Ein Wald mit Überraschungen - Andrea M. Schnell - E-Book

Ein Wald mit Überraschungen E-Book

Andrea M. Schnell

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Beschreibung

Franzi entdeckte während eines Spazierganges mit ihren Zwillingen im Wald nicht nur einen ausgesetzten Hund, sondern auch die Knochen einer Leiche. Durch diese Entdeckung kamen das Feldjäger-Kleeblatt und alte Bekannte wieder zum Einsatz. Einem Einsatz, bei welchem sich zu Beginn der Ermittlungen niemand solche Abgründe hätte vorstellen können.

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Seitenzahl: 450

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Andrea M. Schnell

Ein Wald mit

Überraschungen

Vier Freundinnen

stolpern über einen Mord

Regionalkrimi

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne Zustimmung der Autorin kopiert, nachgedruckt oder anderweitig verwendet werden.

Ähnlichkeiten mit Namen, lebenden oder verstorbenen Personen, Organisationen, Unternehmen, Begebenheiten, realen Handlungen und Schauplätzen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Impressum

Texte: © 2023 Copyright by Andrea M. Schnell

Umschlag:© 2023 Copyright by Andrea M. Schnell

Verantwortlich

für den Inhalt: Andrea M. Schnell

c/o JENBACHMEDIA

Grünthal 109

83064 Raubling

[email protected]

Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Das Buch

Nach der Rückkehr von Franzis zweiter Hochzeitsreise, bei der ihr Ehemann Bernd beruflich eine Woche länger in Sydney bleiben musste, versprach Franzi ihren Zwillingen Mia und Lea einen Besuch in einem Park am Bodensee. Bevor sie in den Park gingen, wollte sie mit ihren Zwillingen eine Runde um den in der Nähe liegenden Waldsee joggen. Als sie ein Geräusch hörten, gingen sie im Wald dem Geräusch nach und fanden nicht nur einen ausgesetzten jungen Hund … sondern stolperten in einen vierzehn Jahre alten unaufgeklärten Mordfall.

Über die Autorin

Die Autorin stammt aus Baden-Württemberg, ist dort aufgewachsen und lebt dort. Sie hat eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert und ist selbstständig. Verheiratet, Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Eine bekennende Teetrinkerin und begeisterte Krimileserin.

Inhalt

Impressum

Das Buch

Über die Autorin

Inhalt

Personenverzeichnis

Prolog

1. Kapitel – Franzi, Mia und Lea, Rückkehr aus Sydney

2. Kapitel – Franzi, Mia und Lea finden einen Hund

3. Kapitel – Ein Wald und ein Autorennen

4. Kapitel – Die Jäger formieren sich

5. Kapitel – Die Jagd beginnt

6. Kapitel – Nach der Tat

7. Kapitel – Der Bodensee hatte seinen Cold Case

8. Kapitel – Traum und Wirklichkeit

9. Kapitel – Neuigkeiten für den Witwer

10. Kapitel – Die Vergangenheit erhebt ihr hässliches Haupt

11. Kapitel – Es ist schlimmer als es scheint

12. Kapitel – Das Durchwaten des Sumpfes

Epilog

Danksagung

Personenverzeichnis

Kleeblatt

Olivia ›Oli‹ Scherer, Hauptfeldwebel bei den Feldjägern ›deutsche Militärpolizei‹

Franziska ›Franzi‹ Aberle, ehemaliger Feldwebel bei den Feldjägern, jetzt Zollinspektorin

Dana Schwarz, ehemaliger Feldwebel bei den Feldjägern, jetzt Kommissarin Wasserschutzpolizei

Emely ›Emy‹ Maibach, ehemaliger Feldwebel bei den Feldjägern, jetzt Kommissarin LKA

Partner und Kinder

Raphael Scherer, Hauptfeldwebel bei den Feldjägern, Ehemann von Olivia

Bernd Aberle, Architekt, Ehemann von Franziska

Mia und Lea Aberle, fünfjährige eineiige Zwillinge von Franziska und Bernd

Familie

Roland Scherer, Jurastudium, Erster Kriminalhauptkommissar und Simone Scherer, BWL Studium und Ausbildung zur Modedesignerin, Eltern von Olivia

Maria Meier, Mutter von Simone und Oma von Olivia

Hans und Sophie ›Sopherl‹ Scherer, Eltern von Roland, Großeltern von Olivia

Günther und Marlene ›Lenerl‹ Scherer, Eltern von Raphael

Christine ›Christel‹ und Ernst †2008 Baumann, Eltern von Franziska, Großeltern von Mia und Lea

Klaus und Elisabeth ›Lizzy‹ Aberle, Eltern von Bernd, Großeltern von Mia und Lea

Herbert und Doris Schwarz, Eltern von Dana, leben und arbeiten seit 2006 bei einer großen Deutschen Bank in Sydney, Australien

Waldemar und Margot Schwarz, Eltern von Herbert, Großeltern von Dana aus Tauberbischofsheim

Hugo und Claudia Forster, Eltern von Doris, Großeltern von Dana aus Heidenheim

Dieter und Ulrike Maibach, Eltern von Emely

Wilhelm und Helga Maibach, Eltern von Dieter, Großeltern von Emely

Rudolf und Gisela Locke, Eltern von Ulrike, Großeltern von Emely

Polizei Heilbronn

Friedrich Maurer, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, lebt in Überlingen

Markus Bader, Kriminaloberkommissar

Meike Fischer, Kriminalkommissarin

Susanne Hegel, Polizeiobermeisterin

Fabian Huber, Polizeimeister

Militärpolizei Ulm

Fabian Melzer, Hauptmann

Frank Mägerle, Hauptfeldwebel

Polizei Rottweil

Alfons Berger, Kriminalrat

Roland Scherer, Erster Kriminalhauptkommissar

Alexander Riedel, Kriminaloberkommissar

LKA Stuttgart

Tobias Mahler, Erster Kriminalhauptkommissar

Wasserschutzpolizei Friedrichshafen

Karlheinz Zöhnle, Polizeidirektor

Rainer Brandstettner, Polizeioberkommissar

Polizei Radolfzell

Franz Schmiederer, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand

Philipp Bauser, Erster Kriminalhauptkommissar

Helmut Richter, Kriminalhauptkommissar

Knut Hansen, Kriminaloberkommissar aus Heide

Finja Klain, Kriminaloberkommissarin

Sven Hirtle, Polizeioberkommissar

Katrin Schäfer, Polizeihauptmeisterin

Konrad Weber, Polizeihauptmeister

Pascal Schmied, Polizeimeister

Polizei Konstanz

Rainer Bleibtreu, Polizeihauptmeister Hundestaffel

Wasserschutzpolizei Konstanz

Herbert Wiegle, Polizeihauptkommissar

Prolog

Samstag, den 27. April 2002

Sabine Hoffmann, Kriminalkommissarin des LKA Stuttgart, wurde bei der Verfolgungsjagd eines Verdächtigen von diesem während eines Handgemenge eine Treppe in die U-Bahn hinuntergestoßen. Dabei brach sie sich das rechte Handgelenk und die rechte Kniescheibe. Seit Ende März war sie für vier Wochen in Reha in der Fach- und Kurklinik für Orthopädie Sanara in Aachstetten am Bodensee.

An diesem Morgen erhielt sie von Assistenzarzt Tristan Hertz die niederschmetternde Nachricht, dass ihr Knie noch nicht einsatzfähig ist und ihre Reha um zwei Wochen verlängert werden muss. Herr Hertz fragte sie, ob sie an diesem Abend mit ihm ausgehen würde, obwohl Sabine seinen Ruf als Frauenheld kannte, stimmte sie zu. Sie gingen mehrere Abende miteinander aus. Tristan wollte sie mit auf sein Zimmer nehmen, aber Sabine lehnte jedes Mal ab. Es ging ihr zu schnell.

Bei der nächsten morgendlichen Untersuchung entschuldigte sich Tristan mit Nachtschicht und vertröstete sie auf den nächsten Abend.

Beim Abendessen bemerkte Sabine, dass die attraktive Melissa Köhlmeer nicht mit an ihrem Tisch saß. Minette Konnor und Evelin Härbst warfen ihr die ganze Zeit über süffisante Blicke zu. Beide Damen hatten ebenfalls mehrere Abende beim Abendessen gefehlt. Sie hatte schon mehrfach beobachtet, dass Melissa hinter Tristan her war. Ihre polizeiliche Neugier war geweckt, sie blieb länger als geplant im Speisesaal. Von ihren vorherigen Rendezvous mit Tristan wusste sie, dass er immer um zweiundzwanzig Uhr in die Klinik zurückkam. Bevor sie auf ihr Zimmer ging, spazierte sie in Richtung Tristans Zimmer. Der Flur zu seinem Zimmer war dunkel, als sie wie erwartet Stimmen hörte. Sie versteckte sich hinter einer großen Pflanze. Tristan und Melissa kamen den Flur entlang, während er die Schlüsselkarte aus seiner Hosentasche zog und die Tür öffnete, küssten sie sich. Sich weiter küssend zog Tristan Melissa ins Zimmer.

Hinter ihr sagte plötzlich eine Frau: »Tja, unser guter Tristan hat ein reges Sexleben, der lässt nichts anbrennen. Nachschub gibt es hier reichlich und wenn er bei einer nicht zum Zuge kommt wie bei Ihnen, wartet schon die nächste. Machen Sie sich nichts draus, sehen Sie zu, dass Sie gesund werden, er ist trotzdem ein hervorragender Arzt. Leider mit der Moral eines Straßenköters.« Damit drehte sich Susi eine Krankenschwester um und ließ sie stehen.

Sabine kehrte in ihr Zimmer zurück und überlegte, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte, sobald sie ihn das nächste Mal sah.

1. Kapitel – Franzi, Mia und Lea, Rückkehr aus Sydney

Montag, den 22. August 2016

Franziska ›Franzi‹ Aberle war froh, dass sie bald wieder zu Hause waren. 24 Stunden mit fünfjährigen Zwillingen im Flugzeug eingesperrt, war eine ganz besondere Erfahrung. Seit zwei Stunden saßen sie auf ihrem Schoß und unterhielten sich mit Mr. Jonas Walker, einem Bankier aus London über das Tertiär Zeitalter. Sie wusste gar nicht, dass die beiden sich so gut auskannten, obwohl, eigentlich dürfte es sie nicht wundern. Seit sie letztes Jahr in die Vorschule kamen, waren sie eifrige Zuhörerinnen vom Telekolleg oder Informationssendungen. Kinderfilme interessierten vielleicht sie, aber den beiden waren sie zu langweilig.

Ihre Gedanken wanderten zurück. Vor etwas mehr als drei Wochen hatten sie und Bernd das zweite Mal geheiratet, was war das für eine Verschwendung von kostbarer Zeit, aber Bernd benötigte die Zeit. Vor sieben Jahren lernten sie sich kennen, ein Jahr später heirateten sie das erste Mal, ein paar Monate danach wurden die Zwillinge geboren. Ihr Glück dauerte nur etwas mehr als ein Jahr. Bernd wurde als Feuerwehrmann von der einstürzenden Hauswand eines brennenden Hauses unter sich begraben. Er war so schwer verletzt, dass sein rechtes Bein oberhalb des Knies amputiert werden musste. In der Reha reichte er die Scheidung ein, er konnte und wollte es seiner einzigen Liebe nicht zumuten, wegen seiner Behinderung, mit ihm verheiratet zu sein. Sie kämpfte gegen die Scheidung, aber Bernd zog sie durch. Allerdings hatte er nicht mit seiner Familie und seinen Freunden gerechnet und zum Schluss mit seinen Töchtern. Diese Hochzeit war schöner als alles, was sie sich jemals vorgestellt hatte, alle waren da. Mit allen waren ihre drei besten Freundinnen Olivia ›Oli‹, Dana und Emely ›Emy‹ aus ihrer gemeinsamen Bundeswehrzeit und deren Familien gemeint. Sie hatten es zu einem Fest gemacht, so unbeschreiblich schön und ihnen anschließend zu einem gemeinsamen Urlaub in Australien verholfen.

Bernd blieb eine Woche länger. Seine ehemaligen Studienkollegen John und Claire wollten, dass er als Architekt zu ihnen nach Sydney kam, aber sein Heimweh nach seinem geliebten Bodensee war stärker. Für sie würde es eine sehr lange Woche werden. Sie hatten so viel Zeit verloren, sie wollte nicht noch länger getrennt bleiben.

Sie hörte wieder ihren Mädchen zu. Oh mein Gott, jetzt fingen sie an, mit Mr. Walker die politische Lage in Afghanistan zu analysieren. Seit Oli als Soldatin von März bis Juli in Kabul in Afghanistan war, war es das vorherrschende Thema bei den beiden. Und seit sie Google Alerts für Afghanistan auf ihre Handys bekamen, waren sie bestens informiert.

Nicht nur für die beiden war Afghanistan das vorherrschende Thema, sondern wegen der beiden verheerenden Anschläge im Frühjahr in Kabul war es das auch für sie. Wie oft war sie bei Nacht am Wohnzimmerfenster gestanden und hatte Richtung Afghanistan geschaut und gebetet, dass Oli nichts passiert, als plötzlich zwei kleine Geister nach ihren Händen griffen und mit ihr zum Fenster hinausgeschaut hatten.

Sie driftete wieder in die Vergangenheit ab, genau genommen in das Jahr 2006.

Ihre drei Freundinnen und sie selbst, das Feldjäger-Kleeblatt, Franzi musste grinsen, hatten sich in der AGA der ›Allgemeinen Grundausbildung‹ der Bundeswehr kennengelernt. Sie trafen sich im April 2006 in einer Kaserne in Hessen. Sie waren alle vier SAZ12, Soldaten auf Zeit für 12 Jahre und in der gleichen Kompanie in einer Kaserne in Baden-Württemberg stationiert. Oli, Dana, Emy und sie waren auf einer Stube. Sie wurden zu besten Freundinnen, von ihren Kameraden mehr oder weniger liebevoll nur das Kleeblatt genannt.

Das änderte sich auch nicht, als Dana, Emy und sie selbst nach sechs Jahren 2012 die Bundeswehr verließen, um in ihren zivilen Berufen zu arbeiten. Zivile Berufe, ja klar. Sie grinste, Dana, die Dritte, ging zur Wasserschutzpolizei, Emy, die Jüngste, ging zum LKA und sie, die Älteste, ging zum Zoll. Sie wurde wieder ernst, nur Oli, die Zweite im Bunde, war immer noch bei der Bundeswehr. In Olis zweitem Einsatz in Afghanistan lernte sie ihren Mann Raphael kennen. Inzwischen war Oli genau wie Raphael Berufssoldat.

Wenn sie nur daran dachte, was Oli, Raphael, Olis Eltern, die Omas und Opas von Dana und Emy alles für sie und die Zwillinge taten. Als sie während der Trennung von Bernd an der Zollhochschule in Münster, ›die richtige Bezeichnung ist Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Finanzen‹ ihr duales Studium absolvierte. Sie würde es ihnen nie vergelten können.

Als die Ansage zum Landeanflug kam, tauchte sie aus der Vergangenheit auf. Die Zwillinge setzten sich auf ihre Plätze und schnallten sich an. Die Stewardess machte ihren Kontrollgang, um sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung sei. Sie sammelte die Tabletts ein und verließ die Businessclass. Hier in der Businessclass war es um einiges bequemer und geräumiger als in der Touristenklasse. An diese Art zu fliegen, könnte sie sich gewöhnen. Die Zwillinge verfolgten durch das Fenster die Landung. Mia saß eine Reihe vor ihnen, Lea neben ihr am Fenster. Während des gesamten Fluges saßen die Mädchen in einem Sitz oder auf ihrem Schoß. Nach der Landung verabschiedeten sich Franzi und die Zwillinge von Mr. Walker. Er gab ihr seine Visitenkarte und sagte, dass er alle paar Monate nach Sydney flog, vielleicht könnten sie einmal wieder zusammen fliegen. Er würde gerne den stolzen Vater der Zwillinge kennenlernen.

Sie warteten, bis die meisten Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, dann gingen sie ebenfalls. Nach der Kofferausgabe zog Franzi an jeder Hand einen Koffer hinter sich her. Rechts und links an jedem Handgriff des Koffers hielten sich die Mädchen fest und hüpften neben ihr her.

Als sie in einen Gang einbogen, in dem mehrere Zollbeamte bereitstanden, um die Einreisenden zu kontrollieren, sagte Mia: »Mama, sieh mal, da sind deine Kollegen«, und Lea entgegnete, »Mama, die haben einen Hund, so wie du auch mal einen Diensthund hattest.«

Nach dieser Aussage wurden die Blicke der Kollegen nicht mehr nur dienstlich, sondern auch neugierig. Sie nickten den Zollbeamten zu und gingen durch die Halle zum Ausgang. Jetzt einen Fahrer, ein Himmelreich für einen Fahrer.

»Mama guck mal, da sind Omili und Opili«, sagten die beiden synchron. Der Himmel hatte ihre Gebete erhört.

»Mama dürfen wir zu Omili und Opili?«

»Nein ihr bleibt bei mir, sie haben uns bis jetzt nicht gesehen und wir sind gleich bei ihnen, solange könnt ihr warten.«

»In Ordnung Mama.«

Als Omili und Opili sie entdeckten, waren die Zwillinge nicht mehr zu halten. Sie ließen die Handgriffe los und weg waren sie. Die beiden fingen in ihren Armen die Zwillinge auf. Omili und Opili waren Simone und Roland Scherer, die Eltern von Oli. Während Oli in Afghanistan war, wurden Simone und Roland für die Zwillinge Omili und Opili. Sie hatte die vier erreicht und wurde von Simone und Roland in einer liebevollen Umarmung zerquetscht.

»Euch schickt der Himmel, wenn ich mir vorstelle, dass ich jetzt noch nach Hause fahren müsste.«

»Gibst du mir deinen Autoschlüssel und deine Koffer. Wo hast du dein Auto stehen?«, Roland hielt ihr die Hand hin.

Sie gab ihm die Schlüssel und sagte ihm, auf welchem Parkdeck ihr Auto stand. Die Zwillinge hielten sich wieder an den Handgriffen der Koffer fest und hüpften neben Opili her zum Auto. Simone hakte sich bei ihr unter und die beiden gingen hinter den dreien her.

»Müde?«, fragte Simone.

»Ja, ich konnte nicht richtig schlafen, mir war es einfach nicht wohl allein mit den beiden zu fliegen. Ich hatte einfach zu viel Angst um sie. Ich weiß, in einem Flugzeug kann normalerweise nicht viel passieren, aber wer sagte, dass auf diesem Flug alles normal war.«

»Oh. Warum ist etwas passiert?«

»Nein, nein, keine Sorge, es war alles in Ordnung, aber mir war trotzdem unwohl. Bei uns in der Businessclass war nur noch Mr. Jonas Walker, ein Bankier aus London. Er hatte sich gleich zu Beginn vorgestellt. Bei unseren Gesprächen stellte sich heraus, dass er John und Claire und Johns Eltern kennt. Er hatte auch schon von Bernd gehört. Irgendwann bin ich dann doch eingeschlafen und als ich aufwachte, haben sich die beiden und Mr. Walker über das Tertiär Zeitalter unterhalten. Beim Abschied sagte er, wenn wir wieder nach Sydney fliegen und er auch, könnten wir zusammen fliegen. Die Gespräche mit den Zwillingen hätten ihn fasziniert und er würde sich freuen, Bernd kennenzulernen.«

»So wie ich dich kenne, wirst du, bevor du mit Mr. Walker nach Sydney fliegst, ihn von Emy überprüfen lassen, stimmt’s.«

»Oh Omili, wie gut du mich kennst.«

»Ich bewundere gerade deine Haarfarbe, durch die Sonne in Australien sind sie nicht mehr dunkelblond, sondern so hellblond wie von den Zwillingen. Wenn deine Haare wieder dunkler werden, solltest du dir unbedingt so helle Strähnen machen lassen, das würde super zu deinen blaugrünen Augen aussehen. Durch das dunkle Blau deiner Uniform mit einem bissle braunem Kajal werden deine Augen so blau wie deine Uniform. Mädchen Bernd wird dich nie wieder aus den Augen lassen.«

»Hoffentlich Omili. Hoffentlich.«

»Da brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Bernd wusste immer, dass er zu dir gehört. Der Unfall und sein Beinverlust haben ihn aus der Bahn geworfen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Nach dem Überfall auf mich schämte ich mich so wegen meines vernarbten Bauches, dass ich Roland dafür verantwortlich machte. Ich zog ihn mit einer Hand zu mir und mit der anderen prügelte ich ihn weg. Der arme Mann wusste nie, was ihn erwartete, wenn er abends nach Hause kam. Auch heute noch, wenn ich mich wegen der Phantomschmerzen winde, will ich ihn jedes Mal wegprügeln. Und im selben Moment an mich ketten. Dank euch haben wir es geschafft und seit die Kleinen meinen Bauch gesehen haben und ihn massieren, wenn ich mit ihnen bade, ist es auch für mich besser geworden.«

»Was, die Kleinen haben schon deinen Bauch gesehen?«

»Ja und glaub mir, zuerst habe ich mich so geschämt, aber du kennst sie ja. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, ziehen sie es durch.«

Sie hatten das Auto erreicht, Roland hatte die Koffer eingeladen, die Kindersitze auf dem Rücksitz befestigt und Mia in das Auto einsteigen lassen. Er hielt Franzi die Türe auf.

»Du musst leider in der Mitte sitzen.«

Sie stieg ein und setzte sich in die Mitte. »Kein Problem, aber wie seid ihr hergekommen.«

Simone setzte Lea in den Kindersitz. »Franzi, du musst müder sein, als du aussiehst. Wir sind gestern ganz entspannt mit dem Zug hergefahren, haben hier übernachtet und voilà da sind wir und Roland ist euer ganz persönlicher Chauffeur.« Sie schloss die Tür, setzte sich neben ihren Mann auf den Beifahrersitz und die Fahrt nach Rottweil konnte beginnen.

Franzi war glücklich, ihre Familie war gekommen und hatte sie abgeholt, jetzt konnte sie endlich richtig schlafen. Sie legte ihren Kopf an die Rücklehne, machte die Augen zu und schlief ein.

Dafür waren die Zwillinge umso aufgedrehter. Bis Stuttgart erzählten sie ohne Punkt und Komma über Sydney, über die Kängurus, über die Eastern Brown Snake. Die in Johns und Claires Garten aufgetaucht war und über die sie beim Spielen beinahe gestolpert waren, wenn nicht der Nachbarshund mit seinem Gebell John aufgeschreckt hätte. Von dem Hubschrauberflug und der Bootstour im Great Barrier Riff. Von dem Ausflug zum Ayers Rock, der Krokodilfarm, auf der Insel der Koala Bären. Sobald sie auf dem Spätzle Highway waren, der Autobahn von Stuttgart nach Singen, ging es den Zwillingen wie ihrer Mutter, sie legten die Köpfe an die Lehne und waren eingeschlafen. Als sie in Rottweil bei Roland und Simone zu Hause ankamen, schliefen alle drei tief und fest.

Simone und Roland trugen zuerst die Zwillinge ins Mädelszimmer. Simone fing an, die Zwillinge auszuziehen und ihnen Schlafanzüge anzuziehen, als Roland mit Franzi auf dem Arm hereinkam.

Er legte Franzi aufs Bett und ging nach unten in die Küche. Schaltete die Kaffeemaschine ein, holte zwei Tassen aus dem Schrank, und stellte Milch und Zucker auf den Tisch. Anschließend setzte er sich an den Tisch und wartete auf Simone. Der Hunger war ihm nach der Geschichte mit der Östlichen Braunschlange gründlich vergangen. Er machte das, was die Zwillinge in diesem Fall taten, er googelte nach der Schlange. Na toll, die zweitgiftigste Schlange der Welt und so ein Vieh war im gleichen Garten wie seine beiden kleinen. Sollte er jemals wieder nach Australien kommen, würde er dem Hund eine Monatsration Leckerlis kaufen. Nach einer Weile kam Simone in die Küche, als sie Rolands Gesicht sah, wollte sie wissen, was los sei. Roland stand auf und ließ zuerst Kaffee in die beiden Tassen laufen.

»Weißt du, was eine Eastern Brown Snake ist?«, er stand mit dem Rücken zu ihr vor der Kaffeemaschine.

»Ja klar, die zweitgiftigste Schlange der Welt, die lebt in Australien. Über die kannst du, wenn du Pech hast, in jedem Garten stolpern. Nur der Inlandtaipan ist giftiger. Der Küstentaipan ist die drittgiftigste Schlange der Welt, die gibt es aber nicht in Sydney.«

Er drehte sich mit den beiden Kaffeetassen in der Hand zu ihr um. »Was habe ich verpasst, woher weißt du das?«

»Du weißt doch, wenn du Nachtschicht hast, sehe ich gerne Reiseberichte an und da kommt eben so etwas, wenn von Australien die Rede ist. Die haben die meisten giftigen Tiere von der Welt, nicht nur Schlangen, sondern auch Spinnen und Quallen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Als ich hörte, dass sie nach Australien gehen, habe ich den vieren Aquaschuhe gekauft, damit sie im Swimmingpool nicht aus Versehen auf, wie heißt noch mal die Spinne, ja ebendiese Spinne treten. Sonst könnte es sein, dass sie sterben.«

»Ich weiß schon, dass in Australien, die weltweit giftigsten Schlangen leben, aber doch nicht in Sydney in einem Garten.«

»Weißt du mein Lieber, wir Menschen breiten uns auf der ganzen Welt rasant und rapide aus und der Lebensraum der Tiere wird immer kleiner. Da kann es schon passieren, dass du in Sydney mal eine Brown Snake im Garten hast. Du rufst den Notruf an. Dann holen die Profis die Schlange ab und bringen sie ins Outback. Genauso gut kann es sein, du sitzt nichts ahnend im Garten und plötzlich kommt ein Känguru angesprungen. So wie bei uns, wenn Füchse, Rehe oder Hasen im Garten herumrennen.«

»Simone, das ist doch etwas anderes, eine Eastern Brown Snake oder ein Fuchs im Garten«, Roland war sichtlich entrüstet.

Simone stand auf und setzte sich zu Roland auf den Schoß. »Roland, ich kann verstehen, dass du, seit dich die Kreuzotter als Siebenjähriger bei der Heuernte gebissen hat und du eine Woche im Krankenhaus warst, ein gestörtes Verhältnis zu Giftschlangen hast. Aber denk immer daran, der Hund hatte sie gewarnt und es ist ihnen nichts passiert.« Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und sagte eindringlich. »Es ist ihnen nichts passiert.«

»Mein Schatz, für mich sind Giftschlangen und Messer auf einer Stufe meiner persönlichen Gefährdungslage, da wird sich auch nie etwas daran ändern. Etwas anderes, was kochst du nachher? Die drei haben sicher Hunger, wenn sie aufwachen.«

»Ich mache ihnen Spaghetti Bolognese. Willst du das auch oder soll ich dir etwas anderes machen.«

»Nein, das ist ok. Aber ich gehe in die Dienststelle, wir haben einen neuen Fall hereinbekommen. Ich weiß noch nicht, bis wann ich heimkomme. Es kann später werden«, er hob sie von seinem Schoß und stand auf. Gab ihr einen Kuss und weg war er.

»Bis nachher«, rief ihm Simone nach. Sie holte die Zutaten aus dem Schrank und fing an zu kochen.

***

Um die Mittagszeit kam Roland in sein Büro, sein Kollege Oberkommissar Alexander Riedel war unterwegs. Er vertiefte sich in die Akten. Kurz vor Dienstschluss kam sein Vorgesetzter Kriminalrat Alfons Berger zu ihm ins Büro und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.

»Hallo Roland, sind deine Urlauberinnen gut angekommen?«

»Hallo Alfons. Ja, sie sind da, aber sie waren todmüde. Franzi ist schon in Frankfurt am Main eingeschlafen und bei den Zwillingen gingen in Stuttgart die Lichter aus. Wir haben alle drei ins Bett getragen und da schlafen sie immer noch.«

»Was haben die Zwillinge erzählt? Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie, ohne einmal Luft zu holen, den ganzen Urlaub geschildert haben«, sagte er grinsend. Alfons hatte im April am Girlsday die Zwillinge ebenfalls kennengelernt.

»Oh ja, das haben sie auch.«

Etwas an Rolands Tonfall machte Alfons stutzig. »Aber?«

»Die beiden haben bei John und Claire im Garten Fußball gespielt und sind beinahe über eine Eastern Brown Snake gestolpert. Sie haben die Schlange, die im Garten lag, angeschossen und der Ball ist an der Schlange liegen geblieben. Wenn der Hund des Nachbarn nicht gebellt hätte, hätte Mia den Ball weggekickt und wäre sofort gebissen worden. Durch das Gebell des Hundes haben sie gestoppt und im letzten Moment die Bewegung der Schlange gesehen. Die beiden haben sich taktisch zurückgezogen, währenddessen hat sich die Schlange verzogen. John hat das Department of Environment angerufen und die haben einen Mitarbeiter vorbei geschickt, der hatte die Schlange mitgenommen und im Outback ausgesetzt. Ich werde, sollte ich wieder nach Australien kommen, dem Hund eine Monatsration Hundeleckerlis kaufen.«

»Oh mein Gott. Da haben die beiden aber Glück gehabt. Übrigens, wenn du dem Hund Leckerlis kaufst, mach zwei Monatsrationen daraus, die zweite bezahle ich. Aber ich komme aus einem anderen Grund.«

Roland sah ihn fragend an. »Unser neuer Fall ist unspektakulär, ein ganz normales Betrugsverfahren.«

»Nein, ich komme aus einem anderen Grund. Du warst doch vor ein paar Wochen in Heilbronn, hast du da eine Kommissarin namens Meike Fischer kennengelernt?«

»Ja, ich kenne Meike. Was ist mit ihr? Ist ihr etwas passiert?«, fragte Roland alarmiert.

»Nein nichts dergleichen. Wusstest du, dass sie aus Schwenningen stammt?«

»Ja, weiß ich, letztes Wochenende waren wir am Samstag mit ihr in Schwenningen. An ihrem Haus mussten ein paar Reparaturen gemacht werden, anschließend blieb sie bis Sonntagabend bei uns. Aber du fragst doch nicht ohne Grund nach Meike.«

»Zum 1. Januar wird in Schwenningen die Stelle eines Kommissars frei. Meike hat sich auf die Stelle beworben und dich und Simone als Familienangehörige angegeben.«

»Das ging schneller als erwartet«, bevor Roland weiter reden konnte, klingelte das Telefon. Roland meldete sich, es war Meike.

»Hallo Roland, ich habe gerade mit Simone telefoniert, sie sagte, dass du arbeitest, und ich soll dir ausrichten, Franzi und die Zwillinge schlafen noch. Ich muss dir etwas sagen, ich habe mich auf die freie Kommissar-Stelle in Schwenningen beworben, wenn es klappt, bin ich ab Januar wieder zu Hause. Roland, ich habe dich und Simone als Familienangehörige angegeben. Ich weiß, es war voreilig, weil ich euch nicht gefragt habe, aber ich habe sonst niemanden. Ich hoffe, du bist nicht böse, weil ich das gemacht habe.«

»Meike, natürlich macht es mir nichts aus. Du weißt doch, du kannst jederzeit zu uns kommen. Unser Mädelszimmer ist immer für eine von euch hergerichtet. Ich sollte mich geehrt fühlen, dass du uns so vertraust und es ist nur ein Katzensprung von Schwenningen zu uns. Du kannst auch bei uns wohnen. Ihr müsst euch nur über die Zimmerbelegung einig werden, da halten wir uns raus.« Meikes lachen drang aus dem Hörer.

»Opili, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Franzi und die Zwillinge sind nicht so dick, die lassen mir noch ein Plätzchen.«

»Wieso, bist du schon da?«

»Ja, es ging wahnsinnig schnell, ich stehe bei euch vor dem Haus. Ich habe morgen mein Vorstellungsgespräch. Ich soll dir von Simone sagen, du sollst nicht so spät heimkommen.«

»Sag ihr, ich bin bald da. Aber Meike, was ist mit Markus.«

Meike lachte. »Roland, Markus und ich sind nur Kollegen, mehr nicht, aber bei Markus und Emy könnte sich etwas ergeben.«

Roland war überrascht, mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit.

»Meike bis nachher.«

»Bis nachher Opili.«

Alfons hatte mitgehört, er tat nicht einmal so, als ob er nicht zugehört hatte. »So, so Opili, das dürfte dann Tochter Nummer fünf werden.«

»Braucht sie nicht, ist sie schon«, grinste Roland. »Aber wir sind nicht die einzigen, vorletztes Wochenende waren wir alle bei Danas Großeltern in Tauberbischofsheim, das übernächste Wochenende sind alle bei Raphaels Eltern, demnächst sind sie bei Franzis Mutter, dann bei meinen Eltern. Oli meinte mal, Gott sei Dank hätte sie tolle Nachbarn, die ihren Garten pflegten, sie wären nie daheim, um sich darum zu kümmern. Sobald wir alle bei Oli sind, kommen jetzt noch ihre ganzen Nachbarn dazu, das wird monstermäßig. Du siehst, auf eine mehr kommt es bei uns nicht an.«

»Ich freue mich für Meike, dass sie wieder eine Familie hat. Ich kannte ihre Großeltern Matthias und Hedwig und ihre Mutter. Es war eine ganz normale Familie, bis Gudrun Mitte der 80er-Jahre Meikes Vater traf. Die beiden reisten von einer Demo zur nächsten. Seine Eltern waren Lehrer und in der Friedensbewegung engagiert, das hatte den jungen Mann geprägt. Als Gudrun das Abitur bestanden hatte, beschränkte sie als Erstes den Kontakt zu ihren Eltern auf ein Minimum. Nach dem Abitur begann sie Medizin zu studieren, nicht, weil es ihr gefiel, sondern weil Lutz es tat. Als Meike geboren war, kam sie ein paar Tage später zu ihren Eltern, gab ihnen Meike und die unterschriebenen Adoptionspapiere und verschwand auf nimmer wiedersehen. Schlimm wurde es, als Meike im Kindergarten war. Ihre Großeltern hatten ihr immer gesagt, dass sie Oma und Opa sind und ihre Eltern wären Ärzte in Amerika. Jemand hatte Gudrun in einem Krankenhaus als Assistenzärztin gesehen und es Meike erzählt, sie wollte unbedingt ihre Mutter kennenlernen. Also fuhren Matthias und Hedwig mit Meike zu Gudrun, der Besuch war ein Fiasko, was genau passierte, wusste niemand. Matthias und Hedwig gingen am nächsten Tag zum Notar und enterbten Gudrun. Später erfuhr ich, dass Gudrun Angst hatte, entführt zu werden oder schlimmeres. Sie wollte Meike nicht in Gefahr bringen und grub deshalb den uralten Paragrafen aus, mit dem sie enterbt werden konnte. Gudrun wollte, dass es von diesem Tag an in dem Haus keine Gudrun mehr gab. Wenn man Meike fragte, wo ihre Mutter sei, sagte sie immer im Himmel. Danach fragte niemand mehr nach Gudrun. Von diesem Augenblick an war sie tot. Ich habe Hedwig am Anfang ihrer Demenz einmal im Pflegeheim besucht, sie hatte gerade einen ihrer lichten Momente. Sie erzählte, dass Gudrun wollte, dass sie allen erzählen sollten, sie hätten keine Tochter. Gudrun gibt es nicht mehr, Gudrun ist tot. In diesem Moment kam Meike zur Tür herein, als sie hörte, was ihre Oma mantraartig wiederholte, verließ sie fluchtartig das Zimmer. Ich bin hinterher, habe sie aber nicht mehr gesehen. Sie muss in einem anderen Zimmer verschwunden sein. Ich ging zurück zu Hedwig, sie war wieder in ihrer eigenen Welt, dann habe ich mich verabschiedet, das bekam Hedwig nicht mehr mit. Sie redete ununterbrochen auf Gudrun ein. Nach diesem Besuch habe ich nach Gudruns Meldedaten gesucht. 2001 haben sie sich in Deutschland abgemeldet, wohin sie gingen, wurde nicht vermerkt.«

»Hört sich traurig an.«

»Ja, das ist es auch, deswegen bin ich froh, dass sie sich bei euch so wohlfühlt. Wenn etwas sein sollte und du Hilfe brauchst, kannst du dich jederzeit bei mir melden. Du und Matthias, ihr hättet euch verstanden. Matthias war noch ein Polizist alter Schule, der auch mal alle fünf gerade sein lassen konnte. Es gab niemanden, der ihn nicht leiden konnte. Und auch Hedwig war eine Seele von einer Frau. Wenn du mal nach Schwenningen kommen solltest, frag mal, wer immer die ganzen Kuchen gebacken hatte. Und wer heute noch davon schwärmt. Ich gehörte übrigens auch dazu. So, ich gehe dann mal und du solltest auch Schluss für heute machen, deine ganzen Mädels warten daheim auf dich.« Alfons stand auf und wollte gehen.

Roland hielt ihn mit den Worten zurück. »Was machst du heute Abend, hast du keine Lust, mit mir zu kommen. Simone hat Spaghetti gekocht, die reichen sicher für ein Regiment Soldaten.«

Alfons winkte ab, verneinte und verabschiedete sich.

Roland beendete seine Dateien, fuhr den Computer herunter und verließ die Dienststelle. Zu der späten Stunde war er schnell zu Hause. Er freute sich auf seine Mädels, ob sie inzwischen wach waren. Im Haus war es ruhig und dunkel, der Duft des Essens stieg ihm in die Nase, prompt fing sein Magen an zu knurren. Er suchte Simone, in der Küche und im Esszimmer war sie nicht, sie lag auf dem Sofa und schlief. Wo war Meike? Er ging zurück in die Küche, nahm sich etwas zu essen. Als er gegessen hatte, ging er zu Simone, nahm sie auf den Arm und ging mit ihr ins Schlafzimmer.

***

Am nächsten Morgen wurden Simone und Roland von zwei kleinen Geistern mit nassen Küssen geweckt.

»Guten Morgen Omili und Opili, ihr müsst ganz schnell aufstehen. Mama hat Frühstück gemacht und wir haben ganz viel Hunger.«

»Ja, wenn das so ist, dann kommen Opili und ich gleich zu euch in die Küche. Geht ihr schon vor, wir kommen gleich nach.« Es dauerte doch noch eine Weile, bis Omili und Opili in der Küche erschienen. Nach einem gemütlichen Frühstück verabschiedete sich Franzi und fuhr mit den Zwillingen nach Hause.

Meike konnte sich noch etwas Zeit lassen, sie hatte erst später ihren Termin in Schwenningen. Nach dem Termin würde sie noch einmal vorbeikommen, bevor sie zurück nach Heilbronn fuhr.

2. Kapitel – Franzi, Mia und Lea finden einen Hund

Samstag, den 27. August 2016

Franzi stand in ihrer Küche und richtete das Frühstück und die belegten Brote, die sie später mitnehmen wollten. Sie hatte Mia und Lea einen Ausflug auf den Bodanrück versprochen. Der Bodanrück war eine Halbinsel, die den Überlinger See, im Volksmund Obersee genannt, und den Untersee teilte. Die beiden waren noch im Badezimmer. Franzi hatte ihren Laptop auf dem Tisch stehen und wartete auf eine Skype Nachricht von ihrem Mann Bernd.

In diesem Augenblick öffnete sich das Skype-Fenster, und ein lächelnder Bernd erschien auf dem Bildschirm.

»Morgen, mein Schatz, hast du gut geschlafen?«

»Morgen mein Lieber. Ja, danke, du auch? Aber du fehlst mir. Ich bin froh, wenn du am Dienstag wieder hier bist. Warte, ich rufe die Mädels, die sind noch oben.«

Franzi ging in den Flur und rief: »Mia, Lea, kommt ihr! Papa ist auf Skype.«

Zwei paar kleine Füße stürmten die Treppe herunter und riefen synchron: »Papa, Papa, nur noch dreimal schlafen, dann bist du wieder hier. Du Papa, wir fahren nachher mit Mama in einen Park. Wir werden rutschen und klettern und ganz viele Tiere füttern. Was machst du heute? Musst du heute auch arbeiten? Hast du schon wieder Kängurus gesehen?« Und so ging es weiter, Fragen über Fragen.

Bernd und Franzi sahen sich an und ließen die Zwillinge reden. Nach einer Viertelstunde verabschiedete sich Bernd von seinen drei Frauen.

Nach dem Frühstück fuhren sie Richtung Konstanz, um in den Wald zu kommen. An der Abzweigung, die zum Bodanrück führte, fuhr Franzi noch etwa zehn Kilometer weiter, um an den Waldsee zu gelangen. Der Waldsee war ein kleiner See im Landkreis Konstanz. Ihre beiden Mädels waren die reinsten Energiebündel und würden, wenn sie jetzt schon in den Park kämen, nach zehn Minuten zu Matschmonster mutieren. Sie wollte mit den beiden die acht Kilometer um den See herum joggen, vielleicht würden die beiden im Park etwas ruhiger sein. Hoffentlich. Mama konnte schließlich hoffen.

Franzi fuhr auf den Parkplatz und die drei liefen los. Sie waren ungefähr 500 m gelaufen, als Franzi bemerkte, dass ihre zwei nicht in ihrer gewohnt lauten Art rannten, sondern leise wie Soldaten. Franzi hielt an und stoppte die beiden mit Handzeichen. Die beiden hielten ebenfalls an. »Wieso rennt ihr plötzlich so leise?«, fragte sie.

Das Mia Lea Pingpong begann.

»Weißt du Mama, wir waren mit Robi und Sebi im Wald«, fing Mia an.

Lea beendete: »Wir lernen, wie man sich leise anschleicht und leise rennt.«

»Woher wisst ihr, dass die zwei das können?«, wollte Franzi wissen.

»Der Papa von Robi hat uns gesagt, dass die zwei beim KSK ›Kommando Spezialkräfte‹ sind und jetzt gerade Urlaub haben.«

Lea redete weiter: »Und die zwei zeigen uns, wie sich KSKler im Wald verhalten. Gell, Mama, wir sind schon richtig gut?«

Franzi wollte gerade antworten, als sie aus dem Wald ein leises Winseln hörten. Sie liefen lautlos durch den Wald auf das Winseln zu. Oh, nein, das durfte doch nicht wahr sein? Ein kleiner Hund lag auf dem Boden und winselte leise, bellen konnte das arme Tier nicht. Die Besitzer hatten das arme Tier an einen Baum gebunden und die Schnauze mit Paketband zusammengeklebt. Sie legte den Rucksack neben das Tier, Mia kniete schon neben dem kleinen Hund auf dem Boden und fing an, mit ihren kleinen Händchen an dem Paketband zu rubbeln. Lea hatte die Leine vom Baum gelöst, sie stand wie ein kleiner Soldat daneben und beobachtete die Gegend. Woher hatte sie auf einmal diesen Ast, den sie wie eine Waffe in der Hand hielt? Wenn die Gesichter und Augen ihrer Töchter ein Spiegelbild ihres eigenen Gesichtes war, dann Gnade dem Besitzer Gott. Der könnte etwas erleben. Sie nahm ihr Messer aus ihrem Rucksack und begann, dem kleinen Tier mit Mias Hilfe das Klebeband vorsichtig von der Schnauze zu entfernen. Das Tierchen war so entkräftet, dass es nur kurz die Augen geöffnet und sie angesehen hatte, dann hatte es die Augen wieder geschlossen. Mia streichelte und redete beruhigend auf das kleine Tier ein.

Sie waren fast fertig mit dem Entfernen des Klebebands, als Lea sich plötzlich bemerkbar machte. »Mama, sieh mal, da ist ein Loch und das da drin ist ein Oberschenkelknochen von einem Menschen.«

Franzi konnte gerade noch das Messer festhalten, es wäre ihr bei diesen Worten beinahe aus der Hand gefallen. Sie setzte ihre Arbeit mit dem Klebeband fort, allerdings veränderte sie ihre Position, um, um den Baum herum sehen zu können. Dabei entdeckte sie ein Loch, in dem der Knochen lag. Anscheinend hatte das kleine Tier in seiner Verzweiflung den Boden aufgescharrt und so den Knochen freigelegt.

Sie sah zu Lea, die mit ihrem Handy telefonierte und aus Mias Hosentasche deren Handy fischte. Sie hörte, wie Lea einer Frau schilderte, was passiert war und kurz das Gespräch unterbrach, um auf Mias Handy herumzuwischen. Lea gab der Frau die Koordinaten durch. Endlich hatten sie den kleinen Hund befreit. Sie holte ihre Wasserflasche aus dem Rucksack und fing an, dem kleinen Hund Wasser ins Maul zu träufeln. Sie verstaute ihre Wasserflasche, hängte sich den Rucksack über die Schulter und trug den Hund zurück auf den Weg, wie sie es als Diensthundeführerin bei den Feldjägern gelernt hatte. Lea hatte von der Rettungsaktion Fotos gemacht, ebenso von dem Loch, in dem sich der Leichnam befand. Auf dem Weg warteten sie auf die Polizei. Lea schickte ihre Fotos an die Handys ihrer Mutter und ihrer Schwester. Sie gaben dem kleinen Hund mehr Wasser, Mia holte ihr Brot aus ihrem Rucksäckchen und fing an den Hund mit der Wurst von ihrem Brot zu füttern.

»Mia, gib ihr nur Stückchen und mach dazwischen eine Pause. Und gib ihr immer wieder etwas zu trinken, von allem etwas, aber nicht zu viel. Ich weiß nicht, wie lange sie schon nichts mehr zu fressen und zu trinken bekommen hat, nicht dass sie alles spuckt.«

Mia nickte nur und tat, was Franzi ihr sagte. Lea stand daneben, um zu helfen, wenn sie gebraucht wurde.

Franzi gab Lea ihr eigenes Brot. »Wenn nachher die Polizei kommt, gehe ich mit einem der Polizisten in den Wald und ihr bleibt mit dem kleinen Hund bei dem anderen Polizisten. Auftrag erkannt.«

»Jawohl!«, kam es zweistimmig zurück.

Als Erstes kamen zwei Polizisten, sie stellten sich als Polizeihauptmeister Konrad Weber und Polizeimeister Pascal Schmied vor. Franzi wollte, wie sie es gesagt hatte, mit einem der beiden in den Wald, um ihm das Loch mit der Leiche zu zeigen.

Als Lea plötzlich sagte: »Ihr dürft da aber nichts zertrampeln, die von der Spusi haben es nicht gern, wenn ihre ganzen Spuren zerstört werden.«

Die beiden Polizisten sahen Lea an, als ob sie nicht sicher waren, ob sie auch wirklich das gehört hatten, was sie sagte.

Franzi ging mit Polizeihauptmeister Weber zu dem Grab.

Plötzlich hörte sie eine Frauenstimme, die sagte: »Bist du wahnsinnig, was willst du von mir? Ich habe dir doch nichts getan, also was soll das?«

Franzi fragte Herr Weber, ob er etwas gehört hatte.

»Nein, Ihre Töchter haben nicht gerufen.«

Sie hörte wieder diese Stimme, die immer wieder dasselbe sagte: »Bist du wahnsinnig, was willst du von mir? Ich habe dir doch nichts getan, also was soll das?«

Das war es also, was Emy und Oli in Jacobssteig gehört hatten, als Chrissi um Hilfe rief. Was würden die anderen sagen, wenn sie ihnen erzählte, dass sie jetzt ebenfalls Geister hörte.

Sie fragte im Geiste: »Wer bist du und wer will etwas von dir? Sage es mir, wer will etwas von dir?«

Aber alles, was sie hörte, war.

»Bist du wahnsinnig, was willst du von mir? Ich habe dir doch nichts getan, also was soll das?«

Sie war etwas entfernt von dem Baum, an dem der Hund angebunden war, stehen geblieben und zeigte auf die Stelle, an der sie den Knochen gefunden hatten. Herr Weber ging zu dem Baum und besah sich das Grab, gleichzeitig telefonierte er.

Polizeimeister Schmied blieb bei Mia, Lea und dem Hund zurück. Mia und Lea erzählten, was sie erlebt hatten.

Polizeihauptmeister Weber und Franzi kamen zu den Mädchen und dem Polizisten zurück. Innerhalb von kürzester Zeit waren die Spurensicherung, ein Arzt und zwei Kriminalkommissare da. Oberkommissar Knut Hansen hatte schwarze Haare und blaue Augen, er war bestimmt nicht aus der Gegend. Dazu war sein Hochdeutsch zu akzentfrei und Oberkommissarin Finja Klain, klein war die Frau Oberkommissarin ganz sicher nicht. Sie war mindestens zehn Zentimeter größer als Franzi und beinahe so groß wie Kommissar Hansen und sie sprach Deutsch mit Bodensee Dialekt.

Polizeihauptmeister Weber ging mit Oberkommissar Hansen in den Wald, um ihm das Grab zu zeigen. Oberkommissarin Klain ließ sich von Franzi und den Mädchen erzählen, was sie erlebt hatten, danach wollte sie wissen, wann Franzi aufs Kommissariat kommen könnte.

»Wir fahren ohnehin nicht mehr in den Park, dann können wir auch nachher zu Ihnen aufs Kommissariat kommen und auf dem Kommissariat warten, bis Sie hier fertig sind. Ich habe nur eine Frage, was machen wir mit dem Hund. Ich war Diensthundeführerin bei den Feldjägern, möchten Sie die Hündin mitnehmen oder sollen wir sie nach Radolfzell bringen?«

»Wenn Sie sich mit Hunden auskennen, können Sie den Hund mitnehmen. Ihre Töchter scheinen den Hund zu lieben.«

Beide Frauen sahen zu den Mädchen und dem kleinen Hund. Das würde etwas werden, wenn sie ihnen sagte, dass sie den Hund nicht behalten würden. Diese Hündin könnte einmal ein hervorragender Diensthund werden, vielleicht sollte sie mit ihrem Vorgesetzten reden, dass er die Hündin im Auge behielt.

»Wenn Sie uns nicht mehr brauchen, würde ich gerne mit den Mädchen gehen. Sie haben jemanden für die Hündin?«

»Ja, wir haben jemanden, der sich um die Hündin kümmert. Er wird sie in Radolfzell erwarten. Bis nachher.« Die Kommissarin verabschiedete sich und ging mit Polizeimeister Schmied in den Wald.

Franzi ging mit den Mädchen und der kleinen Hündin zurück zum Auto. Die Mädchen wollten wissen, was mit dem Hündchen passierte. Als Franzi ihnen sagte, dass auf der Dienststelle ein Polizist wartete, der die Hündin in Empfang nehmen würde, waren beide enttäuscht, dass sie das Hündchen nicht behalten dürften. Bis Franzi ihnen erklärte, dass diese Hündin einmal ein ausgezeichneter Diensthund werden könnte, waren sie zufrieden.

***

<Sprachnachricht Mia – Wir haben vorhin im Wald einen kleinen Hund und eine Tote gefunden. Die ist aber schon ganz alt, das sind nur noch Knochen. Lea füttert gerade mit dem einen Polizisten den kleinen Hund. Mama und ich haben ihr schon die ganze Wurst von unseren Broten gegeben, jetzt bekommt sie Leas Wurst. Das Hündchen ist ein Malinois Mädchen, das ist ein Belgischer Schäferhund und sie ist noch sehr jung. Mama sagte, sie sei höchstens elf Monate alt. Mama weiß das, sie war Hundeführerin bei den Feldjägern. Sie war bestimmt ein Weihnachtsgeschenk, das im Weg war, weil die in den Urlaub wollten>

<Sprachnachricht Opili – Hallo Mia, wie geht es euch? Wo seid ihr und wo ist die Mama>

<Sprachnachricht Mia – Hallo Opili, uns geht es gut. Aber dem kleinen Hundemädchen geht es gar nicht gut. Sie ist ganz dehydriert und ausgehungert. Warum machen Menschen so was>

<Sprachnachricht Opili – Mia, wo seid ihr zwei und wo ist die Mama>

<Sprachnachricht Mia – Mama ist mit dem anderen Polizisten bei den toten Knochen. Und wir müssen mit dem Polizisten bei dem Hundemädchen bleiben. Wir dürfen nicht mehr zu den Knochen. Wir wollen doch Pathologinnen werden, da müssen wir das doch ansehen>

Ihre Entrüstung war über das Handy zu hören.

<Sprachnachricht Opili – Mia wo genau seid ihr und wo habt ihr die Tote gefunden>

<Sprachnachricht Mia – Mama will mit uns in den Park in Konstanz und weil wir nachher nicht als Matschmonster die Mama blamieren sollen, hat sie uns um den Waldsee gejagt. Sie wollte uns auspowern. Pssst, Opili, du darfst Mama aber nicht sagen, dass sie die Einzige ist, die ausgepowert wird. Sie ist nun mal keine zwanzig mehr>

Das Schulterzucken und das verständnisvolle Nicken der beiden ist ebenso wenig zu sehen, wie der Hustenanfall des Polizisten zu hören ist.

<Sprachnachricht Opili – Mia schick mir eure Koordinaten, Omili und ich kommen so schnell wie möglich zu euch. Du meldest dich wieder, wenn ihr weggeht, damit wir euch nicht verfehlen>

<Sprachnachricht Mia – Opili wir werden nachher sicher zu der Polizei nach Radolfzell müssen. Wir sind doch wichtige Zeugen, wir müssen eine Zeugenaussage machen. Aber zuerst müssen der Gerichtsmediziner, die KTU, die Spusi und deine Kollegen kommen, dann werden wir vernommen. Du Opili fragst du Mama, ob wir das kleine Hundemädchen behalten dürfen. Bei uns hat sie schon nein gesagt. Aber wenn du sie fragst, sagt sie vielleicht ja>

Man hörte ihr die Sehnsucht an, mit der sie den Hund behalten wollte.

Roland und Simone stiegen ins Auto und fuhren über den Spätzle Highway Richtung Singen und dann weiter nach Radolfzell.

<Sprachnachricht Opili – Omili und ich sind unterwegs, wir kommen so schnell wie möglich zu euch. Mia, wegen des kleinen Hundes kann ich dir nicht helfen. Wie sagt deine Mama immer, wenn sie nein sagt? Gesetz ist Gesetz und du weißt, dass ich mich als Polizist an das Gesetz halten muss>

Er warf Simone einen Blick zu und sah, dass sie eifrig schrieb. Er flüsterte: »Die anderen.«

Sie flüsterte zurück: »Ja alle«, das bedeutete Olivia, Dana und Emely vom Kleeblatt, Raphael der Ehemann von Oli. Bernd, der Vater der Zwillinge und endlich wieder Ehemann von Franzi und Opa Friedrich, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, sowie die anderen Omas und Opas.

<Sprachnachricht Mia – Leider. Ich frage Opa Hans und Opa Klaus, die helfen uns bestimmt. Opa Günther und Opa Friedrich frage ich nicht. Opa Friedrich ist auch Polizist und Opa Günther sagt immer, sein Sohn wäre Militärpolizist, da müsse er sich auch an das Gesetz halten. Aber Opa Hans und Opa Klaus sind keine Polizisten, die brauchen sich nicht an das Gesetz zu halten>

Opili verbiss sich das Lachen, Omili biss sich in die Innenseite ihrer Wangen, um nicht laut loszulachen.

<Sprachnachricht Opili – Mia, die beiden müssen, sich ebenfalls an das Gesetz halten, die dürfen auch nicht machen, was sie wollen. Weißt du, wenn Omili bei Oli nein sagte und ich hätte ja gesagt, sie hätte mir den Kopf abgerissen. Glaub mir Mia, ich hänge an meinem Kopf>

Neben ihm gluckste Simone und flüsterte: »Ich stelle mir dich gerade ohne Kopf vor.«

<Sprachnachricht Mia – Opili fährst du Auto? Du darfst doch nicht telefonieren, wenn du Auto fährst. Das ist doch verboten>

<Sprachnachricht Opili – Mia, ich weiß. Ich spreche mit dir über die Freisprechanlage>

<Sprachnachricht Mia – das ist auch verboten. Das darfst du nicht. Das ist Gesetz. Bis nachher. Pass auf beim Fahren. Ende und aus>

»So Herr Kriminalhauptkommissar telefonieren während des Autofahrens ist verboten. Das ist Gesetz.« Simone lachte lauthals los und Roland stimmte in ihr Gelächter ein. »Oh mein Gott, wie ich die beiden liebe. Roland, du musst den dreien unbedingt helfen. Ich schreibe schon die ganze Zeit mit Bernd. Er ist aus dem Häuschen, er versucht einen früheren Flug zu bekommen, aber in der Ferienzeit ist das unmöglich. Claire und John machen alles, um ihn zu beruhigen. Warte, ich lese dir vor, was die anderen alles geschrieben haben.«

<Text Opa Friedrich – Bin unterwegs, fahre direkt nach Radolfzell>

<Text Oli – Raphael und ich kommen>

<Text Dana – Komme>

<Text Oma Christel – Zimmer sind gerichtet, ihr könnt alle zu mir kommen>

<Text Emy – Komme auch. Markus und Meike sind bei mir, sie wollen auch mitkommen. Bis nachher>

<Text Doris – Herbert und ich sind unterwegs zu Bernd. Wir holen den Jungen zu uns und setzen ihn am Montag wie geplant ins Flugzeug nach Frankfurt. Wir sorgen dafür, dass er keine Dummheiten macht>

<Text Bernd – danke an euch alle. Doris, lieb von euch, dass ihr mich zu euch holt. Ich verspreche keine Dummheiten zu machen, aber ich mache mir Sorgen um meine drei Mädels>

<Text Doris – Bernd, wir verstehen dich alle nur zu gut. Denk immer daran, deine Mädels sind nicht allein>

Innerhalb kürzester Zeit waren alle unterwegs. Dana, Oli und Raphael, Emy, Meike und Markus fuhren nach Singen. Roland, Simone und Friedrich waren unterwegs zur Polizei nach Radolfzell. Danas Eltern Herbert und Doris fuhren von einem Stadtteil Sydneys in den anderen, um Bernd zu ihnen nach Hause zu holen.

Polizeidienststelle Radolfzell

Die Mädchen waren auf der Fahrt unnatürlich ruhig gewesen. Sie kümmerten sich rührend um die kleine Hündin. Sie wollten sie auf dem Rücksitz zu sich nehmen, aber Franzi blieb hart, die Hündin musste in den Kofferraum. Während der ganzen Fahrt redeten sie dem kleinen Tier beruhigend zu.

Auf dem Parkplatz des Polizeireviers Radolfzell wartete ein Polizist auf sie. Er stellte sich als Polizeihauptmeister Volker Bleibtreu von der Polizeidirektion Konstanz vor.

Mia und Lea blieben im Auto sitzen, um nicht zusehen zu müssen, wie ihr kleines Hundemädchen von einem fremden Mann weggeführt wurde.

Franzi warf den beiden immer wieder Blicke zu, aber die beiden reagierten nicht darauf.

Der Polizeihauptmeister sah Franzi an. »Kann es sein, dass Ihre Töchter die Hündin am liebsten selbst behalten würden?«

Was sollte Franzi dazu sagen, also sagte sie nur: »Ja, leider können wir sie nicht nehmen. Ich war früher bei den Feldjägern Diensthundeführerin und arbeite jetzt beim Zoll in Singen, deswegen würde nichts dagegen sprechen. Aber mein Mann ist Architekt und wird in Zukunft zwischen Singen und Sydney hin und her reisen. Was glauben Sie, wie die beiden reagieren, wenn ich ihnen sage, dass wir wegen der Hündin nicht nach Sydney fliegen können? Wie schnell würden sie die Hündin hassen und genau deshalb geht es nicht. Es ist besser, sie sind jetzt eine Weile beleidigt, das legt sich wieder. Ich frage meinen Vorgesetzten, vielleicht kann ich die beiden einmal mit zu uns nehmen und ihnen zeigen, wie die Hunde beim Zoll arbeiten und wie viel Zeit man für einen Diensthund investieren muss. Das wird sie kurieren.«

»Wenn Sie wollen, können Sie mit Ihren Töchtern auch einmal vorbeikommen, damit die beiden sich persönlich davon überzeugen können, dass es der Hündin gut geht.«

»Ja danke, das wäre eine Möglichkeit, so nun scheuche ich die beiden aus dem Auto, damit sie sich von der kleinen Hündin verabschieden. Schmollen können sie nachher immer noch.«

Sie ging zum Auto und öffnete die hintere Türe auf der Beifahrerseite. »Raus hier, aber flott. Ihr könnt euch jetzt noch von der Hündin verabschieden, sie muss zum Tierarzt und ihr wollt doch sicher nicht, dass es ihr euretwegen schlechter geht?«

Die beiden waren blitzschnell aus dem Auto gesprungen und rannten zu der Hündin. Sie knieten auf den Boden und vergruben ihre Gesichter im Fell der Hündin. Die Hündin fing an zu winseln und drückte sich an die beiden. Nach einer Weile standen die beiden auf und gingen zurück zum Auto.

Franzi und der Diensthundeführer verabschiedeten sich, sie sah zu, wie die Hündin im Kofferraum in eine Transportbox gesteckt wurde. Anschließend winkte sie ihm nach, als er vom Parkplatz fuhr. Sie ging zum Auto und setzte sich auf den Fahrersitz, drehte sich um und sah ihre Töchter an.

Mia schluchzte: »Mama, wenn es das Hundemädchen nicht schön hat, was dann?«

Lea schluchzte ebenfalls: »Dann holen wir sie zu uns und verstecken sie.«

Franzi holte tief Luft. »Herr Bleibtreu hat mir versprochen, dass ihr die Hündin besuchen könnt, allerdings, nur wenn sie in Konstanz ist. Wenn sie als K-9, das ist die Diensthunde Bezeichnung, tauglich ist, bekommt sie einen Hundeführer und muss nach Rottweil zur Ausbildung.«

Franzi beobachtete, dass ein schwarzer Mercedes auf den Parkplatz fuhr und die Kommissare Hansen und Klain ausstiegen und zu ihnen hinüberblickten.

Franzi sah ihre zwei an. »Auf geht’s Mädels, die Kommissare sind da, wir müssen zu ihnen.«

Die beiden sahen sie an, nickten und fragten synchron: »Mama, ist die Ausbildung für unsere Hündin schwer?«

»Es werden hohe Erwartungen an die Hündin, aber genauso an den Diensthundeführer gestellt und beide kommen mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben in Kontakt. Je nachdem wofür sie eingesetzt wird, kann sie zur Verfolgung von Straftätern, oder als Drogen oder Sprengstoff Suchhund in den allgemeinen Polizeidienst kommen. Ihr seht also, auf die Hündin kommt sehr viel zu und wir können das nicht machen. Ich wäre wochenlang auf Lehrgang und käme nur am Wochenende nach Hause und das gerade jetzt, wenn ihr in die Schule kommt. Und was ist, wenn ich wochenlang weg wäre und euer Vater müsste für Wochen nach Sydney, wo würdet ihr bleiben? Eure Omas und Opas sind alle noch zu jung, um zu Hause zu bleiben, sie müssen alle arbeiten. Ihr wärt allein, ich glaube nicht, dass es euch gefallen würde, wenn ihr in ein Internat müsstet. Würdet ihr das wollen?«

Beide hatten immer entsetzter ausgesehen, jetzt schüttelten sie synchron den Kopf. »Nein, das würde uns nicht gefallen, es ist viel schöner, wenn du und Papa hier seid. Dürfen wir wirklich unser Hundemädchen besuchen, wenn sie wieder in Konstanz ist? Meinst du, sie kennt uns noch?«

»Ja, sie kennt euch noch, Tiere vergessen nichts und was ihr für sie gemacht habt, das wird sie nie vergessen. Ihr werdet sehen, wenn ihr sie das nächste Mal seht, wird sie euch immer noch erkennen. So, aber jetzt müssen wir zu den Kommissaren, sie warten auf uns.«

***

Franzi und die beiden gingen in das Polizeigebäude, im Eingangsbereich wartete Kommissarin Klain auf sie und ging mit ihnen in die erste Etage in ihr gemeinsames Büro. Kommissar Hansen stand auf und deutete auf die Stühle vor den Schreibtischen. Franzi setzte sich und nahm auf jeden Schenkel einen Zwilling.

Kommissar Hansen begann mit der Befragung. »Frau Aberle, können Sie uns erzählen, was passiert ist. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir die Befragung aufzeichnen?«

»Nein, ich habe nichts gegen eine Aufzeichnung.« Franzi fing an zu erzählen, wie sie durch den Wald joggten, kurz stehen blieben und dann den Hund winseln hörten. Wie sie und Mia ihn losgebunden und von dem Klebeband um sein Maul befreit hatten. Und wie Lea plötzlich sagte, dass hier ein Loch ist und ein Oberschenkelknochen darin liegen würde.

»Wie bitte?« Die Kommissare sahen die drei an.

Lea antwortete: »Ja, ich habe aufgepasst, dass niemand kommt und Mama und Mia etwas passiert, während sie den Hund befreiten. Dabei habe ich das Loch mit dem Os Femoris, das ist ein Oberschenkelknochen, darin entdeckt.«

»Woher weißt du, dass das ein Oberschenkelknochen war?«, wollte die Kommissarin wissen.

»Aus dem Internet. Wir beide wollen, wenn wir groß sind, Pathologinnen werden. Wir wissen alles über die Leiche und bei Herr und Frau Schäfer steht im Studierzimmer ein Skelett.«

»Woher weißt du, dass das ein Oberschenkelknochen war?«

»Von Google Lens.«

»Wie bitte?«, fragte Kommissar Hansen.

»Ich habe den Knochen Google Lens gezeigt und er hat mir einen Oberschenkelknochen vorgeschlagen.«

»Ihr zwei seid doch noch viel zu klein, ihr solltet so etwas noch gar nicht wissen.« Der Kommissar bemerkte nicht, dass er in diesem Moment einen taktischen Fehler gemacht hatte.