Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Vier beste Freundinnen, seit ihrer gemeinsamen Bundeswehr Zeit, liebevoll nur das Kleeblatt genannt, verabreden sich, nach dem letzten Auslandseinsatz ihrer Freundin, zu einem gemeinsamen Wellnesswochenende. Nach einem feucht fröhlichen Abend hörte auf dem Heimweg eine der Freundinnen Hilfeschreie. Sie machten sich auf die Suche und stolperten in einen 18 Jahre alten Cold Case.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 364
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Andrea M. Schnell
Ein Wochenende mit
Überraschungen
Vier Freundinnen stolpern
über einen Mord
Regionalkrimi
Die Serie um das ›Feldjäger-Kleeblatt‹ beginnt mit diesem Buch.
Vier beste Freundinnen, seit ihrer gemeinsamen Bundeswehrzeit, mehr oder weniger liebevoll nur das ›Feldjäger-Kleeblatt‹ genannt, verabreden sich, nach dem letzten Auslandseinsatz ihrer Freundin, zu einem gemeinsamen Wellnesswochenende.
Am ersten Abend hörte eine der Freundinnen auf dem Heimweg Hilfeschreie.
Sie machten sich auf die Suche und stießen auf einen 18 Jahre alten ungeklärten Mordfall, einen sogenannten Cold Case.
Die Autorin ist in Süddeutschland geboren, aufgewachsen und lebt dort auch heute noch. Sie hat eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht und ist selbstständig. Verheiratet, Mutter zweier erwachsener Kinder. Sie ist die Dienerin einer Katzendiva. Eine bekennende Teetrinkerin, die am liebsten Krimis liest.
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne Zustimmung der Autorin kopiert, nachgedruckt oder anderweitig verwendet werden.
Ähnlichkeiten mit Namen, lebenden oder verstorbenen Personen, Organisationen, Unternehmen, Begebenheiten, realen Handlungen und Schauplätzen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Copyright © 2022 Andrea M. Schnell
Covergestaltung: © Copyright by Andrea M. Schnell
Andrea M. Schnellc/o autorenglück.deFranz-Mehring-Str. 1501237 Dresden
Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Inhalt
Das Buch
Über die Autorin
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Personenverzeichnis
Prolog
1. Kapitel – Homecoming
2. Kapitel – Die Freundinnen
3. Kapitel – Jacobssteig
4. Kapitel – Schreie
5. Kapitel – Die Suche beginnt
6. Kapitel – Nach der Tat
7. Kapitel – Der Fall Christina Berger wird zum Cold Case
8. Kapitel – Neue Ermittlungen
9. Kapitel – Auf ein Neues
10. Kapitel – Eine neue Spur
11. Kapitel – War es Das
Epilog
Oma Marias schwäbischer Zwiebelrostbraten
Danksagung
Kleeblatt
Olivia ›Oli‹ Scherer, Hauptfeldwebel Feldjäger ›deutsche Militärpolizei‹
Franziska ›Franzi‹ Aberle, ehemaliger Feldwebel bei den Feldjäger, jetzt Zollinspektorin
Dana Schwarz, ehemaliger Feldwebel bei den Feldjäger, jetzt Kommissarin Wasserschutzpolizei
Emely ›Emy‹ Maibach, ehemaliger Feldwebel bei den Feldjäger, jetzt Kommissarin LKA
Partner und Kinder
Raphael Scherer, Hauptfeldwebel Feldjäger, Ehemann von Olivia
Bernd Aberle, Architekt, Ehemann von Franziska
Mia und Lea Aberle, fünfjährige eineiige Zwillinge von Franziska und Bernd
Familie
Roland Scherer, Jurastudium, Kriminalhauptkommissar und Simone Scherer, BWL Studium und Ausbildung zur Modedesignerin, Eltern von Olivia
Maria Meier, Mutter von Simone und Oma von Olivia
Hans und Sophie ›Sopherl‹ Scherer, Eltern von Roland, Großeltern von Olivia
Günther und Marlene ›Lenerl‹ Scherer, Eltern von Raphael
Christine ›Christel‹ Baumann, Mutter von Franziska, Oma von Mia und Lea
Klaus und Elisabeth ›Lizzy‹ Aberle, Eltern von Bernd, Großeltern von Mia und Lea
Herbert und Doris Schwarz, Eltern von Dana, leben und arbeiten seit 2006 bei einer großen deutschen Bank in Sydney, Australien
Waldemar und Margot Schwarz, Eltern von Herbert, Großeltern von Dana
Hugo und Claudia Forster, Eltern von Doris, Großeltern von Dana
Dieter und Ulrike Maibach, Eltern von Emely
Wilhelm und Helga Maibach, Eltern von Dieter, Großeltern von Emely
Rudolf und Gisela Locke, Eltern von Ulrike, Großeltern von Emely
Polizei Heilbronn
Friedrich Maurer, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand
Werner Biehnert, Erster Kriminalhauptkommissar
Martin Wenzler, Kriminalhauptkommissar
Markus Bader, Kriminaloberkommissar
Meike Fischer, Kriminalkommissarin
Susanne Hegel, Polizeiobermeisterin
Fabian Huber, Polizeimeister
LKA Stuttgart
Tobias Mahler, Kriminalhauptkommissar
Thomas Amann, Kriminaloberkommissar
Samstag, den 13. Juni 1998 – 02.00 Uhr
ER IST WIEDER DA!
Was will er von mir? Als ich ihn das erste Mal bemerkte, habe ich ihn gefragt: »Was willst du von mir.«
Er lachte mich zärtlich an und sagte: »Du bist meine große Liebe. Ich will mit dir zusammen sein.«
Als ich zu ihm sagte, dass es nicht geht. Ich sei verlobt und würde im Sommer heiraten.
Sah er mich an, zwinkerte mir zu und lächelte. »Das werden wir noch sehen.«
Das war im März. Seit damals verfolgt er mich. Oh, er belästigt mich nicht, aber er ist überall, wo ich bin. Morgens auf dem Weg zur Arbeit, wenn ich mich mittags mit meinen Freundinnen zum Essen treffe. Abends, wenn ich nach Hause gehe. Er ist mein gut sichtbarer Schatten. Alle haben schon mit ihm geredet, die einen freundlicher, die anderen weniger. Mein Vater war richtig wütend auf ihn. Mein bester Freund wollte ihn sogar verprügeln.
Er meinte nur, wir wären in einem freien Land und er hätte eben den gleichen Weg und wenn er zur selben Zeit wie ich unterwegs sei, wäre dies nur Zufall.
Er versteckt sich nicht einmal. Er will, dass ich ihn sehe.
Ich war schon bei der Polizei, diese versprachen, mit ihm zu reden. Aber solange er mir nichts tut, können sie mir leider nicht helfen. Auch den Polizisten sagte er, dass es Zufall sei.
Heute Abend treffe ich mich mit meinen Freundinnen, Heidi hat Geburtstag. Der Abend war wunderschön. Wir haben geredet, gelacht und Cocktails getrunken. Noch mehr geredet und wieder gelacht und noch mehr Cocktails getrunken. Nach dem ganzen Stress mit dem Typen habe ich diesen Abend gebraucht.
Wir gehen alle gemeinsam nach Hause. Da wir alle den gleichen Weg nach Hause haben. Eine nach der anderen verlässt uns, entweder weil wir vor ihrem Haus stehen oder weil sie in eine andere Straße einbiegt.
An der letzten Kreuzung nimmt mich meine Freundin in den Arm und fragt, ob sie mich bis an die Haustüre bringen soll.
»Nein, du brauchst mich nicht nach Hause bringen, ich habe ihn den ganzen Abend noch nicht gesehen. Der hat hoffentlich endlich genug, oder er hatte etwas anderes vor.«
»Gut, aber mir ist nicht wohl dabei, dich allein heim gehen zu lassen.«
»Schau, da vorn wohne ich doch und siehst du, da ist niemand.« Wir umarmen uns noch einmal, und verabschieden uns. Ich sehe ihr nach, wie sie um die Straßenecke verschwindet.
Ich gehe über die Straße, obwohl es nur noch vier Häuser sind, ist mir auf einmal mulmig. Meine Nackenhaare sträuben sich, und stellen sich auf.
Ich fange an zu rennen und bemerke erst jetzt, wie dunkel es ist und in den Häusern kein Licht mehr brennt. Ich renne am ersten Haus vorbei, am zweiten, am Dritten. Und stoppe abrupt.
Jemand steht plötzlich lächelnd vor mir. »Hallo mein Liebling. Schön, dass du da bist. Ich habe den ganzen Abend auf dich gewartet.«
Ich schreie um Hilfe, dann wird es dunkel und mein letzter Gedanke ist. »Warum habe ich mich nicht nach Hause bringen lassen.«
Dienstag, den 19. Juli 2016
ENDLICH DAHEIM!
Olivia ›Oli‹ Scherers 4. Einsatz in Afghanistan war endlich vorbei. Dieses Mal war es durch die beiden Anschläge in Kabul heftig. Als der Einsatz zu Ende war und es endlich ins Flugzeug ging, mussten sie einen Zwischenstopp von zehn Stunden, wegen eines Sandsturmes, in Masar-e-Sharif einlegen. Bevor es weiter nach Termez in Usbekistan ging. Am nächsten Tag flogen sie planmäßig nach Hannover, wo die Fahrbereitschaft aus der Kaserne auf sie und ihre drei Kameraden warteten. Als alle anderen daheim abgeliefert waren, war sie die letzte mit der längsten Fahrt. Es war 03.00 Uhr, als sie endlich daheim war.
Sie stieg aus, schnappte ihren Rucksack und verabschiedete sich von ihren Kameraden. Sie wünschte ihnen eine gute Fahrt.
Oli wohnte zusammen mit ihrem Mann Raphael in einem Einfamilienhaus in Ulm, in der Nähe der Kaserne. Sie blieb auf dem Gehweg stehen und ließ die friedliche Stille der Nacht auf sich einwirken. Alle Häuser waren dunkel. Wie friedlich es hier ist. Ob die Menschen es zu schätzen wissen? Die meisten bestimmt.
Sie setzte sich in Bewegung und fing an, um ihr Haus herumzulaufen. An ihrem kleinen Bäumchen hinter dem Haus bei der Terrasse hingen gelbe Bänder. Morgen, nein heute würde sie die Bänder zählen und jeden Tag ein neues gelbes Band dazu hängen, solange bis auch ihr Mann wieder daheim war. Sie lief weiter um ihr Haus herum und ging auf die Haustüre zu. Zuerst duschen, dann in das Bett kriechen, und zwar in der Reihenfolge. 36 Stunden in der gleichen Uniform, da ist der Muffelfaktor groß.
Sie schloss die Haustüre auf und fing an zu schnuppern. Was für himmlische Gerüche, mit denen sie nie im Leben gerechnet hätte. Warum eigentlich nicht? Ihre Familie war doch immer für sie und ihren Mann da. Sie stellte leise den Rucksack neben der Tür ab und zog ihre Stiefel aus. Oh, das war kein so guter Gedanke. Sie zog ihre Stiefel wieder an, schlich in die Küche, um zu kontrollieren, ob ihre Nase sie nicht getäuscht hatte. Sie nahm die Deckel vom Topf und von den beiden Schüsseln ab. Es gab ihr zweitliebstes Essen, Fleischküchle, selbst geschabte Spätzle und Kartoffelsalat. Wenn hier das Essen auf sie wartete, waren die Köche ganz sicher nicht weit. Planänderung erst die Köche begrüßen, dann essen, dann duschen und endlich schlafen.
Sie schlich ins Wohnzimmer, da waren die beiden und schliefen. Dad saß auf dem Sessel, Mom lag auf dem Sofa. Sie fing an zu grinsen, mal sehen, wie lange es dauert, bis die beiden bemerkten, dass sie da ist. Sie fing in Gedanken an zu zählen.
Eins, zwei, drei Mom bewegt sich, vier Mom öffnet die Augen und fängt an zu brüllen.
»Roland, wach auf, die Kleine ist da.«
Dad springt auf.
Mom verheddert sich in der Eile, in der sie aufstehen will, in der Decke, mit der sie sich zugedeckt hatte.
Oli kann ihre Mutter gerade noch auffangen, bevor sie vom Sofa fällt. Dann wird sie in zwei Paar Armen zerquetscht. Die beiden lachen und weinen gleichzeitig.
Im Wohnzimmer hängt ein Laken auf dem
ein gemaltes Herz und
›Willkommen Daheim Oli‹ steht.
Was für ein schönes ›Homecoming‹.
Der einzige Wermutstropfen, ihr Mann kommt erst demnächst aus seinem Einsatz in Mali zurück. Aber zuerst lässt sie sich verwöhnen mit ihrem zweitliebsten Lieblingsessen. So wie sie ihre Mom kennt, wird sie morgen ihr absolutes Lieblingsessen bekommen, Zwiebelrostbraten mit handgeschabten Spätzle und Salat. Oh Gott, hat sie einen Hunger. Nach einem Blick auf die Uhr, es ist jetzt 03.30 Uhr in Deutschland + 3 Stunden Zeitunterschied in Afghanistan gibt 06.30 Uhr Frühstückszeit in Kabul. In diesem Sinne Soldatin Essen fassen. Das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Nach gefühlten drei Portionen ist sie satt.
Sie stellte fest, dass ihre Eltern bis jetzt noch nichts gesagt hatten, außer dem Gebrüll ›Roland wach auf, die Kleine ist da‹. Sie steht auf, nimmt zuerst ihre Mutter und dann ihren Vater in den Arm und verlässt wortlos die Küche. Auf dem Weg ins Badezimmer fragte sie sich, warum sie in der Küche und nicht im Esszimmer gegessen hatte. Aber ihr Geist ist so müde, dass es ihn nicht mehr interessiert. Sie zieht sich auf dem Weg nach oben die Stiefel aus und vom Schlafzimmer ins Badezimmer die Klamotten, sie lässt alles einfach fallen. Nach der Dusche ist sie so todmüde, dass sie nur noch ins Bett fällt und mit dem T-Shirt ihres Mannes im Arm einschläft.
***
Stunden später wachte sie nach einem ruhigen Schlaf am späten Dienstagabend auf. Nach einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass es schon nach 20.00 Uhr war. Im Laufe des Tages war sie kurzzeitig wach gewesen und war in das Badezimmer gegangen. Nach mehreren Gläsern Wasser, die sie getrunken hatte, war sie wieder ins Bett gekrochen und hatte weitergeschlafen. Sie kuschelte sich in ihre Decke und hörte dem leisen Gemurmel ihrer Eltern zu. Anscheinend hatte sie in den vergangenen Stunden das Fenster geöffnet.
Ihre Eltern saßen auf der Terrasse und unterhielten sich. Es roch nach frisch gemähtem Gras. Ah, ihr Vater hatte heute den Rasen gemäht. Der Geruch von frisch gemähtem Gras. Auch etwas, das sie vermisst hatte. Sollte sie nicht aufstehen und zu den beiden gehen? Wahrscheinlich schon, aber sie konnte sich nicht aufraffen, das Bett zu verlassen. Sie hörte noch eine Weile dem Gemurmel der beiden zu und driftete wieder in den Schlaf ab.
Am nächsten Morgen wachte sie um 06.00 Uhr wieder auf. Sie hatte beinahe 26 Stunden geschlafen. Ob ihre Eltern schon wach waren. Was für ein Glück sie mit ihren Eltern hatte. Sie waren immer für sie da.
Ihre Mutter Simone arbeitete als Assistentin der Geschäftsleitung, coole Bezeichnung für das Mädchen für alles. Sie hatte Betriebswirtschaft studiert, während des Studiums Roland Scherer geheiratet und Olivia bekommen. Die letzten Semester hatte sie ein Fernstudium absolviert, nebenher Schreibarbeiten für verschiedene Firmen gemacht und ihren Vater Roland während seines Jurastudiums finanziell unterstützt. Nach dem Studium ging er zum LKA nach Stuttgart. Als ihr Vater beim LKA war, machte ihre Mutter eine Ausbildung als Modedesignerin.
Dads Eltern Hans und Sophie waren sehr großzügig, sie unterstützten ihre Eltern während deren Studium. Trotzdem wollte Mom nicht zu sehr abhängig werden. Dad ist Anfang des Jahres 48 geworden, Mom wird Ende des Jahres ebenfalls 48 Jahre alt. Die beiden haben sich auf einer Party, während ihres ersten Semesters kennengelernt, als beide in Tübingen studierten. Tja und im 2. Semester der beiden war sie dann unterwegs.
Sie sollte aufstehen, aber ihr Bett hielt sie fest. Inzwischen war es 07.00 Uhr und es roch nach Kaffee. Genug getrödelt, los, Mädchen raus aus den Federn, duschen und Kaffee fassen.
Sie stand auf und ging ins Bad. Was 26 Stunden Schlaf für Wunder wirken konnten. Sie zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Sie genoss die Dusche, keine kurze Dusche, drei Minuten duschen am Tag waren wegen Wassermangels die Normalität in Afghanistan, sondern eine ausgiebige. Schlagartig war die Routine wieder da, abtrocknen, anziehen und ab zum Frühstück. Jetzt erst stellte sie fest, dass ihre ursprünglich auf dem Boden verstreuten und im Rucksack befindlichen Klamotten gewaschen und gebügelt auf ihrem Sideboard lagen. Rundum Versorgung à la Hotel Mama und Papa.
Sie ging nach unten in die Küche, ihre Eltern saßen am Tisch und tranken Kaffee. Sie begrüßte sie herzlich mit einem geflüsterten guten Morgen und einer Umarmung. Anscheinend hatte sie noch nicht ihre Stimme wieder gefunden. Der Klos in ihrem Hals war riesengroß. Wie sie die beiden vermisst hatte.
Ihre Mutter ging zur Kaffeemaschine und machte ihr einen Latte macchiato. Hoffentlich half der Kaffee dabei, ihren Klos herunterzuschlucken. Ihre Mutter stellte den Latte macchiato vor sie hin.
Sie nahm das Glas in beide Hände und sog tief das Aroma des Kaffees ein. »Himmlisch. Bin ich froh, dass ich wieder daheim bin und dass ihr hier seid. Es wäre höllisch gewesen, in ein leeres Haus zu kommen. Danke Dad, dass du den Rasen gemäht hast und Mom, dass du meine Klamotten gewaschen und gebügelt hast.«
»Das haben wir doch gerne gemacht«, kam die unisono Antwort der beiden.
Sie fiel hungrig über das Frühstück her. Jetzt erst merkte sie, wie ausgehungert sie war. Nach dem Frühstück zogen sie mit ihren frisch gefüllten Kaffeetassen auf die Terrasse um und genossen den friedlichen Morgen.
Sie ging zu ihrem Bäumchen und fing an die Bänder zu zählen, es waren 125 Bänder. Sie fragte ihre Eltern, ob sie die Bänder aufgehängt hatten.
Beide schüttelten den Kopf, ihre Mutter antwortete: »Das haben Martin und Regine gemacht. Sie haben uns letztes Jahr zugesehen, wenn wir herkamen und dein Bäumchen mit den Bändern schmückten. Dieses Jahr sind sie am Morgen nach deiner Abfahrt herübergekommen und haben Bänder in den Händen gehalten und gefragt, ob sie das dieses Jahr übernehmen dürften. Wir haben uns alle so über diese Geste gefreut, dass wir sie zu unserem Abschiedsgrillfest für Raphael ebenfalls eingeladen haben. Ihr habt schon ein Glück mit euren Nachbarn, egal wenn wir herkommen, alle haben ein Auge auf eure Sachen gehabt. Es war direkt ein Wunder, dass dein Vater dieses Mal den Rasen mähte, normalerweise war er schon gemäht, wenn wir hergekommen sind. Alle waren gestern da und haben nach dir gefragt.«
Ja, ihre Mutter hatte recht, sie hatte wirklich ein Glück mit ihren Nachbarn. In dieser Gegend gab es alle Generationen und alle hatten ein Auge aufeinander. Ein kleines Dorf in einer großen Stadt, der ideale Platz zum Wohnen.
Ihre Eltern erzählten ihr, dass ihre zwei Omas und ihr Opa angerufen hätten, ebenso ihre drei Freundinnen und sogar Moms Erzeuger wollte wissen, wie es ihr ging. Auf den konnte sie verzichten. Als sie hörte, dass Franzis fünf Jahre alten Zwillingsmädchen Mia und Lea ebenfalls angerufen hatten, war die Welt wieder in Ordnung. Sie nahm sich vor, nachher alle der Reihe nach anzurufen.
Plötzlich fragte sie ihre Eltern, ob sie ihr Handy gesehen hätten.
»Es liegt in der Küche, ich hole es dir.« Ihre Mutter stand auf und holte es aus der Küche.
Ihr Vater erzählte ihr, dass Raphael auf seinem Handy angerufen hätte und wissen wollte, ob sie gut angekommen sei. Er hätte ihm gesagt, sie hätte, seit sie hier war, nur geschlafen. Sobald sie ausgeschlafen und etwas gegessen hätte, würde sie sich bei ihm melden.
Sie stand auf und nahm ihrer Mutter das Handy aus der Hand, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und verließ die Terrasse. Sie ging in ihr Arbeitszimmer, setzte sich an den Schreibtisch und schaltete den Laptop ein. Oli wartete, bis der Laptop hochgefahren war und schrieb ihrem Mann eine E-Mail.
Die Kontaktaufnahme im Einsatz war etwas unsicher. Sie würde sicher etwas warten müssen. Da sein Rückflug ohne Angabe von Gründen verschoben wurde, wäre sein ehemaliger Container sicher belegt und er würde im Zelt leben.
Mal schauen, ob es mit der E-Mail funktioniert hatte. SMS schreiben würde unter Umständen nicht mehr funktionieren, wahrscheinlich hatte er die malische SIM-Karte schon einem seiner Nachfolger gegeben. Blieb nur noch die E-Mail. Es kam darauf an, wo er gerade war, auf der MP-Station oder im Zelt.
Ihr E-Mail Fenster poppte auf, Raphael schrieb, dass sie in zehn Minuten skypen könnten. Er würde sich freuen, sie zu sehen.
Wie ungeduldig sie war und wie lange waren eigentlich zehn Minuten. Sie saß vor ihrem Laptop und wartete darauf, dass Raphael online ging.
Ihre Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, in das Jahr 2011. Es war ihr Abschiedsfest mit ihrer Familie und ihren Freundinnen vor ihrem zweiten ISAF-Einsatz. Es war zu später Stunde, ihre Familie war schon im Bett. Sie saß noch mit ihren drei Freundinnen zusammen. Als die Rede auf Männer kam. Oli war damals die Einzige, die keinen Freund hatte.
Oli hatte sehr klare Vorstellungen, was sie von einem Mann erwartete. Nach dem Scheidungsdrama ihrer Oma Maria von Mutters Erzeuger wollte sie auf keinen Fall nach der Hochzeit den Namen ihres Mannes annehmen. Was immer wieder zu Diskussionen mit ihren Freundinnen führte.
Bis zu diesem Abend als Dana mit dem Vorschlag ankam: »Es sei denn, du suchst dir einen Mann, der so heißt wie du.«
»Dana, du bist ein Schatz, das ist eine hervorragende Idee«, lobte Franzi.
»Leichter gesagt als getan. Das bedeutet wir drei müssen uns auf die Suche nach dem, noch, unbekannten Herr Scherer machen«, gluckste Emy und zwinkerte.
»Oder aber«, Franzi grinste, »unsere Oli stolpert, wie das sprichwörtliche blinde Huhn über den unbekannten Herr Scherer.«
Und wie sie gestolpert war. Sie hatte ihn buchstäblich überrannt. Warum musste er auch gerade um die Ecke kommen, als sie im Laufschritt um die Ecke schoss? Sie war wenigstens weich gelandet. Oh, war der Herr Oberfeldwebel sauer. Es fühlte sich gut an, auf ihm zu liegen. Sie hatte sich von ihm heruntergerollt, war aufgesprungen und hatte ihm die Hand hingestreckt, um ihm aufzuhelfen. Er hatte ihre Hand nicht beachtet, sondern war ohne ihre Hilfe aufgestanden. Sie hatte Haltung angenommen und sich entschuldigt. Er hatte ihr noch einen Vortrag gehalten, dass innerhalb des Gebäudes das Rennen nicht ungefährlich sei und sie in Zukunft lieber langsamer unterwegs sein sollte. Es wäre für alle Beteiligten sicherer. Dann zwinkerte er ihr zu, ging um sie herum und verschwand um die Ecke. Er hatte ihr tatsächlich zugezwinkert. Sie drehte sich um und schielte um die Ecke. Oh, er hatte eine MP Armbinde, also war er auf der MP-Station, während sie bei den FJgAusbKdoANP, dem ›Feldjäger Ausbildungskommando Afghanische Nationalpolizei‹, war. Plötzlich hob er den Arm und winkte ihr, ohne sich umzudrehen, zu. Hatte der Kerl im Hinterkopf Augen. Sie zog ihren Kopf zurück, drehte sich um und verschwand in ihrer Stube.
Wochenlang schlichen sie umeinander herum, wenn sie sich im Lager trafen. Sehr zur Freude der anderen, die Wetten abschlossen, wann, wie, überhaupt oder doch nicht die beiden zusammenkommen würden. Kurz vor Einsatzende war es so weit, die zwei waren endlich zusammen und der glückliche Gewinner konnte das Geld einstreichen.
Es wurden sehr lange 10 Minuten, 15 Minuten, 20 Minuten. Endlich nach 40 Minuten war er auf Skype zu sehen. Die Verbindung war grottenschlecht und zu verstehen war auch nichts. Sie erzählte, wie es ihr ergangen war und er erzählte wahrscheinlich das Gleiche. Aber Hauptsache, sie konnte Raphael sehen. Nach fünf Minuten, die viel zu kurz waren, brach die Verbindung ab.
Oli schrieb eine E-Mail, wie sehr sie sich gefreut hätte ihn zu sehen und es nicht mehr erwarten könnte, bis auch er endlich heimkommt.
Sie ging zurück zu ihren Eltern auf die Terrasse und ließ den Blick durch ihren Garten und die umliegenden Häuser und Gärten schweifen. Hier war alles grün und die Blumen blühten. Blumen in unterschiedlichen Farben und Formen.Und Vogelgezwitscher, ihre Nachbarn Martin und Regine Kaiser, ein Rentnerehepaar fütterten auch im Sommer die Vögel. Es war eine Win-win-Situation, in der ganzen Nachbarschaft gab es dank der Vögel kein Ungeziefer in den Gärten. Sie konnte sich nicht sattsehen, Martin und Regine hatten sich in ihrer Abwesenheit liebevoll um ihren Garten gekümmert. Sie fragte ihre Eltern, was alles während ihres Einsatzes zu Hause in der Familie, in ihrem Freundeskreis und bei ihren Bekannten passiert wäre. Ihre Eltern fingen an zu erzählen und sie sog die Neuigkeiten auf, wie ein Schwamm das Wasser.
Dann kam die Rede auf ihre Pläne für den Rest der Woche, ob Oli die beiden Tage bei ihr in ihrem Haus verbringen oder bis Freitag mit zu ihren Eltern fahren wollte und von da aus zu Emy. Sie wollte lieber zu Hause bleiben und erst am Freitagmorgen zu Emy fahren.
Damit war es beschlossene Sache, dass sie in ihrem Haus die rundum Wellness Versorgung ihrer Eltern genießen würde. Am Freitagmorgen würden sie gemeinsam aufbrechen. Ihre Eltern würden heimfahren und sie mit ihren drei Freundinnen in den Wochenendtrip starten.
***
Ihre drei Freundinnen und sie selbst, das Feldjäger-Kleeblatt, Olivia musste grinsen, hatten sich in der AGA der ›Allgemeinen Grundausbildung‹ der Bundeswehr kennengelernt. Sie trafen sich im April 2006 in einer Kaserne in Hessen. Sie waren alle vier SAZ12, Soldaten auf Zeit für 12 Jahre und in der gleichen Kompanie in einer Kaserne in Baden-Württemberg stationiert. Franziska ›Franzi‹, Dana, Emely ›Emy‹ und Oli waren auf einer Stube. Je nachdem in welcher Kaserne sie sich befunden hatten, hatten sie entweder 4, 6 oder sogar 8 Mann Stuben. Nur auf einem Lehrgang hatten sie Einzelstuben. Die vier wurden beste Freundinnen, von ihren Kameraden wurden sie mehr oder weniger liebevoll nur das Kleeblatt genannt, dachte sie grinsend.
Das änderte sich auch nicht, als die drei anderen 2012 die Bundeswehr verließen, um in ihren zivilen Berufen zu arbeiten. Zivile Berufe, ja klar, sie fing an zu lachen, Franzi, die Älteste, ging zum Zoll, Dana, die Dritte, ging zur Wasserschutzpolizei und Emy, die Jüngste, ging zum LKA. Sie wurde wieder ernst, nur sie, die Zweite im Bunde, war immer noch bei der Bundeswehr. Inzwischen war sie genau wie Raphael Berufssoldatin.
Nach einer Weile fragte ihre Mutter, ob sie sich auf das Wellnesswochenende mit den Mädels freute und ob sie schon mit ihnen über die Pläne gesprochen hätte.
»Nein, ich habe noch nicht mit ihnen gesprochen. Aber«, sie zwinkerte, »wer fährt im Sommer nach Heilbronn zum Wellnessurlaub. Im Herbst, wenn die Weinlese ist, kann ich es verstehen, aber im Juli. Wenn ich daran denke, dass du maßgeblich an unseren Urlauben beteiligt bist.«
»Ich? Ich bin doch nicht beteiligt.«
»Doch Mom du. Du allein. Du hast den Vorschlag mit der Karte gemacht.«
Als sie daran dachte, wie sie zu ihrer Karte und den Urlaubsplänen gekommen waren. Alles hatte 2007 angefangen. Sie beschlossen im Sommerurlaub mindestens eine Woche gemeinsam in den Urlaub zu fahren, aber mit der Einigung über den gemeinsamen Urlaub funktionierte es nicht. Sie waren an diesem Wochenende bei ihr daheim, und ihre Eltern bekamen die Urlaubsplanung hautnah mit.
Bis ihre Mutter mit einer Weltkarte, einer Korktapete und Dartpfeilen in vier verschiedenen Farben ankam. Sie drückte jeder von ihnen ein Paket Pfeile in die Hand, scheuchte sie in den Keller und hängte zusammen mit ihrem Vater die Karte auf.
Anschließend mussten sie würfeln, um die unumstößliche Reihenfolge zu bestimmen. Die erste Sechs würfelte Emy, die zweite Franzi, dann Dana, nur sie hatte Pech, sie würfelte keine sechs. War ihr aber egal. Hauptsache Urlaub mit den Mädels. Emy schickte sie 2007 nach Teneriffa, Franzi 2008 nach Ägypten, Dana 2009 nach Mallorca.
Im darauffolgenden Jahr wäre Oli mit werfen an der Reihe gewesen, stattdessen schickte die Bundeswehr Oli das erste Mal nach Afghanistan. Als sie zurückkam, warf sie Paris. Das war ihre letzte Auslandsreise. Franzi war schwanger und wollte nach der Parisreise heiraten. Die Mädels nutzten die Gelegenheit als Bachelorette Reise. Im Januar des folgenden Jahres wurden Franzis eineiige Zwillinge Mia und Lea geboren.
Aus einer Weltkarte wurden vier Deutschlandkarten. Jede hatte nun ihre eigene Karte zu Hause. Die anderen konnten via Skype verfolgen, wohin es ging. Die Urlaube wurden auf ein Wellnesswochenende reduziert. Dafür gingen sie zweimal im Jahr wellnessen. Nach zwei misslungenen Wellnesswochenenden an der Nordsee und an der Ostsee, drei Tage waren definitiv zu wenig, beschlossen sie nur noch in Baden-Württemberg und im bayrischen Allgäu zu wellnessen. Das klappte hervorragend, die Fahrt war nicht so lange und sie verbrachten nicht das gesamte Wochenende auf der Straße.
Nach den beiden Anschlägen in Kabul beschlossen die drei anderen, dass dieses Jahr Oli eine außerordentliche Wellnessreise in Baden-Württemberg bekommen sollte. Simone sollte stellvertretend für Oli die Dart Pfeile werfen, Oli war einverstanden. Leider war an dem verabredeten Zeitpunkt Simone geschäftlich verhindert. Die anderen beschlossen deswegen, dass Emy werfen sollte. Emy warf Jacobssteig bei Heilbronn. Tja und dieses Mal war es eben Heilbronn.
***
Am Mittwochmittag gab es den lange ersehnten Zwiebelrostbraten von Mom, ›Ohne Mampf, kein Kampf‹. Die Ausrüstung lässt sich in Afghanistan viel leichter schleppen, wenn Soldatin weiß, dass zu Hause der beste Zwiebelrostbraten aller Zeiten wartet. Ihre Mutter kochte ihn genauso, wie schon ihre Mutter ihn gekocht hatte. Ihre Großeltern hatten früher einen Gasthof, in den sogar die Prominenz aus Politik und Wirtschaft eingekehrt war. Bei den feinen Herren war der Zwiebelrostbraten ein Geheimtipp. Eines Tages sollte sie es vielleicht auch lernen. Ewig konnte sie ja ihre Mutter nicht kochen lassen.
Mittwoch und Donnerstag vergingen wie im Fluge.
Ihre Eltern verabschiedeten sich am Freitagmorgen nach dem Frühstück, bevor sie gemütlich durch das Donautal nach Rottweil fuhren. Ihre Eltern genossen diese Fahrt, insbesondere aufgrund der landschaftlichen Reize des oberen Donautals. Die Straßen in diesem Teil Baden-Württembergs hießen nicht umsonst ›Schwäbischer Grand Canyon‹, da sie sich durch enge Schluchten zwischen beeindruckenden Felsen schlängelten.
»Roland, im Herbst müssen wir unbedingt wieder die ›Donaufelsen-Tour‹ machen. Ich liebe diese Strecke. Wenn die Donau wenig Wasser hat, können wir auch über die Donau kommen. Was meinst du, hast du keine Lust?«
»Wie du weißt, liebe ich diese Strecke genauso wie du, sobald sich im September oder Oktober der Wald bunt färbt, nehmen wir uns einen Tag unter der Woche frei und wandern die 16 km. Was hältst du davon, dass wir bei dem sagenumwobenen Knopfmacherfelsen anhalten, dann können wir noch auf den Aussichtspunkt spazieren und du kannst wieder Fotos machen.«
Von diesem Aussichtspunkt genießt man einen atemberaubenden Blick auf das Donautal und die umliegenden Berge. Auf der Donauseite gegenüber befindet sich ein bewohntes Schloss, das auf einem Felsen über der Donau thront. Der Blick schweift nach Norden durch das Donautal auf das Kloster Beuron. Die schwäbische Alb erhebt sich nördlich des Klosters. Ein Ausflug zu diesem Aussichtspunkt lohnt sich zu jeder Jahreszeit.
Sie waren nicht die einzigen Besucher. Sie gingen auf den Aussichtspunkt und Simone machte ihre Fotos. Anschließend fuhren sie gemütlich nach Hause.
Um 11.00 Uhr setzte Oli, sich in den Kombi ihres Mannes und fuhr über die B10 auf die A8, die leicht ansteigend auf der schwäbischen Alb nach Westen führte, am Drackensteiner Hang begann der Abstieg von der schwäbischen Alb, der am Fuß des Aichelberges in das Vorland der schwäbischen Alb überging und einige Kilometer weiter westlich in die Filderebene mündete. Sie fuhr am Stuttgarter Flughafen und der Messe vorbei, verließ die A8 und fuhr auf der B27 durch Stuttgart, um zu Emy zu kommen. Um 13.00 Uhr wollten sie sich alle bei Emy treffen, um von ihr aus in Olis Auto nach Jacobssteig bei Heilbronn zu fahren.
Freitag, den 22. Juli 2016
Olivia traf als Erste bei Emely ›Emy‹ Maibach in Stuttgart-Feuerbach ein.
Emy war die Jüngste von ihnen. Sie ist Kommissarin beim LKA in Stuttgart, sie war ein begnadeter Nerd. Es gab nichts, was sie im Internet nicht fand. Sie hatte seit zwölf Jahren eine ON/OFF Beziehung zu ihrem Kollegen Thomas Amann. Seit zwei Jahren führten sie eine ON-Beziehung. Thomas will sie heiraten, Emy ist nicht so davon begeistert. Ihre Beziehung war zu oft eine OFF-Beziehung.
Der Verkehr hielt sich in Grenzen, deswegen war sie schon um 12.30 Uhr bei Emy. Sie wohnte mit Thomas in einem wunderschönen Einfamilienhaus, das Emys Großeltern Wilhelm und Helga Maibach gehörte.
Sie parkte vor dem Haus und rief Emy an, um ihr zu sagen, dass sie soeben angekommen war.
Emy würde sich verspäten, sie wäre noch mit einer Recherche beschäftigt. Ob Oli etwas zum Essen einkaufen könnte. Sie wäre nicht zum Einkaufen gekommen. Thomas wäre die ganze Woche auf einem Lehrgang gewesen, deswegen wäre der Kühlschrank gähnend leer.
Oli versprach, etwas zu essen zu besorgen. Sie ging zum nächsten Supermarkt und kaufte an der Salat- und Obsttheke verschiedene Salate und Obstsorten. In der Molkereiabteilung holte sie Butter, Milch und Käse. Sie ging zur Kasse, bezahlte und verließ die Filiale. Beim örtlichen Bäcker nebenan kaufte sie Brezel und Brötchen. Nachdem sie ihre Einkäufe erledigt hatte, kehrte sie zu Emys Haus zurück, schloss auf und stellte die Einkäufe auf die Arbeitsplatte. Danach stellte sie Teller, Tassen und Besteck auf den Tisch und stellte ihre Einkäufe daneben. Oli nahm ihre Tasse vom Tisch, schaltete der Kaffeeautomat an und machte sich einen Espresso. Sie nahm ihren Espresso, öffnete die Terrassentür und setzte sich auf der Terrasse an den Tisch, um auf die anderen zu warten.
***
Dana Schwarz war die zweitjüngste von ihnen. Sie ist Kommissarin bei der Wasserschutzpolizei in Friedrichshafen. Sie hatte das meiste Pech mit Männern. Sie war verlobt und wollte ihren langjährigen Freund heiraten. Auf dem Weg zur Nachtschicht wurde sie von einem betrunkenen Mann angerempelt. Sie stürzte unglücklich und verdrehte das Kniegelenk. Die Passanten riefen den Notarzt, ein Rettungswagen brachte sie ins Krankenhaus. Nachdem ihr Knie geröntgt und verbunden worden war, wurde sie von einem Taxi nach Hause gebracht. Als sie nach Hause kam, fand sie ihren Verlobten zwei Wochen vor der Hochzeit mit seiner Arbeitskollegin im Bett. Sie nahm seine Kleidung aus dem Schrank und warf sie das Treppenhaus hinunter. Auf seinem Nachttisch stand ein Glas und eine Flasche Sekt. Sie warf den Verlobungsring in das Glas und schüttelte die Flasche, bevor sie ihm den Sekt ins Gesicht spritzte, wie bei einem Formel-Eins-Rennen.
Nach zwei Jahren hatte es ein Mann geschafft, dass sie sich mit ihm traf. Leider hatte auch er ein Faible für seine Arbeitskollegin, sie erwischte beide zufällig vor seiner Haustüre beim Knutschen in seinem Auto. Auch hier war es die Standardausrede, es sei nicht so, wie es aussehe, es hätte überhaupt nichts zu bedeuten. Ja klar und wer es glaubt, wird selig. Es versteht sich von selbst, dass dieser Mann an diesem Abend auch Geschichte wurde. Sie würde gerne à la carte leben, aber sie kann sich nicht dazu durchringen.
Dana hatte den längsten Weg. Sie fuhr um 09.00 Uhr in Friedrichshafen auf die B31 nach Überlingen. Wenn sie Pech hatte, würde sie auf sehr viel Verkehr vor und nach Hagnau treffen und wie schon des Öfteren im Stopp and Go Tempo fahren. Der Blick auf den Bodensee war zwar wunderschön, aber nur die ersten zwei oder drei Male. Danach war es nur noch lästig. Vielleicht sollte sie sich doch nach Konstanz oder Überlingen versetzen lassen, dann wäre sie schneller bei ihren Freundinnen. Oh, welch ein Wunder, der Verkehr hielt sich in Grenzen und sie kam schneller in Überlingen an, als sie gedacht hatte. In Überlingen verließ sie den Bodensee, fuhr auf die B31n, und anschließend auf die A98 bis zum Kreuz Hegau. Hier verließ sie die Autobahn und fuhr zu Franzi.
***
Franziska ›Franzi‹ Aberle, geborene Baumann. Sie ist Zollinspektorin beim Zollamt in Singen. Franzi war die älteste, sie legte sehr viel Wert auf diese Tatsache, die Mädchen waren jeweils nur einen Monat auseinander, aber Franzi wurde im Dezember geboren. Die anderen im darauffolgenden Jahr. Bei Entscheidungen pochte sie des Öfteren auf ihr fortgeschrittenes Alter. Frei nach dem Motto ›Alter vor Schönheit‹. Was von den drei anderen meist mit Gelächter oder dem Mittelfinger beantwortet wurde.
Franzi hatte 2010 ihren Traummann und große Liebe Bernd geheiratet. Im kommenden Januar wurden ihre eineiigen Zwillinge Mia und Lea geboren. Das Schicksal gönnte ihnen nach der Geburt der Mädchen nur noch ein glückliches Jahr. Bernd ist Architekt und er war in ihrem Heimatort bei der Freiwilligen Feuerwehr. Bei dem Brand eines Geschäftsgebäudes stürzte eine Wand ein und begrub Bernd unter sich. Er erlitt schwere Knochenbrüche und das rechte Bein war so schwer verletzt, dass es oberhalb des Knies amputiert werden musste.
Während der Reha nach seinem Unfall reichte Bernd die Scheidung ein, weil er es seiner Frau nicht zumuten wollte, mit einem Krüppel verheiratet zu sein. Franzi kämpfte verzweifelt um ihre Ehe, aber Bernd ließ sich nicht, umstimmen. Der Scheidungstermin war ein Jahr nach der Trennung. Zuerst wollte sie die Scheidungspapiere nicht unterschreiben, sie könnte sich drei Jahre Zeit lassen, drei Monate vor dem Verstreichen der offiziellen Frist unterschrieb sie die Papiere. Ihre Familie, seine Familie, alle Freunde und Bekannten, unterstützen sie und wollen, dass die beiden wieder zusammenkommen.
Die Kinder pendeln zwischen den Eltern hin und her und auch Bernd und Franzi kommen sich wieder näher. Es ist klar, dass Bernd einen Stoß bedarf, um wieder mit Franzi zusammenzukommen und für den Tritt werden die drei Freundinnen schon sorgen.
Wie sagte Oli: »Auftrag erkannt!«
»Jawohl!«
***
Dana fuhr um 10.30 Uhr bei Franzi in die Einfahrt.
Die Zwillinge saßen auf der Treppe, beide trugen Jeans-Bermudas, rote T-Shirts und rote Feuerwehr Basecaps und warteten schon auf sie. Sie schaltete den Motor aus, öffnete die Tür und stieg aus. Erst als sie die Autotür geschlossen hatte, standen die Mädchen von der Treppe auf und rannten barfuß auf sie zu. Sie bückte sich, um die Zwillinge zu umarmen. Die Mädchen nahmen sie an der Hand und führten sie in die Küche. Franzi stand am Küchentisch und deckte diesen gerade.
Mia sah sich den Tisch an: »Mama, du musst noch ein Gedeckt auflegen, ich habe Papa angerufen und ihn zum Frühstück eingeladen.«
»Bist du sicher, dass euer Papa kommt?«
Lea antwortete: »Ja klar kommt Papa, er machte sich sofort auf den Weg.«
»Gut«, Franzi legte ein neues Gedeck auf den Tisch.
Franzi nahm den Krug in die Hand und goss den Zwillingen Milchschokolade ein. Dana hatte in der Zwischenzeit Franzi und sich selbst Kaffee eingegossen. Die beiden schnitten jede eine Brezel auf, strichen Butter darauf und gaben sie den Zwillingen. Franzi bestrich ihre Brezel mit Butter und Marmelade.
Dana nahm ein Brötchen und bestrich es mit Butter und Marmelade. Die Marmelade war himmlisch. Franzis Mutter Christel hatte Erdbeer-Rhabarber-Vanille Marmelade gemacht. Sie würde am Sonntag bei ihr vorbeifahren und ihren Marmeladenvorrat auffüllen.
Die Zwillinge unterhielten sie mit ihren Geschichten über ihre Erlebnisse der letzten Tage. Es war herrlich, den beiden zuzuhören. Es erinnerte an ein Pingpong Spiel, Mia fing an und Lea machte weiter, so ging es hin und her.
In der Zwischenzeit fuhr ein Auto vor, und Bernd kam nach kurzer Zeit in die Küche. Bernd war ein richtiges Sahneschnittchen, groß, schlank und mit einer Figur, die zum Sabbern einlud. Er hatte braune Haare und blaue Augen. Es war jedes Mal eine Freude zuzusehen, wie seine Augen anfingen zu strahlen, sobald er Franzi ansah. Dieser Mann liebte seine Franzi immer noch.
Dana musste dieses Wochenende unbedingt mit Emy und Oli reden. Zusammen würden sie einen Schlachtplan ausarbeiten, um Franzi und Bernd wieder zusammenzubringen. Wenn jemand zusammengehörte, dann waren das die beiden.
Bernd umarmte Franzi, er gab ihr einen Kuss auf die Wange, dann beugte er sich zu den Zwillingen, verwuschelte ihre Haare und gab ihnen einen Kuss.
Er begrüßte Dana mit einer Umarmung: »Schön, dass du mal wieder da bist. Du warst schon lange nicht mehr da, stressiges Leben?«
»Nein, nicht mehr als sonst«, Dana zuckte mit den Schultern. Sie wollte hier nicht von ihrem Liebesfiasko erzählen. Hier ging es nicht um sie, sondern um ihre vier Freunde.
Die ›Pingpong-Zwillinge‹ unterhielten sie mit ihren Geschichten während des Frühstücks.
Nach dem Frühstück stand Bernd auf: »Sagt Mama und Dana Tschüss. Wir fahren jetzt los.«
Die beiden rannten ins Badezimmer und anschließend in ihr Zimmer, um ihre Rucksäcke zu holen. Sie stürmten zurück in die Küche. Umarmten und küssten ihre Mutter und Dana.
Mia fing mit dem Pingpong an: »Dana, wenn ihr das nächste Mal ein Mädelswochenende habt, kommen wir zwei mit.«
Lea machte weiter: »Es geht nicht, dass nur ihr ein Mädelswochenende habt und wir nicht.«
In diesem Moment fragte Bernd: »Was ist mit mir, wenn ihr mit der Mama und den Mädels zu einem Mädelswochenende geht, bin ich ja ganz allein. Was soll ich dann machen?«
Dana sah Franzi an und zwinkerte ihr zu: »Vielleicht solltet ihr zwei einen Jungen bekommen?« Sie sah Bernd und anschließend die Zwillinge an: »Dann wäre euer Papa nicht allein, wenn ihr mit uns mitkommt.«
Die beiden sahen sich und dann Dana entgeistert an.
Wie immer war Mia die erste: »Papa braucht keinen Jungen, er hat uns«, und verschränkte die Arme vor der Brust.
»So ein schei …«
Franzi schimpfte: »Lea schei … sagt man nicht, es heißt Mist.«
»Mama, aber schei … wie heißt es im Fernsehen ist aussagekräftig. Ja, genau schei … ist aussagekräftiger als Mist.«
Dana, Bernd und Franzi tarnten einen Lachanfall als einen Hustenanfall. Die beiden Winzlinge standen vor ihnen, Lea hatte inzwischen auch die Arme vor der Brust verschränkt, und sahen die Erwachsenen an.
Mia nickte: »Die haben wieder einen Hustenanfall.«
Lea nickte ebenfalls: »Glauben die, wir wissen nicht, dass sie lachen.«
»Lea, Papa braucht keinen Jungen, wir können auch mit Papa sein Jungending abziehen.«
»Raphael kommt bald. Papa kann mit Raphael und Thomas sein Jungending abziehen«, antwortete Lea.
»Lea, weißt du, wir können auch auf dem Sofa herumliegen, Kinderbier trinken und rülpsen, obwohl Papa macht das nicht. Aber egal, wir schon. Benny, sein Papa, macht das so.«
»Mia, wir spielen Fußball. Wir können auch über Fußball reden.«
»Lea, wir können auch unter das Auto liegen und schauen, was da unten los ist. Wenn der Marder die Bremsschläuche durchfrisst, können wir das Klaus Papa sagen.«
»Mia und die Motorhaube aufmachen und im Motor nachsehen, ob alles in Ordnung ist und wie Robins Vater an den Leitungen herumzerren und sagen etwas stimmt mit der Karre nicht. Die stottert.«
»Lea und wir können angeln gehen.«
Lea nickte: »Und die größten Fische fangen. Die anderen fluchen dann immer und sagen, deine zwei haben ›ein Krötenhaar in der Tasche‹.«
Mia nickte: »Und ganz leise mit dem Jäger Max durch den Wald schleichen und wetten, wer als Erstes einen Hasen, ein Reh oder einen Fuchs sieht.«
Lea nickte: »Oder einfach bei Regen vor einem Wald auf der Wiese sitzen und warten, bis die Rehe von allein aus dem Wald kommen.«
Mia nickte: »Seht ihr, Papa kann sein Jungending auch mit uns abziehen. Er braucht keinen Sohn.«
Lea nickte ebenfalls: »Ja!«
»Lea, weißt du, was wir jetzt machen? Wir machen das, was Oli sagt, wir verlegen Papa zu uns.«
»Mia, ja, das machen wir. Papas Wohnung ist nicht so schön wie unser Haus.«
Mia flüsterte: »Wir müssen leise sein.«
Lea flüsterte ebenfalls: »Wir stören sonst die Nachbarn.«
Mia stöhnte: »Die klopfen an die Wand, wenn wir laut sind.«
Lea stöhnte ebenfalls: »Wir dürfen nicht lachen.«
Mia sagte sehr bestimmt: »Die gehen bestimmt zum Lachen in den Keller.«
Lea sagte ebenfalls sehr bestimmt: »Wir machen, was Oli sagt, wir verlegen heute Papa.«
»Lea, wir werden ein Laken nehmen, darauf seine Anzüge und Hemden mit den Kleiderbügeln legen und es dann einrollen. Ich werde eine Seite des Lakens nehmen und du die andere.«
»Mia, das machen wir und wenn unterwegs ein Auto fährt, das wir kennen, halten wir es an und lassen uns heimfahren.«
»Lea, vielleicht kommt Horst mit seinem Streifenwagen und der fährt uns heim«, Mia seufzte.
»Mia, Horst darf uns nicht im Streifenwagen heimfahren, da dürfen nur Verbrecher mitfahren«, Lea seufzte ebenfalls.
»Lea, wir sind doch Verbrecher. Wir klauen, Papas Anziehsachen. Dann ist es seine Pflicht, uns mitzunehmen.«
Lea seufzte wieder: »Babette hat recht, es ist ein Kreuz mit den Männern.«
Mia seufzte auch: »Stell dir vor, wenn ich alt bin, habe ich auch einen Mann.«
Lea schaute entsetzt: »Hoffentlich bekommst du dann nicht so einen wie Johann von der Regina. Jedes Mal, wenn er betrunken ist, schlägt er sie.«
Mia schüttelte den Kopf und sagte energisch: »Das soll der nur mal probieren, dann verprügle ich ihn mit dem Nudelholz.«
»Mia, dann kommst du ins Gefängnis.«
»Nein. Oli sagt, das ist Notwehr.«
Lea fragte: »Woher weißt du das?«
»Ich habe mit Oli geskypt und sie gefragt.«
Lea seufzte: »Schade, jetzt bist du keine Verbrecherin und wir dürfen nicht im Streifenwagen fahren.«
Bernd fing sich als Erster, nahm je einen Zwilling unter den Arm und wollte Franzi auf die Wange küssen. In diesem Moment drehte sie den Kopf in seine Richtung und sein Kuss landete auf ihrem Mund. Danach lief er mit jener Zwillingen zum Auto. Er setzte sie auf dem Rücksitz in ihre Kindersitze, schnallte sie an und stieg selbst ein. Er startete den Motor und fuhr winkend davon.
Mia schrie noch: »Wenn Mama heimkommt, wohnt Papa wieder daheim.«
Und Lea brüllte: »Auftrag erkannt. Jawohl!«
***
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Dana und fing so an zu lachen, dass ihr die Tränen die Wangen herunterliefen.
»Ich auch nicht. Die beiden sind wirklich ein Aprilscherz«, lachte Franzi. »Ich frage mich schon die ganze Zeit, woher die zwei das haben. Wir sind doch ganz, normale Leute, was ist das nur für eine Laune der Natur«, stöhnte sie. »Komm, wir gehen rein, räumen auf und machen uns auf den Weg. Weißt du, wie es verkehrsmäßig auf der A81 ist? Ich bin noch nicht dazugekommen, die Verkehrsmeldungen abzurufen.«
»Bis jetzt ging es, aber wir kommen in den freitäglichen Frachtverkehr. Die ganzen Lastwagen sind unterwegs nach Echterdingen oder nach Frankfurt auf die Flughäfen. Der normale freitägliche Wahnsinn und dann noch kurz vor Ferienbeginn, es geht heiß her auf der A81.«
»Hoffentlich gibt es keine Rennen.«
»Da kann man auch nichts machen, damit müssen wir zurzeit, noch leben.«
In der Zwischenzeit hatten sie die Küche aufgeräumt. Franzi holte ihre Tasche und ihren Rucksack.
»Ähm Franzi, hast du etwas Größeres vor oder warum nimmst du deinen großen Bundeswehrrucksack mit?«
»Oh nein, wo war ich nur mit meinen Gedanken. Macht der Gewohnheit.« Sie hatte ihn gewohnheitsmäßig genommen und wollte ihn zum Auto tragen.
Dana wollte wissen, ob sie ins Biwak wollte, das ist bei der Bundeswehr ein Lager im Freien entweder im Zelt oder in einer Hütte.
Franzi lachte: »Oh mein Gott, ich habe bestimmt wieder Kindersachen eingepackt.« Sie ging ins Schlafzimmer und räumte den Rucksack aus.