Ein Sommer in Schottland - Mila Summers - E-Book
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Ein Sommer in Schottland E-Book

Mila Summers

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Beschreibung

Timna ist Eventmanagerin und plant die Hochzeit ihrer besten Freundin Lotte auf einer malerischen schottischen Insel. Viel Zeit zum Schwärmen und Träumen bleibt Timna jedoch nicht. Schon am Flughafen macht Uropa Heinrich den beiden Frauen das Leben zur Hölle und auch nach ihrer Landung sorgt der alte Mann für so manche Turbulenzen. Jamie hat nach einem schweren Schicksalsschlag in der Kindheit nie wieder einen Fuß auf die Isle of Iona gesetzt. Erst als sein bester Freund ihm offenbart, dass er ausgerechnet dort heiraten wird, stellt er sich zähneknirschend den Dämonen seiner Vergangenheit. Doch als Timna seinen Weg kreuzt, bekommt er ein Gefühl für die Magie des schottischen Sommers.

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Mila Summers

 

Ein Sommer in Schottland

 

 

 

 

Über das Buch:

 

Schließ deine Augen, öffne dein Herz und komm mit auf eine humorvolle und romantische Reise ins wunderschöne Schottland!

 

Timna ist Eventmanagerin und plant die Hochzeit ihrer besten Freundin Lotte auf einer malerischen schottischen Insel. Viel Zeit zum Schwärmen und Träumen bleibt Timna jedoch nicht. Schon am Flughafen macht Uropa Heinrich den beiden Frauen das Leben zur Hölle und auch nach ihrer Landung sorgt der alte Mann für so manche Turbulenzen.

Jamie hat nach einem schweren Schicksalsschlag in der Kindheit nie wieder einen Fuß auf die Isle of Iona gesetzt. Erst als sein bester Freund ihm offenbart, dass er ausgerechnet dort heiraten wird, stellt er sich zähneknirschend den Dämonen seiner Vergangenheit. Doch als Timna seinen Weg kreuzt, bekommt er ein Gefühl für die Magie des schottischen Sommers.

 

Über die Autorin:

Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun dramatische und humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.

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Bisher von der Autorin erschienen:

»Liebe ist-Reihe«

Liebe ist nur mit Dir

Liebe ist ein Glücksfall

Liebe ist ganz nah

Liebe ist ein Wunder

 

»Manhattan Love Stories«

Irresponsible desire

Irrepressible desire

Irresistible desire

 

»Tales of Chicago«

Küss mich wach

Vom Glück geküsst

Ein Frosch zum Küssen

Küsse in luftiger Höhe

Zum Küssen verführt

 

»Social Media Love«

Instafame oder Gummistiefel in Acryl

Facebook Romance oder nach all den Jahren

Twinder oder die Irrungen und Wirrungen der Liebe

 

»Weihnachten im Ort der Wunder«

Küsse unter dem Mistelzweig

Liebe und andere Weihnachtswunder

 

Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Allerdings gibt es ein Wiedersehen mit den Protagonisten der vorhergehenden Bücher.

 

Weitere Bücher der Autorin:

Vielleicht klappt es ja morgen. Liebe in …

Rettung für die Liebe

Liebe lieber einzigartig

Auf einmal Liebe

Sommer, Sonne, Strand und Liebe – Nele & Josh

Ein zauberhaftes Weihnachtsgeschenk

Verloren sind wir nur allein

Zuckersüßer Sommer

Schneegestöber (Charity-Buchprojekt für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

MILA

SUMMERS

 

 

Ein Sommer in Schottland

 

Roman

 

 

 

 

Deutsche Erstauflage Juni 2020

Copyright © Mila Summers

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: SW Korrekturen

Covergestaltung: Nadine Kapp

Covermotiv: Shutterstock ©ESB Professional, ©Andrew Mayovskyy

 

Impressum: D. Hartung

Frankfurter Str. 22

97082 Würzburg

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Weihnachtsromane

Mila Summers schreibt als Nele Blohm Ostseeromane

Kapitel 1

 

Timna

 

»Du wirst nicht glauben, was passiert ist.«

Mit diesen Worten begrüßte mich meine beste Freundin Lotte überschwänglich, kaum dass ich unser gemütliches Stammcafé im Herzen von Würzburg in unmittelbarer Nähe zu meiner alten Uni betreten hatte.

Kellner wie Gäste im Zweiviertel verrenkten sich die Hälse in unsere Richtung. Neugierige Blicke schossen durch den Raum mit Wohnzimmerflair. Einige begannen zu tuscheln. Mir war die viele Aufmerksamkeit unangenehm. Ich stand nicht besonders gern im Mittelpunkt. Schon als kleines Mädchen war ich dankbar für meine extrovertierte Freundin Lotte, in deren Windschatten ich den überwiegenden Teil meiner Kindheit und Jugend verbracht hatte.

»Setz dich! Setz dich!«, forderte mich Lotte wild fuchtelnd auf. Sie strahlte dabei mit der wankelmütigen Aprilsonne um die Wette. Es hatte zwar gerade mal zehn Grad draußen, aber die Sonne weckte etwas tief in mir, was ich im Oktober in den Winterschlaf geschickt hatte: Lebensfreude oder das Gefühl, nicht länger nur an die eigenen vier Wände gebunden zu sein, vielleicht. Der viele Regen der vergangenen Wochen und Monate, der ausbleibende Schnee und die statistisch viel zu warmen Temperaturen, die mir dennoch viel zu kalt erschienen waren, hatten mir mit jedem weiteren Tag aufs Gemüt geschlagen.

Ebenso wie dem älteren Mann am Tisch zu meiner Rechten. Der erfreute sich nämlich kein bisschen an der überschwänglichen Begrüßungszeremonie meiner Freundin. Vielsagend hob er eine Ausgabe von Hemingways »Der alte Mann und das Meer« in die Höhe. Ich verstand. Lotte nicht.

»Soll ich dir vielleicht mit dem Mantel helfen?«

Ich wusste, dass Lotte es nur gut mit mir meinte. Aber ihre laute Stimme, die vielen genervten Blicke und der Wintermantel, dessen Reißverschluss sich keine Zarge nach unten bewegen wollte, versetzten mich zusehends unter Stress.

Um nicht länger alle Blicke auf mich zu ziehen, setzte ich mich samt meinem viel zu dicken Daunenmantel auf den alten Holzstuhl meiner Freundin gegenüber. Dabei pfriemelte ich noch immer ungeduldig am Reißverschluss herum.

Als Lotte nicht länger an sich halten konnte, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus.

»Brian hat die perfekte Location für die Hochzeit gefunden.«

Lotte gab merkwürdige Gluckslaute von sich und zappelte währenddessen wie ein Fisch an Land auf ihrem Stuhl herum. Ihre Stimme überschlug sich und klang plötzlich viel zu hoch. Der Rentner zu meiner Rechten sah mich abermals mahnend an. Auf seiner Stirn hatte sich ein breiter Graben gebildet. Ganz so, als würde er von mir erwarten, jetzt und sofort meine Freundin zum Wohle aller Anwesenden unter Kontrolle zu bringen.

Aber da kannte er Lotte Sonneberger schlecht. Meine Freundin hatte das Durchsetzungsvermögen eines Nashorns. Zur Not ging sie auch schon mal mit dem Kopf durch die Wand. Wer sich mit ihr anlegte, musste sich warm anziehen. Lotte setzte jeden ihrer Gegner verbal in nur wenigen Zügen schachmatt. Egal, ob Freund oder Feind.

Angetrieben von ihrem Ehrgeiz war Lotte eine Maschine, wie die Jugend von heute zu sagen pflegte. Ihr Abitur hatte sie mit sagenhaften 1,0 bestanden. In Bayern, wohlgemerkt. Das Studium der Medizin absolvierte sie als Jahrgangsbeste an ihrer Wunschuni in Heidelberg. Bei einem Kongress in Edinburgh, den sie als Chefärztin der inneren Medizin der Universitätsklinik Würzburg besuchte, traf sie ihren heutigen Verlobten Brian. Und auch bei ihm brauchte es keine große Überredungskunst, um ihn von der Maschine Lotte zu überzeugen. Ganz im Gegenteil.

Ich würde dafür sterben, wenn mir ein Mann nur ein einziges Mal, so wie es Brian beinahe täglich für Lotte tat, rote Rosen schicken würde. Täglich musste vielleicht doch nicht unbedingt sein, wenn man bedachte, wie schnell die Blumen verblühten und ein eher unrühmliches Ende in der Biotonne fanden. Aber darüber brauchte ich mir ohnehin keine Gedanken zu machen. Blumen hatte mir mein Freund noch nie geschenkt. Bei Alex konnte ich schon froh sein, wenn er mal den Müll runterbrachte.

Das wusste ich aber bereits seit unserer ersten Begegnung. Schließlich hatte Alex sich mir mit den Worten »Hey, ich heiße Alex und bin furchtbar unromantisch« vorgestellt. Damals musste ich bei seinen Worten laut lachen. Zur Erklärung: Wir befanden uns gerade in einem Speeddating, bei dem jeder für gewöhnlich nur seine besten Seiten zur Schau stellt.

Alex war da erfrischend anders. Er war ehrlich. Pragmatisch. Und schrecklich unromantisch. Auch wenn ich inständig gehofft hatte, dass er im letzten Punkt vielleicht doch nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte, musste ich schnell lernen, dass er genau das war: nüchtern und rational.

»Hast du gehört: Brian hat die perfekte Location für die Hochzeit gefunden«, wiederholte Lotte mit aufgesetzt glücklich klingender Stimme. Doch ich wusste allein schon bei ihrem Tonfall, dass die Stimmung jeden Moment zu kippen drohte. Dann nämlich, wenn ich nicht endlich entsprechend reagierte.

Einem Reflex folgend sah ich zu dem älteren Herrn zu meiner Rechten. Der schüttelte mittlerweile nur noch fassungslos den Kopf über mein klägliches Versagen. Ganz so, als wollte er mir sagen, dass man mit meiner Unterstützung keinen Krieg gewinnen würde. Aber das juckte mich nicht die Bohne. Schließlich war ich überzeugte Pazifistin.

»Nein!«, rief ich in ähnlich begeistertem Tonfall wie Lotte aus, um sie nicht weiter zu verärgern. Schließlich konnte sie furchtbar nachtragend sein.

Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte ich es gewagt, wegen meiner Arbeit einen gemeinsamen Konzertbesuch abzusagen. Ein großes Event im Congress Center in Würzburg war mir kurzzeitig angeboten worden. Die alljährliche Baumesse bat mich um Koordination der Veranstaltung. Da konnte ich auf gar keinen Fall absagen. Würzburg war nicht unbedingt das Mekka, was Messen oder große Festivitäten anbelangte. Als selbstständige Eventplanerin musste ich nehmen, was mir geboten wurde.

Dummerweise hatte Lotte dafür leider überhaupt kein Verständnis gezeigt. Ich konnte sie sogar ein Stück weit verstehen. Die Backstreet Boys einmal live zu sehen, das war tatsächlich ein lang gehegter Traum von uns beiden gewesen. Als wir noch jünger waren, hatten uns unsere Eltern verboten, schmachtend vor der Bühne der fünf Jungs zu stehen. In ihren Augen waren wir damals noch viel zu jung dafür gewesen. Heute hinderte uns nicht das Alter. Schließlich waren wir beide schon knapp dreißig. Heute war es mein Job, der uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

Ich hatte Lotte zwar vorgeschlagen, dass ich ihr meine Karte geben würde und sie mit einer anderen Freundin oder mit Brian gehen könnte. Aber davon wollte sie partout nichts hören. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, dass wir beide dort gemeinsam hingehen würden, und damit war jeder alternative Vorschlag von vornherein abgelehnt worden.

Mit einem schrillen »Doch!« riss Lotte mich aus meinen Gedanken.

»Erzähl!«, forderte ich sie auf, mir die brandheißen News endlich zu offenbaren, während ich gefangen in meiner Daunenjacke zerfloss.

Der Hemingway-Fan ließ sogleich seine Hand in die Luft sausen und forderte ziemlich lautstark seine Rechnung bei der Bedienung an. Nicht ohne mir dabei einen strafenden Blick zuzuwerfen.

Noch ehe die Kellnerin mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen den Zettel auf den Tisch gelegt hatte, zog sich der Mann schon den grauen Mantel über. Aus seiner Tasche holte er eine Pudelmütze, die wie aus der Zeit gefallen auf mich wirkte. Ein Relikt der Siebziger. Vielleicht sogar noch älter.

Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, legte er einen Geldschein auf den Tisch und stapfte mit großen Schritten an uns vorbei nach draußen in die Kälte.

Hat der es gut, schoss es mir in diesem Augenblick durch den Kopf. Schließlich saß ich noch immer mit meiner viel zu warmen Daunenjacke in dem brütend heißen Café. All meine Versuche, den Reißverschluss davon zu überzeugen, sich in die von mir gelenkte Richtung zu bewegen, scheiterten kläglich.

»Ich hab dir doch von Brians Oma erzählt«, behauptete Lotte mit dem Brustton der Überzeugung. Dabei war ich mir ganz sicher, dass ich zum allerersten Mal von der Frau hörte. Anstatt mein Veto einzulegen, ließ ich meine Freundin weitererzählen. Lächeln und winken hieß die Devise.

»Sie hat vor knapp fünfzig Jahren auf dieser kleinen schnuckeligen Insel im Südwesten Schottlands geheiratet. Auf der Isle of Iona. Gerade mal 125 Menschen leben dort. Und überall laufen Schafe und Hochlandrinder herum. Hört sich total idyllisch an, oder?«

Idyllisch? Hatte Lotte das gerade wirklich in Bezug auf eine winzige Insel mitten im Nirgendwo gesagt? Für Lotte war Würzburg ein provinzielles Nest. Viele Jahre hatte sie sogar davon gesprochen, nach New York zu gehen und dort zu leben. Aber dann hatte sie Brian getroffen, und der hatte eine Stelle in Würzburg bekommen. Eins kam zum anderen, sodass meine beste Freundin ihre Pläne kurzerhand über den Haufen geworfen hatte.

Aber dass sie jetzt von dieser Isle of irgendwas so schwärmte, war äußerst ungewöhnlich für sie. Entweder die Insel war wirklich so traumhaft schön, wie Lotte behauptete, oder Brian war ein Zauberer, der winzig kleine Atolle wie Wolkenkratzer umrankte Großstädte erscheinen lassen konnte. So oder so: Lotte war definitiv bis über beide Ohren in ihren Schotten verliebt.

Ich unterdrückte die zweifelnde Stimme in mir, die mich fragte, ob Alex und ich uns ebenso nahestanden wie Lotte und Brian. Doch ein herber Nachgeschmack blieb, wie das Gefühl, etwas ungesagt gelassen zu haben, das nun weiter in mir schwelen würde.

»… Lange Rede, kurzer Sinn: Brian und ich würden uns sehr freuen, wenn du als meine Trauzeugin und als beste Eventmanagerin der westlichen Hemisphäre die Organisation unserer Hochzeit übernehmen könntest.«

»Ich soll was?«, fragte ich völlig überfahren. Wenn überhaupt möglich, wurde mir in diesem Augenblick noch eine Spur heißer. Mittlerweile war ich sogar der Überzeugung, dass man problemlos Spiegeleier auf meiner Haut braten konnte.

Das war gar nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Hannelore, Lottes Mutter, sprach seit Jahrzehnten von nichts anderem als von der Hochzeit ihrer einzigen Tochter. Seit meine Freundin mit Brian verlobt war, hatte Hannelore sämtliche Hochzeitszeitschriften abonniert und besonders ansprechende Artikel und Dekorationsvorschläge in einer Mappe mit der Aufschrift »Planung für die Hochzeit meiner einzigen Tochter« fein säuberlich abgeheftet.

Wenn ich auch nur den Versuch wagen sollte, Lottes Hochzeit zu koordinieren, würde Krieg ausbrechen. Ein Krieg, wie er bisher noch nie da gewesen war. Hannelore war zwar ein herzensguter und stets besonnener Mensch. Eine Mutter von der Sorte, die für ihre Kinder Rinderrouladen zubereitete, wenn sie sich mal zu Hause ankündigten, und ansonsten jeden Sonntag Erdbeerkuchen mit Schlagsahne bereithielten. Nur für den Fall, dass eines ihrer drei Kinder bei ihr ganz spontan vorbeischneien würde. Sie war der Inbegriff der guten Mutter, der liebevollen Hausfrau und der Augen auskratzenden Krähe, wenn jemand ihren Kindern zu nahekam.

»Bist du wirklich sicher, dass das eine gute Idee ist?«, versuchte ich Lotte dazu zu bewegen, ihren Entschluss zu überdenken. Doch die bekam meine Worte in den völlig falschen Hals.

Mit einer sprunghaften Bewegung lehnte sie nun mit dem Rücken an ihrer Stuhllehne, die Arme hatte sie dabei – eingeschnappt wie ein kleines Kind, das sein Eis nicht bekommen hatte – vor dem Körper verschränkt.

»Brian und ich würden dich natürlich dafür bezahlen«, sagte sie mit schnippischer Stimme. Das Lächeln war wie weggefegt von ihrem Gesicht. Und auch ihre strahlend blauen Augen hatten den Lichtschalter umgelegt.

»Darum geht es doch gar nicht. Ich dachte vielmehr an Hannelore …«

»Mama wird froh sein, wenn du dich um alles kümmerst. Da bin ich mir ganz sicher«, behauptete Lotte und stützte sich sogleich wieder ganz aufgeregt lächelnd mit ihren Ellbogen auf dem Tisch auf.

Dunkle Gewitterwolken umwehten sie meist selten und dann auch nur ganz kurz. Die übliche Wetterlage meiner Freundin war heiter mit strahlendem Sonnenschein. Beneidenswert!

»Also wenn das so ist …«, setzte ich dazu an, um meiner Freundin zu signalisieren, dass ich mir das alles erst in Ruhe durch den Kopf gehen lassen wollte.

Aber Lotte verstand nur das, was sie auch verstehen wollte. Wie immer.

Schreiend sprang sie von ihrem Platz auf und sprang mit ähnlich viel Elan auf der Stelle wie eines dieser unverwüstlichen Duracell-Häschen aus den Neunzigern.

»Oh, du bist die allerbeste Freundin der Welt. Und ich kenne wirklich niemanden, der dieser Aufgabe in der Kürze der Zeit besser gewachsen wäre als du.« Mit diesen Worten umrundete sie den Tisch, kam zu mir und nahm mich ganz fest in die Arme. Widerworte waren zwecklos. Ich hatte mich bereits mit wehender weißer Fahne ergeben. Denn jetzt noch mal einen Rückzieher zu machen, würde Lotte wie eine Kriegserklärung erscheinen, und sie würde unter Garantie nie wieder auch nur ein Wort mit mir wechseln. Da war ich mir ganz sicher.

Das hier war anders als bei den Backstreet Boys. Wenn ich Lotte diesen Freundschaftsdienst ausschlagen würde, dann wär’s das gewesen. Fünfundzwanzig Jahre Freundschaft für die Tonne. Und das wollte ich auf gar keinen Fall riskieren.

»Wie meinst du das mit der Kürze der Zeit?«, hakte ich nach, als mich eine schreckliche Vorahnung befiel.

Lotte hielt noch immer ihre Hände um meinen Nacken geschlungen.

»Na ja, diese Kirche dort auf der Insel ist ziemlich ausgebucht. Wenn wir wirklich dort heiraten wollen, dann muss es in vierzehn Tagen sein«, erklärte sie mir ganz nüchtern. Nicht der Hauch eines Zweifels war in ihren Worten zu hören.

»Vierzehn Tage«, wiederholte ich einem Herzinfarkt nahe.

Wie sollte man denn in vierzehn Tagen eine Hochzeit planen? Das war schier unmöglich. Es galt, ein Hotel zu finden, in dem alle Gäste untergebracht werden konnten. Ferner brauchte es eine passende Location für die Hochzeitsfeierlichkeit. Catering. DJ. Chor für die Kirche. Deko. Special Effects wie Feuerwerk und Co., auf die Lotte, wie ich sie kannte, auf gar keinen Fall verzichten wollte. Und. Und. Und. Die To-do-Liste in meinem Kopf wurde immer länger, während ich in meiner Jacke fast verglühte.

Da löste sich Lotte von mir und rümpfte leicht die Nase.

»Süße, ich hab das Gefühl, dein Deo hat versagt.«

Nicht nur das, wollte ich erwidern. Nicht nur das! Aber meine Stimme wollte mir nicht gehorchen.

Kapitel 2

 

Jamie

 

»Brian, alter Junge, was gibt’s?«

Zögerliches Räuspern am anderen Ende der Leitung verriet mir, dass dieses Gespräch nicht ganz so lustig verlaufen würde wie der vor wenigen Tagen erst stattgefundene Junggesellenabschied meines besten Freundes.

»Hey, Jamie«, sagte er nach einer geraumen Zeit der Funkstille und klang dabei, als wäre er sich nicht mehr ganz so sicher, ob dieser Anruf wirklich eine gute Idee gewesen ist.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«, kam ich ihm entgegen. »Brauchst du ein Alibi für deine Verlobte? Falls sie den roten String in der Gesäßtasche deiner Anzughose gefunden hat, sag ihr bitte, der ginge auf mein Konto. Ich dachte, so ein kleines Andenken aus dem Striplokal könnte dich über die nächsten entbehrungsreichen Ehejahre hinwegtrösten.« Ich lachte über meinen eigenen Witz, während Brian toter Mann spielte. »Hamburg hat mir übrigens echt gut gefallen. Wie hieß die Ecke noch mal mit den ganzen Sexshops und Stripclubs? Das wird mit Sicherheit nicht mein letzter Besuch dort gewesen sein«, alberte ich herum.

Schließlich kannte ich Brian jetzt schon seit mehr als dreißig Jahren. Ich spürte, wenn ihm etwas auf dem Herzen lag. Und ich wusste auch, wie ich ihm die Sorgen nehmen konnte. Zumindest war er in der Vergangenheit allzu bereitwillig auf mein Hilfspaket eingegangen.

Doch dieses Mal hallte nur ein verhaltenes Lachen durch die Leitung.

»Du meinst die Reeperbahn«, erklärte er mir ganz sachlich wie einer dieser spießigen Stadtführer, bei denen ich mich immer fragte, warum sie noch einen Regenschirm in der Hand spazieren führten, wenn ihnen doch der Stock ohnehin schon im Allerwertesten steckte.

»Ja, genau! Tolles Ambiente. Coole Typen. Lockere Stimmung. Wie gesagt, nach Hamburg verschlägt es mich sicher bald wieder. Wie weit wohnst du noch mal davon entfernt?«, versuchte ich das Gespräch immer weiter in eine andere Richtung zu lenken.

Seit einem Vorfall vor mehr als zwanzig Jahren fiel es mir nicht besonders leicht, über Gefühle zu sprechen.

Brian wusste das. Wie er fast alles von mir wusste. Von meiner schweren Jugend, den vielen Sitzungen beim Psychologen und den experimentierfreudigen Jahren, in denen ich viele bewusstseinserweiternde Mittelchen genommen hatte, um endlich zu vergessen. Was letztlich allerdings alles nichts geholfen hatte. Das Einzige, was bis heute half, war die gute alte Verdrängung.

Die einen waren der Meinung, dass ich den Karren damit auf kurz oder lang ganz sicher gegen eine rote Backsteinmauer fahren würde. Wieder andere versuchten sich seit Jahren einzureden, dass das nun mal meine Taktik war, um mit dem Verlust umzugehen. Mum war irgendwann mit auf den Zug aufgesprungen. Wir sprachen nicht darüber, aber es gab da dieses Abkommen zwischen uns. Jedes Mal, wenn ich sie sah, hatte sie ein Lächeln auf den Lippen und mindestens eine Fuhre Scones im Ofen.

Wir sprachen auch nicht darüber, dass das Lächeln auf ihren Lippen ihre Augen nicht erreichte. Ebenso wenig unterhielten wir uns über Dad und seine neue Freundin. Warum auch? Das war Geschichte. Er war Geschichte. Unser Blick war so starr geradeaus gerichtet, dass wir den Kopf nicht mal mehr in eine andere Richtung drehen konnten, auch wenn wir gewollt hätten.

»Das sind ungefähr fünf Stunden von mir bis nach Hamburg«, referierte Brian weiter in guter alter Stadtführermanier.

Ich spürte, dass ich mit meiner Ablenkungstaktik heute nicht wirklich weiterkam. Also setzte ich erneut an der Stelle an, von der ich eigentlich möglichst weit wegwollte. Aber das Rumgeeiere hier half keinem von uns beiden weiter. Und ich wollte meinem Freund helfen. Schließlich war er als Einziger immer für mich da gewesen. Auch, als ich in meinem eigenen Erbrochenen gelegen hatte und wenige Sekunden über Leben oder Tod entschieden.

»Was ist los, Brian? Hast du Stress mit Lotte?«, bohrte ich also wieder in entgegengesetzter Richtung weiter. Zwar nur sehr widerwillig, aber ich tat es. In diesem Spiel namens Leben musste eben jeder seine Opfer bringen. Und ich war gewillt, am heutigen Dienstagabend den Märtyrer zu geben.

Es klingelte an der Tür. Der Typ vom Lieferdienst war da. Ich bestellte mindestens an acht von sieben Tagen die Woche mein Essen nach Hause. In meinem Kühlschrank herrschte gähnende Leere. Und das seit meinem Einzug vor knapp sechs Monaten.

»Nein, nein! Zwischen Lotte und mir ist alles bestens«, behauptete er steif und fest.

Das war es also nicht.

Es klingelte erneut. Ich öffnete einem asiatisch aussehenden jungen Mann die Tür, der mich freundlich anlächelte. Das Lächeln war der Uhrzeit geschuldet. Nicht mir. In den sechs Monaten, in denen ich nun schon in London lebte, hatte ich so einiges über das Liefersystem in der Millionenmetropole gelernt. Beispielsweise war mir recht schnell aufgefallen, dass je später das Essen bestellt wurde, desto schlechtere Laune beim ausliefernden Personal zu erwarten war. Eine Gleichung, die immer aufging.

Nicht, dass mir das besonders aufs Gemüt schlug, wie gut gelaunt die Leute waren, die mir mein Essen brachten. Im Grunde war mir das ziemlich egal. Aber wenn ich den ganzen Tag in der Notaufnahme des Royal-London-Krankenhauses stand, dann hatte ich mir am Abend so ein kleines bisschen heile Welt verdient. Wenn es also meine Schichten irgendwie zuließen, bestellte ich meist vor zwanzig Uhr. Da konnte ich noch mit einem freundlichen Lächeln rechnen. Bei Bestellungen ab zweiundzwanzig Uhr konnte ich froh sein, wenn mir die Typen das Essen nicht unten vor der Haustür abstellten.

Als ich dem jungen Mann das überaus großzügige Trinkgeld überreichte und im Gegenzug mein indisches Abendessen entgegennahm, wurde das Lächeln sogar noch eine Spur breiter. Wer sagt’s denn? Geht doch!

»Wer war das denn eben an der Tür?«, fragte Brian neugierig.

Genervt verdrehte ich die Augen bei Brians Frage. Nicht wegen der Frage an sich. Sondern vielmehr darum, weil ich diesen gewissen Unterton wahrgenommen hatte, die freudige Erwartung, die in seiner Stimme mitschwang.

»Der Lieferdienst«, erklärte ich und raschelte wie zum Beweis mit der Tüte.

Ein desillusioniertes »Oh« war in der Leitung zu hören.

Aber darauf konnte und wollte ich nicht schon wieder eingehen. Seit Brian die Liebe seines Lebens gefunden hatte, war er zu der Überzeugung gelangt, dass ich auch jemanden an meiner Seite brauchte. Entweder wollte oder konnte er nicht verstehen, dass ich für so etwas wie eine Beziehung einfach nicht gemacht war.

Wir hatten uns schon zwei-, dreimal deswegen in die Haare bekommen. Aber heute war kein guter Tag dafür. Heute hingen meine Gedanken viel zu sehr in der Vergangenheit. Denen war es nämlich scheißegal, ob mein Blick immer nach vorn gerichtet war. Sie hielten sich einzig und allein an ihre eigenen Spielregeln.

»Also, Brian, wenn du mir nicht sagen möchtest, weswegen du mich angerufen hast, dann würde ich dieses Gespräch jetzt beenden. Mein Essen ist da, und …«

»Wir heiraten in zwei Wochen«, schmetterte mir Brian entgegen.

Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Ich stellte das Essen auf den Tisch und konzentrierte mich dann wieder einzig und allein auf das Telefonat mit meinem Kumpel.

»Das geht jetzt aber ziemlich schnell«, sagte ich und merkte erst dann, wie unsicher sich meine Worte anhörten.

Die Vorstellung, dass mein bester Freund bald heiraten würde, war etwas, was ich noch nicht so richtig verdaut hatte. Dabei war ich der Erste gewesen, den Brian in seine Pläne eingeweiht hatte. Ich brauchte für alles Neue im Leben Zeit, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Vielleicht hingen aus genau diesem Grund noch keine Bilder in meiner Wohnung. Vielleicht war ich aber auch einfach nur ein fauler Hund, der seine Freizeit lieber mit anderen Dingen verbrachte.

Meine Gedanken sprangen wie von allein zurück zur Reeperbahn. Der Abend hatte sich so leicht angefühlt. Ich hatte mich leicht angefühlt. Brian hatte noch ein paar Jungs aus unserer Zeit in Oxford zu seinem Junggesellenabend eingeladen. Da wir alle nicht aus Deutschland kamen, hatte er angeboten, die Planung zu übernehmen. Ich hatte mich nicht dagegen gewehrt, da es nicht unbedingt zu meinen Talenten gehörte, Dinge zu organisieren. Das wusste Brian ganz genau, als er mich bat, sein Trauzeuge zu werden. Und er hatte mich dennoch gefragt.

»Ja, ich weiß«, erwiderte Brian wortkarg. Viel zu wortkarg. Was war bloß los mit ihm? Warum rückte er denn nicht endlich mit der Sprache heraus? So kannte ich ihn ja gar nicht.

»Hat Lotte einen Braten in der Röhre, oder warum muss es plötzlich so schnell gehen?«, versuchte ich es erneut mit einer Prise Humor. Doch Brian lachte zu meiner grenzenlosen Verwunderung nicht.

Stattdessen ermahnte er mich mit einem »Jamie!« der besonderen Art. Es klang wie damals, wenn mich meine Lehrer an die Tafel gerufen hatten oder meine Mum mich mit irgendetwas konfrontierte, was ich ausgefressen hatte.

So allmählich platzte mir der Kragen.

»Was zur Hölle ist dann los, Brian? Mein Essen wird kalt, und ich habe langsam keinen Bock mehr, mit dir um den heißen Brei herumzureden. Bring es endlich auf den Punkt oder lass es sein. Aber ich werde dieses Gespräch jetzt beenden.«

Meine letzten Worte waren so laut geworden, dass man mit Recht behaupten konnte, ich würde schreien. Was ich für gewöhnlich nur sehr selten tat. Nach außen hin wahrte ich immer den Schein. Aus der Haut fuhr ich nur in meinen eigenen vier Wänden, wenn die Dämonen der Vergangenheit mal wieder so übermächtig wurden, dass ich ihnen nichts anderes entgegenzusetzen hatte als meine Stimme.

»Wir heiraten auf der Isle of Iona«, ließ Brian seine Bombe just in diesem Moment hochgehen.

Es dauerte einen Augenblick, bis die Wucht der Detonation bei mir angekommen war, aber dann riss sie mich von den Füßen. Ich spürte, wie meine Knie ganz weich wurden, und ließ mich kontrolliert auf die Couch fallen.

»B-bitte w-was?«, stotterte ich ungläubig.

Ich musste mich verhört haben. Ja, anders konnte es nicht sein. Brian wusste, welche Gefühle die Isle of Iona in mir weckte.

Bilder erschienen vor meinem geistigen Auge, die ich seit Jahren mühevoll in eine der unzähligen Umzugskisten in meinem Gedächtnis aussortiert hatte. Diesmal sprang der Deckel ganz von allein auf, und ich konnte nichts dagegen tun.

»Jamie, bist du noch dran?«, riss Brian mich aus meinen Gedanken.

»Das muss ein verdammter Scherz sein, Brian. Du weißt ganz genau, dass ich in diesem Leben keinen Fuß mehr auf diese gottverdammte Insel setzen werde.«

Ungehalten blaffte ich meinen Freund durch den Hörer an. Brian konnte froh sein, dass er mir gerade nicht gegenüberstand. Wie konnte er nur von mir verlangen, an den Ort zurückzukehren, der sich tief in meine Seele gebrannt hatte? Wie konnte er von mir erwarten, dass ich ihm den Gefallen tat, über meinen immens großen Schatten zu springen?

»Bevor du mich jetzt weiter zur Schnecke machst, muss ich dir sagen, dass es Lottes Idee war. Sie hat irgendwie mitbekommen, dass meine Großeltern auf der Insel geheiratet haben. Sie haben sich bei unserem letzten Besuch in Edinburgh ausgiebig darüber unterhalten. Wenn ich es hätte kommen sehen, dann hätte ich natürlich alles mir nur Mögliche getan, um Lotte von der Fährte abzubringen. Aber sie ist so Feuer und Flamme für eine Hochzeit auf der Isle of Iona, dass ich sie nicht mehr umstimmen kann. Es wird in zwei Wochen eine Hochzeit geben, Jamie. Die Frage ist nur, ob du als mein Trauzeuge dabei sein wirst.«

Nun war ich derjenige, dessen tiefer Atemzug in der Leitung zu hören war.

Kapitel 3

 

Timna

 

»Ich werde auf gar keinen Fall mit einer Fähre übers Wasser fahren. Da könnt ihr euch auf den Kopf stellen.«

Lotte und ich tauschten vielsagende Blicke. Doch während ich mich einem Herzinfarkt nahe fühlte, blieb meine Freundin ganz die Ruhe selbst und redete weiterhin unermüdlich, aber besonnen auf ihren Urgroßvater ein.

»Du brauchst dir keine Sorgen machen, Opa. Die Briten schießen uns ganz sicher nicht ab. Der Krieg ist lange vorbei. Hörst du?«

Lottes Urgroßvater war im Zweiten Weltkrieg als Soldat mit dem U-Boot durch den Ärmelkanal gefahren. Er hatte mit seinen Kameraden den Feind ausspioniert und dafür gesorgt, dass die Burschen nicht übers Ziel hinausschossen. Was auch immer das im Klartext bedeuten sollte.

Ein Räuspern war zu hören. Langsam wurde die Frau am Check-in-Schalter der Abflughalle am Frankfurter Flughafen sichtbar ungeduldig.

»Wenn Se noch e paar Minudde brauche, um Ih familiäre Ohgelescheheide zu klärn, donn ded isch solong mim nägschde Kunde weidermache«, schlug sie nett, aber bestimmt vor. Ohne eine Antwort von uns abzuwarten, signalisierte sie der nächsten Gruppe aus Reisenden, dass sie zu ihr vortreten konnte.

»Opa Heinrich, der Krieg ist lange vorbei«, beteuerte Lotte in diesem Moment.

Doch ihr Urgroßvater ließ sich davon nicht sonderlich beeindrucken. Er lehnte leger mit verschränkten Armen vor seinem Rollator und schüttelte unnachgiebig den Kopf.

»Das ist es doch, was sie uns glauben lassen wollen«, berichtete dieser in guter alter Spionagemanier, während ich einen zögerlichen Blick auf meine Armbanduhr warf.

Wenn es uns nicht schnellstmöglich gelang, Uropa Heinrich davon zu überzeugen, seinen Reisepass herauszurücken, dann sah ich schwarz, was die weitere Planung des heutigen Tages anbelangte. Allein beim Gedanken daran wurde ich schon ganz unruhig.

Denn wenn wir den Flug nicht erreichten, dann konnten wir heute auch nicht mehr nach Glasgow reisen. Unsere Zugtickets von Glasgow nach Oban würden verfallen, ebenso wie die Karte für die Fähre von Oban auf die Isle of Mull und von dort weiter auf die winzig kleine Nachbarinsel Isle of Iona. Unserem Ziel.

Unruhig blickte ich zwischen Lotte und Uropa Heinrich hin und her. Zu dumm aber auch, dass der Großteil von Lottes Familie erst morgen fliegen würde. Aber Hannelore musste heute unbedingt noch zu einer nuklearmedizinischen Untersuchung wegen ihrer Schilddrüse. Den Termin hatte sie bereits vor Monaten vereinbart, und wenn sie den hätte ausfallen lassen, müsste sie vermutlich ähnlich lange auf einen neuen Termin warten.

Das hatten wir nicht verantworten können. Also war der Großteil der Familie auf den morgigen Flug gebucht worden, während Lotte und ich bereits heute flogen. Samt Uropa Heinrich im Gepäck. So der sich heute noch bequemen konnte, uns Glauben zu schenken.

Zumindest eins stand dabei außer Frage: Hannelore hätte bestimmt ein adäquates Mittel gewusst, um ihren Großvater dazu zu bewegen, in diesen Flieger einzusteigen.

»Ich kenne wirklich keinen einzigen Verschwörungstheoretiker, der behauptet, dass der Zweite Weltkrieg noch immer tobt, Opa. Du kannst dir ganz sicher sein: Du wirst von den Alliierten nicht in Kriegsgefangenschaft genommen. Ich gebe dir mein Wort drauf.«

Uropa Heinrich blickte seine Urenkelin zweifelnd an. Seine größte Sorge schien es zu sein, dass die feindlichen Truppen ihn doch noch in die Finger kriegen würden. Lottes Mutter hatte mir mal erzählt, dass er seit einiger Zeit unter der Wahnvorstellung litt, er würde bald schon von zu Hause abgeholt werden. Die ganze Familie konnte machen, was sie wollte. Er war von dieser fixen Idee einfach nicht abzubringen.

Dabei behauptete sein Hausarzt Dr. Hofmann stets, dass es trotz seiner fünfundneunzig Jahre keine Anzeichen auf Demenz bei ihm gäbe. Dies wiederum wagte ich mittlerweile jedoch zu bezweifeln.

»Ach, was weißt du denn schon«, winkte Uropa Heinrich ab. »Als ich dort in den Tiefen des Meeres unser Land verteidigt habe, warst du noch nicht mal geboren. Und wenn ich da unten ersoffen wäre, dann gäbe es dich heute nicht mal.«

Eine Gruppe bestehend aus fünf Freundinnen zog lachend mit ihrem Handgepäck an uns vorbei. Sie freuten sich auf ihren Trip nach New York. Zumindest meinte ich, das aus ihrer Unterhaltung entnommen zu haben.

Je länger ich mir das Schauspiel zwischen Lotte und ihrem Urgroßvater so ansah, desto überzeugter war ich davon, dass wir nie und nimmer hätten einwilligen sollen, ihn heute schon mitzunehmen. Aber Hannelore hatte uns darum gebeten. Außerdem hatte sie mit ihren eigenen Eltern und den Schwiegereltern schon genug zu tun.

Und nachdem mir Lottes Mama bis zum heutigen Tag nicht hatte verzeihen können, dass ich mir die Organisation der Hochzeit ihrer einzigen Tochter unter den Nagel gerissen hatte, kroch ich zu Kreuze, wo immer ich nur konnte.

»Herr Scheuermann, ich kann Ihnen versichern, dass Sie in Schottland nichts zu befürchten haben. Ich arbeite neuerdings beim Geheimdienst, müssen Sie wissen«, zog ich ein Ass aus dem Ärmel, von dem ich bis eben nicht mal gewusst hatte, dass es sich dort befand.

Lotte hielt sich bei meinen Worten die Hand vor den Mund. Ich rechnete schon damit, dass sie jeden Augenblick schallend zu lachen beginnen würde.

Der alte Mann, dessen Gesicht mich an zerknittertes Pergamentpapier erinnerte, sah mich hingegen mit undurchdringlicher Miene an, ehe auch er herzhaft zu lachen begann. Der gemeinsame Genpool der beiden war unverkennbar. Zumindest, was den Humor anbelangte, waren sie sich verdammt ähnlich.

Sie waren dabei so laut, dass die Dame am Schalter schon missbilligend zu uns herübersah.

»Timna, mein Kind, wenn du beim Geheimdienst arbeitest, dann ist vermutlich mit dem baldigen Ende von uns allen zu rechnen.«

Nun konnte Lotte nicht länger an sich halten. Sie prustete so laut los, dass sie sich vor Lachen krümmen musste. Ich warf bitterböse Blitze in ihre Richtung. Aber sie schien es nicht mal zu bemerken. Das war also der Dank dafür, dass ich mich so sehr für ihre Hochzeit einsetzte.

Nicht nur, dass ich in ellenlanger Kleinstarbeit Hotelzimmer gebucht, Tickets organisiert, das Catering beauftragt und die Lieblingsband von Lotte und Brian davon überzeugt hatte, dass sie Anfang Mai anstatt auf einem großen Festival in Deutschland unbedingt auf einer mikroskopisch kleinen Insel mitten im Nirgendwo spielen mussten. Nein, ich hatte auch noch meine komplette Freizeit dafür geopfert, die Hochzeit meiner besten Freundin zu dem schönsten Tag in ihrem Leben werden zu lassen.

Ich war zwar Eventplanerin, aber was meine Erfahrungen mit dem Organisieren von Hochzeiten anbelangte, war ich ein absolutes Greenhorn. Aber anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, hatte ich die Herausforderung angenommen, mich in die Materie eingelesen und bedruckte Luftballons und Servietten ebenso wie Gastgeschenke und Zubehör für etwaige Spiele besorgt. Das ging mit Sicherheit weit über das Engagement einer Hochzeitsplanerin hinaus. Darüber war ich mir im Klaren. Aber ich wollte es so. Lotte würde im umgekehrten Fall ebenso alles dafür tun, um mich an meinem großen Tag glücklich zu sehen.

Wo er recht hat, signalisierten mir währenddessen Lottes Augen. Das war das Dumme daran, wenn man sich schon so lange kannte wie wir beide. Man wusste genau, was der jeweils andere dachte, auch ohne dass er es offen aussprach.

So langsam verlor ich die Geduld. Schließlich war das hier weder meine Hochzeit noch mein Urgroßvater. Wenn Lotte es nicht mal gebacken bekam, den alten Mann an Bord der Lufthansa-Maschine zu bugsieren, dann konnte ich ihr auch nicht helfen. Mein Soll war erfüllt, behauptete eine Stimme tief in mir. Und ich war das erste Mal in dieser ganzen Lotte-und-Brian-heiraten-Geschichte gewillt, ihr zuzuhören.

»Opa Heinrich, wenn du nicht mitkommst, dann erzähle ich Mama von dem geheimen Vorrat an Erdnüssen in deinem Nachttisch.«

Kaum dass Lotte mit ihrer Drohung geendet hatte, wartete ich schon darauf, dass Urgroßvater Heinrich sie erst ansehen und dann auslachen würde. Der erste Teil verlief ähnlich wie bei mir: Er schaute sie durchdringend an, sodass sich dabei sogar eine tiefe Furche auf seiner Stirn bildete. Doch das herzliche Lachen blieb entgegen meiner Erwartungen aus.

»Das würdest du nicht tun«, erwiderte er stattdessen mit geballten Fäusten und einem Hauch von Sorge in der Stimme.

»Opa Heinrich, du weißt, dass ich dich über alles liebe und ich mir nichts mehr wünsche, als dass du an meiner Hochzeit teilnimmst. Aber wenn du deinen Reisepass nicht augenblicklich auf den Tresen dieser netten Frau mit dem charmanten hessischen Dialekt legst, dann rufe ich Mama an.«

Uropa Heinrichs Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sein Blick glitt hinüber zu mir, als wollte er prüfen, ob der Feind bluffte. Ich wusste weder, warum der arme Mann seine Erdnüsse vor seiner Enkelin verstecken musste, noch warum er mich mir nichts, dir nichts mit Lotte auf eine Ebene stellte.

»Nur, weil der Doktor und deine Mutter der Auffassung sind, dass ich weniger Salz essen sollte, heißt das noch lange nicht, dass man mir einfach so meine Erdnüsse wegnehmen darf. Verdammt noch mal, ich bin fast hundert Jahre alt. Wann werde ich endlich selbst über mein Leben entscheiden dürfen?«

Das war eine durchaus berechtigte Frage, wie ich fand. Prompt musste ich sie mir selbst stellen. Wann würde ich über mein Leben bestimmen? Wann würde ich entscheiden, wann Alex und ich zu Abend aßen? Wann würde ich den Ton angeben, wenn es darum ging, dass er seinen Job nicht ständig über unser Privatleben stellen sollte? Wann würde er mir mal zuhören, wenn ich ihm erklärte, wie wichtig eine Sache für mich war?

Alex war nicht nur unromantisch. Er war mittlerweile auch zu einer Art Workaholic-Zombie mutiert. Bis spät in die Nacht arbeitete er. Und das sogar in unserem Bett. Nähergekommen waren wir beide uns seit Langem nicht mehr. Der letzte Sex musste schon einige Monate zurückliegen. So genau konnte ich mich daran nicht mehr erinnern.

Ich hatte ja Verständnis dafür, dass er viel arbeiten musste und einen stressigen Job hatte. Aber dass unsere Beziehung mittlerweile keinen besonderen Stellenwert mehr in seinem Leben hatte, machte mich wütend und traurig zugleich. Jedes Mal, wenn ich mit ihm darüber reden wollte, war irgendetwas anderes viel wichtiger. Ich sollte es mir merken und bei nächster Gelegenheit noch mal ansprechen. Die Gelegenheit kam nie. Nur die Arbeit wurde mehr.

»Sin se sisch jetzt onisch wonn?«, fragte die Frau am Schalter nun etwas nachdrücklicher. Das angedeutete Lächeln auf ihren Lippen war zwischenzeitlich erloschen. Entweder hatte sie Lottes Bemerkung über ihre Mundart gerade eben mitbekommen, oder ihre Geduld war auch so schon ausgereizt. Schließlich blockierten wir noch immer mit Rollator und Koffern den Ausgang des Check-in-Bereichs.

Wie aufs Stichwort tönte Uropa Heinrich »Ich werde nicht fliegen«, während Lotte vor seiner Nase mit ihrem Smartphone schwenkte.

»Nur ein Anruf, und Mama erfährt auch von dem supergeheimen Geheimfach unter der dritten Diele in deinem Zimmer.«

Der auf mich zuvor stets zurückhaltend wirkende alte Mann lief feuerrot an. Seine Backen plusterten sich im Sekundentakt wie bei einem Frosch auf, während er seine Urenkelin wütend anfunkelte.

»Das hat dir der Teufel gesagt«, nahm Heinrich eine Passage aus einem Grimm’schen Märchen zu Hilfe, als ihm die eigenen Worte offenbar abhandengekommen waren.

»Ich habe Augen und Ohren im Kopf, Opa. Und ich habe jahrelang neben deinem Zimmer gewohnt«, erwiderte Lotte genervt. Offenbar mochte sie es nicht besonders, wenn man ihr Geschäfte mit dem Teufel andichtete. Vielleicht nervte sie die ganze Angelegenheit hier aber auch mittlerweile einfach zu sehr.

Heinrich blickte einen Moment zu Boden, dann griff er resigniert nach dem Reisepass auf seinem Rollator und übergab ihn kommentarlos der Frau am Schalter. Man konnte ihr deutlich ansehen, wie sie tief durchatmete. Lotte und ich reichten ihr ebenfalls die Unterlagen.

Nun würde doch noch alles gut werden. Auch ich atmete erleichtert aus. Wir hatten zwar einiges an Zeit verloren, aber das würden wir wieder reinholen. Mittlerweile war das Gate an der Anzeigentafel bekannt gegeben worden. Der Weg war nicht allzu weit. Das konnten wir noch schaffen.

Heinrich stand derweil zerknirscht neben uns. Es schien ihm weder zu gefallen, dass Lotte seine Geheimverstecke kannte, noch, dass er nun doch fliegen musste. Lotte lächelte derweil zuversichtlich.

»O«, machte in diesem Moment die Flughafenangestellte.

»O, was?«, fragte Lotte mit ernster Miene, während mein rechtes Lid zu zucken begann.

»Sou kenne se leider ned fliesche.«

»Wie bitte?«, fragten Lotte und ich wie aus einem Munde.

»Der Pass is abgelaafe«, erklärte die Frau hinterm Schalter.

Unsere Blicke schossen zu Opa Heinrich.

»Ned soiner«, erklärte sie schnell, »sondern ihrn.« Dabei deutete sie in Lottes Richtung.

»Was?«, echauffierte sich diese und riss der Frau das Dokument aus der Hand. »Das kann überhaupt nicht sein. Ich habe ihn erst … Tatsächlich!«, sagte sie schließlich mit herabhängenden Schultern, als sie die Daten geprüft hatte. »Abgelaufen. Seit vierzehn Tagen.«

Kapitel 4

 

Jamie

 

Nur knapp zehn Minuten dauerte die Überfahrt vom Fährhafen Fionnphort auf der Isle of Mull bis zur Isle of Iona. Wenig Zeit, wenn man sich darauf gefasst machen musste, sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen.

Der raue Wind peitschte mir die Regentropfen samt der aufschäumenden Gischt ins Gesicht. Anstatt mich abzuwenden und mich im Inneren der Fähre ins Trockene zu retten, stand ich ganz vorn an der Reling und starrte auf die Insel, auf der ich als Kind fast jeden meiner Sommer verbracht hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---