Ein Projekt namens Daniel - Anja Fröhlich - E-Book

Ein Projekt namens Daniel E-Book

Anja Fröhlich

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Beschreibung

Karline, genannt Charly, hat nicht nur den größten Busen, sondern auch die größte Klappe der Klasse 7c. Nur in Sachen Liebe erkennt der Superfeger sich selbst nicht wieder. Seit Wochen ist sie unsterblich in Daniel, den Klassenschönling, verliebt. Doch immer, wenn Charly in Daniels Nähe ist, scheint jemand Sekundenkleber auf ihre Lippen aufgetragen zu haben. In ihrer Not sucht Charly Hilfe bei ihrer Freundin Jenny, und gemeinsam schmieden sie verrückte Pläne ...

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CARLSEN Newsletter Tolle neue Lesetipps kostenlos per E-Mail!www.carlsen.de Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. Veröffentlicht im Carlsen Verlag 2009 Copyright © 2009 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Svenja Drewes Umschlagfoto: iStock/Shelego/Tokarski/Cunliffe/Leigh/Merlini Vignetten: Fritzi Müller Umschlaggestaltung: formlabor Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-646-92021-5 Alle Bücher im Internetwww.carlsen.de

Ich weiß, ich weiß, ich sollte mich nicht so anstellen. Das versucht mir jedenfalls mein Spiegelbild einzureden. Du siehst doch ganz gut aus, scheint diese Charly in dem goldenen Rahmen über der verstaubten Stofftiersammlung sagen zu wollen, wenn sie mich so von oben herab ansieht. Du hast lange Haare, lange Beine und lange Wimpern. Dazu eine Stupsnase, einen Stupsbusen und einen Stupspo. Alles in Ordnung also.  

»Deine Haut ist genauso klar wie dein Verstand, und wenn du mit den richtigen Leuten zusammen bist, kannst du sogar witzig sein«, will die Goldrand-Charly mir weismachen.  

»Tja, bei den ›richtigen Leuten‹«, antworte ich trotzig. »Aber wenn ich zufällig mal nicht neben den richtigen Leuten stehe, bin ich stumm wie ein Stockfisch. Meine Lippen fühlen sich dann an, als hätte ich sie nicht mit Gloss, sondern mit Sekundenkleber eingeschmiert. Und mein Magen tut so, als befände er sich gerade rückwärts auf der Achterbahn.«  

Mit »nicht die richtigen Leute« meine ich übrigens nur einen einzigen Menschen und der heißt Daniel Hartmann. Daniel sitzt eine Reihe vor mir und ist 37 Tage älter als ich. Seit Wochen starre ich auf den Übergang zwischen Daniels wechselnden T-Shirt-Rändern und seinem immer gleich bleibenden zartbraunen Nacken.  

Jedenfalls ist Daniel Hartmann der einzige Mensch auf der Welt, vor dem ich mich fühle, als hätte ich plötzlich Stummelbeine und Hängebusen. Ich verhalte mich extrem mickrig in seiner Gegenwart, dabei möchte ich vor niemandem sonst so sehr cool sein wie vor Daniel Hartmann. Ich wäre gerne eine glamouröse, wortgewandte Diva, die Jungen mit einem Wimpernschlag in sich verliebt macht.  

Manchmal beneide ich meine Freundin Jenny. Sie leidet nicht unter diesem Daniel-Syndrom. Ganz im Gegenteil. Für Jenny sind die Jungs in unserer Klasse ohnehin nur Übungsmaterial. Und wer hat schon Angst vor Fingerübungen, wenn es darum geht, sich für ein großes Konzert aufzuwärmen. Das große Konzert mit einem »Himmel voller Geigen« findet nach Jennys Meinung bei den Jungs aus der elften oder zwölften Klasse statt. Entsprechend albern findet sie, dass ich so ein Getue um einen Neuntklässler mache. Einen Milchbubi, der sich beim Abfragen der Französischvokabeln regelmäßig die Zunge verrenkt und sich beim Völkerball abwerfen lässt wie ein nasser Sack (O-Ton Jenny).  

Das mit den Französischvokabeln kann ich nicht beurteilen. Meine Eltern haben mich zu Latein gezwungen. Und die Sache mit dem Abwerfen kann mich nicht schocken. Im Gegenteil, ich finde es sogar irgendwie süß. Ich brauche keine Sportskanone, um mich zu verlieben. Ich bin der Typ von Mädchen, der kleine Zahnlücken mag oder eine winzige Narbe über der Augenbraue. Irgendwas, das meine Fantasie ankurbelt. Daniel Hartmann hat übrigens beides.  

Ach, was ich ganz vergessen habe zu erwähnen: Jenny ist die Einzige in der Klasse, die Daniel nicht verfallen ist. Das behauptet sie jedenfalls steif und fest. Obwohl ich schon mal beobachtet habe, dass sie in Daniels Gegenwart plötzlich in ihren berühmten Laufsteggang verfällt und den Busen so komisch vorschiebt.  

Auch das Innere ihrer Lippen schiebt sie auf unerklärliche Weise nach außen. Wahrscheinlich, um ein bisschen mehr Volumen zu produzieren. Und wenn sie mit diesem merkwürdigen Fischmund anfängt zu sprechen, verstellt sie auch noch ihre Stimme. Es hört sich an, als würde sie ihren normalen Singsang mit einem Bass unterlegen. Und zwar einem elektronischen, dessen Schwingungen einem durch Mark und Bein gehen. Aber das tut sie eigentlich bei vielen Typen und ich halte es für eine Art Fingerübung.  

Alle anderen Mädchen in meiner Klasse starren Daniel also genauso wie ich Tag für Tag auf den Nacken – soweit sie auch in den Reihen hinter ihm sitzen. Und sie alle hoffen wahrscheinlich darauf, eines Tages von ihm auserwählt zu werden. Das Schlimmste an der Sache: Einige Mädchen warten nicht nur still vor sich hin, sondern sie legen es richtig darauf an, die Nächste in der Reihe zu sein. Sie setzen auf schamloses Flirten in sexy Klamotten. Mit den sexy Klamotten habe ich es auch schon versucht und ich muss zugeben, dass ich jeden Morgen vor dem Spiegel stehe und neckisch irgendwelche Träger von der Schulter rutschen lasse. Doch mit dem Flirten klappt es, wie gesagt, bei mir gar nicht.  

»Wenn du bei der nächsten Gelegenheit nicht den Mund aufmachst, werde ich nie wieder ein Wort über diesen pubertierenden Pimpf mit dir wechseln!«, warnt mich Jenny an einem regnerischen Dienstag im Mai. Wir sitzen gerade in der Umkleidekabine und ziehen uns die Sportklamotten an, die ich heute Morgen vor dem Spiegel eine halbe Stunde lang auf ihre optischen Reize hin überprüft habe. Ich schaue Jenny flehend an, aber sie scheint es ernst zu meinen.  

»Ich hab echt genug von deinem Gejammer!«, behauptet sie. »Die nächste Gelegenheit nutzt du, um ihn anzubaggern, verstanden!«  

Jenny setzt sich neben mich auf die Bank und schnürt ihre Turnschuhe zu. Dann grinst sie plötzlich, winkt mich mit ihrem perlmuttlackierten Zeigefingernagel zu sich heran und flüstert: »Auch wenn ich dich nur ungern an ein unreifes Früchtchen verliere: Ich habe gute Nachrichten.«  

Augenblicklich setzt mein Herz zwei Schläge lang aus, um dann wie wild loszurasen.  

»Er liebt mich? Er hat dir gestanden, dass er mich liebt? Er hat es in der Schülerzeitung veröffentlicht?«  

Jenny verdreht die Augen und verzieht angewidert den Mund.  

»Beruhig dich«, sagt sie kopfschüttelnd. »Es sind einfach nur gute Nachrichten und kein Weltwunder oder so was. Daniel ist nicht mehr mit Rosa zusammen. Das ist alles. Rosas Pressesprecherin Nadine hat verkündet, die beiden hätten sich auseinandergelebt. Ein schleichender Prozess, man kennt das. Sie haben sich einvernehmlich getrennt und bleiben gute Freunde, bla bla bla.«  

Auseinandergelebt – nach nur drei Wochen? Ich kann es nicht fassen. Wann wollen die sich denn dann zusammengelebt haben?  

In dem Moment steckt unsere Sportlehrerin Frau Krabatsch den Kopf in die Umkleide und hält nach ihren letzten verlorenen Schäflein Ausschau.  

In der Turnhalle riecht es wie immer nach jahrhundertealtem Sportmief und ich habe dennoch das Gefühl, ein Paradies zu betreten. Daniel ist Single und Rosa Grundmann ist aus dem Rennen!  

Wie immer spielen wir zum Aufwärmen eine Runde Völkerball. Jan und Alex wählen und ich komme mit Daniel in eine Mannschaft. Ein Zeichen des Himmels? Jenny ist in der anderen Gruppe und zischt mir noch ein aufgekratztes Deine Stunde hat geschlagen! zu.  

Dann geht’s auch schon los. Der Ball rauscht ein paarmal ziemlich knapp an mir vorbei. Dann passiert etwas Unglaubliches. Jenny erwischt den Ball, setzt ihren Ich kann alles schaffen-Blick auf und drischt ihn direkt auf Daniels Beine, so dass der Arme beinahe hinfliegt und sofort den Platz verlassen muss. Zwei Sekunden später ist sie schon wieder am Ball und jetzt hat sie es auf mich abgesehen. Ihr Gesicht nimmt Züge eines Pitbull-Terriers kurz vor dem Todesbiss an und dann ballert sie mir den Ball voll auf den Rücken. Keine Frage, ich bin ausgeschieden und muss zu Daniel auf die Bank. Doch damit nicht genug. Kaum dass ich raus bin, täuscht Jenny eine Bänderzerrung am Fuß vor. Frau Krabatsch lässt das Spiel sofort stoppen und kümmert sich um die eingebildete Kranke, die wimmernd am Boden hockt und mich dabei natürlich keine Sekunde aus den Augen lässt. Das heißt also: So schnell wird kein weiterer Spieler abgeworfen und ich habe Daniel bestimmt fünf Minuten für mich ganz alleine.  

Okay, ich sehe es ein, jetzt oder nie. Das ist unsere Alleinsein-Chance des Jahres. Ich steuere meine Beine in Richtung Bank und zwinge sie, direkt neben Daniel zum Stehen zu kommen. Dann setze ich mich so nah neben ihn, dass er mich verwirrt anschaut und sich ein Lächeln abringt. Puh, der erste Schritt wäre getan. Jetzt muss ich nur noch meinem voll verspannten Mund irgendein Wort entlocken. Vielleicht könnte ich es auf die Leidensgenossen-Tour machen. Nach dem Motto: Wie peinlich, so früh abgeworfen zu werden. Aber egal, geteiltes Leid ist ja halbes Leid, bla bla bla …  

Keine gute Idee. Ich meine, wer will sich schon in ein Mädchen verlieben, das einen als Loser entlarvt und obendrein auch noch selber einer ist. Ich entscheide mich für die Sportstreber sind doch uncool-Variante.  

»Ich kann gar nicht verstehen, warum die alle so ehrgeizig da rumturnen?!«, presse ich zwischen meinen verkrampften Lippen hervor. »Ich meine, Sport ist doch albern, oder? Glaubst du, Einstein hat toll Völkerball gespielt?«  

Daniel schaut mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Dann lässt er plötzlich die Schultern hängen und beugt den Kopf nach vorne, als hätte man die Luft aus ihm herausgelassen.  

»Mir ist egal, in welcher Sportart Einstein versagt hat und wie er sich dabei gefühlt hat«, antwortet er. »Aber ich persönlich wäre jetzt lieber im Spiel als auf der Bank.«  

Na toll! Mein Flirttalent ist nicht zu toppen. Zu allem Überfluss rutscht Daniel auch noch ein Stückchen von mir ab. Und zwar in genau dem Moment, als sein Freund Carlos ihm einen langen und irgendwie verständnislosen Blick zuwirft.  

Da geht das Spiel auch schon weiter und Antonella wird abgeworfen. Sie setzt sich auf Daniels andere Seite und lächelt ihn an, als käme sie gerade aus der Zahnpastawerbung. Dann zaubert sie ein Päckchen Kaugummi aus ihrer ultraengen Capri-Leggins hervor und hält es Daniel unter die Nase. Sie bietet sogar mir ein Kaugummi an. Wahrscheinlich nur, um vor Daniel großmütig rüberzukommen. Denn Tatsache ist, dass Antonella mir noch nie irgendetwas angeboten hat. Und als ich dankend ablehne, weil ich Kaugummikauen äußerst unsexy finde, meine ich einen Anflug von Erleichterung über ihr rosiges kleines Gesicht huschen zu sehen.  

»Ich hab gehört, mit Rosa ist es aus«, fragt sie Daniel so beiläufig, als würde sie sich nach den Mathehausaufgaben von gestern erkundigen. Mir bleibt das Herz stehen. So kann man also auch einen Flirt starten, denke ich. Und tatsächlich, Antonellas Strategie geht voll auf. Immer schön mit der Tür ins Haus!  

»Hat sich das etwa schon rumgesprochen?«, fragt Daniel. Seine hängenden Schultern richten sich langsam auf und auch sein Kopf steht wieder kerzengerade auf dem zartbraunen Nacken.  

»Hab gedacht, es wäre ein Gerücht«, sagt sie. »Solche Gerüchte sind doch schnell in die Welt gesetzt. Ich meine, bei deinen ganzen Verehrerinnen – die warten doch nur drauf, dass du wieder frei bist.«  

Ich bekomme schon vom Zuhören heiße Ohren. Wenn Antonella tatsächlich auch eine von diesen Verehrerinnen sein sollte, dann ist sie echt cool!  

»Welche Verehrerinnen?«, fragt Daniel scheinheilig.  

»Ach komm!«, meint Antonella, »als ob du nicht wüsstest, dass die halbe Klasse hinter dir her ist.«  

Mir bleibt das Herz stehen. Und nach meinen Berechnungen müsste Antonella längst einen Infarkt haben, aber sie strahlt einfach weiter über beide Rosenbäckchen und kaut mit halb geöffnetem Mund ihren zuckerfreien Orbit, wobei sie noch nicht mal unsexy aussieht.  

»Ich kenne nicht ein Mädchen, das in mich verknallt sein soll«, meint Daniel und schmunzelt.  

»Manchmal sitzt das Glück näher, als man denkt«, kontert Antonella mit vielsagendem Augenaufschlag und ich bin mir wirklich nicht sicher, ob sie damit mich meint oder sich selbst. Aber vielleicht hat sie das auch nur so dahingesagt. Zuzutrauen ist so einer Profi-Flirterin alles.  

»Ich hab wohl kein Händchen fürs Glücklichsein«, sagt Daniel nach einer kleinen Pause. »Ich versteh die Mädchen einfach nicht. Keine Ahnung, wie die ticken. Aber ticken tun sie, so viel steht fest. Und zwar wie Zeitbomben. Du machst einen kleinen Fehler, tappst mal kurz im Dunkeln und schon geht die Bombe hoch.«  

Später in der Umkleide nimmt Jenny mich ins Gebet. »Was war das denn?«, will sie vorwurfsvoll wissen. »Hab ich mir den Fuß verstaucht, damit du Antonella den Vortritt lässt?«  

»Ich hab mich bemüht, echt!«, antworte ich. Jenny gibt mir ein paar Luftohrfeigen.  

»Viele Chancen gebe ich dir nicht mehr! Sonst schnappe ich ihn mir selbst«, droht sie grinsend. Dann gehen wir in die Cafeteria, trinken eine von diesen eklig gesunden Carpe-Diem aus der Flasche und starren auf den mausgrau gepflasterten Pausenhof. Es muss etwas geschehen!  

Soll ich Jenny bitten, Daniel ein bisschen auszuquetschen, um meine Chancen abzuchecken?

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Oder soll ich mich selbst etwas trauen und ihn zum Beispiel zum Blind Date im dunklen Kinosaal einladen?

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Eins steht fest: Ein Flirtstar wie Antonella bin ich nicht. Und es ist auch nicht zu erwarten, dass ich innerhalb von vier Tagen einer werde. Denn das ist wohl die Zeit, in der Daniel noch frei herumflattert wie ein neugeborener Schmetterling. Ich wette, spätestens in vier Tagen ist er irgendeiner neuen Zeitbombe ins Netz gegangen. In meiner Not frage ich Papa beim Abendbrot, welche Mädchen ihn früher am meisten beeindruckt haben. Papa streicht mit der Hand über die kahle Stelle auf seinem Kopf. Dann schließt er versonnen die Augen und verzieht das Gesicht, als würde er sich eine Champagner-Trüffel-Praline auf der Zunge zergehen lassen. Als er die Augen wieder öffnet, sagt er siegessicher wie ein Wer-wird-Millionär-Kandidat bei der 100-Euro-Frage: »Geheimnisse. Mich faszinierten geheimnisvolle, rätselhafte Mädchen.« Dann schaut er ganz und gar nicht geheimnisvoll zu Mama und lächelt. Mama zieht nur eine Augenbraue hoch, greift mit Kneifzangen-Fingern nach Papas müffelndem Camembert und sperrt ihn in die geruchsversiegelte Käsebox.  

Als ich später auf meinem glucksenden Wasserbett liege, mit dessen Anschaffung mich meine Eltern übrigens dazu überredet haben, das kleine Latinum zu machen, geht mir Papas Antwort nicht aus dem Kopf. Wenn ich schon schüchtern bin, dann wenigstens geheimnisvoll schüchtern. Ich könnte bei einem geheimnisvollen Date die geheimnisvolle Unbekannte spielen, sofern das Rendezvous im Stockdunklen stattfindet. Und dann kommt mir eine Idee, die so absurd ist, dass sie mir die ganze Nacht nicht aus dem Kopf geht. Was, wenn ich Daniel in einen Film einlade? Treffpunkt Kinosessel fünf Minuten nach Filmbeginn. So wenig, wie der sich bisher für mich interessiert hat, erkennt er sicher nicht mal meine Stimme! Die Haare könnte ich mit einer vom Karneval übrig gebliebenen Dose Sprühtönung schwarz färben und ausnahmsweise mal offen tragen. Hinter meiner Mähne kann ich dann wiederum mein Gesicht verstecken. Ich schwöre, der erkennt mich nicht. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Und wenn er mich erkennt, ist das Eis schon gebrochen. Oder sagen wir lieber, die unbekannte dunkelhaarige Frau hat ihn bereits nachhaltig in ihren Bann gezogen.  

Als ich gegen zwei Uhr immer noch nicht schlafen kann, schleiche ich mich an den Computer und suche einen geeigneten Film. Im Rex gibt’s eine Gruselreihe. Das hört sich schön düster an. Morgen um 17:00 Uhr läuft ein Vampirfilm. Die Filmbeschreibung ist perfekt! Ein Vampirliebespaar mit Mondlicht-Allergie kann nur bei Neumond auf Beutefang gehen! Inzwischen bin ich so überdreht, dass ich tatsächlich über meine alte und weitgehend unbekannte E-Mail-Adresse eine SMS an Daniel losschicke: Morgen um 17:00 Uhr im Rex – Kino 3, letzte Reihe ganz rechts. Willst du wissen, wer dort auf dich wartet? Dann komm!  

Es dauert noch weitere zwei Stunden, bis ich mich auf den Wogen des beheizten Wasserbetts in den Schlaf geschaukelt habe.  

Am nächsten Morgen finde ich meine Idee nur noch mittelgut. Und als ich mein zerknittertes und blasses Gesicht im Spiegel sehe, bin ich froh wenigstens kein Sunshine-Date gemacht zu haben.