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Ein märchenhafter Kunstschatz - oder ist es die Fälschung eines Genies? Diese bedeutsame Frage führt zu spektakulären Szenen bei Kristoby's, der weltberühmten Auktionsfirma in London, und Charles Hood vom Circle erhält den Auftrag, sofort Nachforschungen anzustellen und das Rätsel zu lösen.
Ein seltsamer Zwischenfall im nächtlichen Paris veranlasst Hood, nach Teheran zu fliegen. Dort, so glaubt er, muss die verbrecherische Verschwörung gegen den Weltkunsthandel ihre Zentrale haben. Die abenteuerlichen Ermittlungen, die er gemeinsam mit seiner schönen und aufregenden Kollegin Debbie Ansell anstellt, zeigen plötzlich, dass sie es mit einem dichten und dunklen Spinnennetz zu tun haben...
James Mayo (eigtl. Stephen Coulter, * 21. August 1914; † 16. Juli 1986) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Besonders bekannt sind seine Kriminal-Romane um den kultivierten Spion Charles Hood.
Der Roman Das Grab des Nebukadnezar erschien erstmals im Jahr 1968; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1969.
Der Verlag DER ROMANKIOSK veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe DIE MITTERNACHTSKRIMIS.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
JAMES MAYO
Das Grab des Nebukadnezar
Roman
Die Mitternachtskrimis, Band 11
Der Romankiosk
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS GRAB DES NEBUKADNEZAR
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Ein märchenhafter Kunstschatz - oder ist es die Fälschung eines Genies? Diese bedeutsame Frage führt zu spektakulären Szenen bei Kristoby's, der weltberühmten Auktionsfirma in London, und Charles Hood vom Circle erhält den Auftrag, sofort Nachforschungen anzustellen und das Rätsel zu lösen.
Ein seltsamer Zwischenfall im nächtlichen Paris veranlasst Hood, nach Teheran zu fliegen. Dort, so glaubt er, muss die verbrecherische Verschwörung gegen den Weltkunsthandel ihre Zentrale haben. Die abenteuerlichen Ermittlungen, die er gemeinsam mit seiner schönen und aufregenden Kollegin Debbie Ansell anstellt, zeigen plötzlich, dass sie es mit einem dichten und dunklen Spinnennetz zu tun haben...
James Mayo (eigtl. Stephen Coulter, * 21. August 1914; † 16. Juli 1986) war ein britischer Schriftsteller und Journalist. Besonders bekannt sind seine Kriminal-Romane um den kultivierten Spion Charles Hood.
Der Roman Das Grab des Nebukadnezar erschien erstmals im Jahr 1968; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1969.
Der Verlag DER ROMANKIOSK veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe DIE MITTERNACHTSKRIMIS.
Hinter den Ziegeleien am südlichen Stadtrand Teherans verläuft eine Straße. Hohe rote Kamine erheben sich dort, aus deren Schlund schwarze Rauchwolken quellen. Die rote und schwarze Erde ist dort zu Hügeln aufgeschüttet, zwischen Haufen von Asche, Steinen, Abfall und Schutt. Hier und dort zwischen den viereckigen Lehmgebäuden der Ziegeleien stehen die Schuppen und Schlupfwinkel der Opiumsüchtigen und Landstreicher. Ein unheimlicher Ort.
Captain Mahmud von der Teheraner Polizei entfernte sich langsam von der Leiche des Mannes, die im Schatten des Ziegeleigebäudes lag. Er blieb auf der Straße stehen und nahm eine Zigarette aus einem zerknüllten Päckchen.
Sein Sergeant, ein Mann um fünfzig herum, sagte: »So etwas habe ich noch nie gesehen, Captain - ein Mensch, der mit Stacheldraht erdrosselt worden ist. Warum wohl?«
»Vielleicht um herauszufinden, wieviel er verraten hat.«
»Gehört er zu den Leuten hier?«
»Nein. Er ist hierher gebracht worden.«
Der Captain blickte auf die Reifenspuren am Rand der Straße.
»Trotzdem ist es barbarisch«, sagte der Sergeant.
Der Captain warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Der Ort hier jagte den Leuten Angst ein. Selbst die Ziegeleiarbeiter fühlten sich unbehaglich und kamen unwillig zur Arbeit, zumal das Ganze früher eine Begräbnisstätte gewesen war und behauptet wurde, dass sich in dem Lehm, der zu Ziegeln gebrannt wurde, Tote befanden, die ohne Sarg verscharrt worden waren. Der Captain glaubte nicht an solche anachronistischen Vorstellungen. Er strich die verbogene Zigarette gerade und zündete sie an, während er auf seinen Wagen wartete, mit dem der Fotograf geholt werden sollte.
Die Schatten der Kamine fielen wie Messer über all den Unrat. Weit im Norden lagen die schneebedeckten Berge.
Der Himmel war blassgrün im Morgenlicht, wie das grüne Wasser der Teiche vor den Moscheen.
Über ihm ertönte das schrille Zwitschern der Schwalben, und kleine Schatten huschten über den roten Schmutz um ihn.
Als Charles Hood an diesem Morgen Kristoby’s, die Londoner Kunsthandels- und Auktionsfirma betrat, war der Eindruck einer Krise unverkennbar. Jedermann war betont gelassen und heiter.
»Morgen, Mr. Hood.« Der Portier ließ ihm einen durchbohrenden Blick zukommen. »Ein sehr schöner Tag, Sir.«
»Guten Morgen, Hooker.«
Im ersten Stock lächelte ihm Miss Quain, die Sekretärin des Präsidenten, ein Mädchen von spröder Unabhängigkeit, wie benommen zu. »Haben Sie eine gute Überfahrt gehabt?«
»Ausgezeichnet! Wie stehen die Dinge, Isobel?«
»Auf der Kippe. Sie werden erwartet. Der Chef telefoniert gerade mit Rom.« Ihre Augen glitten an ihm vorüber, als Walter Young, der Senior-Auktionar, aus dem Büro nebenan trat, groß, derb, mit roten Händen. »Charles. Unser Mann von Irgendwo, flüchtig wie die leichten Schatten auf mondbeschienenem Gras.«
»Hallo, Walter! Was kann ich an Ihrer Sphinx-artigen Stirn ablesen?«
Young grinste, aber er wich Hoods Blick aus. Die Bürotür Richard Austins, Kristoby’s zweitem Mann, wurde hinter Youngs Rücken geschlossen, als das Telefon drinnen klingelte. Young ging zur anderen Tür und verschwand, ohne noch etwas zu sagen. Hood sah Isobel Quains schnellen Blick, den sie mit einem: »Zu früh für Kaffee?« zu kaschieren suchte.
»Ja.«
»Oh, da ist er!« Sie legte einen kleinen Hebel an ihrem Telefon um. »Würden Sie jetzt bitte hineingehen?« Sie ging zur Tür, meldete Hood an und trat dann zurück.
Gilderstein stand hinter seinem Schreibtisch am anderen Ende des Zimmers. »Charles - um Himmels willen, kommen Sie herein.«
Es war einer der hübschesten Räume in ganz London, mit vielen Gemälden und Kunstgegenständen versehen, welche die Firma entweder gekauft hatte oder verkaufen wollte, und einem großen Aussichtsfenster hinter dem Schreibtisch, auf dem jetzt Zeitungen und Streifen von Fern schreibbändern verstreut lagen.
»Die verdammten Anrufe hören nicht auf. Abendzeitungen, Sonntagsblätter, Nachrichtenagenturen, die Schwedische Botschaft, die V & A.« Gilderstein kam um den Schreibtisch herum und streckte die Hand aus. »Wann sind Sie angekommen?«
»Ich bin geradewegs von Heathrow hierhergekommen.«
Hood bemerkte die roten Flecken auf Gildersteins Wangen und die gedunsenen Partien um die Augen. John Gilderstein war ein großer Mann mit buschigen Brauen und einem Gesicht wie der Felsen von Gibraltar - eine Mischung zwischen Nubar Gulbenkian und Lord Reith, wie einmal ein Mädchen zu Hood gesagt hatte. Er leitete seit zwölf Jahren Kristoby’s mit ausgesprochenem Spürsinn.
»Haben Sie’s gelesen?«
»Ich habe gesehen, dass im Express eine Story über irgendeinen Aufruhr bei Kristoby’s stand. Was ist passiert?«
Gilderstein winkte ihm, sich zu setzen, ließ sich selbst stöhnend nieder, wobei er flüchtig die Augen mit der Hand verdeckte. »Ich. habe so was noch nie erlebt - niemals. Wir zogen es natürlich zurück. Keinerlei Vorwarnung. Als wir zur Katalognummer kamen, entschuldigten wir uns einfach und sagten, das Objekt sei zurückgezogen worden. Peinlich genug, nachdem wir gesagt hatten, es gäbe keine privaten Abmachungen. Nun ja, es gab eine Pause - die Professionals besprachen sich kurz es gab ein bisschen Tumult, aber nichts Ungewöhnliches.
Aber dann begann jemand zu protestieren, rief etwas und schrie. Zwei Personen, davon eine Frau, die niemand zu kennen scheint, und gleich darauf ein paar andere machten Krawall. Es waren vier von den Amerikanern da, richtig sture Böcke, die mischten sich ein, protestierten, sie seien berechtigt, eine Erklärung zu bekommen; es war schwierig, zu erkennen, was eigentlich vor sich ging - und bevor wir wussten, wie uns geschah, war da ein Aufruhr«, er schnippte mit den Fingern, »wie nichts.
Ich schritt ein, tat mein Bestes, aber die Sache entglitt meiner Hand. Unglücklicherweise hatte niemand unsere Leute gewarnt, und die nächsten Katalognummern waren nicht parat - es dauerte zwanzig Minuten, bis es soweit war -, es war schrecklich. Der Herzog war da und ungefähr sechs Botschafter. Unserer Ansicht nach war der Tumult Bestandteil eines abgekarteten Spiels; sie hatten bestimmt Leute hergeschickt, die als Aufputscher fungierten. Zwei von ihnen warfen Champagnergläser aus dem Zimmer nebenan.«
»Was?«
»Ich glaube, das war ein Signal, denn sofort darauf ging es im Hintergrund los - Stühle wurden umgeworfen, alles war aufgesprungen, ein Gedränge setzte ein - einer der Tische mit den Drinks wurde umgedreht, was einen Mordskrach gab, und danach wurde die ganze Auktion zunichte gemacht.«
Gilderstein machte eine Pause und zündete sich eine Zigarette an. »Im Telegraph steht, dass die Frau eines Peers verletzt und zwei südamerikanische Frauen zusammengeschlagen wurden; und ich glaube nicht einmal, dass das übertrieben ist. Die Tochter des schwedischen Botschafters hatte ein zerrissenes Kleid und einen gebrochenen Knöchel.«
»Uff!«
»Es handelt sich um einen gezielten Schlag gegen uns, Charles; und das Ganze hat verdammt gut geklappt.«
»Haben Sie irgendjemanden erwischt?«
Gilderstein schüttelte den Kopf. »Nein. Als die Sache im Gang war, verschwanden alle. Es ist uns nicht gelungen, einem einzigen der Leute auf die Spur zu kommen. Die Amerikaner sind alles respektable Leute - Beitman, Lewis und die anderen -, die gehören bestimmt nicht dazu.«
Hood war soeben aus den Vereinigten Staaten per Flugzeug zurückgekommen. Er war zwei Tage früher dorthin gereist, als bei Kristoby’s die ersten Zweifel über den Gegenstand aufgetaucht waren, der bei der Auktion am Abend zuvor die Hauptattraktion gebildet hatte.
Es handelte sich um ein Elfenbeinkästchen aus dem vierten Jahrhundert, rund fünfunddreißig Zentimeter lang und gut fünfzehn hoch, das von historischer Bedeutung war, weil es ein Bindeglied zwischen spätrömischer und frühbyzantinischer Kunst darstellte. Bei Kristoby’s hatte man durch einen New Yorker Gewährsmann davon gehört, den Besitzer ausfindig gemacht, einen Amerikaner griechischer Herkunft namens Kontos, der in Englewood, Florida, lebte. Kontos war ein einundsechzigjähriger Makler, der sich vom Geschäft zurückgezogen hatte; und nach einigem Zögern hatte er Kristoby’s Mann in New York das Kästchen gezeigt und erklärt, dass er es vor fünfunddreißig Jahren um zehn Dollar von einem Trödler in Aleppo gekauft hatte.
Alles, was er darüber wusste, war lediglich, dass es aus »irgendeinem Grab« stammte, dass es ein paar amtliche Schwierigkeiten gegeben hatte, und dass es ihm schließlich gelungen war, es auszuführen. Er hatte dem Ding angeblich keinen besonderen Wert beigemessen; aber als Kristoby’s Mann versuchte, ihn zum Verkauf zu bewegen, sperrte er sich plötzlich. Man hatte bei Kristoby’s sieben Monate gebraucht, um ihn zu überreden; und Kontos hatte darauf bestanden, aus Steuergründen anonym zu bleiben.
Als das Kästchen endlich in London war, war es bei Kristoby’s fachgerecht untersucht worden. Es stellte sich als ein Unikum heraus, als das wichtigste Elfenbeinstück, das seit Kristoby’s Gründung um 1742 auf den Markt gekommen war. Der Fund erregte in der Kunstwelt großes Aufsehen, aber auf Grund von Mr. Kontos Bedingungen war die Firma genötigt, das Kästchen bis zur Auktion unter Verschluss zu halten, was keineswegs als unangenehm empfunden wurde, da das die allgemeine Spannung und Begierde noch erhöhte. Ein gutes Elfenbeinkreuz eines Bischofs aus dem siebzehnten Jahrhundert hatte vor einem halben Jahr in London 35.000 Pfund gebracht, und so schätzte man das Kästchen auf rund 120.000.
Das Auktionsdatum war festgesetzt. Eine Menge internationaler Händler befand sich in London, um das Kästchen zu ersteigern. Zwei Tage vor der Auktion jedoch hatte Reiner, Kristoby’s Mann in New York, telefoniert, er sei da im Zusammenhang mit dem Verkauf einer faulen Sache auf der Spur. Gilderstein hatte darauf bestanden, dass Hood hinüberflog. Er hatte mit Reiners Gewährsmann gesprochen und war in der Nacht noch nach Homasassa im Citrus County in Florida geflogen, wo Kontos sich niedergelassen hatte.
Dort hatte Hood energische Töne angeschlagen, sich mit Kontos in ein Zimmer in dessen Villa eingeschlossen und das Geständnis aus ihm herausgepresst, dass Kontos nur der Treuhänder für das Kästchen und dass die eigentliche Besitzerin die Tochter seines früheren Partners war. Kontos hatte kein Recht, es zu verkaufen. Die Tochter war eine Frau um Vierzig, die über die Hälfte ihres Lebens in einer Irrenanstalt zugebracht hatte; und Kontos behauptete, man habe ihm »erlaubt«, gewisse Besitztümer von ihr für seine treuhänderischen Bemühungen zu verkaufen.
Hood, der fortgesetzt dringende Telegramme nach London schickte, glaubte, dass noch mehr hinter der Angelegenheit steckte. Gilderstein fühlte sich berechtigt, Kontos’ Verkaufsbedingungen nicht mehr einzuhalten; und fünf Stunden vor der Auktion untersuchten weitere Experten das Kästchen. Einer von ihnen erklärte es als Fälschung, und ein weiterer hegte seine Zweifel. Die Claqueure - das winzige System von Haarrissen, über das antikes Elfenbein verfügt und das äußerst schwer zu imitieren ist - wirkte echt, und das Elfenbein schien sich während einer langen Zeitspanne verfärbt zu haben, etwas, was ebenfalls schwer vorzutäuschen war. Außerdem wirkten die Abnutzungserscheinungen nicht willkürlich. Das Kästchen schien tatsächlich durch Gebrauch abgenützt worden zu sein, Aber das Fixativ für die dünne Goldumrandung um die emaillierte Einlage war verdächtig und ebenso die Tatsache, dass einige der Löcher gebohrt worden waren. Einer der Experten glaubte, sie seien mit Hilfe eines Zahnbohrers entstanden.
Als Hood Kontos das mitteilte, hatte dieser vorgegeben, nie etwas anderes behauptet zu haben, und wütend Kristoby’s attackiert, wo man angeblich den Wert einer Fälschung hatte in die Höhe treiben wollen. Das sei der Grund gewesen, sagte er, warum er hatte anonym bleiben wollen. Er bestritt, je von Steuergründen geredet zu haben. Er wollte mit der ganzen schmutzigen Sache nichts mehr zu tun haben und drohte, die Presse zu informieren, wenn Kristoby’s irgendetwas unternehmen sollte.
Bei Kristoby’s hatte man versucht, sich sozusagen auf Zehenspitzen aus der Angelegenheit zu entfernen, indem man das Kästchen zurückzog - woraufhin der offensichtlich provozierte Tumult bei der Auktion ausbrach.
Hood nahm eine Zigarette aus der Dose, die Gilderstein ihm hinhielt.
»Wer steckt dahinter?«
Gilderstein blies Rauch aus. »Jemand, der uns ruinieren will. Das Ganze ist mit großer Geschicklichkeit eingefädelt worden. Dieses Kästchen - es gab keinerlei Humbug über eine geheime Herkunft, nichts von den gewohnten Gerüchten über irgendeinen adligen Sammler, der den Gegenstand privat verkaufen wollte.
Sie wissen, was im Allgemeinen mit den großen Fälschungen gemacht wird. Man hört von etwas, man bekommt vertraulich mitgeteilt, dass der Eigentümer nicht genannt werden möchte, und zwar aus den verschiedensten und ausgefallensten Gründen. Der häufigste ist der, dass die Leute nicht wissen sollen, dass er Geld braucht.
Bei Fälschungen mangelt es nie an dokumentarischen Unterlagen. Wir haben einen Stapel gedruckter Kataloge von Privatsammlungen, die alle gefälscht sind. Vielleicht ist das Zeug auch gerade entdeckt worden. Dann bekommt man einen zweiten Gegenstand, einen dritten in derselben Manier, und der Fälscher sorgt dafür, dass er die Dinge von den großen Jungs herbeischafft wie Dossena, van Meegeren, Ruchmovsky und so weiter.
Aber bei dieser Sache lag alles anders. Es handelte sich um einen einzigen maßgeblichen Gegenstand. Wenn man heutzutage etwas fälscht, dann ist es das Beste, ein Bindeglied zu fälschen, etwas, was existieren muss, aber noch nicht aufgefunden wurde. Und genau das war das Kästchen.«
»Aber warum ausgerechnet Elfenbein? Das scheint mir ein sonderbares Material.«
»Oh, nein, das war sehr gerissen. Es gibt nicht eine einzige wissenschaftliche Methode, mit der man über Elfenbein etwas nachweisen kann - über Alter, Herkunft und so weiter. Sie können ein Stück Elfenbein einfach dadurch, dass Sie es ins Freie legen, künstlich altern. Oder Sie legen es in eine Kuchenform, füllen sie mit Tannennadeln und backen das Ganze. Sie können es in einem Stück Leder vergraben. Sie können irgendwo echten alten Staub sammeln, vorzugsweise von anderem Elfenbein, sorgfältig die Risse bestäuben, und die besten Experten werden versagen. Aber das Kästchen an den richtigen Stellen abzuwetzen, war jedenfalls sehr raffiniert.
Nein, nein, Charles, wir haben hier gute Leute; aber wir haben nicht die Zeit, jeden einzelnen Gegenstand gründlich fachmännisch überprüfen zu lassen. Dann gehen die Leute woanders hin, man fällt auf dem Markt zurück. Außerdem kostet es zu viel. Die Konkurrenz ist zu scharf.«
Gilderstein schob seinen Stuhl zurück und ging zur Tür. »Kommen Sie mit und sehen Sie sich die Sache an.«
Das Zimmer nebenan hatte große Fenster und enthielt Glasschränke, elegantes Mobiliar und vier große altmodische Safes. Gilderstein öffnete die Tür des einen und nahm einen zerbrechlich aussehenden Krug mit einem darauf gemalten Bogenschützen und einem Pferd.
»Griechisch, fünftes Jahrhundert vor Christus.« Er reichte ihn Hood. Dann drehte er sich um, öffnete einen Schrank voller Flaschen, nahm eine davon heraus und dazu einen Lappen. Er schraubte den Verschluss auf, sprühte etwas Flüssigkeit auf den Krug, ließ die farblose Flüssigkeit einen Augenblick auf dem unteren Teil der Figuren und wischte sie dann mit dem Lappen weg. Ein hässliches, mattes Geschmier breitete sich auf dem Gefäß aus.
»Eine Fälschung«, sagte Gilderstein. »Nicht von unserem Mann. Das ist unter seinem Standard. Die Glasur war synthetisches Harz. Das geht mit Azeton ab - mit gewöhnlichem Nagellackentferner.«
Er wandte sich erneut dem Safe zu. »Nehmen Sie das mal.« Er hielt ihm eine kleine etruskische Vase hin, betupfte das Muster am Hals mit Azeton und wischte es wieder ab. Nichts veränderte sich.
»Aha!«, sagte Hood. »Die ist also echt.«
»Nein, nur eine bessere Fälschung. Sogar eine sehr gute. Es handelt sich um eine Magnesium-Oxyhydrat-Glasur, hart wie Stein, widersteht allen normalen Lösungsmitteln. Manchmal sammelt sich die Glasur rund um den Fuß oder die Griffe an, man kann es unter Umständen gerade noch sehen - und das ist leider die einzige Möglichkeit, es zu erkennen.«
Sie gingen zum nächsten Safe. Gilderstein nahm eine kleine Tafel aus Silber und Emaille heraus, in die eine Kreuzigungsszene eingraviert war. »Fünfzehntes Jahrhundert. Dafür gedacht, geküsst zu werden. Schön, nicht wahr? Perfekt. Leider ist das Ding nicht richtig geküsst worden. Küssen über eine lange Periode hinweg ist eine sanfte Angelegenheit, und hier sind winzige Schleifspuren zu sehen.« Mürrisch fügte er hinzu: »Gefälschte Küsse - es gibt nichts, was es nicht gibt.«
Er drehte sich um und wies auf das Porträt einer Frau an der gegenüberliegenden Wand. »Ein sehr feiner Frans Hals dort drüben.«
»Ja.«
»Er passierte vier Experten, bevor wir entdeckten, dass es sich um eine Fälschung handelt. Die meisten Gemälde von Hals sind noch in Privatbesitz. Jemand stellt ein gutes Double her. Wie wollen Sie das herauskriegen?«
»Wie haben Sie’s hier herausgekriegt?«
»Durch Glück. Austins Tante in Washington wusste, wo sich das Original befand.« Er drückte die Zigarette in einem Aschenbecher aus. »Im Safe dort drüben steht eine nahezu perfekt erhaltene venezianische Goldemaille-Tasse aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Die Hälfte der Emaille besteht aus gefärbtem und lackiertem Zahnzement. Sehr schöne Arbeit. Ich schaudere heute noch bei dem Risiko, das wir auf uns nahmen, als wir es herausfanden.«
Hood folgte ihm zurück ins Büro. Gilderstein öffnete die unterste Schublade seines Schreibtischs und nahm eine geriffelte Silbervase mit Henkeln in Form eines Steinbocks. Er stellte sie sorgfältig auf den Schreibtisch.
Hood blickte sie an. »Okay. Made in Birmingham, also...«
»Made in Persia. Achaemeniden-Periode. Fünftes Jahrhundert vor Christus, zweifellos echt.«
»Was für ein Zusammenhang besteht also zwischen alldem?«
Gilderstein blickte ihn an. »Wir haben es vom selben Händler, der versucht hat, uns die gefälschte Emaille-Tasse anzudrehen. Er wohnt in Paris, ist ein obskurer Charakter und bringt kaum je etwas Gutes. Wir haben unser Bestes getan, herauszufinden, wer uns mit Fälschungen bombardiert; und deshalb haben wir seine gefälschte Tasse übernommen, um ihn aus seiner Reserve zu locken, und sie selbst unter angenommenem Namen zu einem fetten Preis gekauft. Sie müssen das in den Zeitungen gelesen haben - es war ein Knüller. Nun hat er uns das hier geschickt und durchblicken lassen, es käme noch mehr. Wir halten diese Vase für einen bewussten Anreiz.«
»Inwiefern?«
»Wir sollen das hier als echt erkennen und eine Menge Dinge mehr nehmen, die er uns verkauft und damit schließlich in einer vorbereiteten Falle landen - in irgendeiner ganz scheußlichen.«
»Mit anderen Worten: Wenn Sie herausfinden, von wem diese Vase stammt, dann werden Sie auch wissen, wer Ihnen die anderen Fälschungen zukommen ließ?«
»Ja. Jemand lechzt nach unserem Blut. Jemand möchte glaubhaft machen - nachweisen -, dass wir skrupellos sind, was unsere Kunstgegenstände und ihre Echtheit betrifft. Mehr noch - eine Szene wie die gestern Abend, hat eine wirklich vernichtende Wirkung.«
Gilderstein zündete sich eine frische Zigarette an und ließ sich in seinen Stuhl fallen. »Ich möchte, dass Sie nach Paris fliegen, Charles - und herausfinden, wer hinter der verdammten Sache steckt.«
Hood hatte das erwartet. Das war der Grund gewesen, warum Kristoby’s ihn und nicht ihren New Yorker Mann zu Kontos geschickt hatte, um Drude auf ihn auszuüben - etwas, was sehr unangenehm hätte werden können. Außerdem war es sein Job, die Art von Ermittlungen, die er für das große Syndikat Londoner Firmen, genannt der Circle unternahm, dessen Mitglied Kristoby’s war.
Gilderstein paffte in kurzen Zügen an seiner Zigarette. »Es ist eine riskante Sache.« Hood fragte sich, ob vielleicht noch mehr dahintersteckte. Aber wenn es so war, so äußerte sich Gilderstein nicht darüber.
»Na schön!«
»Gut.« Gildersteins Zeigefinger drückte auf den Hebel des Sprechgeräts. »Mr. Austin und Mr. Haffner sollen kommen. Kommen Sie selbst mit einem Notizblock und sagen Sie Miss Price, dass wir nicht gestört werden wollen - und es ist mir völlig egal, wenn die französische Botschafterin gestern Abend ein blaues Auge abbekommen haben sollte.«
Die amerikanische Okkupation des Traveller's Club hatte die Martinis verbessert.
Der Barkeeper mixte für Hood den ersten an diesem Tag. Außer ihm saßen nur noch zwei weitere Männer in der Bar. Draußen, vor den großen Fenstern der Halle brandete der sommerliche Abendverkehr durch die Champs-Elysees, aber der Lärm drang nicht bis ins Innere des Clubs.
»Eine Olive, Sir?«
»Nein, danke.«
Hood trank einen Schluck, stellte den Fuß auf das Geländer und zündete sich eine Zigarette an. Er war den ganzen Tag unterwegs gewesen, und das Resultat war mager. Er wusste, dass niemand von Bedeutung die persische Vase gesehen hatte; und er wusste, dass in den letzten beiden Monaten zwei weitere persische archäologische Antiquitäten angeboten worden waren, eine Terrakottatasse und ein Achatsiegel, beides vorchristlich; aber was aus den Dingen geworden war, hatte er nicht in Erfahrung bringen können.
Er wartete jetzt auf Mike Mercier, den Circle-Mann in Paris, mit dem er zusammen arbeitete, seit er vor zwei Tagen London verlassen hatte. Der Pariser Händler, auf den sie sich konzentriert hatten, hatte ein gutgehendes Geschäft im besten Teil der Rue Furstenberg. Mercier hatte aus der Blondine, die zeitweise dort arbeitete, herausbekommen, dass die an Kristoby’s geschickte persische Vase von einem Amerikaner gestammt hatte. Die Dame war um die Fünfunddreißig herum, redselig, gut angezogen und hartgesotten, so dass es Mercier nicht geglückt war, einen Namen in Erfahrung zu bringen. Der Besitzer des Ladens hieß Perronet, ein herzkranker älterer Mann, und vor kurzem hatte ein korsischer junger Partner namens Sarda das Geschäft als Inhaber übernommen.
»Scheint so, als ob er ein paar abgebrühte Freunde habe«, hatte Mercier gesagt. »Er ist bei der Polizei bekannt.«
Sie hatten herausgefunden, dass Sarda sein Dasein vorwiegend mit Glücksspiel und Fahrten in aufwendigen Wagen nach St. Tropez zubrachte, lind das Antiquitätengeschäft schien reine Fassade zu sein.
Als Hood eben den letzten Schluck Martini trank, erschien Mercier. Er war ein bulliger Mann mit vorzeitig schütterem Haar und einem großen roten Gesicht mit kräftigem Kinn, ein ehemaliger Rugbyspieler aus Bordeaux. Die beiden trugen ihre frischen Martini zu einem Tisch und unterhielten sich über die nachmittäglichen Ermittlungen Merciers bei drei weiteren Kunsthändlern, die alle negativ verlaufen waren, um dann zu Hoods Nachforschungen überzugehen. Am Ende waren sich beide der Tatsache bewusst, dass sie wenig erreicht hatten.
Mercier drehte sein leeres Glas in der Hand. »Von der Blonden habe ich gehört, dass Sarda ein Nachtlokal am St. Germain de Pres frequentiert, das Le Clou heißt. Er ist dort an einem Mädchen interessiert, von dem die Blonde behauptet, es gehöre zu den öffentlichen Institutionen.«
Hood lachte und wurde dann wieder ernst. »Hören Sie, Mike, das ist alles hoffnungslos. Wir müssen etwas unternehmen. Ich werde mich direkt an Sarda heranmachen - am besten allein.«
»Gut.«
Mercier, so wurde abgemacht, sollte sich Perronet durch einen gemeinsamen Bekannten nähern. Mercier war seit einem halben Jahr nicht mehr im Le Clou gewesen. »Die Atmosphäre dort hat sich so verändert. Jetzt gibt es da ein Telefon für Mädchenbestelldienste. Derjenige, der das eingerichtet hat, muss gute Beziehungen zur Polizei haben.«
»Ich werde mich heute Abend mal dort umsehen.«
Mercier nannte ihm einen Namen, mit dessen Hilfe er hineinkommen könne, danach tranken sie noch ein Glas und trennten sich um sieben Uhr.
Hood wanderte die Champs-Elysees in Richtung zum Lotti entlang. Es war ein warmer Abend. Im Lotti fuhr er im Lift bis zu seinem Stockwerk empor, nahm dort ein Bad, und um zehn Uhr spazierte er hinüber aufs linke Seineufer. Le Clou lag in der Rue de Dragon. In der Eingangspassage warf ihm ein dunkelhaariges Mädchen hinter einem Schalterfenster einen harten Blick zu. »Mit wem sind Sie zusammen?«
»Mit Monsieur Pierre Tolain.« Es war der Name, den Mike ihm gegeben hatte. Das Mädchen nickte, und die Tür vor ihm sprang auf. Drinnen gab es eine Bar, niedrige Tische und massige Aschenbecher. Zwei Paare saßen am unteren Ende der Theke und außerdem ein einzelnes Mädchen. Hood zündete sich eine Zigarette an und bestellte einen Martini. Der Raum war eine Replik ungezählter anderer derartiger Räume: langweilig, teuer, überwältigend langweilig für jeden Menschen über neunzehn Jahre. Er saß da und betrachtete die Ankommenden, während sich das Lokal allmählich füllte. Es handelte sich lediglich um Einheimische - Franzosen, ein paar Pieds-noirs, Korsen. Keine Amerikaner.
Er ging die Treppe in den ersten Stock hinauf. Dort war ein großer Raum mit einer Decke aus schwarzem Glas, purpurfarbene Wände mit Art-nouveau-Einsätzen und matten Lichtern. Er begriff, was Mike mit »Atmosphäre« gemeint hatte. Die meisten der Anwesenden waren offensichtlich Stammgäste, und es gab Tische ausschließlich für Männer, die keineswegs wie Homosexuelle wirkten. Ein Mann mit einer dicken goldenen Kette ums Handgelenk, der nach Manager aussah, machte gelegentlich seine Runde und verschwand danach durch einen Bogengang, vor dem ein Vorhang hing. Ein Kellner sprach ihn mit Monsieur Pasquale an.
Hood bestellte eine gegrillte Seezunge und eine Flasche blanc de blanc. Als dann Pasquale wieder hereinkam, sagte Hood: »Bon soir.« Pasquale drehte sich um und nickte liebenswürdig.
»Haben Sie eine Minute Zeit?«, fragte Hood.
Pasquale steckte seine Zigarette in den Mund, trat zu Hood heran; und seine Augen blickten ihn durch den Rauch hindurch mit professioneller Abschätzung an. Er streckte die Hand aus.
»Bon soir.« Es klang, als ob er eine beiderseitige Mandelentzündung habe. Das Lächeln entblößte reichlich Gold. Die Hand war schlaff.
»Kommt Sarda heute Abend?«, fragte Hood.
»Ich habe ihn noch nicht gesehen. Warum?«
»Geschäfte«, sagte Hood. »Wenn er kommt, würden Sie ihm bitte sagen, ich würde gern mit ihm sprechen?«
Pasquale blinzelte fragend, hob das Kinn und nahm die Zigarette aus dem Mund.
»Ich bin hinter ein oder zwei Dingen her, die auf dem Markt sind. Von einem der Gegenstände habe ich neulich gehört. Vielleicht wissen Sie, wo ich unseren amerikanischen Freund finden kann?«
Pasquale lächelte nach wie vor, jedoch mit weniger Wärme. Er blieb völlig ruhig, bis auf die Augen, die sich eine Spur bewegten und jede Einzelheit von Hoods Gesicht aufnahmen. Dann steckte er die Zigarette wieder in den lächelnden Mund und nickte, als ob sie sich lediglich freundschaftlich begrüßt hätten, und schlenderte gelassen davon. Hood beobachtete ihn und seine elegante Selbstsicherheit. Pasquale verschwand ohne Eile durch den Vorhang. Hood vermutete dahinter ein Büro.
Fünf Minuten später erschien eine Gruppe von acht Leuten, die sich geräuschvoll um einen reservierten Tisch am anderen Ende des Raums niederließ. Es war jetzt gedrängt voll und sehr laut. Hood blickte zu dem Tisch hinüber und hielt einen der Kellner an. »Ist Monsieur Sarda dort drüben?«
Der Kellner warf einen Blick hinüber. »Der Gentleman am Ende.«
Sarda war Anfang Dreißig, hatte ein langes dunkles Gesicht, eine Nase mit schmalen Flügeln und einen schmalen Mund. Er war eher schmächtig, aber elegant angezogen, mit einem hochgeschlossenen rosaroten Hemd, dessen gewaltige Manschetten große rote Manschettenknöpfe hatten: Das Mädchen neben ihm musste von Martinique stammen und war sehr hübsch.
Hood aß seine Seezunge zu Ende und blieb dann, den Wein trinkend, sitzen. Zweimal ging Pasquale herum und unterhielt sich mit den Leuten an dem großen Tisch, kümmerte sich aber nicht um Hood. Sardas Augen glitten kurz in Hoods Richtung, aber ebenso gut hätte er auch an die Wand blicken können.
Hood schrieb etwas auf einen Zettel und schickte ihn hinüber. Er sah zu, wie Sarda ihn las, zusammenknüllte, ihn in den Aschenbecher warf und sich wieder dem Mädchen zuwandte. Zwei massige Männer, die rechts neben Hood an einem Tisch saßen, starrten ihn ausgiebig an.