Ein Sommer wie sprudelnde Limonade - Kristina Kreuzer - E-Book

Ein Sommer wie sprudelnde Limonade E-Book

Kristina Kreuzer

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Beschreibung

Eins ist Luzy sonnenklar: Wenn sie nach den Ferien in die fünfte Klasse kommt, wird sie ganz sicher nicht mehr die Stille sein, sondern allen zeigen, wie sie in Wirklichkeit ist – lustig, schlagfertig und einfallsreich! Als ihr am ersten Ferientag Jannis mit seinem Esel Tzatziki in der Einkaufsstraße über den Weg läuft, ist das der Beginn eines großen Abenteuers. Denn Jannis' Familie kommt aus Griechenland und ist neu in die Stadt gezogen – samt dem Esel Tzatziki. Und für den muss dringend ein Zuhause gefunden werden. Weil das mitten in der Stadt natürlich eine knifflige Angelegenheit ist, hängt plötzlich alles von Luzy ab, und sie muss beweisen, was in ihr steckt …

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Kristina Kreuzer

Ein Sommer wie sprudelnde Limonade

Mit Illustrationen von Friederike Ablang

Für C. Quist

Ferien in Opa-Hausen

»Verabschiedest du dich jetzt gerade echt von der Reckstange, Luzy?«, fragt Jakob hinter mir.

Ich muss lachen. »Ja, ich glaube schon«, sage ich. Grinsend streiche ich ein letztes Mal über die rostige Stange. Heute ist dieser berühmte letzte, superschlimme Schultag, an dem alle Viertklässler heulen und die Lehrer sich hinter ihren Taschentüchern verstecken. Klar wird mir auch mulmig bei den Abschiedsliedern. Alles nur noch einziges Mal! Aber … neue Schule, neues Glück!

»Morgen um diese Zeit bin ich schon in Dänemark«, sagt Jakob. Jetzt streicht auch er über die Reckstange. »Und du bist in Opa-Hausen, stimmt’s?«

Ich nicke. Ich liebe Ferien bei Opa Peter! Die Reise dorthin dauert bei grünen Ampeln fünf Minuten mit dem Fahrrad. Morgens geht es hin, abends zurück nach Hause. Das Wetter bei Opa ist exakt dasselbe wie bei uns, und Opas Bäcker ist derselbe wie unserer, gleiche Brötchen, gleicher Verkäufer. Trotzdem ist alles anders. Bei Opa Peter ticken die Uhren nämlich langsamer. Zu Hause laufen sie auf Highspeed, mindestens doppeltes Tempo. Zu Hause heißt es schnell sein und möglichst viel schaffen am Tag – Effektivität, wie Mama immer sagt.

Wenn Opa mir die Haustür aufmacht, sagt er: »Komm, Luzy, jetzt trinken wir erst mal Kaffee, dann haben wir schon das Wichtigste vom Tag geschafft.« So was würde Mama nicht im Traum einfallen.

»Machen deine Geschwister Feriencamp?«, fragt mich Jakob. Wir stehen noch immer an der Reckstange, meiner Schulhofreckstange.

»Klar, was denkst denn du. Die mögen doch kein Opa-Hausen« sage ich, und Jakob nickt.

Jakob und ich kennen uns seit dem Kindergarten. Er war mindestens schon tausend Mal bei uns zu Hause, aber in den letzten Monaten nur noch selten. Trotzdem weiß ich so ungefähr alles über ihn, wie zum Beispiel, dass er jedes Jahr im Sommer noch mehr Sommersprossen im Gesicht bekommt.

»Schöne Ferien!«, sagt er und knufft mich in den Arm. Dann geht er los.

»Dir auch!«

Ich gucke noch mal zur Schule zurück. Mia und ihre Freundinnen spazieren an mir vorbei. Ich sage leise Tschüs, aber sie schnattern einfach weiter.

Doch dann bleibt Mia auf einmal stehen. Sie legt die Hand ans Ohr und sagt: »Hä? Habe ich da gerade etwas gehört?«

Ihre Freundinnen lachen. Das war so ein typischer, absolut nicht lustiger Mia-Witz. Sie gehen weiter, als wäre nichts gewesen, und reden dabei wahrscheinlich über hippe Sneakers und YouTube-Frisurentipps.

 

»Bist du dir sicher, dass ich dich nicht doch noch fürs Tenniscamp anmelden soll? Gerade ist ein Platz frei geworden, und Sophia würde sich freuen, wenn du dabei wärst«, sagt Mama am Abend.

»Nein, danke«, antworte ich so leise, dass ich es selbst kaum höre. »Mein Tennisschläger braucht auch mal Ferien.«

Ich weiß, dass Mama wegen meines Kommentars mit den Augen rollt. Ich spüre das, obwohl ich gar nicht von meinem Käsebrot hochschaue. Zu Hause kapiert niemand, dass man auch andere Dinge schön finden kann außer Sport, allen möglichen Kursen, Action und mit seinen Freunden abhängen. Ich bin da eben speziell, so ist das nun mal.

Mama und Papa arbeiten in einer großen Redaktion. Sie sind Reporter und machen Radiosendungen zu irgendwelchen superwichtigen Themen. Gut für die Leute, die sich das alles anhören. Schade für uns, weil wir deshalb selten richtig in die Ferien fahren können.

»Ihr wisst doch, diese große, wichtige Reportage. Die geht jetzt eben vor« ist so ein typischer Satz von Mama, wenn sie morgens mit ihrem Arbeitsrucksack aus dem Haus stürmt. Papa ist da ein winziges bisschen besser. Wenigstens frühstückt er jeden Tag in Ruhe mit uns und rennt nicht wie ein Weltrekord-im-Sprint-verdächtiger Vogel Strauß aus dem Haus. Papa ist eher der Leopard: Er lässt sich sein gemütliches Frühstück nicht nehmen. Erst wenn er seine Beute (Haferflocken) erlegt hat, sprintet er los. Ich glaube, Opa und ich sind dagegen eher so Esel: gemütliche, gelassene Tiere. Vor allem Opa. Bis den mal was aus der Ruhe bringt … da muss schon wirklich was passieren. Aber auf der anderen Seite: Wenn Opa oder ich uns etwas vornehmen, ziehen wir das auch durch, komme, was wolle. Wir erreichen unser Ziel mit Gelassenheit und Ausdauer, wie ein Esel. Das sagt Opa immer.

Beim Essen sieht Mama andauernd auf die Uhr. »Ich muss heute noch einen Text fertig schreiben«, sagt sie und verschluckt sich dabei fast am letzten Bissen. Dann nimmt sie ihren Teller und steht auf. »Ihr wisst, dass ihr jetzt morgens immer alle früh aufstehen müsst, trotz Ferien? Damit wir spätestens um acht Uhr zusammen aus dem Haus sind. Ich will nicht, dass ihr allein in der Wohnung seid. Sophie radelt dann zum Tennisklub, Papa setzt Piet beim Fußball ab, und Luzy startet zu Opa. Und Hannes kommt erst nächste Woche.« So zackig organisiert Mama immer alles. Jetzt ist sie schon fast aus der Küchentür.

Ich höre Sophia leise stöhnen. Schade, dass mein Bruder Hannes nicht da ist, dann wäre alles entspannter. Hannes ist da ein bisschen mehr wie Opa und ich, aber er studiert schon und wohnt seit einigen Monaten leider woanders.

Meine Schwester und ich wechseln einen Blick. Das heißt dann wohl für uns, heute Abend nur eine Folge unserer neuen Lieblingsserie gucken. Jeden Morgen früh aus dem Haus, tolle Aussicht für sechs Wochen Ferien.

Mein kleiner Bruder Piet sagt nichts, er ist fünf Jahre alt und kapiert Dinge wie die Uhrzeit sowieso nicht. Mama muss ihm morgens nur einen Fußball unter die Nase halten, und sofort springt er aus dem Bett, egal, wann das ist.

Sophia ist dreizehn. Natürlich kann sie sehr wohl die Uhr lesen, und die tickt bei ihr mindestens so schnell wie bei Mama. Opa Peter sagt immer, Mama hat ihr schon mit dem Babybrei ihre Effektivität zugefüttert. Trotzdem kriegt sie von mir auf einer Schwester-Nettigkeitsskala von einsbis zehn eine acht, denn abgesehen von ihrem Tempo ist sie ziemlich in Ordnung.

Papa guckt Mama kopfschüttelnd hinterher. »Brauchen wir nicht noch einen klitzekleinen Nachtisch?«, fragt er uns. »Abendessen ohne was kleines Süßes zum Abschluss geht doch gar nicht.« Dabei streicht er sich über den Bauch, den er nicht hat, denn Mama und Papa sind beide bohnenschlank.

»Jetzt erzähl doch mal, wie war denn nun dein letzter Schultag?«, fragt mich Papa, als wir mit der Packung Schokoladenkekse wieder am Tisch sitzen. »Hat Frau Schrader geweint?«

Ich zucke mit den Schultern. »Es haben so ungefähr alle geweint«, sage ich nicht sonderlich laut.

»Du auch?«, fragt Piet umso lauter.

Ich verdrehe die Augen. »Das glaubst du doch wohl nicht im Ernst. Ich bin doch nicht Mia.«

»Die Zicke?«, fragt Sophia.

Ich nicke nur. Ich habe überhaupt keine Lust auf ein Gespräch über Mia. Außerdem mag ich es nicht, wenn mir alle gleichzeitig irgendwelche Fragen stellen, auf die ich dann auch noch antworten muss. »Darf ich aufstehen?«, frage ich.

Später beim Zähneputzen höre ich Papa in der Küche Rolf Zuckowskis Alte Schule, altes Haus pfeifen. Typisch Papa. Er denkt jetzt beim Abwaschen wahrscheinlich über meinen letzten Schultag nach.

 

Tatsächlich ist an diesem Abend nach einer Folge unserer Lieblingsserie Schluss, weil wir ins Bett müssen.

»Freust du dich auf die neue Schule nach den Ferien?«, fragt mich Sophia. Wir liegen im Schlafanzug nebeneinander auf ihrem Bett, vor uns das iPad. Wir haben uns Zöpfe geflochten, Sophias sind hellblond und meine kastanienbraun. Dabei sind meine Haare lockig, aber Sophias sind glatt wie Schnittlauch.

»Hm«, mache ich. »Ein bisschen vielleicht.«

Keiner aus meiner Familie weiß, wie doof es wirklich im letzten Jahr in der Schule war. Es ging los, als ich das Referat über Haustiere halten musste. Dabei habe ich einfach nur normal leise geredet. Aber auf einmal hat Mia damit angefangen, nach jedem Satz diese doofe Handbewegung zu machen und dabei zu sagen: »Hä? Hab ich da gerade etwas gehört?« Frau Schrader hat das gar nicht richtig mitbekommen. Von dem Tag an haben alle die Handbewegung gemacht, wenn ich irgendetwas gesagt habe. Dabei mag ich es einfach nicht, vor der Klasse zu stehen oder meine Stimme zu hören, wenn ich drangenommen werde. Ich rede halt nicht gerne vor Publikum, darum wird meine Stimme dann superleise. Aber seit der Sache mit dem Haustier-Referat habe ich möglichst gar nichts mehr gesagt. Keinen Mucks.

In der neuen Klasse wird es anders werden, das ist mein fester Plan. Schließlich kennt mich dort niemand. Ich werde nicht mehr nur am Rand stehen, während die anderen wie Kometen den Klassenstar umkreisen. Nicht dass ich irgendwelche Beautytipps von irgendwelchen Mias dieser Welt bräuchte, aber ich werde sagen, was ich zu sagen habe. Von heute an habe ich genau sechs Wochen Zeit, mich auf meinen neuen Auftritt vorzubereiten. Und ich werde mein Ziel verfolgen, mit der Gelassenheit eines Esels, mit Ausdauer und Geduld.

»Warum grinst du?«, will Sophia wissen.

»Ach, nur so«, antworte ich.

Vorsicht, bissiger Opa!

»Komm rein, Luzy. Ich koche gerade Kaffee. Ich hatte heute Morgen schon den Heizungstechniker da, so viel Aufregung vor acht Uhr ist wirklich schädlich für einen armen alten Mann wie mich.« Opa Peter schiebt die Brille auf der Nase hoch. »Du siehst müde aus. Für kleine Enkelinnen ist so zeitiges Aufstehen mindestens genauso schädlich. Ferien und in aller Herrgottsfrühe aus den Federn. Ich werde deiner Mutter mal was husten …«

»Ach, Opa!« Ich grinse, denn diese Gespräche zwischen Mama und Opa Peter enden immer gleich, und irgendwie sind sie auch ein bisschen witzig, wenn man dabei zuhört. Zwei komplett anders tickende Uhren vertragen sich einfach nicht.

»Weißt du, Luzy, als ich damals mit der Volksschule fertig war, haben wir unsere Tornister aus dem Klassenzimmerfenster geschmissen und ein Freudentänzchen auf dem Schulhof gemacht. War das bei dir gestern auch so?«

»Nein, es war ziemlich anders«, sage ich. »Fast alle haben nämlich geweint, weil die Schule vorbei ist. Außerdem sagen wir nicht Tornister.«

»Geweint?« Opa Peter überhört meinen Kommentar zum Tornister. »Kinder, Kinder, wo bleibt die Abenteuerlust?«

»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich froh bin, die nervigen Jungs und die Mia-Mädchen-Zicken-Clique los zu sein. Bei meinem fünfzigsten Klassentreffen werden die Jungs wahrscheinlich immer noch die Rucksäcke von den Mädchen in den Baum pfeffern, und Mia wird uns ihre neuesten Beauty-Tipps vorführen.«

»Ja, sehr gut möglich, dass sich bis zu deinem fünfzigsten Klassentreffen nichts ändern wird … Bei meinem fünfundfünfzigsten Abiturtreffen im letzten Jahr haben Hein, Joost und ich auch genauso rumgeblödelt wie früher. Aber Rucksäcke in den Baum werfen? Das hätte Heins kaputter Arm nicht mehr mitgemacht, ganz zu schweigen von meinem Knie.«

Opas Freunde Hein und Joost wohnen unglaublicherweise seit über siebzig Jahren mit ihm in derselben Straße. Joost ist Journalist und schreibt immer noch Texte für die Zeitung, und was Heins Arbeit war, weiß ich gar nicht. »Der macht ständig Urlaub«, sagt Opa Peter immer. Ich kenne die ganzen Geschichten von der Volksschule an der Ecke: Leder-Tornister (du weißt schon, nicht diese neumodischen Schulranzen), die man bis zum Abitur hatte (doch nicht jedes Jahr einen nigelnagelneuen), Fußball spielen bis zum Umfallen (ganz gewiss ohne feine Trikots und Stollenschuhe), unzählige Streiche (das Beste waren Frösche unterm Tisch oder die Tafel mit Seife einschmieren). Und Hein und Joost kenne ich, seit ich denken kann. Hein ist Mamas Patenonkel, und Heins Sohn Jan ist meiner.

»Abiturtreffen … Käthe hätte sich wie immer über uns drei scheckig gelacht.« Und leiser fügt Opa hinzu: »Leider hat sie das ja nicht mehr erlebt.« Er hat seinen traurigen Blick aufgesetzt und starrt einen Moment die Milchtüte in seiner Hand an, aber die Milchtüte kann Käthe ja auch nicht wieder herzaubern.

Käthe war meine Oma, darum ist mein zweiter Name auch Käthe, aber ich mag Luzy lieber. Keiner kann meinen Namen so schön aussprechen wie Opa Peter: Luutsi. In der Schule sagen manche Lüücie, so ganz weich, wie eine französische Schauspielerin oder ein Topmodel. Oma Käthe war eine Meisterin im Malefiz-Spielen, und im Sommer ist sie immer mit uns zur Eisdiele gegangen. Dann gab es für jeden von uns zwei Kugeln und für sie eine Kugel Nusseis mit einem winzigen bisschen Sahne.

»Hast du dir jetzt tatsächlich jeden Nagel in einer anderen Farbe lackiert?«, fragt mich Opa Peter. Er beugt sich herunter und mustert interessiert meine Füße. Ich bin dabei, die Milch für meinen Kakao auf dem Herd zu erwärmen.

»Ja, hab ich versucht, aber beim kleinen Zeh sind mir die Farben ausgegangen, deshalb ist Rot doppelt.« Ich betrachte nun mit Opa zusammen meine bunten Zehen und muss zugeben, dass sie mir wirklich gut gelungen sind. »Keine French Nails, wie Mia sie hat«, kichere ich. Bei Opa mache ich Witze, und Opa lacht auch darüber.

»Was ist das denn? Ich kenne nur French Toast. Armer Ritter haben wir dazu früher gesagt«, gluckst Opa.

»Schmeckt auch besser!« Und da kommt mir direkt eine Idee. »Wollen wir heute Mittag Arme Ritter machen? Richtig knusprig? In der Pfanne?«

»Klaro Klärchen. Du weißt ja, ich liebe alle Eierspeisen. Aber sieh du dich erst mal vor, dass du dir nicht deine Nägel bei der Gartenarbeit ruinierst.« Opa Peter zwinkert mir zu. »Heute ist das Unkraut dran. Aber jetzt geht’s auf unseren Lieblingsplatz.« Und schon humpelt Opa Peter mit seinem Kaffeebecher in der Hand los in Richtung Apfelbaum, vorne neben der Terrasse.

Opa nutzt nur noch den vorderen Teil des großen Gartens. Ganz hinten gelangt man durch ein kleines Tor zum Kanal, wo an einem Steg Opas altes rotes Tretboot liegt. Eigentlich ist der Kanal eines der tollsten Dinge an dem Haus, aber in den letzten Jahren ist es hier ganz schön verwildert, weil Opa Peter selbst fast nie mehr dorthin geht. Versteckt hinter dichten Rhododendronbüschen und Hecken steht einsam und verlassen ein altes Gartenhäuschen inmitten einer bunten Blumenwiese.

»Können wir mal wieder mit deinem Tretboot zum Einkaufen fahren?«, frage ich. »Das war immer so lustig.«

»Weißt du, Luzy, wenn dir einmal die Orangen und Joghurtbecher in den Kanal gerollt sind, kommt dir ernsthaft der Gedanke, dass es auf dem Landweg vielleicht doch einfacher sein könnte«, antwortet Opa Peter. Er schiebt seinen Stuhl mit dem Fuß in die Sonne und setzt sich hin. »Ich wünschte allerdings, der Landweg wäre auch weniger beschwerlich. Blödes Knie, würde ich gerne gegen ein neues eintauschen.« Opa Peter guckt grimmig auf sein rechtes Bein. Er ist in seinem Leben gefühlt sechzig Marathons gelaufen, das hätte er mal lieber bleiben lassen sollen.

»Heute kann ich ja einkaufen, ich hole nachher die Eier für unsere Armen Ritter«, schlage ich vor.

Opa nickt. »Aber jetzt trinken wir erst mal unseren Kaffee und unseren Kakao, und danach jäten wir Unkraut. Und guck mal, die Johannisbeeren sind schon reif. Kein Wunder bei dem Königswetter, das wir seit Wochen haben.«

 

Nach unserer Kaffeepause reicht Opa Peter mir eine Hacke und greift selbst zu seiner eigenen. Dann arbeiten wir still vor uns hin. Opa Peter schnauft leise, und ich rufe »Ihh«, als mir eine dicke Nacktschnecke von der Hacke rutscht. Sonst hört man nichts als Vögel und etwas weiter weg die Hauptstraße. Ich mag die kleine Stadt, in der wir wohnen, und Opa-Hausen ist mein Paradies. Ein Paradies, in dem ich ganz normal reden kann und immer eine Antwort weiß. Ein Paradies mit einem Schild Zicken und blöde Jungs draußen bleiben! Vorsicht, bissiger Opa! oder so ähnlich.

Das ist kein Drahtesel

»Also, zehn Eier und ein Päckchen Butter. Und was noch?«, frage ich, die Einkaufstasche schon in der Hand.

»Einen Liter Milch, damit komme ich erst mal wieder über die Runden«, sagt Opa. »Ich mache jetzt ein kleines Nickerchen im Liegestuhl. Weißt du, Luzy, wenn mir jemals jemand meinen schönen großen Garten wegnehmen würde, müsste ich ihn leider umbringen. Ich hoffe, Herr Kowalski kommt nie ernsthaft auf die Idee.«

»Ich weiß«, sage ich, weil ich wahrscheinlich wirklich jede einzelne Geschichte von Herrn Kowalski kenne. Er ist Opa Peters Vermieter, und er findet immer irgendetwas an Opas Garten auszusetzen. Außerdem mag er keine Tiere und wollte Opa Peter angeblich mal aus seinem Haus werfen, weil mein Hamster eine Woche bei ihm gewohnt hat. Und bei Hannes’ Hase Klopfer war es vor ewigen Zeiten genauso. Früher war der Vater von Herrn Kowalski Opas Vermieter, mit dem kam Opa besser klar. Doch jetzt ist der zu alt, und es macht sein Sohn. Opa Peter sagt immer: »Dieser Mann ist die Hölle, aber die Miete ist himmlisch, dafür muss man manchmal die Ohren auf Durchzug schalten.«

Ich mache mich also lieber schnell auf den Weg, bevor Opa Peter eine seiner Kowalski-Geschichten auspackt. »Ohren auf Durchzug«, murmle ich und stiefele los.

Wenn Opa und ich einkaufen, gehen wir nie in den Supermarkt, was eigentlich witzig ist, da er selbst jahrelang eine große Supermarktkette geleitet hat. Aber er ist der Meinung, dass er dafür jetzt für den Rest seines Lebens die netten kleinen Läden unterstützen muss. Opa Peter kauft alles beim kleinen Tante-Emma-Laden an der Ecke. So nennt Opa ihn, auch wenn Tante Emma in Wirklichkeit ein Mann ist, Dimitri heißt und aus Griechenland kommt. Aber das kümmert Opa Peter nicht.

Nachdem ich im Laden meine Lebensmittel zusammengesammelt habe, schiebt Dimitri mir wortlos den Kassenbon über den Tisch. Er legt mir noch einen Lolli dazu und lächelt. Dimitri spricht nie, dafür lächelt er immer. Wenn er doch mal etwas murmelt, verstehe ich kein Wort.

»Danke«, sage ich und nehme das Wechselgeld, den Lolli und meinen Einkauf. Bei Dimitri ist es ein bisschen so, als würde man mit der Luft reden, aber das stört mich nicht.

Als ich gerade aus dem Laden gehen will, klingelt die Ladenglocke, und ein Junge mit strubbeligen braunen Haaren kommt herein. Irgendwie fällt er mir auf, keine Ahnung, warum. Dabei sieht er ziemlich normal aus: Shorts, Flipflops … wie man im Sommer eben so aussieht. Ich gehe an ihm vorbei. Dabei höre ich noch, dass der Junge etwas in einer Sprache sagt, die ich nicht verstehe. Dann bin ich aus der Tür.