Eine Braut für den Milliardär - 4-teilige Serie - Lynne Graham - E-Book

Eine Braut für den Milliardär - 4-teilige Serie E-Book

Lynne Graham

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Beschreibung

Männer die alles zu haben schienen, finden endlich das Wichtigste: Die große Liebe!

AUF DER JACHT DES MILLIARDÄRS
Ein Monat auf seiner Jacht, in seiner Kabine, in seinem Bett: Wenn Kat das Angebot des Milliardärs Mikhail annimmt, ist ihre finanzielle Not vorbei. Aber der Preis für den Monat mit ihm ist gefährlich hoch: ihre Unschuld - und vielleicht sogar ihr Herz …

ENTFÜHRT IN DEN PALAST DER LEIDENSCHAFT
"Du hast mich entführt!" Saffy ist zutiefst empört, als ihr Exmann Scheich Zahir sie mit einer List in seinen Palast lockt. Doch trotz allem fühlt sie sich plötzlich unwiderstehlich von ihm angezogen

IM STURM DER LEIDENSCHAFT
Unglaublich: Auf der Website einer Begleitagentur entdeckt Sebastiano seine Praktikantin! Im Büro ist Emmie spröde und unscheinbar, doch auf dem Foto eine Schönheit. Und eine Escort-Dame? In Griechenland will er ihr Geheimnis lüften - und entfesselt einen Sturm der Leidenschaft …

VERFÜHRT IM PALAZZO DES ITALIENERS
Der Conte de Martino spürt instinktiv: Topaz, die bezaubernde Gesellschafterin seiner Mutter in seinem Palazzo in der Toskana, verbirgt etwas. Aber was? Dante will die Schönheit erst zur Wahrheit verführen - und dann zur Liebe …

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Seitenzahl: 690

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Lynne Graham

Eine Braut für den Milliardär - 4teilige Serie

Lynne Graham

Auf der Jacht des Milliardärs

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Lynne Graham Originaltitel: „A Rich Man’s Whim“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 375 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Trixi de Vries

Fotos: Harlequin Books S.A., iStock / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733703875

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

1. KAPITEL

Mikhail Kusnirovich, russischer Ölmagnat und gefürchteter Geschäftsmann, lehnte sich im Chefsessel zurück und musterte erstaunt seinen besten Kumpel Luka Volkov.

„Ist das dein Ernst? Du willst zum Junggesellenabschied eine Wanderung unternehmen?“

„Ja. Die Party habe ich ja schon hinter mir. Für meinen Geschmack ging es dabei viel zu hoch her.“ Das gutmütige Gesicht des etwas untersetzten Physikdozenten verzog sich bei der Erinnerung vor Widerwillen.

„Das hast du deinem Schwager in spe zu verdanken“, bemerkte Mikhail, dem es ein Rätsel war, wieso Peter Gregory ausgerechnet zu der Junggesellenverabschiedung des schüchternen Luka leichte Mädchen engagiert hatte.

„Peter hat es gut gemeint.“ Luka nahm den unausstehlichen Bruder seiner Verlobten sofort in Schutz.

„Dabei hatte ich noch versucht, ihm das auszureden, weil mir klar war, dass du dir nichts aus solchen fragwürdigen Vergnügungen machst“, erzählte Mikhail mürrisch.

Verlegen senkte Luka den Kopf. „Er kann es eben nicht jedem recht machen.“

Mit Bedauern stellte Mikhail wieder einmal fest, wie sehr Luka sich verändert hatte, seit er mit Suzie Gregory verlobt war. Obwohl die beiden Männer außer ihrer russischen Herkunft wenig gemeinsam hatten, waren sie seit ihrem Kennenlernen an der Universität Cambridge gute Freunde geblieben. Vor nicht allzu langer Zeit hätte auch Luka den Bruder seiner Verlobten als primitiv, langweilig und angeberisch abgetan, mit dem man nur seine Zeit verschwendete. Doch inzwischen behielt er seine Meinung für sich und nahm ständig Rücksicht auf Suzies Gefühle.

Das konnte einem Alphatier wie Mikhail natürlich nicht passieren! Heiraten? Niemals! Er dachte gar nicht daran, sich verbiegen zu lassen, um es einer Frau recht zu machen. Allein die Vorstellung war absurd für einen Mann, der einen rücksichtslosen Macho zum Vater gehabt hatte. Der inzwischen verstorbene Leonid Kusnirovich war nicht nur unsensibel gewesen, sondern auch sexistisch und brutal. Seine größte Angst hatte darin bestanden, dass die einfühlsamen Erziehungsmethoden der englischen Nanny, die er für sein einziges Kind engagiert hatte, einen Pantoffelhelden aus seinem Sohn machen würden.

Doch als solchen konnte man den durchtrainierten dreißigjährigen Mikhail, für den nur der Erfolg zählte, nun wirklich nicht bezeichnen. Und sein Frauenverschleiß war legendär.

„Es wird dir im Lake District gefallen“, sagte Luka. „Die Landschaft ist zauberhaft.“

„Hast du Lake District gesagt? Ich dachte, du willst nach Sibirien.“

Luka rang sich ein Lächeln ab. „Nein, erstens bekomme ich nicht genug Urlaub, zweitens wäre ich einer solchen Strapaze wohl auch kaum gewachsen.“ Verlegen klopfte er auf den leichten Bauchansatz. „Ich bin nicht halb so fit wie du. England im Frühling und eine gemächliche Wanderung sind besser für mich. Meinst du, du könntest zwei Tage lang auf deine Limousine, dein Luxusleben und deine Aufpasser verzichten?“

Mikhail machte keinen Schritt ohne sein Sicherheitsteam. Es könnte schwierig werden, seine Bodyguards davon zu überzeugen, dass er zwei Tage ohne sie auskommen würde. Stas, der Chef der Personenschützer, hatte schon auf ihn aufgepasst, als Mikhail noch ein kleiner Junge gewesen war. „Sicher kann ich das“, antwortete er im Brustton der Überzeugung. „Es wird mir guttun, mal auf das alles zu verzichten.“

„Deine Handys musst du natürlich auch zu Hause lassen“, forderte Luka mutig.

„Wieso?“

„Weil du sonst die ganze Zeit die Börsenkurse abhörst und Geschäfte machst. Ich kenne dich doch, du Workaholic.“

„Wenn dir das so wichtig ist, kann ich ja mal darüber nachdenken.“ Die Vorstellung, völlig abgeschnitten zu sein von seinem Geschäftsimperium, behagte ihm gar nicht. Andererseits war die Aussicht auf eine – hoffentlich anstrengende – Bergwanderung ziemlich reizvoll.

Nach kurzem Klopfen ließ sich eine junge platinblonde Schönheit mit schier endlosen Beinen und strahlend blauen Augen blicken. Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte sie sich an ihren Chef. „Ihr nächster Besucher ist eingetroffen, Sir.“

„Danke, Lara. Ich melde mich, wenn ich so weit bin.“

Selbst der solide Luka stierte der attraktiven, die Hüften schwingenden persönlichen Assistentin nach. „Die sieht ja aus wie die Miss World vom letzten Jahr. Hast du was mit ihr?“

Ein amüsiertes Lächeln spielte um Mikhails sinnliche Lippen. „Nein, meine Angestellten sind für mich absolut tabu.“

„Aber sie sieht umwerfend aus“, bemerkte Luka.

„Nanu? Hast du schon genug von deiner Suzie?“, fragte Mikhail provozierend.

„Natürlich nicht!“, widersprach Luka beschämt. „Aber anschauen darf ich andere Frauen doch wohl noch, oder?“

Nur anschauen? Das wäre für Mikhail absolut nicht genug. Sich auf eine einzige Frau zu beschränken, würde ihm nicht im Traum einfallen. Der arme Luka schien es dagegen vorzuziehen, sich in Zukunft mit einer einzigen Frau zu begnügen. Hatte sein guter Freund wirklich die große Liebe entdeckt? Mikhail erwog, ihn bei der Wanderung auf die Probe zu stellen. Wenn Luka so heftig auf Lara reagierte, war Suzie vielleicht doch nicht die Richtige für ihn.

Und was ihn selbst betraf … Die Vorstellung, zu heiraten und alles mit einem anderen Menschen zu teilen, fand Mikhail völlig abwegig.

Lieber würde er seine Milliarden verbrennen.

Kat verzog missbilligend das Gesicht, als das Postauto laut knirschend über den Kiesweg fuhr. Ihre Schwester Emmie war völlig überraschend am späten Abend aufgetaucht und sollte jetzt nicht von der schrillen Türklingel aus dem Schlaf gerissen werden. Eilig legte Kat daher die Quiltdecke beiseite, an der sie gerade gearbeitet hatte, lockerte die steifen Finger und lief zur Haustür. Gute Nachrichten brachte der Briefträger sicher nicht. Tag und Nacht befürchtete Kat das Schlimmste.

Trotzdem öffnete sie entschlossen die Tür, zauberte ein Lächeln aufs Gesicht und wechselte einige freundliche Worte mit dem Mann, der ihr ein Einschreiben reichte und bat, den Erhalt zu quittieren. Angesichts der roten Schrift auf dem Umschlag war Kat stolz, dass ihre Hand nicht zitterte.

Langsam verschwand Kat dann wieder in dem solide gebauten Bauernhaus, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Nach dem unsteten Zigeunerleben, das sie bei ihrer Mutter Odette geführt hatte, war ihr Birkside zuerst wie das Paradies vorgekommen. Das ehemalige Topmodel Odette hatte selbst nach der Geburt ihrer Kinder nie ein festes Zuhause gehabt. Kats Vater war mit ihr verheiratet gewesen, bevor sie bekannt geworden war. Die reichen Männer, die Odette bei ihren Auslandsreisen zu Shootings kennenlernte, interessierten sie weitaus mehr als der ruhige Buchhalter, den sie als junges Mädchen viel zu früh geheiratet hatte.

Zehn Jahre vergingen, bevor Odette erneut den Schritt vor den Traualtar wagte. Aus dieser Ehe waren Zwillingstöchter hervorgegangen: Sapphire und Emerald. Die letzte feste Beziehung hatte Odette mit einem südamerikanischen Polospieler gehabt. Er war der Vater von Topaz, Kats jüngster Schwester. Als Kat dreiundzwanzig Jahre alt war, hatte ihre Mutter die drei jüngeren Schwestern in eine Pflegefamilie gegeben, weil die Mädchen sich angeblich nichts mehr sagen ließen und auf die schiefe Bahn zu geraten drohten. Besonders die Zwillinge waren gefährdet. Völlig verzweifelt hatten die Mädchen sich an Kat gewandt, die sich sofort bereit erklärt hatte, das alleinige Sorgerecht für ihre Halbschwestern zu übernehmen und ihnen im Lake District ihr erstes richtiges Zuhause zu bieten.

Rückblickend hinterließen die ersten glücklichen Tage voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft einen bitteren Nachgeschmack. Was blieb, war das Gefühl, versagt zu haben. Dabei war Kat fest entschlossen gewesen, ihren drei Schützlingen genau das zu geben, was ihr als Kind selbst immer gefehlt hatte: Liebe und ein sicheres Zuhause.

Mit zitternden Fingern riss sie den Umschlag auf und überflog das Schreiben. Wie alle anderen zuvor würde auch dieser Brief in der Schublade landen. Die Bank drohte mit Zwangsräumung, falls das Darlehen auch weiterhin nicht bedient wurde. Die Kredithaie, an die Kat sich in ihrer Verzweiflung gewandt hatte, verloren langsam die Geduld und wollten ihr den Gerichtsvollzieher auf den Hals hetzen. Sie war so hoch verschuldet, dass sie wohl tatsächlich bald alles verlieren und auf der Straße sitzen würde. Selbst wenn sie Tag und Nacht an den Quiltdecken arbeitete, sie konnten gar nicht genug Geld einbringen, um das Haus zu retten. Jetzt half nur noch ein Wunder.

Das alte Bauernhaus zu einer Pension umzubauen, hatte ein kleines Vermögen verschlungen. Doch heutzutage verlangten die Gäste nun mal nach Zimmern mit eigenem Bad. Auch Küche und Frühstücksraum hatten erweitert und modernisiert werden müssen.

In den ersten Jahren hatte es einen wahren Gästeansturm gegeben. Es war leichtsinnig gewesen, sich auf hohe Gästezahlen zu verlassen und einen weiteren Kredit aufzunehmen, um ihre Geschwister bestmöglich unterstützen zu können. Aber Kat wollte nun mal das Beste für ihre drei Schwestern.

Leider war der stetige Besucherstrom langsam abgeebbt. Die Gäste übernachteten jetzt lieber in preiswerten Hotels oder Gasthäusern. Erschwerend kam hinzu, dass die Pension sich am Ende einer langen, einspurigen Straße befand. Seit der letzten Wirtschaftskrise hatte Kat kaum noch Reservierungen.

Eine bildhübsche Blondine mit Modelmaßen kam in einem abgetragenen Morgenmantel langsam die Treppe hinunter und unterdrückte ein Gähnen. „Der Briefträger macht entschieden zu viel Lärm“, klagte Emmie. „Du bist sicher schon seit Stunden auf. Du warst ja schon immer eine Frühaufsteherin.“

Was war ihr denn anderes übrig geblieben? Ihre Schwestern mussten rechtzeitig zur Schule gebracht werden, und die Gäste erwarteten ihr Frühstück. Doch das wollte sie Emmie jetzt nicht aufs Butterbrot schmieren, zumal ihre Schwester besserer Laune zu sein schien als vor einigen Stunden. Mitten in der Nacht hatte ein Taxi sie hier abgesetzt. Emmie hatte behauptet, zu müde für irgendwelche Erklärungen zu sein, und war gleich ins Bett gegangen.

Kat war beunruhigt über Emmies plötzliches Auftauchen. Vor sechs Monaten war ihre Schwester zu Odette nach London gezogen, um ihre Mutter näher kennenzulernen, die sie seit ihrem zwölften Lebensjahr nur selten gesehen hatte. Kat hatte es ihr nicht ausgeredet. Immerhin war Emmie inzwischen dreiundzwanzig Jahre alt und musste ja wissen, was sie tat. Gern hätte sie ihr aber die Erfahrung erspart, dass Odette stets nur an sich selbst dachte und keine Liebe und Zuneigung für ihre Töchter empfand.

„Möchtest du frühstücken?“, fragte Kat sachlich.

„Ich habe keinen Hunger, aber eine Tasse Tee wäre nicht schlecht.“ Emmie setzte sich an den Küchentisch.

„Du hast mir gefehlt“, gestand Kat, als sie den Wasserkocher einschaltete.

„Du mir auch.“ Lächelnd sah Emmie auf. „Meinen Job in der Bücherei und mein ödes Privatleben hier habe ich allerdings nicht vermisst. Entschuldige, dass ich mich so selten bei dir gemeldet habe.“

„Schon gut.“ Kat strich sich die roten Locken aus dem Gesicht und nahm zwei Teebecher aus dem Küchenschrank. Sie war zehn Jahre älter als ihre Schwester, groß und schlank, hatte den hellen Teint der Rothaarigen, smaragdgrüne Augen und sinnliche Lippen. „Ich hatte mir schon gedacht, dass du viel um die Ohren hast, und gehofft, du amüsierst dich in London.“

Emmie verzog das Gesicht. „Es war die Hölle bei Odette“, sagte sie leise.

„Das tut mir leid.“ Kat schenkte Tee ein.

„Dir war das klar, oder? Warum hast du mich nicht vorgewarnt, Kat?“ Frustriert umklammerte Emmie den Becher.

„Weil ich dachte, Mum hätte sich vielleicht zum Positiven verändert. Außerdem wollte ich, dass du dir unvoreingenommen deine eigene Meinung bildest.“

Emmie lachte sarkastisch und zählte Beispiele für Odettes Eigensucht auf. Als Kat nur verständnisvoll nickte, erklärte sie: „Jedenfalls bleibe ich jetzt hier. Außerdem … Ich bin schwanger.“

„Das ist ein Scherz, oder?“ Entsetzt musterte Kat ihre Schwester.

„Nein. Tut mir leid, ich kann es nicht ändern.“

„Und wer ist der Vater?“

„Wir sind nicht mehr zusammen, und ich möchte nicht darüber reden.“ Emmie ließ den Kopf hängen.

Natürlich machte Kat sich sofort wieder Vorwürfe, in ihrer Mutterrolle versagt zu haben.

„Bevor du weiterfragst: Ich will das Baby behalten“, erklärte Emmie trotzig.

Benommen von der unerwarteten Neuigkeit setzte Kat sich an den Tisch und fragte leise: „Und wie willst du dich und das Kind durchbringen?“

Offensichtlich hatte Emmie sich das schon genau überlegt. „Ich wohne hier und helfe dir in der Pension.“

„Wie willst du denn helfen? Es kommen ja keine Gäste mehr.“ Kat wusste, dass sie die Wahrheit nicht mehr verheimlichen konnte.

„Das liegt an der Jahreszeit. Spätestens zu Ostern rennen sie dir wieder die Bude ein“, sagte Emmie flapsig.

„Wohl kaum. Außerdem stecke ich bis zum Hals in Schulden.“

Erstaunt musterte Emmie sie mit ihren veilchenblauen Augen. „Seit wann das denn?“

„Schon lange. Vor deiner Abreise musst du doch selbst gemerkt haben, dass sich kaum noch Gäste hierher verirrt haben.“

„Ich erinnere mich, dass du ein Darlehen zum Umbau des Hauses aufgenommen hast, als wir zu dir gezogen sind“, sagte Emmie.

Leider war das nur die halbe Wahrheit. Doch das behielt Kat vorerst für sich, weil sie vermeiden wollte, dass Emmie sich schuldig fühlte. Ganz offensichtlich hatte sie es schon schwer genug mit der zerbrochenen Beziehung und der Schwangerschaft.

Manche Menschen werden wirklich stiefmütterlich vom Schicksal behandelt, dachte Kat mitleidig. Die arme Emmie stand im Schatten ihrer eineiigen Zwillingsschwester, die als Supermodel weltweit gefragt war. Die zwei Minuten ältere Saffy war schon immer härter und selbstständiger gewesen als die gefühlvolle Emmie, die zudem im Alter von zwölf Jahren schwere Beinverletzungen erlitten hatte, als sie bei einer Spritztour in einem gestohlenen Auto verunglückt war. Als Emmie endlich wieder gehen konnte, humpelte sie, denn ein Bein war verkürzt. Ständig ihre perfekte Zwillingsschwester vor Augen zu haben, mit der sie immer wieder verglichen wurde, hatte Emmie so zugesetzt, dass es schließlich zu einem Bruch zwischen den Zwillingen gekommen war. Noch immer, Jahre danach, sprachen sie kaum ein Wort miteinander.

Zum Glück konnte Emmy sich inzwischen wieder völlig normal bewegen. Irgendwann hatte Kat das Elend nicht mehr mit ansehen können und einen weiteren Kredit aufgenommen, um ihrer Schwester eine Operation im Ausland zu ermöglichen, bei der das Bein verlängert wurde. Die OP war ein voller Erfolg gewesen. Nur der Kredit war immer noch nicht abbezahlt, weil Kat das Geld für die Raten nicht mehr aufbringen konnte. Die Schuldenlast wurde immer drückender. Doch das sollte Emmie nicht erfahren. Wäre Kat noch einmal mit so einer Situation konfrontiert worden, sie hätte nicht gezögert, genauso zu handeln, denn das Wohl ihrer Schwestern war ihr wichtiger als alles andere.

„Ich habe eine Idee.“ Emmie strahlte. „Du verkaufst das Ackerland, dann kannst du deine Schulden begleichen. Daran hättest du eigentlich auch selbst denken können, Kat.“

Das Land hatte Kat schon vor Jahren verkaufen müssen, weil Odette die Unterhaltszahlungen für ihre minderjährigen Töchter bald nach deren Umzug zu Kat eingestellt hatte. Außerdem war Topsy, das außergewöhnlich intelligente Nesthäkchen, in der Schule gemobbt worden, sodass Kat sich gezwungen gesehen hatte, die Kleine auf ein Internat zu schicken und irgendwie das Schulgeld aufzubringen. Zum Glück erhielt Topsy inzwischen ein Stipendium.

„Das Ackerland gehört mir schon lange nicht mehr“, antwortete Kat widerstrebend. „Und nun werde ich wohl auch das Haus verlieren.“

„Du liebe Zeit! Was hast du denn mit dem ganzen Geld gemacht?“, fragte Emmie vorwurfsvoll.

Kat ließ den Kopf hängen und schwieg. Wie sollte sie ihrer Schwester erklären, dass sie immer am Rand des Existenzminimums gelebt hatte? Vorläufig wurde sie einer Antwort enthoben, denn es klingelte an der Tür. Erleichtert stürzte Kat aus der Küche.

Ihr Nachbar Roger Packham, ein Witwer Mitte vierzig, begrüßte sie mit einem charakteristischen Nicken. „Ich will dir morgen Kaminholz bringen. Soll ich es am üblichen Platz aufstapeln?“

„Äh … ja. Herzlichen Dank.“ Seine Großzügigkeit beschämte sie. Nicht nur um sich vor dem eisigen Wind zu schützen, verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ganz schön kalt heute, Roger“, fügte sie schnell hinzu.

„Nordwind“, erklärte er wortkarg. „Schwerer Schneefall ist angesagt. Du hast hoffentlich genug Vorräte im Haus.“

„Nein, bitte nicht noch mehr Schnee!“ Kat fröstelte in ihrem dicken Wollpullover. „Was schulde ich dir für das Holz, Roger?“

„Gar nichts.“ Roger winkte beleidigt ab. „Reine Nachbarschaftshilfe. Eine Frau wie du sollte nicht allein hier leben. Ich helfe gern.“

Kat bedankte sich noch einmal und verschwand wieder im Haus. In der Diele erhaschte sie ihr Spiegelbild und sah eine abgespannte Frau mittleren Alters vor sich, die darüber nachdenken sollte, das lange Haar schneiden zu lassen. Und dann? Wie sollte sie die Locken bändigen? Hatte sie sich getäuscht, oder hatte Roger sie tatsächlich gerade bewundernd angesehen? Jedenfalls machte es sie verlegen. Sie war fünfunddreißig Jahre alt und betrachtete sich als ewige Jungfrau. Wann sich zuletzt ein Mann für sie interessiert hatte, wusste sie gar nicht mehr. Wie sollte sie hier auch jemanden kennenlernen? Sie verließ das Haus ja nur zum Einkaufen oder wenn sie ihre Quiltdecken an den Souvenirladen verkaufte.

Seit sie ihre Schwestern bei sich aufgenommen hatte, war es mit dem Privatleben praktisch vorbei gewesen. Sie hatte so viel zu tun gehabt, dass für einen Mann in ihrem Leben gar kein Platz gewesen wäre. Und nun war sogar Emmie schon erfahrener als sie!

Emmie schob gerade ihr Handy in die Hosentasche, als Kat wieder in der Küche auftauchte. „Leihst du mir den Wagen, Kat? Beth hat mich zu sich eingeladen.“ Beth war eine Schulfreundin, die noch im Dorf wohnte.

Kat ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken, dass Emmie ihre Probleme offensichtlich lieber mit ihrer gleichaltrigen Freundin besprechen wollte. „Meinetwegen. Aber Roger hat gerade vor heftigem Schneefall gewarnt.“

„Wenn es zu schlimm wird, übernachte ich bei Beth“, antwortete Emmie fröhlich und stand auf. „Ich gehe mich jetzt umziehen. Ach, Kat? Danke, dass du mich nicht ausgefragt hast.“

Kat drückte ihre jüngere Schwester kurz an sich. „Okay. Aber versprich mir, dass du dir Gedanken über die Zukunft machst. Es ist kein Zuckerschlecken, ein Kind ganz allein großzuziehen.“

„Ach, das werde ich schon schaffen. Ich bin ja kein Kind mehr.“

Diese Abfuhr verletzte Kat natürlich. Zumal sie ja nun wirklich wusste, wie schwer man es als Alleinerziehende hatte. Und was sollte werden, wenn sie das Haus verlor? Wo und wovon sollten sie, Emmie und das Baby dann leben?

Gedankenverloren blickte Kat am Nachmittag aus dem Fenster. Dichter Schneefall hatte eingesetzt, Rogers Vorhersage erwies sich als richtig. Wie wunderschön und friedlich die weiße Pracht wirkte. Doch der Schein konnte auch trügen. Wie oft hatten Wanderer sich schon im Schneesturm verlaufen!

Emmie rief an, um Bescheid zu sagen, sie würde bei Beth übernachten. Kat holte noch Holz für den Kamin im Wohnzimmer herein. Der Schnee fiel jetzt so dicht, dass man die Berge nicht mehr sehen konnte. Kat setzte sich an den Kamin, widmete sich der Arbeit an ihrer neuesten Quiltdecke und dachte nach. Ein Baby. Den Wunsch nach einem eigenen Kind hatte sie schon lange aufgegeben. Umso mehr freute sie sich auf einen kleinen Neffen oder eine kleine Nichte. Trotz aller finanzieller Schwierigkeiten. Wie hatte ihre Großmutter väterlicherseits immer so schön gesagt? Gott wird es schon richten.

Erschrocken fuhr Kat zusammen, als es um acht Uhr plötzlich klingelte. Dann wurde auch noch ungeduldig geklopft. Ungehalten lief Kat zur Tür und konnte im Schein der Außenbeleuchtung drei große Schatten durch die Glasscheibe ausmachen. Hoffentlich sind es Gäste, dache Kat, öffnete die Tür und sah sich zwei großen Männern gegenüber, die einen dritten – kleineren – stützten.

„Das ist doch hier eine Pension, oder?“, erkundigte sich der schlaksige Mann links mit unverkennbar vornehmem englischen Akzent, während der muskulösere große schwarzhaarige Mann rechts sie ungeduldig anstarrte.

„Haben Sie Zimmer für uns?“, fragte er dann forsch. „Mein Freund hat sich am Knöchel verletzt.“

„Oh je“, sagte Kat mitfühlend und machte den Männern Platz. „Kommen Sie herein! Sie müssen ja völlig durchgefroren sein. Ich habe drei Zimmer frei.“

„Sie werden es nicht bereuen, sich um uns zu kümmern“, brummte der Zweimetermann mit einem Akzent, den Kat nicht einordnen konnte.

„Ich kümmere mich um alle meine Gäste“, versicherte Kat ihm und begegnete seinem beunruhigend intensiven Blick. Der Mann hatte fast schwarze Augen und dichte schwarze Wimpern.

Da Kat selbst fast einen Meter achtzig groß war, kam es nicht oft vor, dass sie zu einem Mann aufsehen musste. Wie gebannt musterte sie den außergewöhnlich attraktiven Mann, seine ausgeprägten Wangenknochen und markanten Augenbrauen. Ein Alphamann, wie er im Buche stand.

Er ließ sie nicht aus den Augen. „Ich bin Mikhail Kusnirovich, das ist mein Freund Luka Volkov und das der Bruder seiner Verlobten, Peter Gregory.“

Noch nie zuvor hatte Mikhail der Anblick einer Frau so gefesselt. Wilde Korkenzieherlocken von der Farbe roter Ahornblätter umrahmten das schmale Gesicht mit dem makellosen Porzellanteint. Freche Sommersprossen zierten die kleine Nase, die Augen leuchteten smaragdgrün, und die sinnlichen Lippen riefen sofort erotische Bilder vor seinem geistigen Auge hervor. Sein Körper reagierte sofort. Sehr zu Mikhails Verdruss, denn normalerweise hatte er seine Libido stets unter Kontrolle. Diese plötzliche Schwäche irritierte ihn.

„Katherine Marshall. Aber alle sagen Kat.“ Sie wunderte sich über ihre Kurzatmigkeit. Und wieso zitterten ihr plötzlich die Knie? Kat riss sich zusammen. „Bringen Sie ihn ins Wohnzimmer. Er kann sich erst mal auf dem Sofa ausruhen. Benötigt er ärztliche Hilfe? Das könnte ein Problem sein, denn die Straße ist vermutlich zugeschneit.“

„Es ist nur ein verstauchter Knöchel“, erklärte der Mann namens Luka. Auch er sprach mit fremdländischem Akzent. „Mir reicht es schon, wenn ich das Bein hochlegen kann.“

Bewundernd ließ Mikhail den Blick über Kats kleine feste Brüste, die schmale Taille und die unglaublich langen Beine gleiten, die in der engen Jeans prachtvoll zur Geltung kamen. Nur die rosa Häschenpuschen störten das Bild einer atemberaubenden Schönheit.

Auch Peter Gregory verfolgte Kat mit Blicken und schnalzte anerkennend mit der Zunge, bevor er den anderen Männern zuraunte, was er am liebsten mit ihrer Wirtin anstellen würde. Hätte Kat seine unverschämte Bemerkung gehört, hätte sie ihn sofort vor die Tür gesetzt.

Frustriert biss Mikhail die ebenmäßigen weißen Zähne zusammen. Dieser Peter Gregory, der Luka und ihn unvermutet auf der Bergwanderung begleitet hatte, war wirklich eine Zumutung. Das ganze Wochenende war verdorben. Und nun hatte Luka sich auch noch verletzt. Schlimmer hätte es für Mikhail kaum kommen können. Er war es nicht gewohnt, sich mit Menschen zu umgeben, die ihm unsympathisch waren.

Behutsam wurde Luka auf dem Sofa abgesetzt. Umsichtig organisierte Kat einen Schemel, auf dem er das Bein lagern konnte, während der Zweimetermann die Rucksäcke ins Haus holte und mit einem kleinen Erste-Hilfe-Koffer ins Wohnzimmer zurückkehrte. Behutsam zog er seinem vor Schmerz stöhnenden Freund den Stiefel aus. Dabei unterhielten die beiden Männer sich in einer Sprache, die Kat nicht verstand. Schnell holte sie ihre eigene Notfallausrüstung herbei, die besser ausgestattet war, und der große attraktive Fremde bandagierte geschickt den Knöchel seines Freundes. Hilfsbereit stellte Kat dem Verletzten auch noch den Spazierstock ihres Vaters zur Verfügung und bemerkte erst jetzt, dass Luka am ganzen Körper zitterte. Schnell zog sie eine Decke vom Sessel, die der arme Mann sich um die Schultern legen ließ.

„Haben Sie Schmerztabletten?“, fragte Mikhail und sah auf.

Diese dunklen Augen, diese seidig glänzenden, unverschämt langen Wimpern … Kat war hin und weg und errötete verlegen. Dann besorgte sie schnell die Tabletten und brachte auch ein Glas Wasser für Luka mit. Dabei fiel ihr auf, dass der Mann mit dem vornehmen Akzent nur tatenlos zusah. Außerdem beschwerte er sich, dass die anderen Männer kein Englisch mehr sprachen.

„Dann zeige ich Ihnen mal Ihre Zimmer“, sagte Kat schließlich. „Sie nehmen am besten das hier unten.“ Lächelnd nickte sie Luka zu. „Die anderen Zimmer befinden sich auf der ersten Etage.“

„Ich muss erst mal duschen“, sagte Peter Gregory und stürmte allen voran nach oben.

„Das Wasser ist in einer halben Stunde heiß“, informierte ihn Kat.

„Haben Sie kein fließend heißes und kaltes Wasser? Was ist das denn für eine Pension?“, beschwerte er sich sofort.

„Da ich nicht mit Gästen gerechnet habe, ist der Boiler natürlich nicht eingeschaltet.“ Geduldig klärte Kat ihn auf und zeigte ihm schnell sein Zimmer, um ihn loszuwerden. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, Kritik zu ignorieren. Manchen Leuten konnte man es einfach nicht recht machen.

„Ignorieren Sie ihn einfach“, riet Mikhail. „Das tue ich auch.“

Seine tiefe Stimme löste ein Prickeln bei Kat aus. Verstört öffnete sie die Tür zu dem zweiten Zimmer. Plötzlich konnte sie es kaum noch erwarten, wieder nach unten zu laufen.

2. KAPITEL

Entsetzt betrachtete Kat das unaufgeräumte Zimmer. Sie hatte völlig vergessen, dass Emmie vergangene Nacht hier geschlafen hatte. Das Bett war nicht gemacht, und überall lagen Sachen herum.

„Ach je! Meine Schwester hat hier ja letzte Nacht geschlafen. Ich räume schnell auf und beziehe das Bett neu“, versicherte sie Mikhail und begann eilig, Emmies Siebensachen einzusammeln und in ihr eigenes Zimmer gegenüber zu tragen.

Mikhail fragte sich, warum sie so nervös war. Sie schien unsichtbare Funken zu sprühen und versuchte, einen gewissen Abstand zu ihm zu wahren. Diese Frau drängte sich ihm nicht auf, wie es so viele andere bereits getan hatten, die magnetisch von seinem Einfluss und Reichtum angezogen wurden und sich gar nicht für ihn als Mann interessierten. Er wusste, wie Frauen auf ihn reagierten: mit Lust, Eifersucht, Gier. Viele waren besitzergreifend. Doch nervös und verunsichert hatte noch keine reagiert.

Es amüsierte ihn, dass seine Gastgeberin keine Ahnung hatte, wen sie vor sich hatte. Jedenfalls hatte sie keine Reaktion gezeigt, als er ihr seinen Namen genannt hatte. Woher sollte eine Frau, die praktisch in der Wildnis wohnte, auch von ihm gehört haben? Gerade diese Anonymität reizte den Sohn eines Milliardärs, der nie etwas anderes kennengelernt hatte als ein Leben in Reichtum und Luxus.

Kat tauchte wieder auf, um Emmies restliche im ganzen Zimmer verstreute Habseligkeiten einzusammeln. Mikhail warf ihr einen BH zu, der über einem Lampenschirm drapiert gewesen war. Kat errötete vor Scham und eilte zurück in ihr eigenes Zimmer. Auf dem Rückweg holte sie frisches Bettzeug aus dem Wäscheschrank und mied verlegen Mikhails Blick, als sie erneut das Gästezimmer betrat. „Machen Sie hier Urlaub mit Ihren Freunden?“, erkundigte sie sich schließlich, um das Schweigen zu brechen.

„Wir wollten mal ein Wochenende außerhalb von London verbringen“, erzählte er trocken.

„Dann wohnen Sie in London?“ Kat riskierte einen kurzen Blick in seine Richtung, bevor sie anfing, das Doppelbett abzuziehen, das vermutlich einige Zentimeter zu kurz für den Zweimetermann war. Und dann begegneten sich ihre Blicke, und sie hielt fasziniert inne. Mikhails Gesicht war vollkommen symmetrisch, seine Augen glitzerten wie schwarze Diamanten. Kat hatte das Gefühl, bei ihr brannte eine Sicherung durch. Dann fiel ihr ein, dass Symmetrie als stärkste Komponente wahrer Schönheit galt. Auf diesen atemberaubenden Mann traf das zweifellos zu. Verträumt betrachtete sie seine sinnlichen Lippen, die förmlich zum Küssen einluden. Was ist nur mit mir los? überlegte Kat beunruhigt. Sie konnte einfach nicht den Blick von diesem faszinierenden wildfremden Mann abwenden.

„Da. Ja, meine ich“, antwortete er mit seiner heiseren Stimme. „Luka und ich stammen aus Russland.“

Als er blinzelte, erwachte Kat aus ihrer Trance und plagte sich verlegen wieder mit dem Laken ab. Konnte er ihr nicht helfen? Umso schneller wäre der Job erledigt. Doch wie er da so arrogant am Fenster stand, vermutete sie, dass er in seinem ganzen Leben noch kein Bett bezogen hatte.

Mikhail schob die Hände tief in die Hosentaschen, um seine Erektion zu verbergen. Direkt vor seinen Augen beugte Kat sich übers Bett und reckte ihm ihren sexy Po entgegen, als sie fieberhaft versuchte, das Laken festzustecken und glatt zu ziehen. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie sie die schlanken Beine um seine Taille schlang und ihn aufforderte, tiefer in sie zu gleiten. Kleine Schweißperlen bildeten sich über seiner Oberlippe. Plötzlich war ihm unglaublich heiß. Er fühlte sich wie jemand, der seit Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte. Doch das entsprach ganz und gar nicht den Tatsachen.

Unglaublich, wie sehr diese Frau ihn erregte. Und nach ihrem Blick zu urteilen, empfand sie die gleiche Lust für ihn. Zufrieden stellte er fest, dass sie keinen Ehering trug …

Kat erkannte sich kaum wieder. Normalerweise unterhielt sie sich unbeschwert mit den Gästen, doch bei diesem unverschämt attraktiven Mann hatte es ihr schier die Sprache verschlagen. Ein humorvolles Lächeln spielte um seinen ausdrucksvollen Mund und erhellte die nachdenkliche Miene. Schnell wandte Kat den Blick ab. Sie benahm sich wie ein liebestoller Teenager! Verstohlen sah sie dann noch einmal auf. Dieser Mann war vielschichtig. Sie brannte darauf, ihn näher kennenzulernen.

„Können Sie ein Abendessen für uns zubereiten?“, fragte Mikhail ruhig, als sie das Federbett neu bezog. Wie nervös und verletzlich sie ist, dachte er und meinte, in ihrem ausdrucksvollen Gesicht lesen zu können wie in einem Buch. Vermutlich war sie nicht sehr erfahren, aber das würde erfrischend neu für ihn sein. Bisher hatte er es im Bett nur mit erfahrenen Frauen zu tun gehabt, die in ihrer Raffinesse Kurtisanen gleichkamen – nicht jedoch in ihrer Ehrlichkeit.

Kat wandte sich um, mied aber seinen Blick. „Ja, aber Haute Cuisine dürfen Sie nicht erwarten.“

„Wir sind so hungrig, dass wir das gar nicht merken werden.“

„Okay.“ Sie räumte noch das Badezimmer auf und sagte beim Hinausgehen: „Ich bringe gleich frische Handtücher.“

Mikhail wollte sie nicht gehen lassen und breitete eine Landkarte auf der – staubigen – Kommode aus. Kat war es schrecklich peinlich, dass sie in letzter Zeit nicht mehr regelmäßig sauber gemacht hatte, weil die Gäste ausgeblieben waren und Geldsorgen sie plagten.

„Könnten Sie mir bitte auf der Karte zeigen, wo wir hier sind?“, bat Mikhail, obwohl er genau wusste, wo sie sich befanden. „Ich möchte die Entfernung zu unserem Geländewagen berechnen.“

„Geben Sie mir eine Minute“, rief Kat ihm über die Schulter zu, verstaute die Kosmetika ihrer Schwester in ihrem eigenen Zimmer und nahm auf dem Rückweg frische Handtücher aus dem Wäscheschrank. Dann atmete sie tief durch, legte die Handtücher auf das neu bezogene Bett und beugte sich über die Landkarte. Dabei spürte sie Mikhails Körperwärme und atmete einen Hauch von Eau de Cologne ein, das sich mit dem typisch männlichen Duft von Mikhail und der frischen Schneeluft draußen auf höchst sinnliche Welse vermischte und eine wahre Kettenreaktion der Lust bei Kat auslöste. Ihre Brüste schienen plötzlich schwerer zu wiegen, in ihrem Schoß pulsierte es. Nur mit größter Willensanstrengung konnte Kat sich auf die Karte konzentrieren und klopfte mit dem Zeigefinger darauf. „Wir befinden uns genau hier.“

Mikhail umschloss Kats Hand und strich mit dem Daumen sanft über den wild pochenden Puls. „Sie zittern ja“, flüsterte Mikhail rau und drehte Kat mit der freien Hand zu sich herum.

„Es muss wohl … kalt sein“, antwortete Kat, schockiert über ihre Reaktion auf einen Wildfremden. Natürlich hatte er gemerkt, wie sie ihn angestarrt hatte, und nutzte ihre vorübergehende Schwäche nun aus. Dabei musste ein so fantastisch aussehender Mann es doch gewohnt sein, alle Blicke auf sich zu ziehen. Vermutlich würde er sich gleich lustig darüber machen, dass er sie so aus dem Konzept brachte. Dieser Gedanke brachte Kat wieder zur Besinnung. Stolz warf sie den Kopf zurück und sah Mikhail kühn an.

Ein Fehler, denn in seinen dunklen Augen blitzte es auf wie ein Feuerwerk am Nachthimmel. Der Blick war so heiß, dass Kat meinte, die Hitze in ihrem ganzen Körper zu spüren. Dieses intensive, noch nie erlebte Lustgefühl nahm ihr den Atem. Die Zeit schien stillzustehen. Behutsam zog Mikhail die Kontur ihrer bebenden Unterlippe nach.

„Ich möchte Sie küssen.“

Auf Kat wirkten diese Worte wie eine kalte Dusche. Schockiert wich sie zurück. „Nein, auf gar keinen Fall“, stieß sie atemlos hervor. Ihr Puls raste, als Mikhails Blick eisig wurde. „Ich kenne Sie ja überhaupt nicht.“

„Normalerweise frage ich nicht erst um Erlaubnis, bevor ich eine Frau küsse“, erklärte Mikhail kühl. „Sie sollten vorsichtiger sein.“

Das war ja ein starkes Stück! „Wie bitte? Ich soll vorsichtiger sein?“, fragte sie verblüfft.

„Es ist unübersehbar, dass Sie mich attraktiv finden“, konterte er selbstbewusst. „Ich habe lediglich darauf reagiert. Sie sind eine wunderschöne Frau.“

So eine Unverfrorenheit! Jetzt gab er tatsächlich ihr die Schuld für seinen Annäherungsversuch. Und das anschließende Kompliment sollte sie wohl besänftigen. Wütend biss Kat die Zähne zusammen. Möglicherweise hatte sie ihn ja tatsächlich ermutigt – natürlich völlig unbeabsichtigt!

Blitzschnell verdrängte Kat diesen Gedanken und eilte zur Tür. „Ich muss mich jetzt ums Abendessen kümmern“, erklärte sie knapp und verschwand.

Seltsam, dachte Mikhail. Irgendwie wurde er nicht schlau aus dieser Frau. Dabei hielt er sich doch für einen Frauenkenner. Auf seinen Wunsch, sie zu küssen, hatte sie reagiert, als hätte er ihr einen unsittlichen Antrag gemacht. Dabei hatte sie ihm doch eindeutige Signale gesendet, dass sie an ihm interessiert war. Oder hatte er sich das nur eingebildet? Nein, so sehr konnte er sich gar nicht getäuscht haben. Vielleicht war es ein Spiel. Sie hielt ihn auf Abstand, um ihn so richtig heiß auf sie zu machen. Frustriert fluchte er auf Russisch vor sich hin. Zum ersten Mal in seinem Leben war er von einer Frau abgewiesen worden.

Kat nahm eine Tüte Rindergulasch aus der Tiefkühltruhe und taute es in der Mikrowelle auf. Eigentlich hätte sie zuerst noch das Badezimmer oben gründlich putzen sollen, doch solange Mikhail da oben war, traute sie sich nicht wieder hinauf. Angst hatte sie nicht vor ihm, aber sein Vorwurf, sie hätte ihn ermuntert, beschämte sie zutiefst. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie zum ersten Mal seit Jahren wieder einen Mann attraktiv fand. Damals hatte sie in einem Londoner Museum eine Ausbildung zur Restauratorin gemacht und sich in Steve verliebt. Sie war so jung gewesen, voller Hoffnung und Träume. Doch was sie für Steve empfunden hatte, war nichts, verglichen mit der wahren Gefühlsexplosion, die Mikhail Kusnirovich in ihr ausgelöst hatte.

Aber woher wusste er, was in ihrem Innern vorging? Sie hatte keine Ahnung, was ihre Gefühle für ihn verraten hatte. Genau das machte sie so wütend. Vielleicht hatte er ihr Interesse in ihrem Blick gelesen. Okay, dann schaue ich ihn eben nicht mehr an, dachte Kat entschlossen. Und reden wollte sie sicherheitshalber auch nicht mehr mit ihm. Er könnte sonst wieder etwas falsch verstehen. Wütend schnippelte Kat frisches Gemüse, während ihre Gedanken sich förmlich überschlugen, als es plötzlich klopfte. Erschrocken sah sie auf.

Luka stand an der Tür, schwer auf den Spazierstock gestützt. Du liebe Zeit, den armen Mann habe ich vor lauter Aufregung ganz vergessen, dachte Kat entsetzt.

„Bitte entschuldigen Sie die Störung …“

„Sie stören nicht. Und ich habe mich zu entschuldigen, weil ich Ihnen Ihr Zimmer noch gar nicht gezeigt habe.“ Sie trocknete sich die Hände ab und ging zu ihm.

„Ich bin eingeschlafen“, erklärte Luka verlegen und humpelte neben ihr her. „So müde bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen. Dabei hat Mikhail mich die letzten Kilometer praktisch getragen. Ich kann kaum fassen, dass ich auf dieser Wochenendtour bestanden habe.“

„Sie haben sich die Tour sicher anders vorgestellt. Aber Unfälle passieren nun mal“, sagte Kat mitfühlend, griff nach dem einzigen Rucksack, der noch in der Diele stand, und hielt Luka die Tür zu seinem Zimmer auf.

Beim Abendessen bemühte Kat sich sehr, Mikhail zu ignorieren. Hungrig machten die Männer sich über das Gulasch her und lobten Kats Kochkünste. Begeistert ließen sie sich auch den Apfelkuchen schmecken, den sie mit Vanilleeis zum Nachtisch servierte.

Diese Frau kochte und backte traumhaft. Mikhail, der sich über solche Talente noch nie Gedanken gemacht hatte, war schwer beeindruckt. Allerdings missfiel es ihm, in der Küche essen zu müssen. Außerdem passte es ihm nicht, dass Kat ihn mit Nichtachtung strafte. Er fand das sehr kindisch. Gleichzeitig beobachtete er sie jedoch unauffällig, und was er sah, gefiel ihm immer besser. Das wiederum ärgerte ihn, ebenso wie Kats lockere Unterhaltung mit Luka.

„Wie kommt es, dass Sie hier ganz allein leben?“, fragte Peter Gregory plötzlich dazwischen. „Sind Sie verwitwet?“

„Ich war nie verheiratet“, antwortete Kat gleichmütig. Fast alle Gäste hatten ihr diese Frage schon gestellt. „Das Haus habe ich von meinem Vater geerbt. Es bot sich damals praktisch an, das Bauernhaus zu einer Pension umzubauen.“

„Aber es gibt einen Mann in Ihrem Leben?“, hakte Peter nach und musterte sie mit diesem gewissen Blick, den sie auch schon kannte und nicht besonders schätzte. Erst recht nicht, seit Mikhails Kommentar vorhin. „Das geht nur mich etwas an“, antwortete sie daher abweisend.

An die Möglichkeit, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben geben könnte, hatte Mikhail überhaupt nicht gedacht. Wahrscheinlich hatte sie sich deshalb so abrupt von ihm abgewandt. Sie fand ihn zwar attraktiv, durfte ihren Gefühlen jedoch nicht nachgeben, weil sie gebunden war. Diese Vorstellung gefiel ihm gar nicht, und er wurde immer frustrierter. Das war sonst gar nicht seine Art. Irgendwie fühlte er sich in der kleinen Küche beengt. Er musste hinaus, um sich abzureagieren, sonst bekam er noch einen Stubenkoller. Entschlossen stand Mikhail auf.

„Ich gehe jetzt zurück zum Wagen und hole die Handys. Es war keine gute Idee, sie zurückzulassen, Luka“, fügte er vorwurfsvoll hinzu.

Erstaunt hörte Kat ihm zu.

„Du kannst doch nicht in diesem Schneesturm nach draußen gehen“, widersprach Luka beunruhigt. „Der Wagen ist meilenweit entfernt und wahrscheinlich eingeschneit. Vielleicht findest du ihn gar nicht.“

„Wenn du dir nicht den Knöchel verstaucht hättest, wäre ich schon viel früher losgegangen“, antwortete Mikhail trocken.

„Ich hätte mein Handy gern wieder“, sagte Peter Gregory fröhlich.

Zum ersten Mal, seit sie sich zum Abendessen versammelt hatten, riskierte Kat einen Blick auf Mikhail. Es war ihr ausgesprochen schwergefallen, ihn die ganze Zeit zu ignorieren. Jetzt war sie ehrlich besorgt um sein Wohlergehen. Nach kurzem Zögern folgte sie ihm hinaus auf die Diele. Er hatte bereits seine wetterfeste Jacke angezogen und die Haustür geöffnet.

Draußen herrschte dichtes Schneetreiben. Schneeverwehungen hatten die Straße völlig unter sich begraben. Einen Sekundenbruchteil, bevor Mikhail lässig, als würde er einen Spaziergang bei herrlichem Sonnenschein unternehmen, das Haus verlassen konnte, hielt Kat ihn am Arm zurück. „Nun seien Sie doch vernünftig! Nur ein Narr würde sein Leben riskieren, um Handys zu holen.“ Sie zitterte in dem eisigen Wind.

„Ich bin kein Narr!“ Empört musterte er sie. Was fiel ihr überhaupt ein, sich einzumischen? „Sie übertreiben maßlos. Ich weiß genau, was ich tue. Und ich riskiere bestimmt nicht mein Leben, indem ich in dreißig Zentimeter hohem Schnee unterwegs bin.“

„Eigentlich könnte es mir ja auch egal sein, ob Sie in einer Schneewehe stecken bleiben und an Unterkühlung sterben“, fuhr Kat ihn an. So ein blöder, uneinsichtiger Macho war ihr noch nie über den Weg gelaufen.

„Ich habe nicht vor zu sterben“, erklärte Mikhail mit typisch männlicher Arroganz. „Und das werde ich auch nicht, weil ich nämlich dem Wetter entsprechend gekleidet und sehr fit bin. Außerdem kenne ich mich hier gut aus und an Schnee bin ich auch gewöhnt.“

„Das überzeugt mich nicht. Wem musste ich denn vorhin auf der Karte zeigen, wo er sich befindet?“ Herausfordernd sah sie ihn an. „Telefonieren können Sie auch im Haus übers Festnetz. Nun nehmen Sie doch Vernunft an!“

Wütend und frustriert zugleich erwiderte er ihren Blick und wunderte sich über ihre herrische Art. Noch nie zuvor hatte eine Frau ihn so angefaucht. Aber die Wut machte Kat noch unwiderstehlicher. Die grünen Augen glitzerten wie Smaragde, der Wind hatte die langen roten Korkenzieherlocken zerzaust. Ein ausgesprochen erregender Anblick. Dabei zog er normalerweise gut erzogene, fügsame Frauen vor. Aber diese Kat … Er konnte nicht anders. Blitzschnell zog er sie an sich und küsste sie wild und leidenschaftlich.

Völlig überrumpelt ließ Kat es geschehen und erwiderte seinen Kuss mit gleicher Leidenschaft. Ihr Verstand hatte sich vorübergehend verabschiedet, hier und jetzt regierte heiße Lust, die sie so noch nie erlebt hatte. Hingerissen schmiegte sie sich an Mikhails breite Brust und gab sich ganz den wundervollen, magischen, wenn auch beängstigenden Gefühlen hin, die er in ihr entfesselte.

„Ich bin in zwei Stunden zurück, milaya moya“, flüsterte Mikhail an ihren Lippen und freute sich diebisch, dass Kat endlich so reagierte, wie er es sich gewünscht hatte. „Du wartest doch auf mich?“

Im Handumdrehen verwandelte sie sich von der liebeshungrigen Frau, die ihr bisher völlig unbekannt gewesen war, zurück in die alte Kat.

„Das könnte dir so passen!“ Mit dem Handrücken fuhr sie sich über die geschwollenen Lippen, als wären sie schmutzig, sehr zu Mikhails Missfallen. „Wenn ich Nein sage, dann meine ich auch nein.“

„Dein Körper sagt etwas anderes“, entgegnete Mikhail leise.

„Und wenn schon. Damit eins klar ist: Ich bin nicht Schneewittchen und du nicht mein Prinz. Den Kuss hättest du dir also schenken können“, rief sie ihm wütend hinterher, als er kopfschüttelnd durch den Schnee stapfte. Dann warf sie die Tür zu und wäre fast mit Luka zusammengeprallt, der sie verblüfft anstarrte. Schließlich lächelte er amüsiert.

„Mikhail hat schon Wanderungen in der Arktis und in Sibirien unternommen“, erzählte er in entschuldigendem Tonfall. Ihm war bewusst, dass Kat vor Scham vermutlich am liebsten im Boden versunken wäre.

In der Arktis? Das kann ja wohl nicht wahr sein! dachte Kat wütend und errötete verlegen. Eilig zog sie sich in die Küche zurück, doch während sie den Tisch abräumte, war Peter Gregory fortlaufend am Prahlen: über sein tolles Apartment, seinen wichtigen Job, seine letzte Bonuszahlung …

Dieser Kerl war dermaßen eingebildet, dass Mikhail plötzlich regelrecht bescheiden wirkte!

3. KAPITEL

Vorsichtig lugte Kat in ihrem Schlafzimmer durch einen Spalt zwischen den Vorhängen und atmete erleichtert auf. Endlich war Mikhail wieder da. Vor Sorge um ihn hatte sie keinen Schlaf gefunden. Jetzt schlich sie zur Tür und öffnete sie eine Handbreit, um zu hören, was unten gesprochen wurde.

„Um die Mittagszeit sind wir wieder in London“, sagte Luka zufrieden.

„Willst du wirklich so schnell hier weg, Mikhail?“, fragte Peter Gregory in anzüglichem Tonfall. „Wartet unsere scharfe Pensionswirtin oben nicht auf dich? Ich wette fünf Riesen, dass es dir nicht gelingt, sie bis morgen ins Bett zu kriegen.“

Kat wurde blass. Sie hätte die Männer nicht belauschen sollen. Leise zog sie die Tür wieder zu und schlich zum Bett. Wenn Mikhail merkte, dass sie noch wach war, könnte er das als Einladung auffassen, zu ihr zu kommen.

Männer können sich manchmal wirklich abstoßend benehmen, dachte sie angewidert. Besonders auf diesen Peter Gregory mit seiner schmutzigen Fantasie traf das zu. Würden die Männer wirklich darauf wetten, ob sie heute Nacht mit Mikhail schlief oder nicht? Offensichtlich war auch Peter Gregory Zeuge des Kusses geworden und hatte ihn gründlich missverstanden.

Noch nie war Kat bewusster gewesen, wie unerfahren sie auf dem Gebiet der Lust und Leidenschaft tatsächlich war. Eine selbstbewusste Frau hätte sich die Typen für ihre sexistischen Bemerkungen vorgeknöpft und zur Schnecke gemacht. Kat hingegen fühlte sich beschämt und erniedrigt. Und eine passende Bemerkung, mit der sie die Männer zusammenstauchen könnte, fiel ihr auch nicht ein. Frustriert schlich sie noch einmal zur Tür, um sie sicherheitshalber abzuschließen. Dann streckte Kat sich im Bett aus.

An Schlaf war noch immer nicht zu denken, denn nun kreisten ihre Gedanken um den Kuss. Statt sich zu wehren, hatte sie Mikhails leidenschaftlichen Kuss auch noch erwidert! Jahrelange Selbstdisziplin und Unterdrückung ihrer Sehnsucht nach körperlicher Liebe hatten wohl zu dieser heftigen Reaktion geführt. Frustriert wollte sie sich gerade auf die Seite legen, als ein Geräusch vor der Tür ins Zimmer drang. Im nächsten Moment wurde leise geklopft. Kat erstarrte und verhielt sich mucksmäuschenstill. Ihr Gesicht brannte vor Scham. Warum wurde sie für einen einzigen Kuss so gestraft? Vielleicht war sie altmodisch, aber sie hätte niemals damit gerechnet, dass jemand nach einem Kuss gleich Sex erwartete …

Am nächsten Morgen verrieten Schatten unter Kats Augen, wie sehr ihr diese unruhige Nacht zugesetzt hatte. Müde und blass haderte sie mit sich selbst und der ganzen Welt. Doch sie musste früh aufstehen, um den Gästen ein reichhaltiges Frühstück zu servieren.

Kat stand gerade am Herd, als Mikhail hinter ihr die Küche betrat. Erst als er ihren Arm berührte, wandte sie sich um und sah in Mikhails unglaublich dunkle Augen.

„Ich hatte gestern Abend erwartet, dich noch zu sehen“, sagte er mit beunruhigender Zärtlichkeit.

„Tut mir leid, dass du deine Wette verloren hast“, entgegnete sie spöttisch.

„Welche Wette?“ Verwundert zog er die Augenbrauen zusammen.

„Ich habe zufällig gehört, wie dein Freund dir gestern eine Wette vorgeschlagen hat.“

„Ach so.“ Es schien ihm überhaupt nicht peinlich zu sein. „Auf so etwas Kindisches lasse ich mich schon lange nicht mehr ein.“

Kat bemerkte, dass Luka sich inzwischen an den Tisch gesetzt hatte. Peter Gregory stand an der Tür und telefonierte. „Du hast an meine Tür geklopft“, raunte sie Mikhail zu und war stolz auf ihren lässigen Tonfall.

Der Russe lachte süffisant. „Na und? Was hat das schon zu bedeuten?“

Kat musterte ihn kühl von oben bis unten, holte wortlos die warm gestellten Teller aus dem Backofen und servierte die Eier mit Speck.

„Ich weiß gar nicht, was los ist“, sagte er und hoffte auf eine Reaktion von Kat. Doch die stellte wortlos Toast und Kaffee auf den Tisch und sah dann aus dem Fenster. Hinter ihrem Garten fuhr Roger Packham mit dem Traktor über das verschneite Feld. Der Grund dafür blieb ihr verborgen. Sie dachte auch nicht weiter darüber nach, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt war, ruhig zu bleiben. Hoffentlich brachen die Männer bald auf und liefen ihr nie wieder über den Weg! Noch nie hatte sie jemand so erniedrigt, wie Mikhail es gestern getan hatte. Was fiel ihm eigentlich ein, sie für Freiwild zu halten? Sein Verhalten war ungeheuerlich! Vermutlich schlief er wahllos mit allen Frauen, die er erwischen konnte, und war auch noch stolz auf seine vielen Eroberungen.

Das anhaltende Schweigen ging Mikhail auf die Nerven. Die Frau macht mich wahnsinnig, dachte er und sagte ausdruckslos: „Ich will dich wiedersehen.“

„Nein!“ Wütend funkelte sie ihn an.

„Mehr hast du mir nicht zu sagen?“ Ihr Verhalten raubte ihm noch den Verstand.

„Nein. Oder doch: Ich bin nicht interessiert.“ Energisch schüttelte sie den Kopf, dass die roten Locken nur so flogen.

„Du lügst.“ Mikhail musterte sie abschätzend und fügte noch etwas hinzu, was aber im Lärm des gerade übers Haus fliegenden Hubschraubers unterging.

Doch Kat hatte genug verstanden. Wütend stützte sie die Hände auf die Hüften und funkelte ihren russischen Gast an. „Du hältst dich wohl für absolut unwiderstehlich, oder? Das bist du aber nicht. Ich kann es kaum erwarten, dass du endlich verschwindest.“

„Dass ich das noch erleben darf“, witzelte Peter Gregory. „Da lässt dich doch tatsächlich eine Frau abblitzen.“

„Sei still!“, zischte Luka seinem zukünftigen Schwager zu.

Jetzt näherte sich ein zweiter Helikopter und landete neben dem anderen auf Rogers Feld. Roger hatte also mit dem Traktor den Schnee geräumt, damit die Hubschrauber sicher landen konnten.

Bei einem kurzen Blick über ihre Schulter stellte Kat fest, dass Mikhail sein Frühstück noch nicht angerührt hatte.

„Willst du nichts essen?“, fragte sie.

„Ich habe keinen Hunger.“

Oje, dachte Kat, jetzt ist er beleidigt. Vielleicht hätte sie sich nicht im Ton vergreifen sollen. Sie überlegte gerade, ob eine Entschuldigung fällig war, als laut an die Hintertür geklopft wurde.

Mikhail öffnete sie und ließ eine Gruppe von Männern in die Küche, die alle gleichzeitig auf Russisch auf ihn einredeten. Ein alter Mann mit grauem Haar begrüßte ihn auffällig herzlich und sichtlich erleichtert. Kat bot den Männern Kaffee und Kekse an. Offenbar war Mikhail wichtig genug, um sich per Hubschrauber abholen zu lassen. Sogar von zwei Hubschraubern. Er musste sie gestern Abend geordert haben.

Wer genau war Mikhail Kusnirovich? War er ein Banker wie Peter Gregory, der gestern Abend ja mit seinen großartigen Geschäften geprahlt hatte? Oder ein steinreicher Unternehmer?

Luka suchte in seinen Taschen nach Geld, um die Rechnung zu begleichen, die Kat auf den Tisch gelegt hatte. Mikhail griff nach der Rechnung, überflog sie und warf Kat einen süffisanten Blick zu. „Deine Preise sind viel zu niedrig“, sagte er nachdrücklich, zog einige Geldscheine aus seiner Brieftasche und knallte sie auf den Tisch.

„Danke.“ Ihr Tonfall klang allerdings nicht sonderlich dankbar.

Mikhail bedachte sie mit einem hochmütigen Blick. „Ich denke nicht daran, mich zu bedanken, denn ich wüsste nicht, wofür. Du hast bisher nichts, aber auch gar nichts getan, um mich zu erfreuen.“

Kat konnte sich kaum das Lachen verkneifen. Mikhail klang so hochtrabend wie ein Sultan, den seine neue Haremsdame enttäuscht hatte und von der er erwartete, dass sie Besserung gelobte. Doch als sie ihm in seine dunklen Augen sah, verging ihr das Lachen. Eine dunkle Vorahnung stieg in ihr auf.

Die Männer machten sich auf den Weg zu den Hubschraubern. Mikhail wartete, bis alle das Haus verlassen hatten. Der ältere Mann wartete vor der Tür auf ihn.

„Ich melde mich“, sagte Mikhail rau zu Kat und ärgerte sich, weil sie schon wieder seinen Blick mied.

„Die Mühe kannst du dir sparen“, murmelte Kat.

„Sieh mich an!“, herrschte er sie an.

Erschrocken über seinen Tonfall sah Kat zu ihm hoch, und sofort legte sich eine sanfte Röte auf ihre Wangen. Mikhail musterte sie düster, doch er konnte sich der Faszination ihrer strahlend grünen Augen nicht entziehen. Als Kat sich selbstvergessen mit der Zunge die Lippen befeuchtete, stellte er sich vor, wie sich ihre Zunge wohl auf seinem Körper anfühlen würde, und stöhnte unterdrückt vor Erregung. Schnell wandte er sich ab und ging nach draußen in die Kälte.

„Ich melde mich“, wiederholte er trotzig, doch Kat schloss nur wortlos die Tür.

Auf dem Weg zum Hubschrauber wandte sich Mikhail an den grauhaarigen Mann neben ihm. „Ich will alles über Katherine Marshall wissen, was sich herausfinden lässt.“

Verblüfft warf Stas ihm einen Seitenblick zu. „Wozu?“ Die Feindseligkeit zwischen den beiden war ihm nicht entgangen.

„Ich will ihr Manieren beibringen“, stieß Mikhail frustriert hervor. „Sie war sehr unhöflich.“

Stas wunderte sich über diesen Ausbruch. Er hatte noch nie erlebt, dass Mikhail sich über eine Frau aufregte. Frauen, die sich an ihn heranmachen wollten, begegnete er mit Gleichmut. Denjenigen, die es bis in sein Bett schafften, erging es auch nicht anders. Womit hatte Katherine Marshall seinen Boss so zur Weißglut gebracht?

Sowie die Hubschrauber abgehoben hatten, stürzte Kat sich in Arbeit, um sich abzulenken. Sie zog die Betten ab und ertappte sich dabei, wie sie sich den gestreiften Bettbezug von Mikhails Bett ans Gesicht drückte und den schwer zu definierenden Duft einatmete. Als ihr das bewusst wurde, stopfte sie die Wäsche wütend in die Maschine und stellte sie an. Irgendwie musste es diesem Mann gelungen sein, bisher unentdeckte Gefühle zu entfesseln. Peinlich berührt schüttelte Kat den Kopf über sich selbst.

Am Nachmittag brachte Roger Packham das versprochene Kaminholz und kam dann auf eine Tasse Tee in die Küche. Stolz erzählte er, dass er richtig viel Geld fürs Schneeräumen verlangt und anstandslos erhalten hatte. „Diese Banker müssen Unsummen verdienen“, fügte er verächtlich hinzu.

„Ich bin auch dankbar für die unerwarteten Gäste“, gab Kat zu. Das Geld kam gerade recht, um ihre Lebensmittelvorräte aufzustocken. „Die Übernachtungszahlen sind in letzter Zeit drastisch gesunken.“

„Aber für eine alleinstehende Frau ist es sicher nicht ganz ungefährlich, plötzlich drei wildfremde Männer zu beherbergen“, sagte Roger missbilligend.

„Das habe ich nicht so empfunden.“ Kat lächelte fröhlich. Das Bild einer armen schwachen Frau, das ihr Nachbar offensichtlich von ihr hatte, gefiel ihr ganz und gar nicht. „Außerdem ist Emmie wieder da. Ich bin also nicht mehr allein.“ Und Mikhail war fort. Sie konnte also die unpassenden Gefühle, die er in ihr entfesselt hatte, ganz schnell wieder vergessen. Und ihn auch …

Stas legte eine Akte auf Mikhails Schreibtisch. „Du solltest keinen Gebrauch davon machen“, riet er seinem Boss. „Ein Mann wie du hat das nicht nötig.“

Diese für Stas völlig unübliche Moralpredigt weckte Mikhails Neugier erst recht. Interessiert las er die detaillierten Informationen über Katherine Marshall und zog erstaunt eine schwarze Braue hoch, als er sah, wie hoch die sexy Pensionswirtin verschuldet war. Sie stand kurz vor der Insolvenz und würde über kurz oder lang auch das Haus verlieren. Kein Wunder, dass sie so ernst und bedrückt gewesen war. Finanzielle Probleme waren ein großer Stressfaktor. Vermutlich hatte Kat ihn so rüde angefahren, weil ihre Nerven blank lagen.

Natürlich könnte er sich an ihr rächen und ihr alles nehmen, um ihr eine Lektion zu erteilen. Sein Vater hätte keine Sekunde lang gezögert. Mikhail presste die Lippen zusammen. Immer wieder hatte seine Mutter unter ihrem Mann zu leiden gehabt und war schließlich zerbrochen. Aber ich bin nicht wie Vater, und Katherine Marshall ist keineswegs unwillig, sondern nur etwas aufsässig, dachte Mikhail.

Warum konnte er sie nicht einfach vergessen? Er verstand die Welt nicht mehr. Drei Wochen lag seine Begegnung mit ihr nun zurück, und er dachte noch immer jeden Tag an Kat. Er hungerte förmlich nach ihr. Andere Frauen interessierten ihn überhaupt nicht mehr. Es grenzte schon an Besessenheit, wie sehr er diese rothaarige Sirene begehrte. Seit Wochen konnte er sich nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren. Das durfte nicht zum Dauerzustand werden. Vielleicht könnte er einen Schlussstrich ziehen, wenn er Kat noch einmal sehen würde. Sie war verschuldet, er unermesslich reich. Mit einer Unterschrift könnte er ihre Schulden tilgen. Doch das verstieße gegen seinen eisernen Grundsatz, niemals eine Frau mit Geld gefügig zu machen.

Und nun?

Am Tag nach Mikhails Abreise erhielt Kat die niederschmetternde Nachricht, dass ihr Haus Ende des Monats zwangsversteigert werden sollte. Da man ihr das in etlichen Schreiben bereits angedroht hatte, war sie nicht sonderlich überrascht gewesen. Eine Woche später rief ihr Anwalt an und bat sie, schnellstmöglich in seine Kanzlei zu kommen. In ihrer Not hatte sie sich vor einigen Monaten an Mr Green gewandt, der ihr geraten hatte, das Haus zu verkaufen, die Schulden zu begleichen und noch einmal ganz von vorn anzufangen. Kat wollte das Haus aber unbedingt behalten, denn es war schließlich nicht nur ihr Zuhause, sondern auch das ihrer Schwestern. Birkside hatte den Mädchen immer eine sichere Zuflucht geboten. Die konnte sie ihnen doch nicht einfach nehmen. Doch leider schien es jetzt keinen anderen Ausweg mehr zu geben.

„Dieses Schreiben habe ich gestern erhalten.“ Percy Green reichte Kat den Brief. „Mikhail Kusnirovich ist bereit, Ihre Schulden in voller Höhe zu begleichen und Ihr Haus zu kaufen. Er sichert Ihnen zu, in Zukunft dort als Mieterin wohnen zu können.“

Kat war blass geworden. „Mikhail … wer?“

„Kusnirovich. Ich habe mich über ihn informiert, aber keinen Hinweis darauf gefunden, warum er Ihre Schulden übernehmen will. Er ist Ölmilliardär, kein Kredithai.“

„Milliardär?“ Ungläubig sah Kat den Rechtsanwalt an. „Öl? Mikhail ist reich?“

Percy Green reagierte überrascht. „Sie kennen ihn persönlich?“

Verlegen erklärte Kat knapp, dass Mikhail und zwei Freunde von ihm im vergangenen Monat von einem Schneesturm überrascht worden waren und in ihrer Pension Zuflucht gesucht hatten. „In dem Schreiben steht tatsächlich, dass er vorschlägt, meine Schulden zu übernehmen und Birkside zu kaufen? Warum sollte er das tun?“, fragte Kat konsterniert.

Ratlos zuckte der Anwalt die Schultern. „Vielleicht ist es die Laune eines reichen Mannes? Für Sie ist es jedenfalls Rettung in letzter Sekunde. Natürlich gehen Sie auf sein Angebot ein. Sonst würden Sie ja demnächst auf der Straße sitzen.“

„Natürlich.“ Ganz geheuer war Kat die Sache allerdings nicht.

Sie steckte den Brief ein und fuhr nach Hause. Mikhail war also steinreich und konnte sich alles leisten. Umso unbegreiflicher war es für sie, dass er ausgerechnet ihr Haus kaufen wollte und bereit war, ihre Schulden zu begleichen. Dafür erwartete er sicher eine Gegenleistung von ihr.

Zu Hause setzte sie sich sofort mit der Kanzlei in Verbindung, die den Brief geschickt hatte, und bat um Mikhails Telefonnummer, weil sie einen Termin mit ihm vereinbaren wollte. Erst als sie ihren Namen nannte, rückte man die Nummer schließlich heraus. Noch schwieriger gestaltete sich das Gespräch mit Mikhails Vorzimmerdame, die den Anruf auf gar keinen Fall durchstellen wollte. Immerhin ließ sie sich schließlich dazu erweichen, Kat einen Termin zu geben. Aber auch erst, nachdem Kat ihr mitgeteilt hatte, Mikhail hätte ihr Haus gekauft, und es gäbe einige Punkte zu besprechen.

Vier Tage später fuhr Emmie sie zum Bahnhof, wo Kat den Zug nach London nahm. Sie fühlte sich unwohl in dem schwarzen Kostüm, das sie zuletzt zur Trauerfeier einer Nachbarin getragen hatte, und konnte vor Nervosität kaum die Hände stillhalten. Was erwartete Mikhail von ihr? Etwa Sex? Warum ausgerechnet mit ihr? Ein Mann wie er konnte doch jede Frau haben.

Schließlich stand sie am Empfang im obersten Stockwerk von Mikhails beeindruckendem Bürohochhaus, das ihm als Londoner Niederlassung diente. Eine bildhübsche Blondine holte Kat ab und führte sie zum Chefbüro.

„Sie sind also Katherine Marshall? Und ihr Haus gehört Mikhail? Wie ist es denn dazu gekommen?“, erkundigte sie sich neugierig.

„Keine Ahnung. Ich bin hergekommen, um es herauszufinden“, antwortete Kat.

Die blauäugige Blondine musterte sie kühl von oben bis unten. „Dazu haben sie exakt zehn Minuten Zeit. Dann hat Mikhail den nächsten Termin.“

Kat verkniff sich einen scharfen Kommentar, atmete tief durch und betrat das Büro. Gleißendes Sonnenlicht blendete sie so, dass sie im ersten Moment überhaupt nichts erkennen konnte.

4. KAPITEL

Mikhail nutzte seinen Vorteil sofort, ging auf Kat zu und umfasste ihre beiden Hände. „Kat! Wie schön, dich hier zu sehen, milaya moya.“

Überwältigt von der herzlichen Begrüßung und dem unglaublichen Charisma des blendend aussehenden Mannes im maßgeschneiderten schwarzen Anzug, konnte Kat ihm nur sprachlos in die hypnotisierenden schwarzen Augen schauen. Ihr wurde am ganzen Körper warm, und sie fühlte sich seltsam geborgen. Schnell blinzelte sie einige Male, verdrängte diese trügerischen Gefühle und riss sich los. „Ich bin hier, weil du mein Haus gekauft hast“, stieß sie wütend hervor.

„Ja, du bist ja jetzt meine Mieterin. Ein Vermieter ist dir doch bestimmt lieber, als auf der Straße zu sitzen und mit anzusehen, wie dein Hab und Gut an den Meistbietenden verscherbelt wird, oder?“, fragte Mikhail aalglatt.

Diese Bemerkung nahm Kat sofort den Wind aus den Segeln. Natürlich ärgerte sie sich über Mikhails Einmischung in ihre Angelegenheiten. Andererseits war sie unendlich erleichtert, nicht mehr Tag und Nacht den Besuch des Gerichtsvollziehers fürchten zu müssen. In der letzten Zeit war sie jedes Mal zusammengezuckt, wenn das Telefon klingelte. Es hätten ja die Geldeintreiber der Kredithaie sein können, deren Forderungen bei jedem Anruf unverschämter wurden. Die Tür hatte sie sowieso nur noch geöffnet, wenn sie wusste, wer davorstand.

Kat atmete einige Male tief durch, um ihre Gedanken zu ordnen und sich zu beruhigen.

„Setz dich doch“, forderte Mikhail sie auf und wies auf das Sofa in einer Ecke des riesigen Büros. „Ich bestelle Kaffee.“

„Das ist nicht nötig.“ Kat löste den Blick vom markantem Profil des energiegeladenen Mannes und machte sich ein Bild von seinem Büro. Auch diesen großen Raum beherrschte er mit seiner unglaublichen Präsenz.

„Ich entscheide, was nötig ist.“ Mikhail griff zum Hörer und orderte Kaffee.

Er braucht mich nicht ständig an seine Dominanz zu erinnern, dachte Kat frustriert und setzte sich wortlos. Sie war entschlossen, sich völlig normal zu benehmen und ihre Anspannung zu verbergen.

Ein farbenfrohes abstraktes Gemälde zierte die gegenüberliegende Wand. Der einzige Farbtupfer im eher minimalistisch mit Stahl, Leder, Glas und hypermoderner Technik eingerichteten Büro. Es fiel ihr schwer, Mikhail Kusnirovich in der Rolle ihres Vermieters zu sehen. Der Mann hatte eine beträchtliche Summe aufgebracht, um Kat von ihren Geldsorgen zu befreien. Statt bei Banken und Kredithaien hatte sie nun bei Mikhail Schulden. Seine Beweggründe kannte sie noch immer nicht. „Warum hast du das eigentlich getan?“, fragte sie knapp.

Mikhail presste die sinnlichen Lippen zusammen und zuckte die breiten Schultern. Er wollte nicht verraten, dass er nicht aus Altruismus, sondern aus reinem Egoismus gehandelt hatte. Sowie ihm Kats Verletzlichkeit bewusst geworden war, hatte er tief im Innern den Wunsch gespürt, ihr zu helfen und davon zu profitieren. Er erhoffte sich, Kat durch diese Geste für sich zu gewinnen, denn er begehrte sie mehr als jede andere Frau zuvor. Doch nur wenn sie von den Geldsorgen befreit war, konnte sie sich unbelastet für ihn entscheiden.