Rotkäppchen und andere Märchen für Erwachsene - Jochen Petersdorf - E-Book

Rotkäppchen und andere Märchen für Erwachsene E-Book

Jochen Petersdorf

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Beschreibung

Es war einmal ein Märchenerzähler, der war beliebt im ganzen Land. Daher durfte er zur besten, nämlich zur Weihnachtszeit ein Märchen "zwischen Frühstück und Gänsebraten" servieren. Als das Land nicht mehr war, erzählte er seine Märchen neu. Jochen Petersdorf war natürlich kein zahmer Märchenonkel, sondern ein bissiger Satiriker. In seinen beliebten Märchen ist zu erfahren, was die Bremer Stadtmusikanten auf Arbeitssuche erleben, wie Rotkäppchen sich bei einer Partnerbörse anmeldet, Aschenputtel zum Top-Model wird und der Froschkönig das Umweltamt austrickst. Die schönsten Märchen jetzt endlich auch als Buchausgabe.

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Seitenzahl: 47

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Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet, dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

ISBN E-Book 978-3-359-50075-9

ISBN Print 978-3-359-01721-9

© 2016 Eulenspiegel Verlag Berlin

Umschlaggestaltung: Verlag, Peter Tiefmann, unter Verwendung eines Motivs von Manfred Kiedorf

Die Bücher des Eulenspiegel Verlags

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel.com

Inhalt

Aschenputtel

Rotkäppchen und Verdi auf Trillerpfeife

Das ziemlich tapfere Schneiderlein

Rotkäppchen mit Mayonnaise

Schneewittchen und die Zwergtätigen

Rotkäppchen und die Umwelt

Dornröschen reloaded

Die mit dem Wolf tanzt

Rumpelstilzchen

Die Bremer Stadtmusikanten

Rotkäppchen und der Saurier

Der Wolf und die sieben Geißlein

Rotkäppchen im falschen Märchen

Hänsel und Gretel

Alte Märchen – neu erzählt

Aschenputtel

Es war einmal ein reicher Mann, der hatte eine Frau, die war krank und starb daran. Das kleine Töchterlein weinte gar bitterlich, denn es hatte seine Mama sehr lieb gehabt. Der Mann weinte weniger bitterlich, denn er hatte seine Frau vor sehr langer Zeit mal lieb gehabt. Dennoch ließ er ein prächtiges Begräbnis ausrichten, aber er sprach mehrmals leise zu sich selbst: »Scheidung wäre billiger gewesen, und das Kind hätte man der Mutter zugeschlagen. Jetzt bin ich angeschmiert.« Dann sprach er weiter: »Lass die Toten ruhn!«, und nahm sich eine Lebendige. Die hatte eine bewegte Vergangenheit und zwei erwachsene Töchter. Die Töchter waren zwar von stattlicher Körperhöhe, aber echte Giftzwerge. Sie schikanierten ihre Stiefschwester, wo sie nur konnten.

Während sie selbst, die Töchter, stundenlang bunte Illus­trierte lasen, musste die Stiefschwester stundenlang Erbsen lesen. Aus der Asche. Deshalb nannte die böse Stiefmutter das Mädchen auch Aschenputtel, und die Töchter wieherten einfältig vor Vergnügen. Denn sie merkten nicht, dass sie auch nur Asche lasen.

Aschenputtel trug ihr Schicksal mit Geduld, denn sie hatte mal einen Politiker sagen hören: »Gäbe es keine unteren Schichten, wäre niemand motiviert, sich nach oben zu arbeiten.« Außerdem hatte das brave Mädchen beim Erbsenlesen fleißige Helfer. Es waren als Tauben kostümierte Teilnehmer von »Deutschland sucht den Superstar«. Sie verlangten keinen Lohn für ihre Hilfe. Ihnen genügten die schlechten Erbsen, denn damit beschossen sie die jubelnden Zuschauer.

Eines Tages gab der König ein großes Fest. Er lud dazu durch Facebook alle Schönen des Landes ein. Grund: Der Prinz und designierte Thronfolger brauchte eine attraktive Gemahlin, die auf den Titelseiten der bunten Illus­trierten ein gutes Bild abgab.

Aschenputtels Stiefmutter und ihre Giftzwerge warfen sich sofort in die teuersten Fummel und rasten zum Ball. Vorher warfen sie dem armen Mädchen noch einen Sack Erbsen in die Asche und riefen höhnisch: »Mach dir einen gemütlichen Abend!«

Da kamen die Tauberiche und sprachen: »Sei nicht töricht. Draußen am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum. Aus dem kannst du die schärfsten Model-Kleider schütteln!«

Aschenputtel begab sich an den Lindenbaum, klopfte dreimal auf Holz und rief:

»Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,

wirf Ohdkotür-Zeug über mich!«

Da gab es einen leisen Knall, und Aschenputtel trug vom Kopfe bis zu den Füßen die prächtigste Abendrobe von Gucci und war schön wie der junge Morgen. Kein Wunder, dass der Prinz beim Ball sofort ein Auge und sich selbst auf die Schöne warf, denn er hielt sie für ein Topmodel, während Aschenputtel den Prinzen für den weltberühmten Opernstar Tassilo Flamingo hielt, denn er sang pausenlos: »Reich mir die Hand, mein Leben, komm auf mein Schloss mit mir!«

Das ließ sich die Schöne nicht zweimal sagen. Aber sie stolperte über eine Unebenheit der Protokollstrecke und verlor eines ihrer zierlichen Schühchen. Dadurch kam eine schwarze Socke zum Vorschein, und Aschenputtel rannte vor Scham davon. Der Prinz lief mit dem liegengebliebenen Schühchen hinterher und suchte unter all den Balldamen den passenden Fuß.

Die Giftzwergtöchter riefen sofort: »Komm her! Ich will ein Kind von dir!« Aber ihre Füße hatten das Format von Flurschadentretern. Da hackte sich die eine den großen Zeh und die andere ihre Ferse ab. Beide hatten sich geschnitten, denn der Prinz gab großzügig Fersengeld. Er irrte tagelang durchs Land, klapperte alle Nobel­herbergen und Szenekneipen ab – aber nirgends fand er die angebetete Schöne. Da wandte er sich an die Detektiv-­GmbH »MfS«, das hieß: »Mir finden se.« Aber die Jungs brauchten gar nicht zu suchen. Sie kramten nur in ihrer Erinnerung und sagten: »Aschenputtel, mittelgroß, parteilos, unauffällig religiös, ehemals Straße des Roten Oktober, jetzt Lila-Pause-Promenade, Jungfrau.«

Der Prinz staunte, engagierte die Herren für seine Wach- und Schlossgesellschaft und galoppierte zum Aschenputtel. Er herzte und küsste sie, machte sie zur Frau und dann zu seiner Gemahlin. Die böse Stiefmutter und ihre Giftzwergtöchter aber brachte er beim Fernsehen in einer Realityshow unter. So hart waren damals die Strafen – und wenn sie nicht gestorben sind, gibt es die Sendung heute noch.

Rotkäppchen und Verdi auf Trillerpfeife

Das brave Rotkäppchen und sein liebes Mütterchen saßen im gemütlichen Stübchen. Die Mutter las in einer bunten Illustrierten alte Witze, und Rotkäppchen schrieb zwei Liebesbriefe an heiß geliebte Typen. »Einer von beiden wird schon anbeißen«, sagte es dabei.

»An wen schreibst du überhaupt?«, fragte die Mutter.

»An Harry Potter und Dieter Bohlen.«

»Ich kenne nur Harry Potter«, sagte die Mutter.

»Das reicht völlig aus«, meinte Rotkäppchen – und die Mutter las weiter. Sie stieß auf den Artikel »Alkohol macht Männer hohl«.

»Dein Vater hat nie einen Tropfen getrunken!«

»Weil du immer schneller warst«, sagte Rotkäppchen.

»Jetzt reicht’s!«, rief die Mutter. »Noch so eine Unverschämtheit und du bekommst nichts zu Weihnachten!«

»Es heißt an Weihnachten!«, sagte die Kleine, »und ich möchte so gern einen Joystick haben!«