Ein Retter für Annie - Nicky Anderson - E-Book

Ein Retter für Annie E-Book

Nicky Anderson

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Beschreibung

Als Annie ihr Haus verliert und droht, mit ihrer kleinen Tochter auf der Straße zu landen, fällt ihr nur einer ein, an den sie sich wenden kann: Den besten Freund ihres verstorbenen Mannes Clay: Liam Morgan. Der Ex Navy Seal hat sich auf die Farm seiner Großeltern zurückgezogen. Kurzerhand nimmt er Annie und die kleine Clara bei sich auf und beginnt, sich liebevoll um sie zu kümmern. Während Annie gerade anfängt, sich auf der Lavendelfarm wohlzufühlen, hat sie plötzlich den Eindruck, beobachtet zu werden. Hirngespinste, denkt sie. Dennoch ist sie froh, in Liams Nähe zu sein und gegen ihren Willen beginnt sie, mehr für den attraktiven Mann zu empfinden, der sein Leben als Draufgänger aufgegeben zu haben scheint und seinerseits mit den Schatten aus seiner Vergangenheit fertig werden muss. Mit aller Macht kämpft sie gegen ihre Gefühle an. Schließlich ist es noch nicht lange her, seit sie ihren Mann verloren hat. Doch dann offenbart ihr Liam, wieso seine Freundschaft zu Clay einen Riss bekam und Annie und er kommen sich näher. Als das Glück gerade beginnt, sich erneut einen Platz in ihrem Leben zu erkämpfen, kommt es zu einer Katastrophe, die Annies Welt erneut zusammenbrechen lässt. Liams Wille, sie zu beschützen, ist jedoch grenzenlos und er verspricht ihr, alles zu tun, um ihr zu helfen. Eine Geschichte über Angst und den Schmerz des Verlusts, über Freundschaft und Schuld und über die mächtige Heilkraft der Liebe, die am Ende das Einzige ist, das zählt.

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Seitenzahl: 152

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Nicky Anderson

EIN RETTER FÜR ANNIE

Shelter me – Reihe 1

IMPRESSUM

Nicky Anderson

Ein Retter für Annie

Shelter me – Reihe 1

Auflage 2021

Copyright © 2021 Nicky Anderson

Alle Rechte, einschließlich des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten.

ISBN 9783754349373

Umschlag und Layout:

Hanna Schofer

Kontakt:

E-Mail: [email protected]

Instagram: nicky_anderson.books

Herstellung und Verlag: BoD

Books on demand, Norderstedt

Drei Tage zuvor, Coronado, Kalifornien …

Annie

„Bitte, Mr. Miles. Das können Sie nicht tun. Ich werde es irgendwie schaffen. Geben Sie mir nur noch ein wenig Zeit.“

Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen, doch das wollte ich vor diesem ekelhaften Bankmenschen unter allen Umständen vermeiden. Also zwinkerte ich die aufsteigenden Tränen weg, holte tief Luft und rückte Clara auf meiner Hüfte zurecht.

„Mrs. Shepard“, sagte Mr. Miles in einem Tonfall, als würde er mit einem bockigen, kleinen Kind sprechen.

„Das sagen Sie nun schon seit vier Monaten. Ich habe ja wirklich allen Respekt vor Ihrer Situation, aber mir sind die Hände gebunden.“

„Noch einen Monat. Bitte!“, sagte ich flehend. Meine Stimme war bereits belegt vor lauter zurückgehaltener Tränen.

Mr. Miles rückte seine Krawatte mit den kleinen, blauen Vierecken darauf zurecht und ich sah Schweißtropfen auf seiner Stirn.

Ihm war ebenfalls unwohl.

Na, immerhin. Im Grunde wusste ich, dass er Recht hatte. Ihm waren tatsächlich die Hände gebunden. Schließlich gehörte ihm die Bank, über die der Kredit für das Haus lief, nicht, sondern er arbeitete nur für sie. Und er hatte mir schon vier Monate eingeräumt. Das war bereits mehr, als man erwarten konnte. Außerdem würde mir auch ein weiterer Monat nicht helfen. Nie im Leben würde ich die ausstehenden Raten begleichen können.

Ich verdiente so gut wie kein Geld. Mit der kleinen Clara, die erst sieben Monate alt war, war es schwierig. Niemand gab mir einen festen Job, denn alle gingen davon aus, dass ich wegen der Kleinen ständig ausfallen würde. Alleinerziehend war kein Zustand, der Arbeitgebern gefiel. Vor allem nicht, wenn das Kind noch so klein war.

Mit den wenigen Übersetzungen, die ich freiberuflich von zuhause aus machte, konnte ich uns gerade so über Wasser halten. Clays Erspartes war mittlerweile für die letzten Monatsraten draufgegangen. Mir stand das Wasser bis zum Hals und wenn ich Mr. Miles anflehte, mir noch einen Monat zu geben, dann nur, um das Problem noch vier Wochen aufzuschieben.

Es hatte keinen Sinn und ich beschloss resigniert, aufzugeben.

„Das geht nicht, Mrs. Shepard. So leid es mir tut“, sagte er und schaute geflissentlich an Clara vorbei, die auf meinem Arm strampelte und hinunter wollte.

Es gefiel ihm nicht, dass er eine Mutter mit Kind auf die Straße setzte, aber er konnte es auch nicht ändern.

„Okay“, flüsterte ich und nickte.

„Ich werde gehen. Wie lange habe ich, um zu packen?“

Mr. Miles sah mich mit großen Augen an und strich sich mit einer Hand über die Halbglatze.

„Sie gehen?“, fragte er und wunderte sich scheinbar, dass ich es ihm plötzlich so leicht machte.

Ich nickte.

„Okay. Also dann … es wäre gut, wenn Sie in drei Tagen hier raus wären“, sagte er. „Sie müssen nicht gleich alles leerräumen. Es ist nur so, dass wir bereits ein paar Interessenten haben und da wäre es von Vorteil, wenn niemand mehr hier wohnen würde, wenn die Besichtigungen anfangen.“

Ich hielt die Luft an. Interessenten. Für das Haus, in dem Clay und ich unser Baby hatten aufziehen wollen. Hier hätte Clara aufwachsen sollen, genau hier. Und nun war alles anders und es gab verdammte Interessenten für Claras Zuhause.

„Kriegen Sie das hin?“, fragte Mr. Miles.

Ich nickte erneut. „Natürlich“, murmelte ich.

„Okay.“ Er drehte sich um, blieb aber in der Tür stehen.

„Auf Wiedersehen, Mrs. Shepard. Und … es tut mir wirklich leid.“

Bevor ich antworten konnte, war er verschwunden und kurz darauf hörte ich den Motor seines Mercedes‘ anspringen.

Zurück blieben wir beide, ich und die kleine Clara, die mittlerweile laut krähte, in dem Haus, das mir nun nicht mehr gehörte. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie es nun weitergehen sollte.

1.

Drei Tage später, Lavendel Farm …

Liam

„Sie machen das gut, Mr. Morgan.“

„Liam, Tom. Wie oft haben ich Ihnen schon gesagt, dass Sie mich Liam nennen sollen“, sagte ich und sah Tom gespielt böse an.

„Und danke für das gutgemeinte Kompliment, aber wir wissen beide, dass ich es alles andere als gut mache.“

Wie zur Bestätigung schnaubte Hayley einmal durch die Nüstern. Nicht einmal sie schien der Meinung zu sein, dass ich auch nur einen Funken Talent darin hatte, mich im Sattel zu halten.

Völlig erschöpft ließ ich mich von Hayleys Rücken gleiten und führte die alte Stute in den Stall, um sie an einem der dafür vorgesehenen Balken festzubinden.

Obwohl ich nun seit über einem Jahr auf der Farm meiner Großeltern wohnte, hatte ich mich erst kürzlich dazu entschieden, das Reiten zu lernen.

Auch an die Arbeit im Stall, in der neben den Pferden auch noch knapp fünfzig Milchkühe standen, hatte ich mich nicht herangewagt. Bis jetzt. Ich überließ die Arbeit den acht Angestellten, die seit Ewigkeiten für meine Großeltern arbeiteten und die das alles vollkommen im Griff hatten.

Tom, einer dieser Angestellten und zwar der, der am längsten hier arbeitete, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich ein wenig näher an die Tiere heranzubringen.

Man kann einfach keine Tierfarm übernehmen und rein gar nichts über Tiere wissen, das war seine Meinung.

Und irgendwie hatte er da ja auch Recht.

Tom war bereits über sechzig, aber ich hatte den Eindruck, dass er nicht vorhatte, irgendwann seinen Job an den Nagel zu hängen und in Pension zu gehen. Er wohnte, wie auch fast alle anderen Leute, die hier arbeiteten, in einem Nebengebäude der Farm.

Ich selbst war ins Haupthaus gezogen. Meine Großeltern waren gestorben, mein Grandpa‘ bereits vor sechs Jahre, Grandma‘ erst kürzlich. Niemand hatte in ihre Fußstapfen treten wollen und die Farm sollte verkauft werden. Bis ich eine Entscheidung getroffen hatte. Nun war ich hier und ich hatte, obwohl ich wirklich keinerlei Ahnung vom Landleben hatte, den Eindruck, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

Früher war Einsamkeit nichts gewesen, nach dem ich mich gesehnt hätte. Früher, als ich ein anderer Mensch gewesen war. Mittlerweile fand ich es verlockend, tagelang kaum zu reden, lange Spaziergänge zu unternehmen und mit einem Buch in der Hand in der Sonne zu sitzen.

Keiner meiner alten Kameraden hätte mich wiedererkannt. Früher hatte mir das Leben nicht schnell, laut und bunt genug sein können.

Wenig Schlaf, die Liebe zu meinem gefährlichen Job, ständig wechselnde Frauengeschichten und Sport hatten mein Leben ausgemacht.

Nun lebte ich zurückgezogen und das Einzige, was geblieben war, war der Sport. Die Hanteln hatte ich mitgenommen, als ich meine Wohnung in Coronado aufgegeben hatte. Sonst hatte ich das Meiste verschenkt. Doch vor allem liebte das Laufen, seit ich hier draußen wohnte.

Ich legte lange Strecken zurück und joggte durch die weitläufigen Felder, die sich endlos über die flache Landschaft erstreckten und keine Grenze hatte, außer dem Horizont.

Außer des Sports, war mir aus meinem alten Leben nichts mehr wichtig.

Sofort blitzte ein Gesicht vor meinem inneren Auge auf, wie, um meine Aussage Lügen zu strafen. Blaugraue, große Augen sahen mich an, ein voller Mund, der mich anlächelte. Ein Lachen in meinen Ohren. Annies Lachen. Die einzige Frau, die mir je etwas bedeutet hatte. Und auch die einzige, die absolut tabu für mich gewesen war.

Noch immer dachte ich oft an sie. Und an Clay natürlich. Dass er nicht mehr da war, hatte mir das Herz gebrochen. Und mich, unter anderem, auf diese Farm geführt.

„Soll ich das übernehmen?“, fragte Tom und holte mich damit aus meinen Gedanken.

Irritiert überlegte ich, was er meinte, bis ich seinem Blick zu Hayley folgte, die brav an dem Balken stand.

„Oh, das wäre wunderbar, wenn Sie sie absatteln und versorgen könnten“, sagte ich.

Tom nickte und wirkte erleichtert. Wahrscheinlich war er froh, dass er nicht noch ein paar meiner ungeschickten Bewegungen am Pferd mit ansehen musste.

„Aber machen Sie schnell, das Abendessen ist bestimmt schon fertig“, sagte ich und verließ den Stall.

Der einzige Moment des Tages, an dem alle Angestellten zusammenkamen, war der Abend. Greta kochte und wir aßen alle zusammen. Meine Großeltern hatten diese Tradition eingeführt und es war selbstverständlich gewesen, dass ich sie übernahm.

Bei diesem Anlass konnte man über den Tag reden, Dinge besprechen, die erledigt werden mussten und Probleme diskutieren. Ich hielt mich jedes Mal zurück, denn ich hatte ja keine Ahnung.

Den Rest des Tages konnte man alleine verbringen, wenn man wollte, was mir sehr Recht war. Schließlich war ich vor allem hier, um meine Ruhe und keine Gesellschaft zu haben.

Greta hatte bereits den Tisch gedeckt, als ich das Haupthaus erreichte. Da das Wetter an diesem späten Frühlingstag warm war, aßen wir draußen auf der Veranda.

Vera und Michael saßen bereits am Tisch, die anderen trudelten nach und nach ein.

Es gab Lauchsuppe und wie immer schmeckte es fantastisch. Greta konnte aus wenigen Zutaten wunderbare Gerichte zaubern und war nicht umsonst die Köchin der Truppe.

Eine Weile aßen wir immer schweigend, bis irgendjemand schließlich anfing, über etwas zu sprechen, das ihm auf dem Herzen lag. Heute war es Tom. Er berichtete von einem Wolf, den er in der Gegend vermutete, denn die Schafe waren unruhig und die Hunde, die sie beschützten, schienen auch etwas zu wittern. Sie bellten nachts, was ich ebenfalls gehört hatte.

Wir besprachen noch ein paar andere Themen, oder besser gesagt, besprachen die anderen und ich hörte zu und brummte ab und zu zustimmend.

Sie hatten sich mittlerweile daran gewöhnt, dass ich selten etwas zu ihren Vorschlägen sagte, aber da ich nun mal offiziell der Chef war, wollten sie mich wohl zumindest zum Schein an ihren Entscheidungen teilhaben lassen.

Das Abendessen dauerte heute ein wenig länger als sonst und als alle aufstanden und die Teller in die Küche räumten, war es bereits stockdunkel. Die Lavendelfelder, die aufgrund der frühen Wärme bereits rund um die Farm aufgeblüht waren, waren nicht mehr zu sehen. Doch der sanfte Duft, der von ihnen ausging, erinnerte einen daran, dass sie da waren.

Wie immer weigerte Greta sich, mich beim Abwasch helfen zu lassen. So setzte ich mich ohne jegliche Aufgabe auf die Bank, die an der Vorderfront des Hauses stand und nahm mein Buch, das ich dort liegen gelassen hatte. Im schwachen Schein der Lampe, die auf der Veranda brannte, war das Lesen anstrengend, aber ich liebte es, hier zu sitzen und den Duft des Lavendels in der Nase zu haben.

Ich war vom Stadtmenschen zu einem Mann geworden, der das Landleben schätzen gelernt hatte. Oder hatte das schon immer in mir gesteckt?

Es wäre schön gewesen, wenn meine Großeltern noch mitbekommen hätten, dass die Farm doch, entgegen aller Vermutungen, in der Familie blieb. Dass die Umstände, die dazu geführt hatten, alles andere als schön waren, war eine andere Geschichte.

Während ich versuchte, mich auf die Geschichte meines Buches zu konzentrieren, schweiften meine Gedanken ab und ich dachte an Lydia, die einen Mistkerl geheiratet hatte. Zwar ließ meine Schwester es sich nicht anmerken, aber sie war unglücklich und ich kurz davor, meine neue innere Ruhe, die das Landleben mir die meiste Zeit über bescherte, links liegen zu lassen und diesem Widerling eine zu verpassen. Oder auch zwei.

Bis jetzt schien es, dass er Lydia nur mit Worten traktierte, was schlimm genug war. Aber wenn ich erfahren würde, dass er ihr auch körperlich wehtat, würde ich mich nicht mehr zurückhalten können, auch wenn Lydia mich noch so oft darum bitten würde, genau das zu tun.

Dass ich sie nicht davon hatte abbringen können, Kyle, der den Alkohol offenbar lieber mochte, als meine Schwester, zu heiraten, wurmte mich nach wie vor.

„Sie brauchen eine Frau,

Mr. Morgan.“

Unbemerkt war Greta aufgetaucht und riss mich aus meinen Gedanken. Die Schürze hatte sie bereits abgelegt und nun stand sie in ihrem geblümten Kleid, das um ihre drahtige Figur flatterte, neben mir.

Auch sie arbeitete schon eine halbe Ewigkeit auf der Lavendel Farm und kannte sich hier besser aus, als ich.

„Liam, Greta. Sie sollen mich Liam nennen.“

„In Ordnung, Mr. Morgan.“

Ich seufzte. Es war umsonst. Sie würden mich niemals mit Vornamen anreden. Trotz allem war ich ihr Chef, obwohl ich viel lieber eine Art Freund wäre.

Greta, die in einem der hinteren Häuser zusammen mit ihrem Mann wohnte, blieb stehen und ich sah erneut von meinem Buch auf. Anscheinend war sie noch nicht fertig.

„Sie sind zu einsam“, sagte sie und nickte, wie um ihre Aussage selbst noch einmal zu bestätigen.

Ich lachte. „Genau das, was ich gesucht habe. Die Einsamkeit“, sagte ich.

Ich empfand ihren Kommentar nicht als anmaßend oder als etwas, was sie nichts anging. Die Leute tickten hier anders, als in der Stadt. Es war keine Neugier, kein Small-Talk oder der Versuch, etwas über mein – nicht mehr vorhandenes – Liebesleben herauszufinden. Greta schien sich tatsächlich Sorgen um mich zu machen.

„Ich brauche keine Frau, Greta“, versuchte ich deshalb, sie zu beruhigen.

„Es ist gut so, wie es ist. Seit langem geht es mir wieder ein bisschen besser.“

Wenn ich an meine letzte Nacht in Coronado dachte, in der ich vollkommen abgestürzt war und mein vernebeltes Hirn irgendwann den Entschluss gefasst hatte, all dem den Rücken zu kehren und auf die Farm zu ziehen, dann ging es mir heute im Vergleich dazu geradezu fantastisch. Glücklich war ich nicht. Ich wusste nicht einmal mehr, wie sich das anfühlte. Aber ich war zumindest nicht mehr direkt am Abgrund.

„Sie brauchen jemanden, den sie lieben können, Mr. Morgan“, ließ Greta sich jedoch nicht beirren.

„Wir denken, dass Sie jemanden brauchen, der an ihrer Seite ist.“

„Wir?“ Ich runzelte die Stirn.

„Naja …“ Ganz plötzlich wirkte Greta ein wenig befangen.

Ich seufzte erneut.

„Ich wusste nicht, dass mein Privatleben allgemein diskutiert wird“, sagte ich.

„Wir haben nur einmal darüber geredet“, sagte Greta ein wenig verlegen.

„Tut mir leid.“

„Schon gut, Greta“, sagte ich. Es war im Prinzip egal. Dann sollten sie eben alle darüber reden, dass ich ihrer Meinung nach eine Frau an meiner Seite brauchte. Ich war da anderer Meinung. Es würde ganz einfach keine geben, die ich an meiner Seite haben wollte. Außer eine … Aber die war nach wie vor tabu.

Und eines Tages, irgendwann, würde ich bestimmt auch aufhören, an sie zu denken. Das war zumindest meine Hoffnung.

Ich träumte schlecht. Wie so oft waren es wirre Träume, gespickt mit Gesichtern, die nicht erkennbar waren, Träume voller Blut und gesichtslosen Menschen, die schrien. Immer wieder diese Schreie. Ruckartig riss ich die Augen auf und setzte mich auf. Ich schwitze, obwohl ich nur Boxershorts trug und das dünne Laken, unter dem ich schlief, auf den Boden gerutscht war. Vor dem Fenster, das weit offen stand, war es stockdunkel. Mein Wecker zeigte an, dass es kurz vor vier Uhr morgens war. Alles war still, bis auf das vereinzelte Zirpen der Grillen und ein paar Froschlauten, die ab und zu aufklangen.

Der Geruch des Lavendels gelangte bis in mein Zimmer und ich atmete ein paar Mal tief durch. Ich fand, dass dieser Duft beruhigend war.

Der Traum ebbte langsam ab und die Bilder lösten sich auf. Trotzdem wusste ich, dass ich jetzt nicht mehr schlafen konnte. Also stand ich auf, stieg in meine Sportsachen und verließ das Haus. Die Tür musste ich nicht abschließen. Hier draußen blieben Türen und Fenster geöffnet. Niemand brach irgendwo ein.

Pax, der Schäferhundrüde, der Tom gehörte, lag auf dem Hof und hob nur kurz den Kopf, als er mich sah. Er war meine nächtlichen Ausflüge mittlerweile gewöhnt.

Ich verließ den Hof und bog nach rechts ab. Dann lief ich los. Ich passierte die ersten Lavendelfelder in ihrer violetten Pracht und nahm Kurs auf das schmale Waldstück, das weiter hinten lag. Die Gegend hier war flach. Alles schien eine einzige weite Ebene zu sein und da nichts die Sicht versperrte, konnte man fast endlos in die Ferne blicken. Nur die hohen Tannen des Waldes begrenzten diesen Blick in dieser Richtung. Wenn man sich umschaute, gab es jedoch kein einiges anderes Hindernis.

Mein nächster Nachbar war Mr. Brank, der mit seiner Familie auf einer Farm wohnte, die acht Meilen von meiner entfernt lag. Hier draußen war es keine Seltenheit, dass einem keine einzige Menschenseele begegnete. Selbst auf der Country Road, die die kleinen Orte miteinander verband und erst nach viele Meilen auf die Interstate Richtung Coronado führte, waren meist nur wenige Autos unterwegs.

Ich lief zwei Stunden, machte nur eine kleine Rast am Weiher, der inmitten der Felder lag, und lief dann weiter. Als ich wieder auf dem Hof ankam, waren die Bilder des Traumes endlich ganz verschwunden.

Erleichtert trank ich in der Küche ein großes Glas Wasser, bevor ich mir Kaffee einschenkte, den Greta bereits gemacht hatte. Greta war Frühaufsteherin. Schon mehrmals hatte ich ihr versichert, dass ich meinen Kaffee morgens alleine machen und sie nicht extra herkommen musste. Aber davon wollte sie nichts wissen. Ich erinnerte mich daran, dass sie schon meinen Großeltern immer den Kaffee gemacht hatte. Nicht oft war ich als Kind hier zu Besuch gewesen und als Erwachsener noch viel seltener. Aber an das Gefühl, in eine andere Welt zu tappen, sobald ich die Felder sah und die Farm betrat, konnte ich mich nach wie vor erinnern und wahrscheinlich war das der Grund gewesen, wieso mir die Farm in einer meiner dunkelsten Stunden eingefallen war. Gerade noch rechtzeitig hatte ich Anspruch an dem Erbe angemeldet, bevor meine Eltern das Anwesen verkaufen konnten. Ich würde sie wahrscheinlich irgendwann auszahlen müssen, aber bis jetzt hatten sie nichts gesagt. Ich glaubte, dass sie eigentlich froh waren, dass die Farm doch in der Familie blieb, obwohl mein Dad immer sehr herablassend über seine Eltern und den elenden Bauernhof, wie er ihn nannte, gesprochen hatte.

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand setzte ich mich auf die Veranda und genoss die ersten Sonnenstrahlen, die auf mein Gesicht fielen, als ich schnelle Schritte hörte.

Tom stand vor mir, als ich die Augen öffnete.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich. Er sah irgendwie besorgt aus.

„Der Zaun an der Nordseite …“, sagte er atemlos.

„Er wurde zerstört. Das waren diese verdammten Wölfe, ich sag es Ihnen, Mr. Morgan.

„Die Weide mit den Lämmern?“, fragte ich.

Er nickte.

„Ein paar sind gerissen worden. Diese elenden Biester. Die anderen schweben in Todesangst.“

Er hatte die Hand zur Faust geballt.