stunden, stimmt, elf Stunden vergangen, seit ich die Leiche sah; und die Sache ist mir immer noch unbegreiflich, idiotisch, so völlig unerwartet, ich komme einfach darüber nicht weg – dieser Junge, so frisch und gut aussehend und lustig und gescheit und mutig!

Das Büro ist die Auskunftei J. T. McGinnis, wie er sie genannt hatte, und besteht aus zwei Zimmern und einem Waschraum. Und Margy Hayden, seine Sekretärin, sitzt im Vorzimmer und versucht so zu tun, als hätten Jack und sie einander nie nähergestanden als Chef und Sekretärin.

Die Vierte Südwest Calle, wo Jack erschossen wurde, erwies sich als eine Straße im Zentrum der Stadt mit einem Baugrundstück, kleinen Läden, einem schäbigen Wohnblock. Jade lag in der Gosse, muss vornüber aufs Gesicht gefallen sein, und die Kerle haben ihn umgedreht und durchsucht; aber mir wollten sie nicht die mieseste Kleinigkeit erzählen. Sie wollten nur Fragen stellen, offensichtlich wussten sie nicht, wer es getan hatte, aber als auch ich einiges wissen wollte, erklärte Alvarez, sie könnten keine Auskunft geben. Wir gerieten uns darüber in die Haare; doch alles, was er zu sagen geruhte, war, dass er von Jacks Verbindung zu mir wusste, er hätte uns nämlich miteinander gesehen, und Jack hätte ihm erzählt, dass ich ihn nach London bringen wollte, und sie hätten eine 32er Patrone gefunden, was ich bereits wusste. Er hat wahrscheinlich Angst vor seinem Chef, Angst, es könnte um Politik gehen, was ganz und gar nicht zu seiner Kompetenz zählt, und womit sich zu befassen hierzulande gefährlich ist.

Ich verbrachte den restlichen Teil der Nacht und den Vormittag teils im Polizeihauptquartier – dem Polizeipalast, wie man das nennt – und teils in diesem Büro. Alvarez und Kompanie gingen vor einer Stunde; und zehn Minuten danach erscheint Margy zur Arbeit; sie hat natürlich noch nichts erfahren, und ausgerechnet ich muss es ihr mitteilen.

»Wie wurde er...? Ich meine...«

Jack wurde ins Gesicht geschossen, sehr ungewöhnlich; die Kugeln wurden von unten nach oben abgefeuert, drangen durch Kinn, Mund und Nase, zerschlugen die Zähne und ein Auge, und der Anblick war grauenhaft, aber ich hatte nicht vor, ihr das zu erzählen.

»Schuss in die Brust, muss ihn ins Herz getroffen haben, also ein gnädiger, schneller Tod.« Doch da war noch etwas anderes, was mir wichtig erschien, deshalb blickte ich sie scharf an. »Wer immer ihn ermordet hat, schoss ihm zuerst ins rechte Handgelenk, ein sicheres Anzeichen dafür, dass es ein Profi war.«

Margy erwiderte meinen Blick mit von Tränen verschleierten Augen.

»War er Rechts- oder Linkshänder, Margy?«

»Rechts.«

Es konnte also jemand gewesen sein, der ihn kannte. »Fällt Ihnen irgendjemand ein?«

»Nein«, sagte sie.

Ich konnte nicht stillsitzen und ging zum Fenster hinüber. – Es hatte keinen Zweck, sie merken zu lassen, wie zornig und nervös ich war.

Ich habe nicht vor, die Sache Alvarez oder sonst einem nicaraguanischen Polypen zu überlassen; ich will den Fall selber in die Hand nehmen, und deshalb habe ich Alvarez noch nichts von Miss Matilda Roebeck erzählt. Die erste Frage, die ich lösen muss, ist die: Arbeitete Jack für sie, als er umgebracht wurde? Inzwischen haben Sie mein Fernschreiben bekommen, Miss Proxmire, in dem ich mitteilte, dass ich die Reservierung für den Rückflug streichen lasse und wie üblich täglich per Rekorder-Tonband berichten und alle meine Schritte et cetera im Detail mitteilen werde. Unsere hochverehrten Herren Chefs werden Schreikrämpfe bekommen, aber von mir aus dürfen sie ruhig brüllen, bis ich das hier abgeschlossen habe.

Margy Hayden ist sichtlich tief betroffen, sie ist ein sanftes kleines Mädchen mit kurzgeschnittenem Haar, großen dunklen Augen und silbrig lackierten Fingernägeln (sehr schick, Sie sollten es auch mal versuchen), das erinnert mich an ein kleines Nachttier, eine Lemure, und ich würde sagen, dass sie eine Nachtschönheit ist. Für ein so schlankes Mädchen ist der Busen ein wenig schwer, aber Jack liebte reife Brüste, Gott segne ihn (ich hoffe, dort, wo er jetzt ist, sind sie voll und warm). Und sie sieht durchaus gut aus.

Ich fragte: »Margy, hat er gestern zu Ihnen etwas über eine Frau gesagt, die sich Miss Matilda Roebeck nennt?«

Sie putzte sich die Nase und schüttelte den Kopf.

»Er hat Ihnen nicht gesagt, wohin er gestern Abend gehen wollte?«

»Nein.«

»Schön! Wenn die Polizei Sie fragen sollte – die möchten, dass Sie heute Vormittag in den Palacio hinübergehen, und es ist besser, wenn Sie das tun –, dann haben Sie nie von ihr gehört. Verstanden?«

»Ja.«

»Noch etwas! Hat er gestern Abend, ehe Sie das Büro verließen, irgendetwas über die kleine Kassette gesagt, die ich ihm gegeben habe?«

»Kassette? Nein – vielleicht liegt sie in seinem Schreibtisch.«

»Dort ist sie nicht. Die Polizei weiß auch nichts darüber, also erwähnen Sie sie gar nicht erst. Es ist einer jener kleinen Mini-Rekorder, wie dieser hier, eine flache blaue Schachtel, genau wie diese, so groß wie ein Notizbuch, passt in die Jackentasche. Ich gab eines der Dinger Jack. Man braucht sie, um eine Ermittlung Schritt für Schritt festzuhalten, damit man später alles abhören kann oder damit ein anderer das kann, falls etwas schiefgeht. Es ist das gleiche Prinzip, das die Bomben-Entschärfer während des Krieges anwendeten. Sie diktierten, welchen Handgriff sie jeweils Vornahmen, damit die anderen Leute ihrer Einheit, wenn etwas passierte, wussten, was los war.«

»Ich habe den Rekorder nicht gesehen«, sagte Margy.

»Sie lag nicht bei der Leiche, und ich glaube, dass Jack sie bei sich gehabt hat, weil er sie unbedingt ausprobieren wollte. Ich bin ziemlich sicher, dass Alvarez sie gefunden hat.«

Na ja, sie sah so verdammt elend aus, dass ich sie nach Hause schicken wollte, aber das ging nicht. Wir fragten in den Hotels nach einem Gast namens Roebeck; wir saßen da und gingen die Kunden durch, für die Jack gearbeitet hatte; wir besprachen alles, was er während der letzten paar Stunden, da sie ihn gesehen hatte, getan hatte, aber das Ergebnis war gleich Null. Das einzige, was wir hatten und was etwas wie eine Spur sein konnte, waren die El-Parador-Bar, wo Miss Matilda Roebeck ihren Worten zufolge gestern Abend sein wollte, sowie ihr dunkelhaariger junger Mann, der die Arme nicht schwenkte; und das war nicht gerade viel.

Schließlich sagte ich, ich wolle ins Hotel zurückgehen, duschen, mich rasieren und ein frisches Hemd anziehen. Margy mochte nicht zu Mittag essen und weigerte sich, das Büro zu verlassen. Augenscheinlich hielt sie es für ihre Pflicht Jack gegenüber, dass sie blieb. Sie gab mir Jacks Ersatzschlüssel zu seiner Wohnung – in Wirklichkeit waren es vermutlich ihre eigenen weil ich mich dort umsehen wollte, ehe die Polizei erschien.

Draußen brutzelte die Hitze, denn die Sonne stand im Zenith; vom See wehte nicht der leiseste Hauch frischer Luft herüber, und durch den heißen Dunstschleier konnte man die Vulkane erkennen. In der Halle des Grand, die ebenso riesig und hoch ist wie der Zentralbahnhof von Manchester, hockten die üblichen Herumlungerer. Die übereifrige Nummer mit der blonden Perücke lehnte sich am Empfang vornüber, als wollte sie mir zugleich mit dem Schlüssel einen Milch-Shake anbieten; sie heißt Concepción – ich bitte Sie, Proxy!

Natürlich stand ich unter der Dusche, als das Telefon läutete. Es war Margy. Ihr sei gerade etwas eingefallen. Ob ich hinüberkommen könne? Ich riet ihr, sich mit allem, was sie am Telefon sprach, vorzusehen, weil die Leitung höchstwahrscheinlich angezapft sei, und versprach, in zwanzig Minuten bei ihr zu sein.

Ich nahm ein cremefarbenes Hemd und meinen tropenleichten braunen Anzug aus dem Koffer und zog mich an. Als ich wieder ins Büro kam, erzählte Margy, ihr sei eingefallen, dass sie am Abend zuvor, kurz bevor Jack endgültig fortging, von einem Botengang zurückgekommen sei und Jack im Vorzimmer an ihrem Telefon angetroffen habe, als ob er gerade einen Anruf entgegengenommen hätte. Sie habe gehört, wie er sagte: »Ruiz – ja. Achtundzwanzig, danke, Napoleon.« Dann habe er aufgelegt. Er habe keinerlei Erklärungen abgegeben, aber sie wisse, dass Napoleon (ein hierzulande beliebter Vorname) einer der Barkeeper im El Parador und ein alter Bekannter von Jade sei. Sie suchte im Telefonbuch unter dem Namen Ruiz und stellte fest, dass es einen Salvador Ruiz in der 18. Avenue NO, Nr. 28 gab. Ich blickte sie an und gab ihr einen Kuss: »Margy, jetzt, glaube ich, haben Sie etwas Brauchbares gefunden.«

Wollen mal sehen, was Señor Ruiz zu bieten hat!

 

 

 

Sechstes Kapitel

 

 

Hood sechs. Eine hübschere oder prunkvollere Straße als die 18. Avenue NO kann man sich ohne weiteres vorstellen. Sie torkelt bergab zwischen einstöckigen Häusern und Schuppen, verrosteten Eisenzäunen, einer Reihe schmutzig-grün und rosa gestrichener, würfelförmiger Läden und dem Taft Palace Hotel, dessen einziges Fenster man mit Blech zugenagelt hat, während der Eingang geschwärzt ist, als sei die Suite für Hochzeitsreisende kürzlich ausgebrannt.

Es war zwei Uhr nachmittags, und nur wenige Leute waren zu sehen. Vom Gehweg und der Straße stieg Staub auf, schien in der Luft hängenzubleiben und bedeckte die Blätter der Palmen und Bananenbäume, die sich hinter den Zäunen erhoben. Es war sehr heiß. Ich hielt mich in dem schmalen Schattenstreifen an den Häusern entlang und ging bis zu der Nummer 28, die sich als zweistöckiges Holzhaus ohne jegliche Spur einer Bemalung erwies und am entgegengesetzten Ende eines von Unkraut überwucherten freien Grundstücks stand – offensichtlich eine Absteige.

Treten Sie ein – eine Eingangstür gab es nicht. Ich wanderte den Flur entlang bis zu dem hölzernen Schild mit der Aufschrift Auskunft, das von der Wand abstand, und bückte mich zu dem Fenster hinab, um hineinzusehen. Es war das Büro, ein von Fliegen durchschwirrter Raum mit einem Cafaspin-Kalender an der Wand. Auf einem harten Holzstuhl saß ein Mann, die Füße auf den Tisch gelegt, und schlief; zumindest schlief er noch etwa vier Sekunden, nachdem ich ans Fenster trat; dann schlug er die Augen auf, spuckte irgendetwas aus und erwiderte meinen Blick, ohne sich zu rühren.

Er war ein magerer Kerl, der den Mund tief unten im Gesicht trug; darunter hing das Kinn in fleischigen Wülsten hinab, die Augen waren klein; und die langen Ohren sahen aus wie schmelzendes Plastikmaterial. Man war geneigt, zu meinen, er hätte eine Menge welkes Gewebe und ein Teil davon wäre gar nicht mehr Gewebe – bis man seine langen, gemeinen, gefährlichen, knochigen Handgelenke erblickte, an denen die Hände wie Krabben saßen. Der große altmodische Safe an der Wand hinter ihm war verschlossen, aber er schielte zur Seite, um sich zu vergewissern, dann wandte er sich erneut mir zu.

Der Hautfarbe nach hätte er alles sein können: ein Nicaraguaner, Honduraner, sogar Amerikaner; und ich erriet, dass er Ruiz sein musste. 

»Guten Tag. Ich bin auf der Suche nach einem Freund von mir, einem Gringo. Heißt Roberts«, sagte ich. Im Sprechen drehte ich am Türknauf und trat ein, und wie der Blitz stand er auf den Beinen. Nichts an seinen Bewegungen war welk oder schlaff. »Raus hier, dies ist kein öffentliches Büro!«

»Henry Roberts«, sagte ich, immer noch lächelnd, »aus New Jersey.«

»Wir haben keinen Roberts.«

»Tja, dieser Roberts ist ein Professioneller. Vielleicht benutzt er einen anderen Namen.«

»Ja? Hier benutzt er ihn nicht.«

Auf dem Tisch lag ein rotgebundenes Buch, das wie ein Gästeverzeichnis aussah; und ich wusste, dass Ruiz es auf dem laufenden hielt, weil er die Polizei von Nicaragua zu gut kannte, um in einer so wichtigen Sache nachlässig zu sein.

»Was dagegen, wenn ich ins Gästebuch sehe?«

»Machen Sie, dass Sie rauskommen, Mister!«

Ich konnte sehen, wie er das knochige Handgelenk ausstreckte und nach der Tischschublade hinuntergriff; aber er bewegte sich schneller, als ich erwartet hatte, und berührte die Pistole mit den Fingerspitzen, noch ehe ich zuschlagen konnte. Er kippte um, ich knallte die Schublade zu, trat vor und packte das Buch. Da war er schon wieder auf den Füßen, und ich hörte das Messer einrasten. Ich stieß den Stuhl gegen seine Knie, als er vorprellte, schlug mit dem Buch das Messer nach oben, und mein Knie traf sein herabhängendes Kinn. Seine Kiefer knackten, und er fiel schlapp zu Boden. Ich fasste ihn am Hemd, hob ihn an und verpasste ihm noch einen Faustschlag, damit er Ruhe gab, und ließ ihn los. Dann legte ich das Gästeverzeichnis auf den Tisch und schlug es auf.

Natürlich gab es keinen Roberts; bei dreien der Gäste stand in der letzten Spalte die Nummer ihres Ausweises, was bedeutete, dass es sich um Einheimische handelte; die beiden anderen waren Heinz Knipper in Zimmer 5 und G. W. Stone aus Mexico City in Nummer 9. In diesen Breiten gibt es einen Haufen Deutsche, sogar mehr Deutsche als Amerikaner, so dass ein »Knipper« nichts Ungewöhnliches war. Ich sah nach den Postfächern unter dem Schlüsselbrett. Knipper war anscheinend ausgegangen, sein Schlüssel hing da, und in seinem Fach lag ein Luftpostbrief, der in Lima aufgegeben und in Guatemala umadressiert worden war. Stone konnte anwesend sein, Schlüssel und Briefe fehlten.

Ich nahm den Schlüssel zu Nummer, fünf und ging hinauf. Es sah reichlich schmutzig aus: nackte Holzfußböden, abblätternder Verputz, als ob Ungeziefer den Gips weggefressen hätte, umherliegende Zigarren- und Zigarettenkippen, eine Toilette mit zerrissenem grauem Plastikvorhang anstelle einer Tür. In einem der Zimmer weiter hinten am Korridor konnte ich hören, wie sich irgendetwas bewegte und der Fußboden knarrte. Nummer 5 lag praktisch am Treppenabsatz, ich öffnete, trat ein und bemühte mich, nicht einzuatmen, weil das fensterlose und nur durch das Oberlicht erhellte Zimmer wie eine Hyänenhöhle stank; ein auf Karton gedruckter Werbeprospekt für einen deutschen Traktor lag auf einer Kommode zwischen leeren Bierflaschen und einem Stapel deutscher Zeitschriften mit Aktfotos feister Weiber auf dem Titelblatt. Ich verbrachte etwa fünf Minuten in dem Zimmer, fand nichts Interessantes und ging wieder hinaus.

Jetzt konnte ich Schritte hören, die sich irgendwo entfernten.

Ich ging, so leise ich konnte, den Korridor entlang bis zur Biegung; wer immer dort gewesen sein mochte, war inzwischen weiter fort, die Schritte klangen gedämpft und eilig. Ich blickte auf die Nummer der Tür, vor der ich stand: Zimmer 9. Ich legte das Ohr ans Holz, konnte jedoch keinen Laut vernehmen, überhaupt war das Haus bemerkenswert still.

Vorsichtig drückte ich auf die Klinke, die Tür war nicht verschlossen, die Jalousie am Fenster ließ nur dämmeriges Licht in den Raum. Ich konnte den grauen Haufen des ungemachten Bettzeugs sehen, eine Kommode, umherliegende Kleidungsstücke, ein Paar brauner Mokassin-Schuhe auf dem Fußboden, in denen ordentliche braune knöchelkurze Socken steckten und Beine in leichten Khakihosen und ein Hemd, aus dem Blut geflossen war und auf dem Boden die Form des afrikanischen Kontinents bildete, mit einigen Ungenauigkeiten in der Gegend der Bucht von Benin. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, weil es zur Seite gewendet war.

Stille.

Ich ging hinein, schloss die Tür und stieg über ihn hinweg; er war klein, etwa dreißig, dunkles lockiges Haar, große buschige Koteletten, bleiche Haut, eine alte Narbe quer über dem Nasenrücken, der Mund verzogen, als ob er gesehen hätte, was auf ihn zukam, was durchaus natürlich schien, denn der schwarze Griff und etwa zehn Zentimeter der Klinge eines Messers ragten in steil nach unten gerichtetem Winkel aus seinem Bauch. Es war eines jener sehr schmalen, spitzen Metzgermesser, die Art, mit der sie Schinken aufzuschneiden pflegen, ungefähr fünfundvierzig Zentimeter lang, und man hatte es ihm von unten her in den Brustkorb bis ins Herz gestoßen.