Ein Vampir für die Ewigkeit - Michelle Mayerus - E-Book

Ein Vampir für die Ewigkeit E-Book

Michelle Mayerus

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Beschreibung

Chrisi McKenzie war als Kind adoptiert worden und nun war es endlich soweit. Sie sollte mehr über ihre Herkunft ihrer leiblichen Eltern erfahren. Aber dafür musste sie nach Vancouver Island fliegen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass sich ihr ganzes Leben verändern sollte und sie nicht nur etwas über ihre Herkunft aus diesem Leben erfuhr, sondern auch aus ihrem Leben davor. Das Chrisi das Talent dazu besaß, sich selbst immer in Schwierigkeiten und oftmals auch in Lebensgefahr zu bringen, machte die Sache nicht einfacher. Noch dazu verliebte sie sich gleich in zwei Männer, davon einer ein dunkles Geheimnis in sich trug.

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Seitenzahl: 396

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Impressum

Ein Vampir für die Ewigkeit Michelle Mayerus published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Copyright: © 2012 Michelle Mayerus ISBN 978-3-8442-3928-7

Copyright Titelfoto

Ich musste zu Chrisi diesen verdammten Abstand halten, zu der Frau die ich seit Jahrhunderten liebte. Es war zu gefährlich auch nur in ihrer Nähe zu sein. Das könnte ihr wieder den Tod bringen, wie es schon einmal vor langer Zeit geschehen war. Mein Halbbruder Christian hatte sie vor vielen Jahren auf eine hinterlistige Art und Weise aus meinem Leben gerissen, was mir das Herz brach und dass sollte auf keinen Fall noch einmal geschehen nachdem ich sie nach so langer Zeit wieder gefunden habe. Nicht in diesem Leben.  Und ich, ich war ein Verdammter, ein Vampir und ich wusste nicht in wie weit ich mich beherrschen konnte wenn sie in meiner Nähe war. Natürlich hatte ich in den letzten Jahren gelernt unter den Menschen zu leben und mein Verlangen nach Blut zu kontrollieren und auf diesen auf eine andere Art und Weise zu stillen. Trotzdem, ich musste den sicheren Weg gehen, auch wenn das hieß, dass ich sie nie mehr in meinen Armen halten und küssen durfte. Von daher war es gut, dass sie in Deutschland lebte und ich auf Vancouver Island, auch wenn mich tagtäglich die Sehnsucht nach ihr quälte und mich auffraß.

Bärbel meine allerliebste Kollegin, mit der ich jetzt bereits seit über fünf Jahren ein Büro in einem Mittelständischen Betrieb für Metallverarbeitung teilte in dem wir als Bürokauffrauen arbeiteten, hatte es wieder einmal geschafft. Leise war sie von hinten an mich angeschlichen und bescherte mir eine fiese Schrecksekunde, indem sie mich wieder einmal aus meinen Tagträumen riss in denen ich oft schwebte. Sie liebte dieses Spiel und ich war dann immer total an genervt von ihr. Dieses Mal war ich ihm schon so nahe gewesen, dass ich fast sein Gesicht erkennen konnte. Ich war frustriert und machte mich auf den Weg nach Hause. Wie gut das München ein sehr gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz besaß, somit konnte ich mich in der U-Bahn wieder meinen Gedanken hingeben bis ich aussteigen musste. Seit nun gut fünf Jahren wohnte ich in dieser Stadt und sie gefällt mir super gut. Ich brauche kein Auto, komme aber trotzdem überall hin. Einkaufen kann man hier an fast jeder Ecke. Vor allem dort wo ich wohnte, hatte ich direkt die Riem Arkaden vor der Türe. Das war so was von perfekt. Ich musste an meine Teenie Zeiten denken. Mit fünfzehn Jahren wurde mir von meinen Eltern eröffnet, dass ich im Alter von nur einem Jahr von ihnen adoptiert worden war. Ab diesem Tag träumte ich seltsamerweise immer wieder von diesem einen Mann. Ich kannte ihn nicht, habe ihn nie im wahren Leben zu Gesicht bekommen, aber er gehörte zu meinem Leben wie kein zweiter und ich fühlte mich sehr zu ihm hingezogen. Kein anderer Mann war mir je so nahe gekommen wie er, was verrückt ist, ich weiß. Und ihr könnt mir glauben, dass ich den einen oder anderen Anlauf, was Männer betrifft, bereits genommen habe in meinem Leben, aber für keinen Empfand ich annähernd das was ich für diesen Unbekannten Traummann empfand. Eine innere Stimme sagte mir dass ich diesen Typen eines Tages kennenlernen werde, da war ich mir sicher.   Damals fühlte ich mich nach dieser Hiobsbotschaft, dass ich adoptiert worden war,  wie in zwei Hälften zerrissen, absolut unvollständig. Die eine Seite die ich kannte, mit der ich aufgewachsen und die mir so sehr vertraut war und dann noch die andere Hälfte meines Daseins, die mir völlig fremd war. Und dieser Mann aus meinen Träumen, den ich leider bis heute immer nur aus der Ferne bewundern durfte, half mir sehr über diese Zeit des Zerrissen seins hinweg.   Ab diesem Zeitpunkt, als ich mir klar darüber war dass sich für mich trotz der Tatsache Adoptivkind zu sein auch in Zukunft nichts ändern würde, fing ich an mal mehr mal weniger intensiv meine eigentliche Herkunft zu ergründen.  In meiner Kindheit suchte ich oft die Gemeinsamkeiten zwischen mir und meinen Eltern und vermisste diese schmerzlich. Mein Vater besaß kräftiges  schwarzes Haar mit einem leichten Ansatz von Geheimratsecken und meine Mutter feines rotes. Ich dagegen war dunkelblond und mit grünen Augen, aber mein Teint war dunkler als der meiner Eltern. Was mir eher ein exotisches aussehen verlieh. Noch nicht einmal die Größe passte. Mit meinen einen Meter fünfundsechzig war ich ein gutes Stück kleiner als meine Eltern.  Ab diesen Tag X war mir natürlich klar warum ich nie auch nur ansatzweise Ähnlichkeiten fand oder finden würde. Dieser Tag, an dem sich mein Leben von Grund auf änderte, lag nun bereits schon  vierzehn Jahre zurück. Und bis zum heutigen Tag war ich meinem Ursprung nicht ein bisschen näher gekommen. Das lag mit Sicherheit auch an mir. Einerseits nagte die Neugierde an mir, aber andererseits hatte ich Angst davor. Was erwartet mich, wenn ich meine biologischen Eltern treffe? Wollten sie mich überhaupt sehen? Doch nun war es endlich an der Zeit, alles über mich und meine wahre Herkunft zu erfahren. Die U-Bahn war in Riem an der Haltestelle angekommen. Wie eine Schlafwandlerin stieg ich aus und machte mich auf den Weg zu meiner Wohnung, die sich  in einem Mehrfamilienhaus befand, das auf dem ehemaligen Flughafengelände von München gebaut worden war. Bei einer Sache war ich mir sicher, was ich definitiv nicht wollte, war meine Eltern mit dieser Suche zu verletzen. Meine Adoptiveltern waren mir wirklich liebevolle Eltern, die mich auf jeden meiner Wege des Erwachsen Werdens begleiteten. Ohne nicht auch bei Bedarf, mit der nötigen Strenge zu reagieren. Nein, ich fühlte mich stets geliebt und gut behütet. Mein Vater war Major bei der Army gewesen und er ist ein toller Mann, der für sein Alter, dank seines durchtrainierten Bodys, noch verdammt gut aussieht.  Er war sicherlich Streng, aber auch gerecht und verdammt liebevoll. Wie es bei der Army ebenso ist, wurde auch mein Vater, vor seinem Ruhestand,  immer wieder an andere Einsatzorte versetzt. Und vor über achtzehn Jahren, als ich gerade elf Jahre alt war,  war mein Vater erst nach Bad Aibling in Bayern versetzt worden, und im Laufe der Zeit landeten wir dann Schlussendlich in Heidelberg bei Frankfurt.  Meine Mutter war immer die brave, herzensgute und verständnisvolle Soldatenfrau und Mutter, die sich ein Mann in diesem Beruf nur wünschen konnte. Sie waren als Eltern einfach nur perfekt. Doch mir drängte sich immer wieder die Frage auf ob sich nicht irgendwo auf dieser Welt noch Geschwister von mir befanden, die vielleicht auch nach mir suchten? Nach dreimonatigen Ringen engagierte ich einen Detektiv, der mir dabei helfen sollte mehr über mich rauszufinden. Meine Eltern konnten mir hierbei leider nicht viel sagen, was weiterhelfen konnte. Sie wussten nur dass ich auf Vancouver Island zur Welt kam. Und alles damals ungewöhnlich schnell mit der Adoption über die Bühne gegangen sein musste. Aber damals wollten sie sich darüber keine Gedanken machen, sie waren einfach nur glücklich darüber gewesen mich bekommen zu haben. Jetzt hoffte ich, dass mir dieser Detektiv weiterhelfen konnte. Er war eine Empfehlung von Daniela, einer sehr guten Freundin gewesen, die über diesen Mann ihren lange verschollenen Vater fand. Sie meinte das er ein wenig seltsam sei, aber wusste was er tut und sein Geld wert ist. Na, ihr Wort in Gottes Ohr. Da wir uns bereits seit der ersten Klasse kannten, vertraute ich ihr in solchen Dingen, denn sie wusste so gut wie kein anderer wie mich dieses Thema im Laufe meines Lebens immer wieder beschäftigte.    Der Detektiv war ein Mann von 55 Jahren, mit einem Rauschebart, der alleine schon deshalb etwas sonderbar aussah. Obendrein besaß er die seltsame Angewohnheit jedes wichtige Detail immer zweimal zu sagen. Sein Name war Ralf Steiner. Und dieser Ralf Steiner rief mich vor zwei Tagen an und erzählte mir mit seiner sehr quietschig und schleimig klingenden Stimme dass er die Adoptionsagentur in Vancouver ausfindig machen konnte, die damals meine Adoption abwickelte. Doch die größte Überraschung war die Nachricht, dass in Vancouver selbst angeblich noch eine Schwester von mir lebte, die ebenfalls nach mir und unserer Familie auf der Suche war.  Mir blieb bei dieser super, Wahnsinns Nachricht fast das Herz stehen, ich konnte es nicht glauben. Ich schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn, darauf hüpfte ich wie eine gestörte durch mein Wohnzimmer und wusste nicht ob ich weinen oder lachen sollte. Sobald ich wieder einigermaßen bei Sinnen gewesen war, informierte ich sofort tränenüberströmt Daniela über die absolut geile Nachricht und ich versprach ihr, sie bei der nächsten Möglichkeit abzuknutschen und sie als Dank für ihre Hilfe ganz fein zum Essen einzuladen. Danach gönnte ich mir zu meiner Beruhigung eine heiße Tasse Kakao mit einem großen Schuss Amaretto.  Eine handfeste Information . Ich hatte endlich nach so vielen Jahren eine handfeste Information die mich meinen biologischen Eltern näherbrachte und mindestens einer Schwester. Jetzt war ich Feuer und Flamme. Nun konnte ich es nicht mehr erwarten noch mehr zu erfahren. Gab es noch mehr Geschwister? Was würde ich noch alles erfahren? Wie wohl meine Eltern aussahen? Ob ich meiner Schwester ähnlich war? Ob sie genauso tollpatschig wie ich war? Mein Magen zog sich nur bei den Gedanken an die Zukunft zusammen. Unruhig lief ich in meinem Wohnzimmer, zwischen meiner beigefarbenen Couch und meinem nusshölzernen Wohnzimmerschrank hin und her. Wie sollte ich nun weiterverfahren? „Autsch, Mist aber auch.“ Zum fünftausendsten Mal schlug ich mir mein Knie an meinem ebenfalls nusshölzernen Wohnzimmertisch an. Das gab einen blauen Fleck. Mit der flachen Hand rieb ich an der schmerzenden Stelle. Ich war als Einzelkind aufgewachsen. Auch wenn Einzelkind sein, seine Vorteile hat, man bekommt mehr Geschenke, man muss mit niemanden etwas teilen oder die Klamotten tragen die deine Geschwister vorher bereits trugen. Alleine aufzuwachsen ohne jemanden zu haben mit dem man die Eltern ärgern  oder geheime Dinge austauschen konnte, fehlte damals in meinem Leben. Ich muss zugeben, ich habe oft meine Freundinnen beneidet, die Geschwister zu Hause hatten. Aber andererseits haben die mich oft um mein Einzelkind da sein beneidet. Vielleicht war es ganz einfach egal welche Situation man vorfand, man wollte wahrscheinlich immer das Gegenteil davon haben. Geschwister wären lieber Einzelkinder, Einzelkinder hätten gerne Geschwister, Frauen mit lockigen Haaren wollen lieber glatte und Frauen mit glatten Haaren wollen lieber Locken. So oder so, war man nie zufrieden. Ich beschloss kurzerhand einen unbezahlten Urlaub zu nehmen und nach Vancouver zu fliegen. Am nächsten Tag überfiel ich meinen Chef mit meiner kurzfristigen Planung. Natürlich war er ganz und gar nicht davon begeistert und bohrte nach. „Also Chrisi, du bist dir ganz sicher das dieser Detektiv auch koscher ist? Ich will nur nicht, dass du am Ende vor einer Enttäuschung stehst und dafür noch einen Haufen Geld ausgegeben hast. Keine Frage, ich kann dich absolut verstehen, ich würde es auch wissen wollen, aber es fällt mir wirklich schwer dich für eine unbekannten Zeitraum freizustellen.“ Mein Chef, der nicht gerade unattraktiv war, mit seinen einen Meter und achtzig, sportlicher Figur und lockigen braunen Haaren, setzte mit seinen braunen Kulleraugen einen Hundeblick auf, den er über die Jahre perfektioniert hatte. Am Anfang meiner Tätigkeit bei dieser Firma, war ich ein wenig verliebt in ihn, was aber ohne Zukunft war, da er glücklich verheiratet und Vater zweier bezaubernder Töchter von drei und fünf Jahren war. Mein schlechtes Gewissen meldete sich kurz, aber ich wollte mich nicht von diesem Hundeblick einwickeln lassen und zeigte ihm meine Entschlossenheit mit fester Stimme. „Ja ich weiß Karl und es tut mir auch furchtbar leid dass das alles sehr kurzfristig passiert, aber ich muss es tun, auch auf die Gefahr hin das sich dieser Detektiv geirrt hat.“ Mit einem lauten Seufzer, stellte Karl mich frei. Juhu.     Ein Flug nach Vancouver, den ich noch am selben Tag buchte, schmälerte mein Sparbuch schmerzhaft. Die nötigsten Dinge, die man für eine Reise benötigte, waren für eine Frau, die eigentlich nie weiß was sie einpacken soll, in Rekordzeit gepackt. Denn die Reise begann bereits am nächsten Tag.  Aufgeregt verabschiedete ich von meinen Eltern. Immer ermunterten sie mich diesen Schritt zu gehen und nun, da es soweit war, sprachen ihre Gesichter eine andere Sprache, auch wenn sie ihre Gefühle mir gegenüber zu unterdrücken versuchten und würden es auch nie zugeben. Sicher fühlten sie die gleiche Angst, wie ich bis dato. Wir könnten uns verlieren. Danach wäre nichts mehr wie zuvor und dieses Wissen konnte einen schon beängstigen. Ich war überzeugt davon, dass dies nicht geschehen würde, trotzdem verließ mich mein schlechtes Gewissen nicht. Mit beruhigenden Worten versuchte ich ihre Sorgen zu mildern. Lange würde ich sowieso nicht weg sein und die wichtigsten Menschen in meinem Leben waren hier in Deutschland und nicht in Kanada. Daran würde sich niemals etwas ändern. Zumindest ging ich zu diesem Zeitpunkt davon aus.  Die Reise dauerte gefühlte fünfzig Stunden, obwohl es nur ein zwölf Stunden Flug war. Mein Gefühlsmäßiges Innenleben war in Aufruhr. Ich war nervös und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was würde ich vorfinden? Mir war schon ganz übel vor Aufregung und ich vergaß sogar für diese Stunden meinen Tagtraum Prinzen.  Von der Ankunft in Vancouver selbst, bis hin zur Abholung meines Gepäcks und Finden eines Taxis, bekam ich so gut wie nichts mit. Erst als ich in dem Taxi ein wenig zur Ruhe kam, konnte ich den Ausblick genießen und Vancouver erst richtig wahrnehmen. Es war eine tolle Stadt. Multikulti dynamische bot sie einem alles. Einige Informationen holte ich mir über das Internet. Einige Infos besaß ich ja schon vorab, aber ich fühlte mich wirklich von dieser Stadt eingenommen, wie zu Hause angekommen.  Selbst Norfolk, die Stadt in der ich mit meinen Adoptiveltern einen Teil meiner Kindheit verbrachte, kam mir bereits wie in einem anderen Leben vor und diese Zeit war bei weitem noch nicht sehr lange her und ich hatte mich dort nie zu Hause gefühlt was die Stadt betraf.  So viele Eindrücke die mir bekannt vorkamen. Ich konnte es mir selbst nicht erklären, aber es war einfach so. Das Taxi fuhr mich direkt vom Flughafen in die Granville Street 156, in der sich die Adoptionsagentur befand. Mit der gespiegelten Glasfront und den gradlinigen Strukturen, gab sich das Gebäude absolut professionell und rein geschäftsmäßig. Vor dem Eingang drehte ich mich einmal um mich selbst und bekam große Augen, von hier aus konnte man sogar das beeindruckende Gebäude des Orpheum Theaters sehen. Wie ein Schwamm sog ich alles Gesehene in mir auf. Meine Nerven waren bis auf das äußerste gespannt, meine Hände feucht vor Nervosität und mein ganzer Körper zitterte leicht. Ich hoffte nicht vor dem Gebäude zusammen zu brechen und an einem Herzinfarkt zu sterben. Das wäre ein absolut unpassender Augenblick, jetzt wo ich so kurz vor meinem Ziel stand. Die elementarste Frage die sich mir heute stellte war, würde ich heute alles erfahren worauf ich schon so lange wartete? Oder stellte sich das Ganze als dummen Irrtum heraus? Gott, stand ich hiernach wieder am Ende einer Sackgasse? Meiner Sackgasse? Und würde ich danach die Kraft finden von neuem zu beginnen? So wie im Erdgeschoss angeschrieben fuhr ich mit einem gläsernen Aufzug in die siebte Etage. Hier durfte man eindeutig keine Höhenangst haben.  Alles sah so elegant aus. Ich kam mir wie ein kleines Schulmädchen vor, das mit einem zwiespältigen Gefühl, als ob man zum Schuldirektor musste und Weihnachtsgeschenke aufmachen gleichzeitig, den Gang entlangwanderte.  Möglichst leise verlies ich den Aufzug und ich lief auf einen dunklen Teppich entlang, der gnädig jeden meiner Schritte schluckte. Mein Herz raste wie wild. Ich hatte das Gefühl als würde es gleich aus meinem Hals hüpfen. Eine Million Fragen surrten durch meinen Kopf, nicht eine Sinnvolle und  mir wurde doch tatsächlich leicht schwindelig.  Unsicher machte ich mich auf die Suche nach der Eingangstüre zur Adoptionsagentur.  Ich mochte es nicht gerne in ein Gebäude zu gehen in dem ich mich nicht auskannte, was meine noch immer vorhandene Nervosität nicht einfacher machte. Die Wände, die in einem hellen Beigen Ton gehalten waren und an denen in regelmäßigen Abständen Bilder von Vancouver selbst platziert worden waren, zogen vorbei an mir wie in einem unwirklichen Traum. Doch ich hatte nicht die innere Ruhe sie mir anzusehen. Ich wollte jetzt nur noch so schnell wie möglich erfahren, wo sich meine Familie befand und alles hinter mich bringen. Ein Schild Adoptionsagentur wies mir die Richtung. Wenigstens war ich schon einmal im richtigen Stockwerk. Mit einer schnellen Bewegung wischte ich mir an meiner Hose die klebrigen, feuchten Handflächen ab, mit wenig Erfolg. Ich schluckte schwer als ich vor dem Eingang zur Agentur stand. Mein Herz pochte wie wild, normalerweise hätten die Angestellten alleine vom wilden schlagen meines Herzens auf mich aufmerksam werden müssen. Zaghaft klopfte ich. Niemand meldete sich mit einem herein. „So ein Mist, reiß dich zusammen McKenzie, sei nicht so ein verdammter  Schiesser!“ Fast verwegen klopfte ich erneut. Und schrak zusammen, denn es war etwas zu laut ausgefallen. Die denken bestimmt, dass eine Irre vor ihrer Tür steht, schoss es mir voller Panik durch den Kopf. Die setzen mich bestimmt gleich wieder vor die Türe. Von einem Bein auf das andere zappelnd versuchte ich mir eine glaubhafte Ausrede einfallen zu lassen. Ich könnte aber auch schnell weglaufen und später wieder zu kommen und dann musste ich nur so tun als ob ich von nichts wüsste. Oh Gott, oh Gott, oh Gott, was mach ich bloß? Ich erzähl denen einfach, dass mein Flieger verspätet gelandet ist, das wäre doch eine gute Ausrede. Irgendetwas würde mir da schon einfallen. Da drang auch schon das zuvor vermisste „herein“ an mein Ohr. Zu meiner Verwunderung hörte es sich absolut freundlich an. Eilig wischte ich meine erneut verschwitzten Hände ab. Meine rechte Handwanderte zitternd wie bei einer alten Frau in Richtung Türklinke. Bevor ich sie jedoch berührte wischte ich sie mir noch schnell mal mit einer fahrigen Bewegung an meiner Hose trocken. So ein Mist, konnten die nicht mal trocken bleiben? Dann nahm ich total verkrampft die Klinke in die Hand und plötzlich schoss mir wie ein kurzer Stromstoß, ein Gefühl der Angst und gleichzeitig auch der Vertrautheit durch meinen Körper. Ein Bild meines Tagtraummannes schob sich kurz vor mein inneres Auge. Es sah aus als ob er mir zuwinken würde. Verstört wich ich einen Schritt zurück und zog meine Hand von der Klinke weg. Langsam schwang die Türe auf. Verwirrt blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte die Türklinke an. Was zum Teufel war das denn gerade gewesen? Hatte ich mich auf den Weg hierher an dem Teppich so sehr aufgeladen, dass so etwas passieren konnte? Aber diese Gefühle? Das war schon mehr als seltsam gewesen. Ich wurde durch ein „Ja bitte“, aus meinen Gedanken gerissen. Immer noch verwirrt und mit einem verlegenen Lächeln betrat ich den Empfangsbereich der Agentur, dabei stolperte ich auch noch über meine eigenen Füße und rammte die Eingangstüre mit meiner Schulter ganz auf, so das sie mit Schwung nach innen, ganz auf und gegen die Mauer knallte. Ich konnte mich gerade noch so auf den Füßen halten. Man wie peinlich war das denn? Nun stand ich mit hochrotem Kopf und verwirrt vor einer jungen hübschen Brünetten. Sie sah mir mit ihren leuchtend blauen Augen freundlich entgegen. Verlegen stammelte ich ein „sorry“ vor mich hin und suchte das Loch in das ich versinken konnte. Doch die junge Frau lächelte mich weiter an.  In Gedanken betete ich dafür dass ich nicht gleich in Ohnmacht falle. In meinen Kopf versuchte ich meine Gedanken wieder zu ordnen. Beweg dich vorwärts, freundlich Lächeln und vergiss das Atmen nicht, damit du nicht doch noch umkippst, flüsterte meine innere Stimme und im nächsten Moment stand die Empfangsdame schon vor mir. „Hallo ich bin Emily Ryan und sie sind wahrscheinlich Chrisi McKenzie?“ Sofort merkte ich wie die Anspannung von mir abfiel und ich mich wieder ohne Probleme auf die wesentliche Sache konzentrieren konnte. „Ja“, antwortete ich ihr mit einer etwas kratzigen Stimme. „Schön sie persönlich kennenzulernen. Ich hoffe sie hatten einen guten Flug?“ Nach einem kurzen räuspern antwortete ich ihr. „Es war o.k.“ Meine Stimme klang langsam wieder wie meine eigene. „Kommen sie doch rein Ms McKenzie. Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee, Wasser oder Saft?“ „Saft wäre schön.“ Oh Gott, was redete ich nur? Saft wäre schön, so was Blödes. „Bringe ich ihnen sofort, wenn sie bitte in der Zwischenzeit bis Mrs. Stevens so weit ist, hier Platz nehmen würden? Sie führt gerade noch ein Telefonat.“ Sie deutete auf eine rote, gemütlich aber teuer aussehende Sitzgarnitur. Schnell nickte ich ihr zu und setzte mich artig darauf. Wieder war das Schulmädchen da. Tief atmete ich durch und ich lehnte mich zurück. Die Sitzgarnitur sah nicht nur gemütlich aus, sie war es auch. In den nächsten Minuten lenkte ich mich damit ab, wie komfortabel doch diese Couch war und was diese denn im Laden kostete. Ich wollte nicht über das seltsame nachdenken was gerade beim Eintreten passiert war. Vielleicht stand ich auch nur zu sehr unter Spannung, was ja in dieser Situation kein Wunder wäre. Mit einem Lächeln wie aus der Zahnpasta Werbung kam Emily zurück und brachte mir in einem aussehenden Kristallglas meinen Apfelsaft. Ich bedankte  mich dafür und nahm sofort einen großen Schluck davon um die Trockenheit die sich vor lauter Aufregung gebildet hat zu verbannen und dabei gab ich peinlichst darauf Acht mich nicht auch noch zu verschlucken. Mit Sicherheit würden die es mir übel nehmen, wenn ich den guten Apfelsaft auf die bequeme Couch spuckte. Und ich hatte für so etwas definitiv das Talent dazu.  „Mrs. Stevens ist gleich soweit, es dauert nur noch einen kleinen Moment.“ Mit einem Lächeln, das wahrscheinlich wie eine Monsterfratze rüberkam, nickte ich Emily zu. „Bitte Gott lass es  nicht mehr lange dauern, sonst platze ich noch“, betete ich leise vor mich hin. Zu meinem Glück meinte es Gott ausnahmsweise gut mit mir und erhörte mein flehen. Die schwere Holztür zum angrenzenden Büro ging auf und eine rassige rothaarige Frau, die ohne Probleme als Model durchgehen konnte, betrat den Raum. Ihr Blick heftete sich sofort an mir fest und sie steuerte, mit einem ebenso freundlichen Lächeln wie Emily anfangs, auf mich zu. Schnell sprang ich auf. Dabei achtete ich aber peinlichst darauf von dem Apfelsaft nichts zu verschütten, den ich immer noch in der Hand hielt, da ich keine Flecken auf den Glastisch hinterlassen wollte.  Neben dieser Frau kam ich mir mit meinen normal dunkelblonden, schulterlangen Haaren und meinem nichtgerade durchtrainierten Körper, wie das hässliche Entlein höchstpersönlich vor. Ein wenig Neid stieg in mir auf. Sie überragte mich um eineinhalb Köpfe und hatte Traummaße was ihren Körperbau betraf. .  „Hallo Ms Mc Kenzie, ich bin Jessica Stevens, schön sie kennenzulernen.“ Überschwänglich schüttelte sie mir meine Hand. „Ich hoffe ich habe sie nicht all zulange warten lassen?“ Schüchtern wie ein Kleinkind schüttelte ich den Kopf und brachte kein Wort hervor. Gott, was war nur mit mir los? „Schön, dann folgen sie mir bitte in mein Büro.“ Während wir uns auf den Weg ins Büro machten, sprach sie ohne Unterbrechung weiter. Wie denn mein Flug gewesen wäre, dass das Wetter heute hervorragend wäre usw., usw. Irgendwie konnte ich ihrem Gespräch aber nur schwer folgen, denn mich interessierte nur eines und auf das würde sie erst kommen, wenn wir in ihrem Büro waren. Doch dann wechselte Mrs. Stevens urplötzlich das Thema und ich wurde hellhörig. „Also Ms. McKenzie, durch ihre Angaben die sie und ihr Detektiv mir ja schon telefonisch durchgaben, sind wir mit unseren Nachforschungen schon ein gutes Stück weiter gekommen. Und ich habe auch noch eine Überraschung für sie, ihre Schwester wird auch bald hier eintreffen, das ist schon mal vorab die gute Nachricht für sie.“ Als ich das hörte, stieg mein Puls wieder schlagartig auf 380 an. Ich hatte tatsächlich eine Schwester die ich gleich kennenlernen sollte. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Sie war, bald standen wir uns persönlich gegenüber. Ob sie älter oder jünger war als ich?  Allerdings war mir auch nicht der mit einem gewisse Unterton in ihrem,  „das ist schon mal die gute Nachricht“ entgangen. Was mich doch ein wenig beunruhigte. Schnell lief ich die drei Schritte zu Mrs. Stevens rüber und fragte nach. „Was heißt das genau bitte? Gibt es auch eine schlechte Nachricht für mich?“ fragte ich vorsichtig nach. Ich hoffte inständig dass sie diese Frage verneinen würde. Aber diesen Gefallen tat sie mir leider nicht. „Ja leider Ms. Mc Kenzie. Aber darauf würde ich gerne näher eingehen wenn ihre Schwester Helen auch anwesend ist, was jeden Moment der Fall sein dürfte.“ In meinem Bauch machten sich, bei dem Gedanken daran, gleich meine Schwester zu treffen, Glücksgefühle breit. Ihr Name war also Helen. Ich hatte eine Schwester mit dem Namen Helen, dass alleine war doch schon total genial. Wie sie wohl aussah?  Unruhig rutschte ich auf dem sehr bequemen roten Sessel, auf dem ich in der Zwischenzeit Platz genommen hatte und in Mrs. Stevens Büro stand  hin und her. Der Chef dieses Agentur stand wohl offensichtlich auf Rot. Mrs. Stevens setzte sich hinter ihren großen modernen Schreibtisch und wollte gerade etwas sagen, als die sympathische Stimme von Emily aus einer Sprechanlage erklang.  „Mrs. Stevens, Ms. Seale ist jetzt eingetroffen.“ „Ah ja, begleiten sie doch Ms. Seale bitte gleich in mein Büro Emily.  Danke.“ Mrs. Stevens stand von Bürosessel auf und ging zur Türe die auch schon, nach einem kurzen klopfen,  von außen geöffnet wurde. Dummerweise stand Mrs. Stevens so, dass ich nicht an ihr vorbei sehen konnte. Selbst als ich mich nach links beugte konnte ich nur den Zipfel einer schwarzen Jacke sehen. So ein verdammter Mist. „Hallo Ms Seale, schön sie wieder zu sehen.“ Hörte ich sie reden. Angestrengt lauschte ich. Ein nervöses Räuspern drang an mein Ohr. „Hallo Mrs. Stevens, ja ich freue mich auch. Ist meine Schwester Chrisi schon da?“ Sie wusste meinen Namen. Mein Herz machte einen Freudensprung. Nun hielt mich nichts mehr auf meinem Sessel und ich sprang förmlich auf,  meinen Blick wie gebannt auf den Rücken von Mrs. Stevens gerichtet. Sie hatte auf die Frage nur genickt, lächelnd wahrscheinlich und machte endlich einen Schritt zur Seite mit einer Handbewegung in meine Richtung. Da stand sie, meine Schwester Helen. Ein dicker Kloß wuchs in meinem Hals, ich schluckte schwer. Doch ich konnte die Tränen die sich nun mit aller Macht einen Weg nach draußen bahnten nicht mehr zurückhalten. Helen und ich rannten beide heulend und mit offenen Armen  aufeinander zu und begrüßten einander herzlich umschlungen. Schluchzend hörte ich sie sagen, „Oh mein Gott, ich kann es nicht glauben, ich habe dich wirklich gefunden! Ich hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben.“ Wir drückten uns noch fester aneinander. Ich wollte sie nie mehr los lassen. Ich brachte nur ein herzzerreißendes „Mhm“ hervor, zu mehr war ich in diesem Moment nicht im stande. Mein Körper bebte vor Glück und Erleichterung, dass meine Schwester ebenso froh über dieses Zusammentreffen war wie ich. Wir lösten uns voneinander, hielten uns aber weiterhin an den Händen fest. Durch einen Schleier von Tränen sahen wir uns in die Augen. Mir wurde es vor Freude innerlich heiß und kalt zugleich. Ich konnte dieses Wunder immer noch nicht fassen.   Helen konnte sich also noch an mich erinnern, somit musste sie älter sein als ich. Alleine diese Erkenntnis lies meine Freude ins unermessliche steigen. Helen hatte im Gegensatz zu mir schwarze Haare aber auch braune Augen. Dennoch sahen wir uns unheimlich ähnlich.  Nach einer gefühlt viel zu kurzen Zeit, sprach uns Ms Stevens an, doch erst beim zweiten Anlauf reagierten Helen und ich darauf. Mir fiel auf dass auch in Ms. Stevens Augen tränen schimmerten, was in mir wieder eine erneute Heulwelle lostrat. „Meine Damen es tut mir leid, ich möchte ihren trauten Moment nur ungern stören, doch ich habe gute Gründe die auch in ihrem Interesse liegen. Sie werden später noch erfahren welche. Ich habe noch ein paar Informationen für sie, die für sie beide sehr wichtig sind. Setzen wir uns doch bitte, dann redet sich es besser miteinander.“ Nur schwer konnten Helen und ich voneinander und von diesem Augenblick loslassen. Hand in Hand folgten wir der freundlichen Aufforderung. Wir setzten uns, doch meine Schwester und ich hielten uns weiterhin an den Händen fest. Mrs. Stevens räusperte sich und wurde als sie mit den Neuigkeiten zu berichten anfing wieder ganz geschäftsmäßig. Ich lächelte Helen überglücklich an und drückte sanft ihre Hand, was sie sofort erwiderte. „Ich freue mich wirklich für sie beide, dass sie sich nach so langer Zeit wieder gefunden haben und wir ihnen dabei behilflich sein durften und auch konnten.“ Mrs. Stevens machte eine kurze Pause und blätterte in ihren Unterlagen. „Leider muss ich ihnen beiden auch eine weniger schöne Nachricht mitteilen.“ Ein ungutes Gefühl beschlich mich, ein kalter Schauer rieselte mir den Rücken hinab. Mein Gefühl sagte mir dass das was jetzt auf uns zukam ganz und gar nicht gut war und am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, denn ich war gerade eigentlich sehr glücklich und wollte mir das durch nichts kaputt machen lassen. Aber es war wichtig diese Sache zu erfahren, um einen inneren Frieden zu finden. „Wie wir es besprochen hatten, haben wir natürlich auch nach ihren Eltern gesucht, und dabei herausgefunden dass ihre Eltern Jack und Catherine Rickwood, geborene Kilvert waren. Wie es ihnen wahrscheinlich schon aufgefallen ist, habe ich in der Vergangenheit von ihren Eltern gesprochen. Es tut mir so leid ihnen keine bessere Nachricht in dieser Angelegenheit überbringen zu können,  aber ihre Eltern sind damals leider bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen, was auch letztendlich der Grund für ihre Adoptionsfreigabe war. Es tut mir wirklich sehr leid. Gerne hätte ich ihnen eine bessere Nachricht, was ihre Eltern betrifft, überbracht.“ Mrs. Stevens ließ uns die Zeit, die wir benötigten um das gerade gehörte zu verdauen. Für einen Moment lang wusste ich nicht was ich fühlen soll. Ich hielt Helens Hand fest, dabei sahen wir uns für einen Moment an. Was wohl in Helens Kopf gerade vorging? Ich für meinen Teil wusste nicht, wie ich mit dieser Nachricht umgehen sollte. Einerseits sprachen wir gerade von meinen leiblichen Eltern und sie waren tot. Andererseits habe ich sie nie bewusst gekannt und es war so lange her. Doch die Endgültigkeit darin, sie auch nie mehr kennenlernen zu dürfen, machte mir mehr zu schaffen als ich mir selbst eingestehen wollte. Nach einer kurzen Pause sprach Mrs. Stevens weiter. „Ihre Eltern sind in Campbell River geboren und aufgewachsen, genauso wie sie Ms Mc Kenzie und Ms Seale in Campbell River geboren wurden.“ Campbell River. Das war mein Geburtsort. Hörte sich doch gut an. Chrisi Mc Kenzie, geboren in Campbell River, Kanada. Ich wandte mich an Ms Stevens. „Wo liegt dieses Campbell River denn eigentlich genau? Und wissen sie vielleicht etwas über die Umstände des Unfalls bei dem unsere Eltern ums Leben gekommen sind?“ „Campbell River liegt auf Vancouver Island. Es ist eine große und sehr schöne Insel vor Vancouver und auch geschichtlich gesehen schon das eine oder andere hinter sich hat. Was aber den Tod ihrer Eltern betrifft…. laut Polizeibericht konnte ich nur erfahren das die beiden in ihrem Haus bei einem Brand  im Schlaf ums Leben gekommen sind. Sie beide, Ms Mc Kenzie und Ms Seale haben nur überlebt, da sie in dieser Nacht bei ihrer Großmutter geschlafen haben und somit nicht zu Hause gewesen sind. Genauere Details weiß ich leider nicht. Aber es gibt einen Anwalt in Campbell River der ihnen vielleicht mehr dazu sagen kann, er hatte, soviel ich weiß, mit ihrer Großmutter Kontakt.“ Mrs. Stevens kramte in den Unterlagen und zog eine Visitenkarte hervor und drückte sie Helen in die freie Hand. „Rechtsanwalt Robert Mitchell“, las sie laut vor. „Bei diesem Anwalt sollten sie sich melden, der kann ihnen bestimmt mehr über den tragischen Hergang erzählen und wie alles zu der Adoption kam. Er war der Anwalt ihrer Großmutter gewesen.“  Helen und ich hielten uns noch immer fest an der Hand, so als hätten wir Angst davor, uns im nächsten Moment wieder zu verlieren. „Und hier muss ich ihnen leider noch etwas Trauriges mitteilen.“, fuhr Mrs. Stevens fort. „Ihre Großmutter mütterlicherseits, ist vor knapp zwei Wochen an einem Herzinfarkt gestorben.  Es tut mir wirklich sehr leid.“ Ich atmete tief durch. Wieso hatte ich die Suche nicht ein paar Monate früher in Auftrag gegeben? Dann hätte ich meine Großmutter noch kennenlernen dürfen. „Was die Hinterlassenschaft ihrer Großmutter betrifft, sie hat ihnen einiges in Campbell River hinterlassen. In dieser Sache sollten sie sich ebenfalls bei Mr. Mitchell so bald wie möglich melden, denn er ist ebenfalls auf der Suche nach ihnen, da sie beide die einzigen Nachkommen sind. Am besten suchen sie Mr. Mitchell bereits morgen auf, damit sie alles klären können. Jetzt wo sie beide sich nach so langer Zeit gefunden haben und ihnen dieses Erbe rechtlich zusteht.“ Geknickt senkte ich meinen Kopf.  Es war zu spät und vielleicht sollten wir sie einfach nicht kennenlernen? Schließlich wurde von ihrer Seite aus nie ein Suchauftrag gestartet. Nachdenklich sah ich Mrs Stevens an. „Wenn wir eine Großmutter hatten, warum hat sie uns dann nicht genommen als unsere Eltern gestorben waren?“ Auch Helen fragte, „Ja warum eigentlich nicht? Das ist eine gute Frage.“ Mrs. Stevens hob ihre Schultern. „Dazu kann ich leider nichts sagen, aber ich denke Mr. Mitchel der der persönliche Anwalt ihrer Großmutter war, kann ihnen auch dazu mehr mitteilen.“ Etwas enttäuscht über diese Antwort, nahm ich Helen die Visitenkarte aus der Hand und las zum wiederholten Male die Visitenkarte.                                              Robert Mitchel                                             Rechtsanwalt „Was ich ihnen aber noch über ihre Herkunft sagen kann, ist dass ihr Vater übrigens ein Eingeborener von Vancouver Island war. Er war ein Nuu-chah-nulth, ein stolzes Volk mit einer langen und interessanten Geschichte. Ich denke das sie Ms. Seale, wenn ich mir dieses Foto von ihren Eltern ansehe, was mir Mr. Mitchell zugesendet hat, dass sie nach ihrem Vater kommen dürften. Die schwarzen Haare, die braunen Augen. Aber der Rest des Gesichtes ist eindeutig ihrer Mutter zu zuschreiben.  Und sie Ms Mc Kenzie kommen vom Aussehen ebenfalls nach ihrer Mutter, die blonden Haare, doch die Farbe ihre Augen sind ebenfalls ihr Vater.“ Helen und ich stürzten und gleichzeitig auf das Foto das  Mrs. Stevens uns entgegenhielt. Mein Blick saugte sich an den Personen auf diesem Bild fest. Sie waren ein so hübsches Paar gewesen. Wie gerne hätte ich die beiden kennengelernt. Warum nur mussten sie sterben? „Gibt es denn von Mutters Seite noch Verwandte?“ hackte ich nach. Mrs. Stevens schüttelte den Kopf, „nein wir konnten leider keine weiteren Verwandten mehr ausfindig machen. Aber ich würde ihnen wirklich ans Herz legen, sich heute noch auf den Weg nach Campbell River machen. Sie würden noch leicht die Fähre um siebzehn Uhr dreißig erreichen. Morgen ist Freitag, da müsste Mr. Mitchel auf alle Fälle erreichbar sein, heute ist er soviel ich weiß nicht in seinem Büro mehr anzutreffen.“ Helen und ich sahen uns an, wir mussten nichts zueinander sagen, beide wussten wir dass wir uns mit absoluter Sicherheit heute noch auf den Weg nach Campbell River machen würden. Es war ein unglaubliches Gefühl, wir kannten uns erst seit ein paar Minuten, aber alles war so vertraut.

Helen hatte ihren VW Golf aus grauer Vorzeit in einem Parkhaus, nicht weit von der Adoptionsagentur geparkt. Gut dass ich nicht viel Gepäck dabei hatte. Alles Weitere konnten mir meine Adoptionseltern per Post zusenden, wenn nötig. Ein schlechtes Gewissen breitete sich in mir gegenüber den beiden aus. Doch sie hatten gesagt sie würden es verstehen und mich in allem unterstützen was nötig war um meine Vergangenheit aufzuklären. Ich schellte mich selbst, ich wollte damit doch nur mein schlechtes Gewissen wieder etwas beruhigen, was aber nicht ganz klappte. Die beiden waren so gut zu mir und ich verletzte sie zum Dank dafür damit, dass ich sie sogar verließ, auf der Suche nach meiner Vergangenheit. War das fair? Ich wollte auf alle Fälle so schnell wie nur möglich wieder Kontakt zu Mum und Dad aufnehmen und mit ihnen alles besprechen.

Helen und ich fuhren noch bei ihr zu Hause vorbei um ein paar Sachen zu holen. Sie hatte eine kleine Ein-Zimmerwohnung in einer netten Gegend von West End von Vancouver. „O.k. Chrisi wir haben noch ein wenig Zeit, hast du Hunger? Dann kann ich dir noch schnell ein Sandwich machen.“ Bot Helen an als wir in ihrer Wohnung standen und sie das Nötigste einpackte.  „Für ein größeres Gericht müsste ich erst einkaufen gehen, dafür fehlt uns aber leider die Zeit.“ Wie auf Kommando fing mein Magen zu knurren an. „Muss ich noch etwas dazu sagen? Ein Sandwich reicht vollkommen aus. Du kannst mich ja ein anderes Mal bekochen.“  Beide mussten wir herzhaft lachen. Eines stand fest, Helen und ich waren auf einer Wellenlänge. Uns verband etwas, was man nicht beschreiben konnte und was über die Jahre hinweg gehalten hatte. „Wenn du auf Fertiggerichte stehst? Dann gerne“, scherzte Helen. „Wenn das so ist, werde ich lieber das mit dem Kochen übernehmen. Magst du auch gute deutsche Küche?“ „Ich esse alles, solange ich es nicht selbst kochen muss“, schmunzelte Helen. Als ich meinen Magen mit Essen beruhigt hatte, machten wir uns schleunigst auf den Weg zur Fähre, die wir auf keinen Fall verpassen wollten. Ich war innerlich total aufgewühlt. Es war als ob Weihnachten wäre, ich mein Geschenk in den Händen halten würde aber noch nicht wusste was drin war. Es war unbeschreiblich toll dieses Gefühl. Wir fuhren  als zweites Auto auf die Fähre. Und das Ding war beim losfahren brechend voll. Die Überfahrt nach Vancouver Island dauerte ein klein wenig und somit hatten Helen und ich Zeit uns schon mal besser kennenzulernen. Wir stellten fest dass Helen zwei Jahre älter war, als ich. Somit hatte auch Helen nur leider bruchstückhafte Erinnerungen an unsere Eltern. Helen war von einer Familie in Vancouver adoptiert worden, die sie liebevoll großgezogen und auch verzogen haben, wie sie von sich selbst behauptete.    Die Fähre hatte gerade die Hälfte der Strecke nach Vancouver Island geschafft und wir beide lehnten entspannt an der Reling des Schiffes und sahen auf das Meer hinaus, als mir ganz unvorbereitet ganz komisch in der Magengegend wurde. So etwas kannte ich gar nicht von mir. Normalerweise konnte ich sogar bei schwerem Seegang in einem kleinen Boot mitfahren ohne dass mir schlecht dabei wurde, geschweige denn Seekrank. Dieses Unwohlsein entwickelte sein Eigenleben und wurde noch schlimmer. Plötzlich wurde mir schwarz vor  Augen und ich hatte das Gefühl in ein tiefes Loch zu fallen. Sekunden später, als sich mein Blick wieder klärte,  befand ich mich aus irgendeinen Grund auch immer, nicht mehr auf der Fähre sondern in einem kleinen Boot, das von einem windgepeitschten Meer wild hin und her geschaukelt wurde. Wie kam ich nur hier her? Mit aller Kraft krallte ich mich am Rand des Bootes fest und hielt verzweifelt Ausschau nach Helen. Wo war sie nur hingekommen? Ich kniff meine Augen ein wenig zusammen um besser sehen zu können, als ich meinen Traummann, keine hundert Meter von mir an Land stehen sah, den ich aber leider nur durch die hochpeitschende Gischt verschwommen erkennen konnte. Er hielt seine Hände wie einen Trichter vor den Mund und schrie mir etwas zu was von dem Wind von mir weggetragen wurde und ich einfach nicht verstand. In mir stieg eine unerklärliche und für mich auch gerade in dieser Situation unangenehme Hitze auf obwohl ich schon Pietsch nass war und ich eigentlich frieren sollte. Er fuchtelte wild mit seinen Händen herum und deutete mir an, ich sollte zu ihm an Land kommen. Sofort schaute ich mich im Boot nach den Paddeln um, die nicht aufzufinden waren. Somit war es für mich unmöglich nur ansatzweise in Richtung Land zu gelangen. Ich versuchte ihm mein Problem zuzurufen und er reagierte auch prompt.  Er sprang ins Wasser und versuchte mit großer Kraftanstrengung gegen die Wellen und der Strömung zu mir zu schwimmen. Es war irgendwie seltsam, aber ich fühlte mich sogar auf diese Entfernung hin sehr hingezogen zu ihm.  Er hatte das Boot schon fast erreicht, als ich von irgendetwas an der Schulter gepackt und durchgeschüttelt wurde. Ich blickte mich verwundert um, denn gerade eben war ich ja noch alleine auf dem Boot gewesen. Wer zum Teufel rüttelte den da auf einmal an mir rum? Und von einer auf die andere Sekunde stand ich wieder auf der Fähre. Es war wie verhext und ich war mehr als verwirrt. Helens Hand lag immer noch auf meiner Schulter und sie sah mich besorgt an.  „Chrisi ist alles in Ordnung mit dir? Du bist ganz blass, wirst du etwa See krank?“ Verwirrt sah ich mich um und fasste mir an die Stirn. „N..nein“, stotterte ich, „Es ist alles in Ordnung, ich hatte nur gerade so etwas wie… einen Tagtraum, …glaube ich.“ Ein breites Grinsen machte sich in Helens Gesicht breit. „Oh…, das hört sich etwas verrückt an wenn du mich fragst, aber wenigstens wirst du mir nicht krank. Wer weiß vielleicht liegt ja ein genetisch veranlagter Wahnsinn in unserer Familie?“, sagte Helen mit einem ironischen Unterton erleichtert. Erleichtert darüber das Helen mich nicht gleich einweisen ließ, lachte ich, noch immer etwas neben der Spur stehend, auf, „das würde ich doch nie wagen. Sag mal wie lange wird es noch dauern bis wir in Campbell River sind?“ Lenkte ich ab. Ich fühlte mich plötzlich sehr müde, was wahrscheinlich an der langen Anreise lag. Den kleinen Tagtraum verdrängte ich in den hintersten Winkel meines Gehirns, so etwas hatte im Moment keinen Platz in meinem Leben. Ich wollte voll und ganz die Zeit mit meiner Schwester genießen. Helen legte ihren Kopf schief und grinste mich verlegen an. „Weist du Chrisi, ich habe einen Orientierungssinn oder auch ein Zeitgefühl wie ein totes Schwein, musst du wissen. Ich weiß gerade mal wie lange ich von mir zu Hause aus bis in meine Arbeit brauche, und das auch nur, weil ich diese Strecke schon seit fünf Jahren fahre.“ Mitleidig sah ich Helen an und streichelte sie bemitleidenswert an ihrer Schulter. „Tja, das haben wir dann wohl beide von unserer Mutter vererbt bekommen. Unser Vater wird wohl als Ureinwohner den besseren Orientierungssinn gehabt haben. So wie es aussieht können wir nur darauf hoffen, mal jemanden kennenzulernen, der uns von A nach B bringen kann ohne sich zu verlaufen. Oder ist da bei dir schon jemand, der auf dich aufpasst?“ Machte ich geschickt eine Überleitung und fragte neugierig mit einem Augenzwinkern nach. Helen schüttelte den Kopf, „Nein, Mr. Right ist mir noch nicht untergekommen. Ich bin jetzt zweiunddreißig Jahre und schaffe es nicht einen Mann länger als drei Monate zu halten. Vielleicht liege ich ja mit meinen Ansprüchen einfach zu hoch?“  sagte sie etwas verunsichert. „Ha, soweit kommt es noch!“ platzte es aus mir empört heraus, „ nur weil alle Männer absolut verkorkst sind, und wir Wert auf Treue, Humor, Zuverlässigkeit und Vertrauen legen, soll die Schuld bei uns liegen? Mit Sicherheit nicht Ms Seale! Das Problem liegt einzig und allein nur bei den Männern. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben!“ Aufmunternd klopfte ich ihr dabei auf die Schulter. „Aber wir sollten die Hoffnung nie aufgeben, dass der Richtige doch noch irgendwo da draußen rumläuft und sich in unsere zärtlichen und verständnisvollen Arme verirrt.“ Fügte ich hinzu. Eine Durchsage des Fährenführers oder wie man zu so jemand sagt, unterbrach unser Gespräch und ließ uns aufhorchen.  Meine Damen und Herren, wir legen in ein paar Minuten in Nanaimo an. Wenn sich bitte alle Fahrer zu ihren PKW’s begeben, damit wir ohne Verzögerung entladen können. Schnell waren wir bei Helen‘s alten VW Golf. Die Fähre legte am Kai von Nanaimo an und die große schwere Eisenrampe wurde langsam herunter gefahren. Holprig sprang der Golf an und Helen fuhr ihn langsam über die Rampe auf das Hafengelände hinunter und dann etwas schneller weiter um auf einem Parkplatz zu parken. „Chrisi ich mache noch eine Pinkelpause und erkundige mich mal bei dem Kiosk da drüben wie wir am besten nach Campbell River kommen ohne uns zu verfahren, schließlich will ich nicht von einem Bären gefressen werden, nur weil wir nicht fähig sind den richtigen Weg zu finden. Kommst du mit?“ Ich grinste, „es geht doch nichts über Gruppenpinkeln. Natürlich komme ich mit und passe auf was wir für eine Richtung einschlagen müssen. Denn wenn du den Weg nicht mehr weist, dann bin ich unsere letzte Hoffnung.“ Neckte ich sie. Worauf ich eine rausgestreckte Zunge als Antwort bekam. Es war so weit, zum ersten Mal setzte ich meinen Fuß auf Vancouver Island. Es war ein komisches Gefühl. Es fühlte sich einerseits sehr vertraut an, wie sich ein „zu Hause“ eben anfühlen sollte aber andererseits war alles neu für mich. Trotzdem, ich konnte mich nicht daran erinnern, mich jemals an einem Ort so wohl gefühlt zu haben.  Auf dem Weg zum Kiosk blieb mir wieder wie aus dem nichts und ohne Vorwarnung die Luft weg. Mein Herz fing an zu rasen. Hastig versuchte ich tief Luft zu holen, dabei achtete ich darauf das ich hinter Helen blieb, sie musste das ja nicht schon wieder mitbekommen. Am Ende dachte sie wirklich noch das ich nicht ganz bei Trost bin.   Mir wurde kurz schwarz vor den Augen und wieder schob sich ein Bild von meinem Traummann vor mein geistiges  Auge. Wieder sah ich ihn nur in der Ferne. Er winkte mir zu. In meinem inneren wurde es unerwartet angenehm warm und es kribbelte als ob tausend Schmetterlinge in mir wären. Meine Atmung beruhigte sich bei seinem Anblick von alleine. Dann war das Bild auch schon wieder verschwunden, zusammen mit der angenehmen Wärme. In all den Jahren in denen ich diese Tagträume hatte, waren sie nie dermaßen intensiv gewesen und vor allem hatte ich dann die Kontrolle über meine Träume und nicht umgekehrt. Was war hier nur los? Machte das die neue Umgebung aus? Oder lag es ganz einfach nur am Jetlag? Zu meinem Glück, war Helen sehr auf ihre Mission als Fahrerin konzentriert gewesen so dass sie meinen Tagtraumanfall dieses mal nicht mitbekam. Tief atmete ich durch und versuchte dieses angenehme Gefühl von gerade eben wieder heraufzubeschwören, was mir aber leider, so sehr ich mich auch anstrengte, nicht gelang. Zweiundzwanzig Stunden ohne Schlaf waren eindeutig zu viel für mich.