Eine Funzel hat noch Licht - Jochen Petersdorf - E-Book

Eine Funzel hat noch Licht E-Book

Jochen Petersdorf

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Beschreibung

Jochen Petersdorf erzählt Geschichten, die in wohlvertraute Alltagssituationen führen. Doch gibt er seinen Figuren eine gehörige Portion Schlitzohrigkeit mit. Und so passiert es, dass es stets anders kommt als erwartet. Wenn sich beispielsweise der Besucher einer Hundeschau weniger für den Vierbeiner als das Frauchen begeistert, wenn der Taxifahrer auf dem Weg zu Tante Trudchens Beerdigung einen Zwischenstopp im Baumarkt einlegt, wenn der garantierte Tipp beim Pferderennen sich als Missgriff erweist … Petersdorf zieht alle Register des Komischen.

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Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet, dieses Werk oder Teile daraus

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ISBN E-Book: 978-3-359-50072-8

ISBN Buch: 978-3-359-01346-4

© 2017 Eulenspiegel Verlag, Berlin

Umschlaggestaltung: Verlag, Karoline Grunske

Die Bücher des Eulenspiegel Verlags

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel.com

Inhalt

Vorbemerkung

Na Hund!

Ein seltener Vogel

Die Glocken vom Campanile

Picknick im Walde

Ein Pförtner mit Herz

Das Vorbild ist Piepe

Nüssli

Taschenspielerei

Kreuzfahrt

Die viergeteilte Alwine

Der trojanische Antek

Rosi zapft und klettert

Gnade für den Jackpotknacker

Wie ich Tante Trudchen begrub

Vorbemerkung

Jochen Petersdorf, zu Hause auf vielen Gebieten des Humors und der Satire, bezeichnete sich selbst gern als Gaukler. Wer ihm in die verschmitzten Augen blickte, dem war klar, dass er es mit einem Erzschelm zu tun hatte. In bester Eulenspiegelmanier hielt Petersdorf denen den Spiegel vor, die sich bombastisch wichtig nahmen, die Wasser predigten und Wein soffen oder vorgaben, ihr Name sei Hase und von klaffenden Lücken zwischen Anspruch und Realität wüssten sie nichts.

Dieser Schelm also lachte das erste Mal am 10. Dezember 1934 im schlesischen Liegnitz, wo seine Wiege stand. In den fünfziger Jahren schrieb er sich als Student der Journalistik an der Leipziger Universität ein und parzellierte seine Zeit – in welchem Verhältnis, ist unbekannt – zwischen Hörsaalbesuch, Kneipengeselligkeit und Auftritten im Studentenkabarett »Rat der Spötter«. Auch den Brotberuf wusste er mit seinen Neigungen zu verbinden: 1960 heuerte er beim Magazin »Eulenspiegel« an, wo er der im Sinne der Zeit als klassenkämpferisch und »positiv« definierten Satire eine Prise Nonsens und Blödelei beimischte, mit seinen Lilomaus-Gedichten dem Bild von »unseren werktätigen Frauen« einen Hauch frivoler Erotik hinzufügte und außerdem die »Funzel«, das »Abendblatt für trübe Stunden«, erfand. Nebenher betätigte er sich als künstlerischer Leiter des Berliner Studentenkabaretts »Spottland Yard«, wurde dann Stammautor der »Distel«, war gerngesehener Gast in Fernsehshows wie »Berlin-Original« oder der legendären Weihnachtssendung »Zwischen Frühstück und Gänsebraten«, versorgte Kabarettisten, darunter »Die drei Dialektiker«, mit Sketchen und Moderationstexten, und wenn der Schlager eine heitere Note brauchte, schrieb er hitverdächtige Zeilen wie »Mit uns könnses ja machen« oder »Die Fans sind eine Macht«.

Anfang der achtziger Jahre gab Petersdorf seinen Redakteursjob auf, um sich nun gänzlich dem zu widmen, was er auch vorher schon leidenschaftlich gern getan hatte: Er tourte landauf landab und trat mit seinen Geschichten und Gedichten auf »Palast«-Bühnen wie in Dresden oder Berlin und den zahlreichen Kleinkunstbühnen zwischen Kap Arkona und Fichtelberg auf – vor vollen Häusern und einem Publikum, das zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören verstand. Dieser Tatsache verdankt sich gewiss ein Satz aus dem Nachruf einer großen Tageszeitung, die anlässlich seines Todes am 18. März 2008 schrieb: »Jochen Petersdorf war einer der wichtigsten Satiriker des realsozialistischen Alltags.« Bleibt hinzuzufügen, dass diesem Schelm auch in den gewendeten Zeiten weder der Stoff aus- noch das Lachen verging.

Na Hund!

Ich gehe gern zu Volksfesten. Ob es sich um das Treffen der Heimatchöre auf der Schlupfenburg handelt, um den Heiratsmarkt in Röhnhausen oder den Pferdemarkt in Havelbusch – ich fahre hin, mische mich unter die Leute und bade meine Seele in den Wellen der Begeisterung der fröhlichen Menge, die bei solchen Anlässen zusammenströmt.

Neulich besuchte ich eine Hundeschau. Rassehunde – natürlich. Aber gemischt. Vom Rehpinscher bis zum Bernhardiner war alles vertreten, was nicht nur an Laternenpfähle pinkelt, sondern einen echten Stammbaum hat. Ich bin wirklich ein großer Hundefreund. Deshalb gehe ich ja auch hin.

Aber ich muss ehrlich sagen: Gleiches Vergnügen bereiten mir die an ihren vierbeinigen Lieblingen hängenden Herrchen und Frauchen. Sie allein sind schon fast das Eintrittsgeld wert.

Apropos Eintritt. An der Kasse saßen zwei Männer in mittlerem Alter. Der eine hatte eine Neufundländerfigur, und der andere glich einem Seehund. Übrigens der einzige Seehund auf dieser Ausstellung. Wahrscheinlich ist die Zucht und Pflege in Großstädten nicht ganz einfach.

Nett waren beide Kassierer. Sie klopften einen nicht wie beim Fußballspiel nach verstecktem Alkohol ab. Ich bekam auch eine Plakette zum Anstecken. Auf der Plakette war der Kopf eines Schäferhundes. Das war im vergangenen Jahr genauso. Obwohl es im vergangenen Jahr eine Spezial-Dackelschau gab. Aber der Schäferhund gilt wohl bei vielen immer noch als eine Art König unter den Hunden. Was mich wundert. Denn mein Nachbar hat auch einen Schäferhund. Der versteckt sich unterm Tisch, wenn in einem Fernsehschwank ein Trunkenbold behauptet, er hätte einen mächtigen Kater. Doch es gibt gewiss auch tapfere Schäferhunde. Manche sind ja sogar beim Betriebsschutz. Und da ist es gar nicht so einfach, nachts ein paar Bretter zu klauen. Vor allem, wenn einen der Hund nicht kennt. Doch zurück zur Schau.

Ich betrat also das Gelände und war überrascht, wie viele Hunde hier versammelt waren. Mein mich begleitender Freund, der dürre Carl, sagte: »Di komm ni bloß aus Berlin. Ooch aus Sachsen und Düringen.« Als ich aufs Bellen achtete, merkte ich, dass er recht hatte. Überall waren auf dem Rasen mit Stricken große Quadrate abgesteckt, Boxringen ähnlich. Sie hießen aber Führringe. In den Führringen rannten schwitzende Männer und Frauen im Kreis herum und zogen mürrische Vierbeiner hinter sich her, die von mehreren sogenannten Preisrichtern ziemlich scharf beäugt wurden. Ich fand, dass ein bestimmtes Frauchen eine wesentlich bessere Figur machte als ihr Hund. Trotzdem wurde sie von dem Chefrichter Position für Position nach hinten rangiert und landete schließlich auf dem letzten Platz. Das Geläuf des Rüden sei nicht in Ordnung, so hieß es, er habe noch Wolfskrallen, die Rute sei zu kurz, und er könne im Ganzen auch etwas trockener sein.

Ich fand das albern und uncharmant. Laut rief ich: »Bei so einer Frau ist es doch piepegal, wie der Köter aussieht!«

Es gab ein großes, allgemeines Gelächter. Mein Freund Carl sagte leise: »Mach keen Quatsch! Das is ’ne Hundeschau und keene Miss-Wahl!«

Wir gingen weiter. Wo man hinsah, Hunde. Die meisten Rassen kenne ich ja. Erdölterrier, Tibetanischer Schluchtenjodler, Peking-Ballasthund – und wie sie alle heißen. Aber es gab auch Viecher darunter, denen möchte man nicht im Dunkeln begegnen. Zum Beispiel diesem schottischen oder irischen Hirten- oder Wolfshund. So genau weiß ich das nicht mehr. Auf jeden Fall, das ist ein Tier – also dagegen ist der legendäre Hund von Baskerville eine harmlose Küchenschabe. Den Besitzer des Untiers hätte ich auch nicht gerade küssen wollen.

Ich musste überhaupt staunen, wie viele Herrchen und Frauchen ihren Schützlingen ähnelten. Oder umgekehrt. Eine rundköpfige und breitbrüstige Matrone sah fast so aus wie ihr Chow-Chow. Sie trug auch eine aus ausgekämmten Hundehaaren gestrickte Weste. Ich schaute die Dame sehr lange sehr aufdringlich an und hoffte, dass sie mir vielleicht wütend die Zunge rausstreckt. Sie tat es nicht. Schade. Aber ich wette, die ist blau.

Am besten gefielen mir auf der ganzen Schau diese völlig zugewachsenen Hunde, bei denen, so glaube ich, nicht mal der Besitzer weiß, wo vorn oder hinten ist.

Ich bin überzeugt, oft bekommt so ein Tier das Halsband an der falschen Stelle umgeschnallt. Und dann muss es während des ganzen Gassi-Gehens rückwärts laufen. Daher wohl auch der Ausdruck: armer Hund.

Ein seltener Vogel

Meine Frau arbeitet manchmal zu Hause.

Geistig. Was sonst!

Für etwas Handfestes, Praktisches braucht man einen Betrieb oder wenigstens eine kleine Werkstatt.

Geistiges geht auch in Heimarbeit, sagen die Geistigen.

Man hat auch mehr Ruhe zu Hause.

Sagen sie.

Bei uns ist Krach. Wir wohnen im Grünen. Direkt am Stadtrand.

Hier macht die Straßenbahn kehrt.

Widerwillig.