Ferien wie blubbernder Eistee - Kristina Kreuzer - E-Book

Ferien wie blubbernder Eistee E-Book

Kristina Kreuzer

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Beschreibung

Warmherzig und fröhlich: Der perfekte Lesespaß für alle Ferien!   In den Frühlingsferien macht Luzy mit ihrem besten Freund Jannis eine Reise in dessen griechische Heimat. Mit dabei sind ihre großen Geschwister, Opa Peter und Esel Tzatziki. In Griechenland ist es schon richtig sommerlich, und sie verbringen eine wunderbare, sorgenfreie Zeit. Doch das Inselparadies gerät bald ins Wanken: Der kleine Lebensmittelladen im Ort schließt, und es scheint so, als würde das das Ende für Jannis Heimatdorf bedeuten. In den letzten Jahren sind viele Familien weggezogen, und jetzt werden wohl weitere in die Stadt umsiedeln. Zum Glück haben Luzy und ihre Freunde eine geniale Idee, wie der Ort doch noch eine Zukunft haben könnte. Doch dafür müssen alle mit anpacken – sogar Tzatziki!   Voller flirrender Leichtigkeit, Urlaubsabenteuer und mit einem Hauch erster Liebe.

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Seitenzahl: 215

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Kristina Kreuzer

Ferien wie blubbernder Eistee

Mit Illustrationen von Friederike Ablang

Außerdem bei WooW Books erschienen:

Ein Sommer wie sprudelnde Limonade (Band 1)

Ein Winter wie dampfender Kakao (Band 2)

 

Originalausgabe

© Atrium Verlag AG, Imprint WooW Books, Zürich 2024

Alle Rechte vorbehalten

Text © 2024 Kristina Kreuzer

Cover und Illustrationen im Innenteil ©: Friederike Ablang

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-03967-035-2

 

www.WooW-Books.de

www.instagram.com/woowbooks_verlag

Für meine vier Griechenland-Fans

Die Hühner sind los

»Eins, Zwei, Drei, Fünf! Stehenbleiben, ihr frechen Hühner!«, rufe ich außer Atem. Das Huhn mit dem Namen Vier habe ich gerade erwischt und hinter den Zaun gesetzt. Mein Freund Jannis stürmt durch den Garten, als wäre er selbst ein aufgescheuchter, flatternder Vogel. »Pass auf, dass du nicht ins Wasser fällst!«, rufe ich ihm kichernd hinterher. Wir sind im Garten meines Opas, wo hinten am Kanal am brüchigen Steg sein altes rotes Tretboot friedlich auf den Miniwellen schaukelt. Eins der Hühner wagt sich gefährlich nah ans Wasser heran, und Jannis schiebt sich gerade durchs Gebüsch. Hier zwischen Gartenhäuschen und Kanal, an Opa Peters geliebter Schmetterlingswiese, wohnen die Tiere.

Jannis taucht zwischen den Blättern des Rhododendronbuschs wieder auf, in seinen strubbeligen braunen Haaren hängen ein paar kleine Zweige und Blätter. Er hat das Huhn erwischt, es ist Fünf. Er hält Fünf auf dem Arm mit einer Hand umklammert, mit der anderen streichelt er das Gefieder. Als Jannis näher kommt, höre ich, dass er leise Griechisch mit der Ausreißerin spricht. »Die sind vollkommen hochgedreht«, ruft er mir außer Puste zu. Weil Jannis erst seit dem letzten Sommer hier in Deutschland ist, vertauscht er manchmal Worte und Redewendungen. Mit einem eleganten Sprung flattert Fünf von Jannis’ Arm herunter und landet neben Vier im Gras. Jetzt stehen wir schon mit zwei Hühnern da.

Ich knuffe Jannis in die Seite und pflücke ihm ein Blatt aus den Haaren: »Eigentlich heißt es aufgedreht.«

Jannis schüttelt ernst den Kopf. »Nein, das macht keinen Sinn, Luzy. Sie touren ja hoch wie ein zu schnelles Auto.« Dann grinst er. »Denk mal drüber nach!« Dann laufen wir beide wieder aus dem Gehege heraus, um auch noch Eins, Zwei und Drei zu kriegen.

 

Als alle Hühner wieder da sind, wo sie sein sollen, lassen wir uns erschöpft auf die Gartenstühle plumpsen, das Einzige, was mein Opa in diesem Jahr aus dem Schuppen geholt hat. Normalerweise ist ihm sein »Frühjahrsputz« sehr wichtig, aber dafür war keine Zeit. Ich fühle einen Kloß im Hals. »Es ist komisch leer hier … ich glaube, ich war noch nie ohne ihn in Opa-Hausen. Und Tzatziki vermisse ich auch«, sage ich leise.

Jannis nickt. »Wenn der Esel hier wäre, wären die Hühner nie im Leben abgehauen. Außerdem finde ich es jammerschade, dass heute keiner Limonade und Butterkuchen für uns hat.«

Grübelnd gucken wir vor uns hin. »Warum haben sie sich nur nicht gemeldet?«, frage ich. »Den ganzen Tag lang nicht, dabei habe ich es immer wieder bei ihnen versucht.« In dem Moment höre ich es in der Tasche meiner dünnen Frühlingsjacke, die über dem Stuhl hängt, brummen. Ich gucke aufs Display. »Das sind sie!« Ich habe das alte Handy von meinem Bruder Hannes für die Ferien bekommen. Ich nehme den Anruf an. »Hallo? Opa Peter! Wo seid ihr? Wie kommt ihr mit dem Transporter voran?«

»Luzylein!«, höre ich die vertraute Stimme. Und dann quasselt er wie ein Wasserfall los. Jannis neben mir spitzt interessiert die Ohren. »Luzy, wir sind schon in Nordgriechenland. Gestern war der Wunderapparat hier kaputt, denn … was sagst du, Dimitri?« Er macht eine Pause. »Ah, verstehe, der Apparat war nicht kaputt, sondern nur leer. Dimitri hatte das Ladekabel verschusselt. Da lob ich mir doch die gute alte Telefonzelle, aber finde mal eine, die funktionstüchtig ist! Auf jeden Fall läuft das Gerät nun wieder, und uns geht es bestens. Wir trinken gerade einen schönen Mocca-Kaffee an der Raststätte. Ich sage dir: Die mögen’s stark hier, klein, aber oho …« Er macht eine Pause, ich höre es schlürfen. »Tzatziki ist heute ein bisschen ruhig. Ihm hat wohl die kurvige Strecke durch die Berge zu schaffen gemacht. Aber er hat es gut da hinten in seiner Miefhöhle im Wagen, und … er ist natürlich froh, bei mir zu sein! Stimmt’s, Tzatziki? Du willst immer beim Opa sein.« Ich höre Tzatziki leise schnauben und spüre eine Gänsehaut, weil ich so froh bin, ihn zu hören. »Aber sag mal, wie geht es euch da im Norden? Ist alles in Ordnung in Opa-Hausen?«

»Ja, uns geht’s gut«, sage ich. »Jannis und ich waren gerade bei den Hühnern.«

»Oh, wunderbar, grüß sie schön! Ich vermisse euch alle.« Opa macht eine kurze Pause. »Aber wir drei kommen sehr gut klar. In unseren Pausen tobt Dimitri mit Tzatziki auf irgendwelchen Wiesen herum. Und weißt du, was uns passiert ist? Wir haben uns gestern an der Raststätte Pommes frites und Fanta gekauft … auf der Flasche war ein Rubbellos – und dein Opa hat doch tatsächlich eine Badehose mit surfenden Ketchupflaschen gewonnen!« Ich höre Dimitri im Hintergrund kichern und etwas sagen. Dann lachen sie beide. Mein Opa erklärt gut gelaunt: »Ich habe die Badehose meinem Kumpel Dimitri vermacht!« Ich kann mir die tausend Lachfältchen auf Opas Gesicht vorstellen.

»Na, ihr scheint es ja wirklich lustig zu haben.« Ich muss mit ihm lachen.

In verschwörerischem Ton sagt er dann leiser: »Luzy, Dimitri ist wie ausgewechselt – je weiter wir Richtung Süden kommen, umso mehr quasselt er. Er rattert die deutschen Dichter und Philosophen nur so runter, die er alle gelesen hat. Gerade hat er mir ausführlich von Goethes und Schillers Freundschaft erzählt …«

Dimitri ist Jannis’ Onkel. Ihm gehört der kleinen Tante-Emma-Laden hier um die Ecke, wo man einkauft, wenn man bei meinem Opa zu Besuch ist. Jahrelang kannte ich ihn nur als den schweigsamen, freundlichen Mann, der mir immer einen Lolli geschenkt hat. Als Jannis und seine Brüder im letzten Jahr nach Deutschland gekommen sind, hat Dimitri dafür gesorgt, dass sie in der Wohnung seiner Schwester, auch genannt Tante Elena, unterkommen konnten. Aber die Unterkunft für Tzatziki, die habe ich organisiert: Nach einer gewagten Aktion von Jannis und mir und einem sprudeligen Abenteuer durfte der Esel am Ende bei meinem Opa ins Gartenhaus einziehen.

»Luzy! Wir müssen weiterfahren«, reißt mich Opas Stimme aus den Gedanken. »Wir sehen uns morgen in Athen! Und dann strecken wir die Nase fast zwei Wochen lang in die griechische Sonne.«

»Ja! Bis morgen in Athen«, wiederhole ich mit Kribbeln im Bauch.

»Tschüssi, Luzy. Passt au –« Dann tutet das Telefon.

»Ich werde es nie lernen, mit diesem neumodischen Gerät umzugehen! Da lob ich mir doch mein Telefon mit Ringelschnur«, mache ich Opa Peters tiefen Tonfall nach und stecke das Handy wieder ein.

»Haha, genau so …«, stimmt mir Jannis zu. Dann gucke ich auf die Uhr. »Oh, ich muss nach Hause. Heute ist Magic Sunday!«

Jannis sieht mich stirnrunzelnd an. »Aber heute ist Freitag, Luzy.«

»Jaja, das stimmt, aber weil wir ja morgen fliegen, haben wir unseren Familientag, an dem wir Pizza essen und Filme gucken, vorverlegt.« Ich springe auf. »Hast du schon gepackt?«

Jannis sieht stolz aus. »Alles bis auf Schlafanzug und Zahnbürste!« Wir laufen noch ein letztes Mal in den hinteren Teil des Gartens zurück, um sicherzugehen, dass die Tür zum Gartenhaus auch richtig zu ist, damit die Hühner nicht noch einmal ausbüxen. »Tschüss, Hühner Eins bis Fünf. Ab Morgen bringt Elena euch Futter!«, ruft Jannis.

Ich ziehe ihn am Arm. »Wir müssen wirklich los!«, und dann rennen wir zusammen quer über den Rasen zu unseren Rädern. Jannis stopft sich seine Jacke in den Rucksack und setzt ihn auf den Rücken. Heute ist so ein typischer Frühlingstag: Morgens ist es noch richtig kalt, aber später in der Sonne wird es dann so warm, dass man am liebsten im T-Shirt ist. Als Jannis sich auf sein etwas zu großes Rennrad schwingt, sieht er mich aus seinen dunklen Augen ernst an. »Luzy, morgen wird ein bedeutsamer Tag. Du lernst meine Heimat und meine Eltern kennen.«

Jannis hat in Griechenland Deutsch mit den Märchenbüchern seiner Oma aus Hannover gelernt, das klingt manchmal nicht nur bei den Redewendungen witzig. Ich nicke, und er lächelt mich an. Weil es dabei in meinem Bauch wie glitzerndes Quellwasser blubbert und tausend Singvögel gleichzeitig in mir drin zwitschern, gucke ich lieber schnell in die andere Richtung. Dabei merke ich, wie mein Mund sich zu einem überdimensionalen Lächeln verzieht.

Letzte Pizza vorm Moussaka

Gerade sind wir den holprigen Steinweg zum Gartentor heruntergefahren, da zucke ich zusammen, weil die Alarmanlage von Opa-Hausen losgeht: Das Gartentor quietscht sehr laut, und Jakob kommt pfeifend hindurchspaziert: »Ups, bin ich zu spät?«, begrüßt er uns.

»Wenn du mit Hühner einfangen wolltest, ja. Wenn du uns Tschüss sagen wolltest, nein«, sage ich und bremse, genau wie Jannis, mit Schwung ab. Vor uns steht Jakob im Fußballtrikot. Jakob ist mein ältester Schulfreund – oder besser gesagt Kindergartenfreund. Und nun ist er auch Jannis’ Freund. Die Sonne der letzten Tage hat Jakob schon wieder ein paar mehr Sommersprossen ins Gesicht gemalt. Seine hellblonden Haare sehen verschwitzt und zerzaust aus. Er zieht eine Schnute. »Tut mir leid, das Training ging mal wieder länger. Gleich kommt übrigens auch noch …« In derselben Sekunde taucht hinter ihm am Gartentor ein fröhliches Gesicht und ein dicker roter Zopf auf. »Hi!«, ruft meine Klassenkameradin und Freundin Flo. »Jakob und ich wollten Eis essen gehen, kommt ihr mit?«

»Ein Date im Eiscafé?«, sagt Jannis mit hochgezogenen Augenbrauen.

Ich trete verlegen von einem Fuß auf den anderen. Im letzten Winter hatten Jannis und ich hier so eine Art Date. Wir hatten uns gestritten, als Tzatziki zurück nach Griechenland sollte und ich der Meinung war, Jannis müsste sich dagegen wehren. Beim Schokoeis haben wir uns dann wieder vertragen. Ich wechsle lieber das Thema: »In der Eisdiele war ich immer mit meiner Oma Käthe. Also … ähem … was ich eigentlich fragen wollte: Was machst denn du jetzt in den Ferien, Flo?«

Flos Mundwinkel wandern nach unten. »Na ja, erst wollten wir alle nach Mallorca mit meinen Stiefgeschwistern, aber nun muss mein Stiefpapa arbeiten, außerdem will meine kleine Schwester Kimmi sowieso lieber Feriencamp machen, und jetzt fahren wir nur ein paar Tage an die Nordsee … ich sag’s euch, eine Patchworkfamilie ist kein Zuckerschlecken.«

»Aber du könntest doch zum Beispiel gleich Montag nach meinem Fußballcamp mit mir ins Freibad gehen!«, schlägt Jakob vor, ein riesiges Strahlen auf dem sommersprossigen Gesicht.

»Cool«, sagt Flo, irgendwie schüchtern. »Gerne.«

»Na, das klingt doch nicht so übel«, sage ich. »Die Ferien werden sicher besser, als du denkst.« Ich klopfe Flo aufmunternd auf den Rücken. Dann gucke ich auf die Uhr. »Ups! Sorry, jetzt haben wir uns nur so kurz gesehen, aber ich muss leider echt los, Koffer packen!« Ich winke Jakob zu und nehme Flo in den Arm. Zu Jannis sage ich voller Vorfreude: »Bis morgen«, dann düse ich davon.

 

»Sind die echt alle leer? Habt ihr das alles verkauft?« Erstaunt betrachte ich den Stapel Klappkisten, den meine große Schwester Sophia durchs Treppenhaus trägt. Vor uns geht Adonis, Jannis’ drei Jahre älterer Bruder und – seit Kurzem – Sophias Freund. Obwohl Adonis den ganzen Nachmittag mit Sophia auf dem Flohmarkt gestanden hat, liegen seine schwarzen Haare perfekt gegelt am Kopf an. Sophia deutet in seine Richtung: »Dieser Typ ist der Hammer. Adonis kann den Leuten einfach alles verkaufen …«

Adonis dreht sich zu mir um. »Den alten Föhn von deiner Mutter bin ich für zehn Euro losgeworden, Luzy. Dabei habe ich sogar gesagt, dass er nicht mehr geht, aber die Frau fand ihn so retro, dass sie ihn unbedingt haben wollte. Und deine roten Winterstiefel für ’n Fünfer …«

»Meine Luzy!«, höre ich eine Stimme von unten. Hinter Papa fällt die schwere Tür zum Treppenhaus ins Schloss. Mit der Arbeitstasche unter dem Arm läuft er ein paar Schritte auf mich zu. Er stellt die Tasche auf dem Boden ab und nimmt mich von einer Treppenstufe weiter unten fest in den Arm, sodass wir gleich groß sind. »Ich habe die beiden von ihrem Verkaufsstand abgeholt.« Er zwinkert mir zu. »Und, alles gepackt für die große Reise, meine Abenteurerin? Schon aufgeregt?« Er streicht mir eine lockige, kastanienbraune Strähne aus dem Gesicht und sieht mir in die Augen. »Ich werde meine Kinder ganz schön vermissen! Mama hat Piet vorhin schon zu Oma gebracht, ab morgen sind wir dann wirklich allein …«

»Aber dann könnt ihr doch endlich mal richtig arbeiten!«, schlage ich vor. Mein kleiner Bruder Piet ist noch im Kindergarten. Weil der Kindergarten in den Ferien auch zu ist, verbringt er die Zeit bei Papas Mutter, was er großartig findet. Zufälligerweise wohnt im Nachbarhaus auch noch sein Kumpel Karl. Also eine absolute Win-win-Situation für alle.

Papa seufzt. »Na ja, wenn es nach deiner Mutter ginge, würden wir wahrscheinlich wirklich von früh bis spät arbeiten, aber da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Morgen Abend treffen wir erst mal Hannes und Marbelle.« Seit mein Bruder mit Marbelle zusammen ist, ist er noch seltener bei uns zu Hause, was ich richtig doof finde. Es reichte ja schon, dass er in einer Studenten-WG wohnt, aber jetzt ist er nicht mal mehr in den Semesterferien bei uns! Hannes ist eher ruhig, wie ich. Seine Uhren ticken langsamer, wie Opas und meine. Und anders als die von Mama …

»Luzy! Da bist du ja! Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst, du musst doch noch packen! Ich habe euch alle wichtigen Dokumente rausgelegt: Pass, Ticket, Telefonnummern …«, ruft Mama hektisch von der Wohnungstür aus, aber dann nimmt sie mich doch noch einmal richtig in den Arm.

»Sophia hat sicher auch noch nicht gepackt«, murmle ich in den Stoff ihrer Bluse, und wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Ich atme einmal tief den typischen Mamageruch ein, den ich ab morgen vermissen werde. Aber weil ich beweisen will, dass ich top organisiert bin, löse ich mich aus der Umarmung und ziehe kurz darauf scheppernd den Koffer aus dem Flurschrank und verschwinde damit in meinem Zimmer. Was braucht man schon groß für einen Urlaub auf einer griechischen Insel? Shorts, T-Shirts, ein paar Kleider, Badeanzug … in null Komma nichts bin ich fertig.

 

Heute machen wir Pizza selbst. »Pizza statt Moussaka«, hatte Mama gesagt und erklärt, dass Moussaka ein griechischer Hackauflauf ist, den wir garantiert auf der Insel kennenlernen werden. In der Küche wartet der Teig in der zugedeckten Rührschüssel. Ich nasche ein Stückchen Paprika, die Mama bereits kleingeschnitten hat, genau wie Zucchini und Pilze. In einer Schale liegen Oliven und Mozzarella in Scheiben. Ich rufe in den Flur: »Also ich bin längst fertig! Wo seid ihr denn alle?«

Erst kommt Mama, dann Papa, und dann folgen Sophia und Adonis in die Küche. Adonis hat einen Arm um Sophia gelegt. Etwas ungewohnt finde ich es schon noch, dass sie jetzt zusammen sind, aber ich mag Adonis, er ist immer gut gelaunt und witzig. Zu meinen Eltern sagt er: »Es kann gut sein, dass wir in den nächsten Tagen schlecht zu erreichen sind. Bei uns auf der Insel gibt es an vielen Orten kein WLAN. Aber im Notfall geht immer Festnetz.«

»Das wird Opa Peter gefallen«, sage ich. »Ich hoffe, euer Telefon hat eine Wählscheibe und steht auf einem Höckerchen.«

»Aber sicher doch«, meint Adonis.

Mama fragt: »Und eure Eltern kommen nach der Reise wirklich nach Deutschland, um dann mit euch hier zu wohnen, Adonis?«

Jetzt strahlt sein Gesicht wie die Frühlingssonne am Himmel. »Genau! Dann sind wir endlich wieder zusammen! Alle, außer Nikos …«

Nikos ist der älteste Bruder von Jannis. Weil er im letzten Winter hier in Deutschland schreckliches Heimweh hatte, ist er kurz vor Weihnachten zurück nach Griechenland gegangen. Und auch, weil er seine Freundin Helena so vermisst hat. Adonis erklärt: »Es ist ja ganz okay bei Tante Elena in der Wohnung, aber manchmal …« Er verzieht das Gesicht.

Sophia kichert. »Aber sie meint es immer gut!«

»Ich mag Tante Elena«, sage ich leise. Im letzten Winter hat sie öfter ein bisschen, aber nie komplett die Nerven verloren. Es war alles aber auch ein bisschen viel: Tzatziki hatte plötzlich nichts mehr gefressen, Nikos war wochenlang krank, sodass Jannis für ihn bei der Arbeit einspringen musste und nicht mehr zu Schule gehen konnte. Und dann wurde in Elenas Lager auch noch etwas geklaut! Im Hof, hinter Dimitris Laden, hat Elena einen großen Raum angemietet, wo Olivenöl, Dosentomaten, Nüsse, jede Menge griechisches Gebäck lagert. Sie betreibt hier in Deutschland einen Importhandel mit Lebensmitteln, die Jannis’ Eltern in Griechenland anbauen oder herstellen. Vieles davon wiederum verkauft Dimitri in seinem Laden.

»Es wird wirklich Zeit, dass meine Eltern herziehen und wir wieder alle zusammen sind. Das wollten sie eigentlich schon letztes Jahr, aber dann kam am Ende etwas dazwischen, das wisst ihr ja«, redet Adonis weiter. »Dann guckt er auf die Küchenuhr. »Ich muss los.« Er schüttelt Mama und Papa höflich die Hand, gibt Sophia einen schnellen Kuss auf die Wange, zwinkert mir zu und ist aus der Tür.

 

»Woher hast du das Armband?«, frage ich Sophia, als ich meinen Fingerring ablege, um den Teig zu kneten. Sophia hat ein silbernes, dünnes Armband abgestreift. Zu meinem Erstaunen wird sie rot. »Das hat Adonis mir geschenkt!«

»Der Charmeur …«, meint Papa kopfschüttelnd. »Ich dachte, ihr habt für den Flug nach Griechenland gespart!«

»Das haben wir ja auch! Aber dank Adonis’ Verkaufstalent hatten wir unseren Anteil für den Flug schon letzten Samstag fast zusammen. Wie läuft’s bei euch?«, fragt mich Sophia.

Ich versuche, im Kopf zu überschlagen, was Jannis und ich in den letzten Wochen mit unseren Botengängen für Dimitris Laden verdient haben. Tzatziki hat uns dabei buchstäblich als Lastesel geholfen. Und wir haben bei Elena im Lager Lebensmittel eingeräumt und etikettiert. »Neulich haben wir noch Waffeln bei Jakobs Fußballspiel verkauft … wir haben jetzt auch so gut wie alles zusammen.«

Meine Schwester und ich hatten mit Papa und Mama ausgemacht, dass wir etwas für die Flüge dazuverdienen, und das hat dann tatsächlich richtig Spaß gemacht. Weil unsere Frühlingsferien so kurz sind, konnten wir nicht mit meinem Opa und Dimitri mit im Transporter fahren, sondern fliegen zu viert alleine nach Griechenland, ohne Eltern! In meinem Bauch grummelt und blubbert es gleichzeitig. Spannung, Aufregung, Freude und auch ein wenig Angst versuchen, sich gegenseitig wegzuschubsen.

Durch weiße Wolken nach Athen

Zwei Pizzableche und einen Film später sagt Mama: »Jetzt aber ab ins Bett. Morgen wird ein anstrengender Tag – erst der frühe Flug, dann die Fährfahrt, dann mit dem Auto über die Insel … das wird eine ganz schöne Tour.«

Papa wringt das Geschirrhandtuch in den Händen. Mit Sorgenfalten auf der Stirn guckt er von Sophia zu mir und zurück. »Meine Kleinen. Schafft ihr das wirklich alles alleine? Zum ersten Mal ohne uns fliegen? Und dann gleich so weit?«

Sophia rollt die Augen: »Ich bin fünfzehn, Papa.«

Ich denke: Aber ich bin erst elf! Ich kuschle mich an Papa und fühle etwas in meinem Bauch rumoren, sage aber: »Klaro kriegen wir das hin.« Klaro ist mir trotzdem auch etwas mulmig. Klaro blubbert aber gleichzeitig auch die Abenteuerlust in mir.

»Zum Glück holen Peter und Dimitri euch vier ja am Flughafen von Athen ab, von da an seid ihr dann nicht mehr auf eigene Faust unterwegs«, sagt Mama mit einem kleinen Seufzer. »Ich bin wirklich froh, dass Peter dabei ist.«

»Dein Vater wird gut auf die Mädchen aufpassen«, murmelt Papa. »Ganz sicher«, wiederholt er und streichelt mir dabei versonnen über die Locken.

Mama beginnt, die Spülmaschine einzuräumen. Auf einmal bleibt sie, mit einem Teller in der Hand, stehen. Zögerlich sagt sie: »Ich überlege gerade … ob ich es morgen überhaupt schaffe, mit zum Flughafen zu kommen, denn ich muss eigentlich noch diese wichtige Reportage fertig machen und …«

»O nein, deine wichtige Reportage kann warten. Du kommst mit«, unterbreche ich sie mitten im Satz. Ich bin selbst erstaunt, wie energisch meine Stimme klingt, aber wenn mir etwas wirklich wichtig ist, kann ich ganz schön bestimmt sein. Im letzten Jahr habe ich mir ein Herz gefasst und Mama und Papa klar und deutlich gesagt, dass ihr Job nicht immer wichtiger sein darf als alles andere. Seitdem ist vieles besser geworden: Wir essen nun regelmäßig zusammen und haben vor allem unseren Magic Sunday, an dem alle abends zu Hause sind. Ich gucke Mama gespielt streng an, woraufhin sie die Hände in die Luft wirft und murmelt: »Okay, schon verstanden. Klar komme ich mit.«

 

»Adonis! Los jetzt, leg endlich die Sonnenbrille zurück!«, wiederholt Sophia ungeduldig. Sie zeigt zur blinkenden Anzeigetafel in der Abflughalle. Jannis und ich stehen neben ihr. Hier, in diesem riesigen Flughafen, komme ich mir auf einmal sehr klein vor. Ich stelle fest, dass sich meine Abenteuerlust gerade irgendwo versteckt hat. Vielleicht hockt sie hinter einem Gepäckschalter oder hinter dem Verkaufstresen vom Duty Free-Shop. Jannis geht es scheinbar ähnlich, er ist auch stiller als sonst.

»Wir müssen zum Gate, es ist Boarding«, mahnt Sophia. Ja, meine Schwester hat wirklich alles im Griff, denke ich, nicht ohne Bewunderung. Aber Adonis betrachtet sich völlig unbeeindruckt ein letztes Mal im Spiegel, auf der Nase eine Brille mit orangeroten Gläsern. »Sieht schon cool aus, oder?« Er stößt mich an. »Komm, Luzy, sag deiner Schwester, wie lässig ich aussehe.«

»Total«, sage ich, woraufhin Sophia die Augen rollt, aber dann muss sie doch lachen. Sie zieht Adonis am Ärmel hinter sich her und murmelt: »Los jetzt, Gate A21!« Hintereinander traben wir vier los. Aber als wir am Gate ankommen, ist alles leer und dunkel, keine Wartenden weit und breit.

»Oh no, jetzt haben wir den Flug verpasst!« Entsetzt schlägt Sophia sich die Hand vor den Mund. Ich merke, wie mir die Knie weich werden, und höre Jannis neben mir tief seufzen. Nur einer behält die Fassung, und das ist Adonis. Er deutet auf den Bildschirm. »Wolltet ihr wirklich heute Mittag nach Mallorca fliegen? Also ich gehe lieber rüber zu A22, denn da geht’s in zwanzig Minuten los nach Athen.« Betont lässig schlendert er zum Gate nebenan und stellt sich leise pfeifend in die Reihe zum Boarden.

Wir anderen stürmen ihm hinterher. Mein Herz macht einen erleichterten Hüpfer und tanzt mit der Abenteuerlust, die sich hinter dem Tresen hervorgewagt hat, ein Tänzchen.

»Okay, Punkt für dich«, meint Sophia und lehnt sich mit einem tiefen Seufzer an Adonis.

»Dieser Typ ist genial …«, meint Adonis und klopft sich selbst auf die Schulter.

Zum ersten Mal heute höre ich Jannis laut und fröhlich etwas sagen: »Wisst ihr, Adonis und ich kennen uns aus in der Welt. Wir sind ja schon länger allein unterwegs, was, Brüderchen?«

»Pah, und ob«, macht Adonis. Dann tippt er auf Sophias Tasche. »Was hast du dir da überhaupt gekauft?«

Sophia zupft an der zusammengerollten Zeitschrift. »Ach, nur ein Geo-Heft für Geschichte.« Adonis pfeift durch die Zähne. »Manchmal ist deine Schwester mir ein bisschen zu schlau«, raunt er mir zu.

 

Im Flugzeug sitzen wir alle in einer Reihe. Während Jannis einen Comic herausholt und anfängt, darin zu lesen, und Sophia sich die Kopfhörer aufsetzt, bin ich die Einzige, die Adonis’ fröhlichem Dauergequassel zuhört. Zwischen Adonis’ und meinem Sitz ist der Gang.

»Ich bin echt aufgeregt, Luzy! Nach so langer Zeit wieder zu Hause! Endlich Mama und Papa sehen! Und unsere Insel …« Er strahlt dabei wie ein kleiner Junge unter dem Weihnachtsbaum. »Jannis und ich müssen euch alles zeigen. Wir müssen zu unserer Lieblingsbucht mit dem Boot fahren und zu unserem Hausstrand und in der Stadt Eiskakao trinken, zum Tanzabend und …«

Ich brumme ein paarmal zustimmend, aber dann merke ich, wie mir nach all der Aufregung die Augen zufallen, sodass ich gar nicht mitkriege, wie wir abheben. Als ich wieder aufwache, höre ich die Flugzeugmotoren gleichmäßig rattern, und wir sind hoch oben in der Luft. Mein Kopf liegt an Jannis’ Schulter. Erschrocken federe ich hoch. Adonis grinst mich über den Gang hinweg breit an, während Jannis sehr vertieft in sein Buch ist.

 

»Hallo? Opa Peter? Hallo? Jetzt ist der Anruf schon wieder weg. Er wollte uns irgendetwas Wichtiges sagen.« Ratlos starre ich auf das Handy. Ich finde es immer noch ungewohnt, wenn es plötzlich in meiner Tasche brummt. Wir stehen alle vier am Gepäckband, und jeder hat endlich seinen Koffer neben sich, nachdem wir ausgerechnet auf meinen extralange warten mussten. Am Ende hatte ein Flughafenmitarbeiter ihn gebracht, weil er wohl vom Gepäckwagen gefallen war. Da klingelt es wieder in meiner Hand. »Hallo? Ah, Dimitri … Ja … okay, warte …« Ich reiche Adonis das Telefon. Adonis plappert auf Griechisch los, verstummt dann und lauscht und plappert weiter. Dabei nickt er und guckt zu Jannis, der die Schultern hochzieht. Schließlich sagt Adonis auf Deutsch ins Handy: »Ach komm, wir haben schließlich Sophia dabei, macht euch keine Sorgen«, und legt auf.

»Okay, Planänderung. Sie sind zu spät dran und können uns nun doch nicht am Flughafen abholen.«

»O Mist«, sage ich. »Und jetzt?« Mir rutscht das Herz in die Hose. Ich hatte mich so darauf gefreut, mich hier in Athen gemütlich in Dimitris Wagen zu setzen. Wie bitte finden wir uns in dieser unbekannten Riesenstadt zurecht? Ich gucke zu Sophia und sehe, dass auch sie überlegt.

»Wir sollen die U-Bahn zum Fährhafen nehmen«, redet Adonis weiter. »Es dauert ungefähr eine Stunde. Ich habe gesagt, wir kriegen das hin, stimmt’s, Koucla mou?«

Sophia sieht ihn fragend an.

»Ach so, also … das ist Griechisch. So nennt man bei uns seine Freundin.« Adonis guckt ein bisschen unsicher von einem zum anderen. »War das jetzt komisch, oder wie?«

»Nein!«, ruft Jannis.

»Ich finde, das klingt nett«, sage ich.

»Na ja, wenn ihr alle meint …« Sophia grinst verschmitzt. »Mal abwarten, was mir noch so einfällt!«

»Nun gut, Koucla, was ich eigentlich eben sagen wollte …« Adonis grinst. »Du findest ja sicher den Weg zum Hafen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir dich dabeihaben, obwohl …, wenn es nach dir ginge, wären wir ja jetzt schon auf Mallorca.« Adonis sieht sie mit einem überlegenen Grinsen an.