Eine Leiche zum Frappé | Ein Urlaubskrimi voller Humor, Liebe und überraschender Wendungen - Tina Wälde - E-Book
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Eine Leiche zum Frappé | Ein Urlaubskrimi voller Humor, Liebe und überraschender Wendungen E-Book

Tina Wälde

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Beschreibung

Sonne, Strand, Meer und ein mysteriöser Todesfall – Panas erster Fall
Der Auftakt humorvollen
 Cosy Crime-Reihe vor der sonnenverwöhnten Kulisse Zyperns

Panagiotis „Pana“ Polychroniadis serviert in seinem Café auf der idyllischen Insel Zypern eigentlich nur Frappé und Gemütlichkeit – bis sein friedlicher Alltag durch den Fund einer Leiche vor seinem harmonischen Café jäh erschüttert wird. Als sein tölpelhafter Cousin, der der örtliche Kommissar ist, die deutsche Auswanderin Ute verdächtigt, fühlt sich Pana nicht nur zu ihr, sondern auch zur Aufklärung des Falls hingezogen. Während er auf eigene Faust versucht, die wahre Identität des Mörders zu enthüllen, muss er sich nicht nur gegen korrupte Polizisten und zwielichtige Bananenbauern behaupten, sondern auch gegen die Schatten der Vergangenheit, die ihn und Ute einholen. Schafft er es, Licht ins Dunkel zu bringen, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen?

Erste Leser:innenstimmen
„Ein fesselnder Cosy Krimi mit einem unverwechselbaren mediterranen Flair!“
„Die Handlung ist spannend, ohne dabei düster zu sein, und wird durch die humorvollen Dialoge und die lebendige Schilderung der zypriotischen Inselidylle wunderbar ergänzt.“
„Pana ist ein liebenswerter Held und Hobbyermittler, der mit seiner unkonventionellen Art und seinem detektivischen Spürsinn begeistert.“
„Die Mischung aus humorvollem Krimi und gemütlicher Inselleben ist einfach unschlagbar.“

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Seitenzahl: 387

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Über dieses E-Book

Panagiotis „Pana“ Polychroniadis serviert in seinem Café auf der idyllischen Insel Zypern eigentlich nur Frappé und Gemütlichkeit – bis sein friedlicher Alltag durch den Fund einer Leiche vor seinem harmonischen Café jäh erschüttert wird. Als sein tölpelhafter Cousin, der der örtliche Kommissar ist, die deutsche Auswanderin Ute verdächtigt, fühlt sich Pana nicht nur zu ihr, sondern auch zur Aufklärung des Falls hingezogen. Während er auf eigene Faust versucht, die wahre Identität des Mörders zu enthüllen, muss er sich nicht nur gegen korrupte Polizisten und zwielichtige Bananenbauern behaupten, sondern auch gegen die Schatten der Vergangenheit, die ihn und Ute einholen. Schafft er es, Licht ins Dunkel zu bringen, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen?

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe August 2024

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-433-2

Copyright © 2023, Tina Wälde Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2023 bei Tina Wälde erschienenen Titels Rosenblütensucht (ISBN: 978-3-75830-078-3).

Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Vasilyev Alexandr stock.adobe.com: © AePatt Journey, © Bits and Splits elements.envato.com: © PixelSquid360, © nathayastudio_ Lektorat: Anke Müller Korrektorat: Christine Linhart

E-Book-Version 03.03.2025, 15:02:57.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Eine Leiche zum Frappé

Panas erster Fall

Für Thoschi

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich bin Tina Wälde, und ich freue mich riesig, dich in die sonnigen Gefilde von Paphos auf Zypern zu entführen. Ach, kannst du das Salz schon riechen und die Sonne auf der Haut spüren? Aber Vorsicht – hier ist nicht alles so idyllisch, wie es scheint.

Stelle dir vor, du sitzt in Panagiotis Polychroniadis’ Café, genießt einen herrlichen Frappé und spürst die mediterrane Gemütlichkeit. Alles könnte so friedlich sein, bis – ja, bis eine Leiche die Idylle stört. Und jetzt? Unser Protagonist Pana ist plötzlich in einer Krimiszene gefangen, die ihn und seine Freunde vor zahlreiche Rätsel stellt. Was tun, wenn der zuständige Kommissar, auch noch Panas Cousin, mehr am Glücksspiel als am Tatort interessiert ist?

Spannung, Humor, Liebe und ein Hauch zyprischen Flairs – das alles und noch viel mehr erwartet dich in diesem ersten Teil der Zypern-Krimi-Reihe. Und wer weiß, vielleicht verliebt ihr euch nicht nur in die Handlung, sondern auch in die bezaubernde deutsche Auswanderin Ute, die plötzlich eine ganz besondere Rolle in diesem Durcheinander spielt.

Tauche ab in Panas ersten Fall und begleite ihn bei seinen ersten Ermittlungsschritten. Ich wünsche dir genauso viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Scheiben von »Eine Leiche zum Frappé« hatte!

Herzlichst

Tina

31. Dezember – Sonntag

»’Cause you«, schmetterten sie gemeinsam, als hätten sie nie etwas anderes getan.

»You mean the world to me.

Oh … I know, I found in you my endless love.«

Alle drumherum hatten riesige Augen vor Staunen und lauschten gespannt.

»… And yes! You be the only one.

’Cause no one can deny, this love I have inside.

I give it all to you, my love, my love, my endless love.«

Erst war es kurz still, dann rauschte polternder Applaus durch das kleine Café, wie er in diesem noch nie zuvor stattgefunden hatte. Wer hätte gedacht, dass die beiden so gut singen können? Und dann auch noch so textsicher und als hätten sie das seit Wochen geprobt. Dabei haben sie sich heute Abend zum ersten Mal gesehen.

Aber vielleicht fangen wir besser von vorne an …

»Komm mit zur Silvesterparty bei Pana im Edro III. Das ist das Café, in dem ich arbeite. Da geht’s jedes Jahr voll ab und du musst doch auch mal raus hier! Seit du hier bist, hast du kaum das Haus verlassen.«

»Ich musste mich ja auch erst mal einrichten. Bis alle Kartons verstaut waren und so. Außerdem war Weihnachten auch nicht ganz leicht für mich! Schließlich war es das erste ohne meine Familie und dann auch noch weit weg von der Heimat«, erklärte Ute.

»Hier ist jetzt deine Heimat. Und es wird Zeit, dass du neue Leute kennenlernst und aus dem Tränental der verlassenen Herzen rauskommst. Der Pana ist übrigens ein richtiges Schnuckelchen. Alleine sein Anblick wird dich auf andere Gedanken bringen. Bärbel und Dieter sind auch da und bestimmt auch ein paar vom Frauenstammtisch. Die Mädels kennst du ja noch gar nicht. Du, da sind ganz viele Singles dabei. Nur, dass sich von denen keiner daheim versteckt. Da kommt nämlich niemand vorbei, klingelt an deiner Tür und fragt: »Mensch Ute, ich wollte mal fragen, ob du mit mir abhängen willst.« Heike lachte über ihren eigenen Witz, wobei ihr üppiger Busen rhythmisch vibrierte. Ute mochte Heikes unkompliziert-fröhliche Art und bewunderte ihre Ungeniertheit. Wenigstens eine klitzekleine Scheibe davon hätte sie gerne ab gehabt.

»Is’ ja gut«, gab Ute nach, schälte sich gequält aus ihrer Sofadecke und schlurfte ins Bad. »Muss man sich da schick machen, oder geht ne Jeans?« Ute dachte an Heikes Outfit. Sie hatte die Träger ihres BHs so kurz geschnallt, dass ihr Dekolleté nahtlos in den Hals überging. Ihre knallenge Glitzerleggings verriet, dass sie einen viel zu kleinen String-Tanga trug, der ihr unvorteilhaft in den Hüftspeck schnitt. »Na ja, Mädle. Du kannst du schon mal zeigen, was du hast. Ob da ne Jeans so viel für dich tut? Immerhin werden heute alle einsamen Herzen versammelt sein und dann auch noch betrunken! Wenn du da alleine nach Hause gehst, biste echt selber schuld.«

»Aber ich will ja gar nicht mit jemandem nach Hause gehen! Du weißt doch, dass ich noch nicht so weit bin.«

»Schätzle. Es sagt ja keiner, dass du dein Mitbringsel gleich heiraten musst. Aber so ein bisschen Schniggsl-Schnaggsl würde dir mal wieder guttun. Wie lange bist du jetzt geschieden? Oder besser gefragt: Wie lange hast du denn schon nicht mehr geschniggslschnaggslt?«

»Ach.« Ute winkte ab und blieb die Antwort lieber schuldig. »Sex ist nicht alles«, erwiderte sie stattdessen und wandte sich wieder ihrem Kleiderschrank zu. Sie hatte sich für ein Kompromiss-Outfit aus einer schwarzen Jeans und einer olivgrünen Bluse entschieden. Die Farbe der Bluse betone ihre Augenfarbe, meinte früher mal ihr Ex-Mann, als er noch ihr Mann war und sie noch ansah, als wäre er es gerne. Wehmütig dachte Ute an ihn, während sie ihre Bluse zuknöpfte. Ihre schulterlangen Haare band sie zu einem lockeren Pferdeschwanz und legte einen unauffälligen roséfarbenen Lippenstift auf.

»Du könntest wenigstens hohe Schuhe dazu tragen. Die machen schlank und verbessern die Ausstrahlung des Pos«, riss Heike sie aus ihren Gedanken und sprühte sich eine ordentliche Dosis Rosenwasser in den Schritt. »So, bereit«, kicherte sie entschlossen. Ute hatte keinen Bock auf schmerzende Füße und die Ausstrahlung ihres Pos war auf ihrer Prioritätenliste ziemlich nach unten gerutscht.

So verließ sie mit flachen Schuhen, einem Hintern ohne Ausstrahlung und viel zu früh für eine Silvester-Party zusammen mit Heike ihr neu angemietetes Haus. Sie beschlossen, die 800 Meter zum Café zu Fuß zu gehen und die Teilstrecken, die keine Straßenlaternen hatten, mit dem Handy auszuleuchten. Für Zypern war es schon ganz schön kalt geworden. Ute zog ihre Strickjacke enger zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hätte lieber zu Hause bleiben und »Gilmore Girls« auf Netflix gucken sollen, das beruhigte sie immer so schön. Jetzt war sie alles andere als ruhig – wie immer, wenn sie nicht wusste, was auf sie zukam. Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass sie tatsächlich ausgewandert war. Das war das Mutigste, das sie je in ihrem Leben getan hatte. Oder war sie weggelaufen? Weg von all den Plätzen, Orten und Menschen, die sie an ein glückliches Leben mit ihrem Mann erinnerten. Jetzt kam ihr das alles so verlogen vor. Sie fühlte sich regelrecht verarscht. Verarscht von ihrem Mann, dem äußeren Schein, der Liebe und von sich selbst. Schließlich hatte sie diese Ehe, dieses Leben, diese Farce so lange mitgespielt. Aber sie war glücklich. Oder? Zumindest hatte sie das geglaubt. Bis zu dem Tag, an dem die durchtriebene …

»Ute! Hörst du mir überhaupt zu?«

Ute zuckte zusammen. »Absolut, ja, das stimmt«, merkte sie nur kurz an, damit Heike ihren Laberflash beruhigt fortsetzen konnte.

Die Party in Panas kleinem Café war schon in vollem Gange. Da nicht alle Gäste in den kleinen Innenraum passten, drängten sich einige draußen um die Heizpilze, die gefährlich nah um den großen Olivenbaum herumstanden. Drinnen waren die Tische an die Wand gestellt, damit in der Mitte Platz für eine kleine Tanzfläche war. An Wänden hingen so viele Lichterketten, dass sie sich fast nach innen bogen. Die Theke, die sonst für den Straßenverkauf genutzt wurde, war von innen begehbar, außen mit einem Rollladen verschlossen und mit Gläsern, Rotwein und Knabbereien ausgestattet. Bier, Sekt, Weißwein und Cola konnte man aus dem Kühlschrank neben der Theke nehmen. Die Gläser klirrten und bei der Hälfte der Leute konnte man sich kaum vorstellen, dass sie bei dieser Trinkgeschwindigkeit bis Mitternacht durchhalten würden.

»Yia mas«, riefen alle wie aus einem Mund.

»Oh, das nimmt kein gutes Ende.« Ute rümpfte die Nase, während Heikes Wangen vor Freude glühten: »Ach Kinder, ist das schön! Dann wollen wir’s uns heute mal ordentlich hübsch machen, Prostata!«

Ute starrte überrascht auf das Weinglas in ihrer Hand und wunderte sich: »Wo kommt das denn plötzlich her?«

»Jetzt schau doch nicht so bedeppert. Entspann dich mal!«

»Pana!«, rief Heike durch den Raum und übertönte damit problemlos die laute Musik. Pana hob kurz die Hand, klopfte seinem Gesprächspartner entschuldigend auf die Schulter und kam auf die beiden Frauen zu.

Seine großen braunen Augen erfassten Utes Blick und ließen ihr Herz schneller schlagen. Irritiert fühlte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg und sie hoffte, dass das leuchtende Rot ihrer Wangen im Partylicht unterging.

»Darf ich vorstellen, das ist er: Panagiotis Polychroniadis«, stellte Heike ihn stolz vor.

»Bitte, nur Pana«, sagte er, lächelte Ute an und zeigte dabei seine wunderschönen weißen großen Zähne. Seine welligen Haare gepaart mit dem Dreitagebart ließen ihn lausbübisch wirken, während die grauen Strähnen ihm eine gewisse Seriosität verliehen. Ute schluckte trocken: »Heylo … ähm, hallo.« Das schien ihn zu amüsieren, denn sein Grinsen wurde noch breiter. Heike überging den peinlichen Moment, indem sie fröhlich drauflos plauderte: »Also, den Pana kenn’ ich ja schon ewig. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und seither durch dick und dünn gegangen – gä, Pana?« Pana nickte zustimmend. »Ja, und als der Pana nach seiner Scheidung zurück nach Zypern ist, bin ich kurzentschlossen mitgegangen. Mich hat ja daheim nichts gehalten und meine beiden Katzen habe ich mitgenommen. Ich hab’ dem Pana auch vom ersten Moment an im Café geholfen und es mit aufgebaut – gä, Pana?« Pana setzte an, kam aber nicht zu Wort.

»Ja, und das ist jetzt die Ute. Ich hab’ dir doch schon von ihr erzählt. Die Ute wohnt jetzt – seit wann bist du jetzt hier, Ute? Seit Anfang November, oder?«

»Ja, genau«, bestätigte Ute kurz.

»Und stell dir vor, Pana, die Ute ist auch geschieden. Ganz frisch.«

»Na ja, so frisch dann auch wieder nicht.« Ute wollte nicht als trauriger Scheidungsneuling rüberkommen.

»Ich habe dich schon öfter gesehen. Du läufst immer morgens an meinem Haus vorbei«, sagte Pana eilig den Moment nutzend, während Heike ihr Weinglas exte.

»Ach echt? Ja, ich laufe jeden Morgen die Strecke an deinem Café vorbei, zum Schiffswrack und wieder zurück. Um die Uhrzeit hast du noch nicht geöffnet, sonst hätte ich mir bestimmt schon mal meinen Morgen-Cappuccino hier geholt.«

Ein kleiner, dicker Mann kam mit schnellen Schritten auf die drei zu: »Hey, was geht? Pana, komm mal, wir brauchen dich hier.«

»Bitte entschuldigt mich«, sagte Pana zu den beiden Frauen und an Ute gewandt: »Wir unterhalten uns später, ja?«

Utes Wangen brannten wieder: »Ja, ich bin hier.« Er grinste nochmal breit und sie ärgerte sich darüber, dass ihr nichts Cooleres eingefallen war. Außerdem wirkte das so anbiedernd. Ich bin hier – was für ein blöder Satz.

»Das eben war der Dimi«, riss Heike sie aus ihren Gedanken. »Der beste Freund vom Pana. Er reinigt hier in der Gegend alle Pools und kennt deshalb jeden, inklusive aller Gerüchte. Am liebsten hat er es, wenn man ihn »Kamaki« nennt. Das ist griechisch und heißt Harpune. Wenn du etwas über jemanden erfahren willst, ist er dein Mann.«

Ute fiel der schwärmerische Blick auf, mit dem Heike diesen Dimi bedachte und wunderte sich etwas darüber. Nicht, weil er klein und dick war, sie war schließlich auch keine Gazelle, eher weil er sich anzog wie ein 17-Jähriger. Basecap falsch herum, Jeans mit Schritt bis zu den Knien und Schlabber-Basketball-Shirt. Oder er wollte wie ein Rapper rüberkommen, da war sich Ute noch nicht sicher.

»Ich hole mir nochmal eine Wein-Cola-Mischung, magst du auch?«

Ute sah auf das leere Glas in ihrer Hand, winkte aber ab: »Nein, Danke. Ich mach’ lieber langsam, sonst muss ich vor Mitternacht ins Bett.«

»Ach, jetzt klemm’ hier nicht rum. Der Trick ist, zwischendurch Wasser zu trinken, oder besser noch, Cola«, riet Heike, drehte geschickt auf ihrem Absatz um und tänzelte im Rhythmus der Musik Richtung Theke.

»Na, schöne Frau, so alleine? Und dann auch noch auf dem Trockenen, das darf nicht passieren!«, hörte Ute eine feuchte Männerstimme dicht an ihrem Ohr. Es war Dieter, der mit einer Weinflasche bewaffnet plötzlich neben ihr stand und ihr Glas randvoll machte. Sie hatte Dieter auf einem der zahlreichen Stammtische kennengelernt, wo sich die deutschen Auswanderer regelmäßig trafen, um sich gepflegt in ihrer Muttersprache zu unterhalten und sich zu erzählen, was in Zypern doch alles so schrecklich anders war als in Deutschland. Ute war bisher nur einmal bei so einem Stammtisch gewesen. Dieter wohnte mit seiner Frau Bärbel seit 12 Jahren in Zypern. Dieter war im Immobiliengeschäft und neugierig auf Utes Haus, das sie in Heikes Nachbarschaft gemietet hatte, weshalb er jede Gelegenheit nutzte, es mal von innen zu begutachten. Sein stierer Blick haftete auf Utes Busen. »Wann lädst du mich denn mal zu dir zum Essen ein? Dein Haus soll ja wunderschön sein.«

Aha, das hat ja nicht lange gedauert, dachte Ute. »Wann habt ihr zwei denn mal Zeit?« Ute wusste, dass sie um die Einladung nicht herumkam, wollte aber auf keinen Fall mit ihm alleine sein. Bevor ein konkreter Termin ausgesprochen werden konnte, zog Panas Hand Ute auf die Tanzfläche.

»Sorry, Dieter! Ich muss sie dir kurz entführen.« Ute kicherte erleichtert. »Danke, dass du mich gerettet hast«, sagte sie, ohne zu stottern. Wein lockerte eben doch die Zunge.

Sie tanzten zu Chaka Khans »Ain’t Nobody« und Ute spürte, wie sie von Sekunde zu Sekunde unbefangener wurde. Sie liebte diesen Song! Es fühlte sich an, als würden sich Anstrengung, Kummer und Abschiedsschmerz im Rhythmus der Musik langsam auflösen. Als wäre die Playlist für Ute gemacht, folgten »I Will Survive«, »Respect« und »Dancing Queen«. Das tat gut! Naja, der Wein mochte seinen Teil dazu beigetragen haben, aber das war Ute in dem Moment egal. Sie genoss Panas Gesellschaft und dachte das erste Mal seit langer Zeit nicht an morgen.

»Kinder, wo bleibt ihr denn?« Heike zischte eilig mit einer Pulle Sekt an Ute und Pana vorbei, die offensichtlich total die Zeit vergessen hatten. »Es ist gleich zwölf!«, rief sie ihnen auf dem Weg nach draußen noch zu. Ute und Pana sahen sich lachend an. Sie dachten wohl dasselbe. Pana umfasste Utes Handgelenk und zog sie an die Theke. Obwohl die beiden bisher nicht mehr als zwei Sätze gewechselt hatten, kam das Ute total vertraut vor. Pana holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank, schnappte sich zwei Gläser von der Theke und sagte: »Komm, wir gehen raus.«

Draußen wurden sie sofort von den anderen umringt, die einstimmig von zehn rückwärts zählten. »Zwei, eins, happy new year, ihr Schätzla«, grölte Heike und umarmte Ute und Pana gleichzeitig. Ihre breiten Schultern hatten Platz für beide. Pana entkorkte elegant die Sektflasche und goss beide Gläser voll. Heike nahm beherzt einen großen Schluck direkt aus der Flasche: »Proschtata, ihr Schätzla. I han eich soooo lieb!« Aha, Heike fiel langsam in ihren schwäbischen Heimatdialekt – wie immer, wenn sie über den Durst getrunken hatte.

»Yia mas e chronia pola«, sagte Pana und fuhr fort: »Das heißt Prost und ein schönes neues Jahr.« Seine Stimme hatte so ein sanftes Brummen. Ute fand, sie würde sich gut für Kinder-Hörbücher eignen. Am liebsten wäre sie in seinem tiefen Blick versunken und reagierte deshalb erst nach einer zu langen Pause: »Yia mas und dir auch ein schönes neues Jahr!« Für einen Moment dachte Ute, Pana würde sie umarmen. Es hätte auch wirklich gut zum Augenblick gepasst. Dann zuckte er kurz mit seinen Armen in ihre Richtung, hielt dann aber doch inne und stieß mit seinem Sektglas gegen ihres.

»Yia mas«, wiederholte er etwas unbeholfen. Um die Situation wieder aufzulockern, lenkte Ute schnell ab: »Von hier aus kann man ja schon das Schiffswrack sehen. Heißt dein Café deshalb Edro?«

Erleichtert antwortete Pana: »Ah, ja genau. Ich mag es gerne einfach und durch den Namen wissen die Leute erstens, dass sie hier Kaffee bekommen und zweitens wo es zu finden ist.« Wieder stockte das Gespräch zwischen ihnen. Pana befreite sich aus der Situation und sagte: »Ach, jetzt hätte ich fast vergessen, dass ich nach Apostolos schauen muss. Er ist immer etwas verstört, wenn um diese Uhrzeit noch so viele Leute da sind. Und wenn Thea dann noch mit seinem Schwanz spielt, um ihn zu ärgern, flippt er aus. Ich geh’ ihm mal schnell den Rücken kraulen, bin gleich wieder da.«

Ute zog ein fragendes Gesicht: »Ähm, entschuldige. Wer ist Apostolos?«

»Ach, sorry, das habe ich vergessen zu erwähnen. Apostolos ist mein Esel. Er hat seine Koppel mit Stall hinter dem Café. Das sieht man von vorne nicht so gut, deshalb ist es dir vielleicht noch nicht aufgefallen. Ja, und Thea ist eine Katze und seine Freundin, sozusagen.«

»Ach so«, sagte Ute etwas erleichterter, als es klingen sollte. Kurz hatte sie gedacht, Apostolos wäre ein Mensch und Panas Freund. Obwohl ihr Instinkt sie dann sehr getäuscht hätte. Andererseits hatte sie einfach schon zu viele böse Überraschungen erlebt, deshalb rechnete sie vorsichtshalber mit allem. »Darf ich mitkommen?«

»Ja, klar. Hier geht’s lang.« Pana zeigte hinter den Gartenzaun und machte die Handytaschenlampe an. Ute lief dicht hinter ihm und atmete seinen Duft ein. Jetzt riecht der auch noch gut, dachte sie und hoffte, noch irgendeinen Haken an ihm zu finden.

Pana blieb abrupt stehen, drehte sich zu Ute um und legte den Zeigefinger auf seine Lippen: »Psst, hörst du das?« Zwischen ihm und Ute waren jetzt kaum zehn Zentimeter Luft.

»Nein, was denn?«

Pana lauschte: »Da ist jemand im Stall. Hörst du nicht das Flüstern?«

»Nein«, antwortete Ute ehrlich.

»Bitte geh’ zurück zu den anderen. Ich schau mal, was da los ist.«

»Auf keinen Fall«, widersprach Ute. Neben Pana fühlte sie sich stark und mutig.

»Ok, aber dann bleib dicht hinter mir.«

Mit dem größten Vergnügen, dachte Ute und musste grinsen. Als sie dem Stall näher kamen, sahen sie einen Lichtschein, der von innen durch die Schlitze der Holzlatten schien. Jetzt hörte Ute auch das Flüstern, dann ihren eigenen Herzschlag und noch etwas Undefinierbares. Schluchzte da jemand? Wer auch immer da drin war, sprach leise – mit wem auch immer – und hatte eine Taschenlampe dabei. Pana und Ute setzten im Gleichschritt vorsichtig einen Fuß vor den anderen, wobei die trockene Erde unter ihren Füßen knirschte. Als sie direkt vor der Stalltür standen, riss Pana sie mit der linken Hand beherzt auf und knipste fast gleichzeitig mit der rechten das Licht an.

»Ach du Scheiße!«, brüllte eine Frauenstimme. Der Esel bäumte sich auf, die Katze fauchte und Ute schrie vor Schreck auf. »Bist du irre, mich so zu erschrecken?«, schnauzte sie eine junge Frau vorwurfsvoll an.

»Sula! Was machst du hier? Ich dachte, du bist auf der Party deiner Freundin. Warum hast du das Licht nicht eingeschaltet?«, wollte Pana alles auf einmal wissen. Sein Körper war mit Adrenalin vollgepumpt und er versuchte, sein Zittern unter Kontrolle zu kriegen. Ute war sehr beeindruckt von Panas heldenhaftem Auftreten. Das blieb ihm nicht verborgen und freute ihn maßlos. Er war sich nicht sicher, ob er das alleine auch so tapfer hingekriegt hätte. Ute als Zuschauerin zu haben, ließ ihn vergessen, dass er sonst eher ängstlich war.

»Ach, die … Die Leute da sind doch alle scheiße und überhaupt. Ich hatte da keinen Bock mehr«, gab sie zurück. Ein paar ihrer langen schwarzen Haare klebten ihr an der Wange. Die verlaufene Wimperntusche verriet, dass sie geweint hatte. »Da bin ich lieber zu Apostolos, der quatscht wenigstens nicht so ne Scheiße.« Sie grub ihre langen Fingernägel Hilfe suchend in Apostolos Mähne.

»Sag nicht immer Scheiße«, schimpfte Pana hilflos. Er wusste nicht, wie er mit seiner Nichte umgehen sollte. Sie war die Tochter seines älteren Bruders, der vor vier Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Sula war damals gerade mal 20. Der Tod ihres Vaters hatte sie ziemlich aus der Bahn geworfen.

»Ute, das ist meine Nichte Sula. Sula, das ist Ute«, stellte Pana die beiden vor.

»Ah, Silvester feiern?«, fragte Sula mit einem Gesichtsausdruck, der nicht gelangweilter hätte wirken können.

»Ja, genau. Und du? Deine Party war nicht so toll? Komm doch mit uns mit, dann feiern wir noch zusammen«, schlug Ute vor.

»Auf keinen Fall! Ich komm doch nicht von so ner Scheißparty und geh dann auf die nächste Scheißparty, wo die Leute nicht nur total besoffen sind, sondern auch noch alt und langweilig.«

Pana holte tief Luft und wollte gerade loslegen, da legte Ute schnell beschwichtigend ihre Hand auf seinen Arm. »Das heißt dann wohl eher, nein. Dann schlaf gut und vielleicht bis irgendwann mal«, antwortete Ute an seiner Stelle, und versuchte Sulas Frechheit zu ignorieren.

Auf dem Weg zurück ins Café erzählte Pana ihr kurz von Sulas Schicksal. »Ach, die Arme! Wo ist denn ihre Mutter?«, wollte Ute wissen. »Die hat sich gleich nach ihrer Geburt verpisst und ist seither auf einem Selbstfindungstrip. Manchmal taucht sie auf und macht einen auf fürsorgliche Mutter. Ihre Besuche sind aber eher schädlich für Sula. Danach ist sie meistens wochenlang nicht ansprechbar. Deshalb ist es uns allen lieber, wenn sie ganz wegbleibt.«

»Verstehe.« Ute war tief betroffen und konnte nicht nachvollziehen, wie man als Mutter so sein konnte. Für sie war ihr Sohn von der ersten Sekunde an ihr Ein und Alles und würde das auch immer bleiben.

Zurück im Café sahen Pana und Ute gleich, dass Heike mit ihrem Rausch in bester Gesellschaft war. Es roch nach Deo-Schweiß und ausgedünstetem Zigarettenrauch. Die Gäste hatten die Karaoke-Maschine gefunden und Heike trällerte voller Inbrunst »Hero« von Mariah Carey. Sie presste die hohen Töne mit aller Gewalt heraus, doch trotz aller Anstrengung kamen sie nur sehr zaghaft aus ihr raus, was in der Stimmlage ein echter Segen war. Um zu verhindern, dass sie gleich im Anschluss »I Will Always Love You« sang, lockte Dimi die warmgesungene Heike an die Theke. »Zum Glück! Die arme Whitney würde sich ja im Grab umdrehen«, scherzte Pana erleichtert, als sie in freudiger Erwartung das Mikrofon hinlegte, sich bei Dimi einhakte und mit ihm davon stolperte.

»Pana, Pana, Pana«, drang plötzlich durch das ganze Café. Alle feuerten ihn einstimmig an.

Ute war überrascht: »Ist das ein Insider? Was wollen die jetzt von dir?«

»Ich soll singen«, beantwortete Pana die Frage. »Singst du mit?«

Ute zögerte, weil sie nicht gerne im Mittelpunkt stand und ihr Ex-Mann ihr immer sagte, sie könne nicht gut singen, wenn sie während des Kochens vor sich hin gesungen hatte. Gestärkt durch das Erlebnis hatte sie in dem Moment aber das Gefühl, alles zu können, stark und schön zu sein – vor allem an Panas Seite.

»Also gut, was singen wir?«

So kam es also am ersten Abend ihres Kennenlernens zum Duett zwischen Pana und Ute. Und dann auch noch so erfolgreich, wer hätte das gedacht? Danach überlegte Ute, woran man eigentlich erkennen konnte, ob jemand einen gutfand? Sie hatte das total vergessen.

»Samsagncht n du hs nur deine Träuhäume«, hörte sie Heikes Stimme. Oh je, sie fürchtete, dass Heike jetzt völlig hinüber war. Ihr Blick zur Karaoke-Maschine bestätigte ihren Gedanken. Heike stand schief und barfuß da, umklammerte das Mikrofon mit beiden Händen und sang mit geschlossenen Augen Howard Carpendales »Samstagnacht«. Ute ging zu Pana und teilte ihm schnell mit, dass sie die arme Heike jetzt nach Hause bringen musste, bevor Schlimmeres geschah.

»Ich begleite euch natürlich.« Pana gab kurzerhand seinem Kumpel Dimi Bescheid, der die restlichen Gäste in spätestens einer Stunde rausschmeißen und dann das Café abschließen sollte. Weil er jetzt im Heldsein-Modus war, legte er Heikes Arm um seinen Hals und sagte zu Ute: »Nimmst du ihre Schuhe? Ich glaube, in den Dingern kann sie jetzt noch weniger laufen als nüchtern. Ich stütze sie.«

Wieder oder immer noch beeindruckt, tat Ute, worum sie gebeten wurde, winkte in die Runde und holte eilig Pana ein, der mit Heike schon ein paar Schritte weiter war. »Das ist wirklich nett, dass du uns begleitest«, fand Ute.

»Naja, alleine hättest du unsere Glitzer-Diva hier in dem Zustand nicht heim gekriegt und außerdem wohne ich ja auch in eurer Gegend – ist also kein Problem«, spielte Pana die Situation runter. Dass er es genoss, noch ein bisschen Zeit mit Ute zu verbringen, verschwieg er lieber.

»Ch, ihr swei sen sooooo liab!«, lallte Heike und Pana hatte Mühe, sie in einer einigermaßen geraden Bahn zu halten. Ute bemerkte die Schweißperlen, die auf Panas Stirn im Mondlicht schimmerten.

Die Sea Caves Avenue hatten sie schon geschafft, jetzt ging es bergauf.

Heike blieb stehen, riss die Arme in die Höhe und rief: »Wer will mi bumsa?«

Pana konnte sie gerade noch auffangen, sonst wäre sie rückwärts bergab gefallen. »Heike, bitte reiß dich jetzt zusammen.« Ute war besorgt und fremd beschämt gleichzeitig.

»Isch doch wor, koiner will mi bumsa«, schluchzte Heike, die inzwischen wieder an Panas Schulter hing. Pana warf Ute einen traurigen Blick zu. Er kannte Heike ja schon eine halbe Ewigkeit und hatte bestimmt schon viel mit ihr erlebt.

»Du bist also auch geschieden?«, fragte Ute, um ein heimwegverkürzendes Gespräch zu beginnen.

»Seit acht Jahren. Wir hatten zusammen eine Event-Agentur in Stuttgart. Meine Ex-Frau leitet die jetzt alleine. Nach der Scheidung bin ich sofort nach Zypern gezogen. Das wollte ich eigentlich gleich nach dem Tod meiner Mutter, aber meine Ex-Frau wollte Deutschland auf keinen Fall verlassen. Und blöd wie ich war, habe ich immer alles gemacht, was sie wollte. Ich dachte, ich könnte sie damit glücklich machen … Da habe ich mich wohl getäuscht.«

Ute bemerkte Panas tiefe Kränkung und schwieg.

»Und bei dir? Wie kam es zu deiner Scheidung?« Pana wollte lieber mehr über Ute wissen, als von seinen Erlebnissen zu erzählen. Das stimmte ihn immer so traurig.

»Pna, mnsch dr Dimi däd mi bumsa?«, wollte Heike noch wissen.

»Bestimmt«, sagte Pana schnell und wartete gespannt auf Utes Erzählung.

»Ich war ihm nicht mehr schön genug, nicht mehr jung genug, einfach nicht mehr genug, schätze ich. Nach 20 Jahren Ehe beichtete er mir eines Tages, dass er die Liebe seines Lebens getroffen hat.« Pana war von diesem Satz so geschockt, dass er beinahe die erschlaffte Heike fallen ließ, die er inzwischen wie einen nassen Sack den Berg hochschob.

»Ch, i brauch niemand! I hn jo meina Katsa. Des sen eh d bssere – wääärgh!«, kotzte Heike los. Pana konnte sie im letzten Moment Richtung Bananenplantage drehen. Durch das Cola-Wein-Gemisch, das sie den ganzen Abend literweise in sich reingeschüttet hatte, schoss es aus ihr raus wie ein Sektkorken.

»Na da wird Philippos aber nicht happy sein, wenn er das morgen früh sieht«, merkte Pana an.

»Philippos?«

»Das ist der Bauer, dem die Bananenplantage gehört«, erklärte er, legte den Arm der leergekotzten Heike wieder um seine Schultern und bat Ute: »Also, erzähl weiter..«

»Pamela heißt sie, ist 20 Jahre jünger als ich und rundum in Bestform. Es dauerte nur zwei Monate, bis er Haus und mich verlassen und mit ihr eine neue Wohnung bezogen hat. Natürlich alles vom Feinsten in bester Lage. Sie hätte den Schlüssel zu seinem Herzen, meinte er nur entschuldigend und das war’s.«

Pana hatte falsch gedacht. Utes Erzählungen stimmten ihn noch viel trauriger, als das seine eigenen Erlebnisse taten. Schweigend gingen sie die letzten Meter nebeneinander her.

1. Januar – Montag

»Igitt! Wie habe ich das denn angestellt?« Heike saß in ihrem Sessel und pulte klebrige Halloumi-Walnuss-Bröckelchen aus ihrer Glitzerleggings.

Heike machte den besten Halloumi-Walnuss-Salat der Welt. Zumindest war er das für Ute bisher gewesen. Sie würgte ein paar Mal trocken und entschied sich dann, lieber aus dem Fenster zu schauen: »Ja, das schoss nur so aus dir raus. Ich fürchte, der Bananen-Bauer wird heute auch seine Freude haben. Hast du denn keine Kopfschmerzen, sag mal?« Ute rieb sich die Schläfen. Sie hatte zwar nur halb so viel Wein getrunken wie Heike, dafür aber den doppelten Kater. Sie hatte bei Heike übernachtet und ihr, bis es hell wurde, alle 20 Minuten die Haare im Nacken zusammengehalten. Heike schien ein unfassbar großes Fassungsvermögen zu haben. Um den Schaden im Badezimmer einzugrenzen, hatte Ute die arme Betrunkene auf einen weichen Badvorleger platziert und ihr einen kalten Waschlappen auf die Stirn gelegt. Dafür war sie jetzt schon wieder erstaunlich fit und plauderte ohne Punkt und Komma pulend vor sich hin. Ute ließ ihre Plauderei so gut es ging an sich vorbeirauschen, nippte an ihrem Kaffee und blinzelte müde aus dem Fenster. Ihre Augenlider ließen nur schmale Sehschlitze zu. Sie sah, wie ein großer, schlanker Mann die Straße herunterlief. Komisch, was macht der denn hier? Hat er sich verirrt? Er blickte sich um, stoppte, ging wieder die Straße hoch, drehte um und lief zurück in ihre Richtung, direkt auf Heikes Haus zu. Er schien etwas zu suchen. Ute durchlief ein heißkalter Schauer, dann riss sie die Augen weit auf. »Klaus!?«, entfuhr es ihr, dann duckte sie sich reflexartig.

Heike stoppte abrupt ihren Monolog und schubste vor Schreck den Eimer mit den gepulten Halloumi-Walnuss-Bröckelchen um. »Jesses, erschreck mich doch nicht so!«

Ute war kreideweiß im Gesicht und krabbelte auf allen vieren zu Heike rüber: »Bitte, sieh aus dem Fenster und sag mir, dass da kein Mann vor deinem Haus steht. Das muss eine Halluzination sein. Bitte, bitte, lass es eine sein. Ich werde auch nie wieder so viel Wein trinken!«

»Schätzle, du bist ja ganz panisch! Wo denn? Was für ein Mann?« Heike erhob sich, um aus dem Fenster zu sehen.

Ute konnte sie durch einen geschickten Sprung wieder nach unten drücken: »Nein, nicht! Er sieht dich doch, wenn du stehst!«, flüsterte Ute mit Nachdruck.

»Wie soll ich denn aus dem Fenster schauen, wenn ich nicht aufstehen darf?«, fragte Heike.

»Pssst, wir krabbeln jetzt langsam zum Fenster und spicken vorsichtig, sodass er uns nicht sieht«, schlug Ute vor. Synchron und leise glitten die beiden Richtung Fenster. Heike lugte über den unteren Fensterrahmen: »Oh lala, wen haben wir denn da? Wie kommt denn dieses Sahneschnittchen in unsere Gegend?«

»Oh nein, dann habe ich also doch richtig gesehen.« Ute blieb geduckt und konnte Heikes Freude über den fremden Besucher nicht teilen. »Das ist Klaus«, flüsterte sie gequält.

»Klaus? Welcher Klaus?«, wollte Heike wissen.

»Mein Ex-Mann!«

»Das ist dein Ex?« Heike war von den Socken.

»Psst, nicht so laut, sonst hört er dich noch«, bat Ute.

»Mein lieber Herr Gesangsverein, der macht aber was her! Was ist der nochmal von Beruf?«

»Schönheitschirurg«, antwortete Ute knapp.

»Ach so, kein Wunder. Dann sitzt er ja quasi an der Quelle und kann alles, was stört, selber kurz ab schnippeln oder hoch nähen.«

»Ach Heike, das tut doch jetzt wirklich nichts zur Sache. Ich muss herausfinden, was er hier will.«

»Na, er scheint etwas oder jemanden zu suchen. Wahrscheinlich dich. Aber woher soll er wissen, wo du wohnst?«

»Dank Google Maps ist das ja heutzutage keine Kunst mehr und meine Adresse habe ich ihm natürlich gegeben, falls irgendwas ist.«

»Was soll denn sein?«, wollte Heike wissen.

»Weiß nicht, vielleicht wenn Lukas was braucht oder meine Schwiegermutter, Ex-Schwiegermutter meine ich.«

»Also Lukas ist mit seinen 23 Jahren wohl alt genug, seine Dinge selber zu regeln und für deine EX-Schwiegermutter bist du nicht mehr zuständig. Soll sich doch seine neue Ische um die kümmern.«

»Das ist ja jetzt auch egal. Jedenfalls ist er hier und das vermutlich aus einem guten Grund«, stellte Ute genervt fest.

»Ja komm, geh’ schon raus. Ich will auch wissen, warum er hier ist«, forderte Heike sie gespannt auf.

»So? Ich bin ungeschminkt und habe noch nicht mal geduscht.«

»Ach Schätzle, verlassen hat er dich ja eh schon. Dann spielt dein Aussehen jetzt keine Rolle mehr.«

»Stimmt auch wieder«, gab Ute gequält zu, stand auf, ging in Heikes Bad, kämmte sich kurz die Haare, um sie dann gleich wieder in einen Pferdeschwanz zu packen, ging unsicher zur Eingangstür und öffnete sie: »Klaus?«

Ihr Ex drehte sich um und war sichtlich erleichtert, sie in der Tür zu sehen: »Da bist du ja. Ich dachte schon, die Adresse würde nicht stimmen.«

»Ähm ja, ich wohne auch nicht hier, sondern in dem Haus gegenüber. Ich habe hier nur übernachtet.«

»Oh, sorry, ich hoffe, ich störe nicht.« Klaus schien überrascht zu sein. Das hielt jedoch nicht lange an, weil prompt Heike in der Tür stand – komplett geschminkt und umgezogen. Ute hatte keine Ahnung, wie sie das so schnell geschafft hat. Das grenzte an Zauberei. Ute sah sie verblüfft an, wie sie in ihrer Leopardenmuster-leggings und einem knallroten und knallengen Oberteil auf Klaus zustöckelte und trällerte: »Hallöchen und herzlich willkommen auf der Insel der Götter. Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Heike Gutbrod. Mary-Beauty-Keys-Vertreterin, Servicefee und Single.« Wobei sie »Single« betonte, als wäre es ein heißer Tipp.

»Klaus Schneider, angenehm«, stellte er sich wie immer höflich und knapp vor und zog dabei ein eher unangenehmes Gesicht.

»Ute und ich wollten eben noch ein Kaffeele trinken. Möchten Sie uns vielleicht Gesellschaft leisten?«

»Auf keinen Fall«, entfuhr es Ute. Etwas sanfter fügte sie hinzu: »Äh, ich meine, du hast ja sicher keine Zeit für Kaffee. Du hast ja bestimmt einen wichtigen Grund, weshalb du die vier Stunden Flug auf dich genommen hast. Komm, wir gehen zu mir.«

Heike wollte protestieren, ließ es aber nach Utes strengem Blick sein und sagte nur: »Na, dann vielleicht ein anderes Mal.« Klaus verabschiedete sich mit einem seichten Lächeln und trottete Ute hinterher, die schon ihre Haustür aufschloss.

»Aha, das ist es also. Dein neues Zuhause. Nett hast du’s hier.« Klaus hatte locker die Hände in den Hosentaschen und war wie immer sparsam mit Komplimenten.

»Ja, ich fühle mich ganz wohl hier. Setz dich, ich koche uns einen Kaffee. Oder magst du lieber Tee?«

»Ja, bitte Grünen Tee für mich. Du weißt ja, mein Magen.«

»Natürlich.« Ute rollte innerlich mit den Augen.

»Du wohnst hier ja total abgelegen. War mit Google schwer zu finden.« Es überraschte Ute nicht, dass er schon nach den ersten 5 Minuten einen Haken gefunden hatte, und meinte deshalb nur knapp: »Das ist eine Frage der Bewertung. Dafür ist es schön ruhig hier.« Klaus sagte nichts dazu und schaute sich neugierig um.

»Aber du bist ja sicher nicht hier, um mit mir über das Wetter zu plaudern.«

»Natürlich nicht. Ich …« Sein Handy klingelte. »Ah, sorry, da muss ich rangehen«, entschuldigte er sich und stand hektisch auf, ging zur Terrassentür, bekam sie aber nicht auf und rannte zur Eingangstür. »Ja, mein Engel«, hörte Ute ihn noch sagen, bevor er draußen die Tür hinter sich schloss.

Ute schlich zur Eingangstür, in der Hoffnung, sein Gespräch belauschen zu können. Als sie endlich direkt vor der Tür stand und gespannt ihr Ohr anlehnen wollte, ertönte die Haustürklingel. Ute fuhr zusammen und öffnete sofort.

»Huch, standest du schon vor der Tür?«, rief Klaus erschrocken.

»War sie das?«, fragte Ute, anstatt zu antworten.

»Wie? Ach so, ähm ja, das war Pamela. Ich hatte sie im Spa abgesetzt und sie möchte jetzt mit mir zusammen Mittagessen.«

»Ach, sie ist auch hier? War ja klar. Und du springst natürlich, wenn sie ruft«, spottete Ute.

»Bitte, nicht wieder diese Leier. Das hatten wir doch jetzt zur Genüge – oder?«

»Allerdings. Aber schließlich wolltest du ja was von mir und nicht ich von dir.«

»Das stimmt. Kann ich später nochmal vorbeikommen? Pamela ist immer so traurig, wenn sie alleine essen muss.«

»Ist das dein Ernst? Du tauchst hier einfach unangekündigt auf und dann soll ich noch den ganzen Tag für dich reservieren?«

»Bitte, es ist wirklich wichtig. Und du sollst dabei auch keinen Schaden haben. Ich lade dich nachher zum Essen ein. Was hältst du davon? Wir können uns ja eine Pizza bestellen.«

»Lässt dich dein Engel überhaupt nochmal alleine weg?«, fragte Ute. Dabei klang das Wort Engel fast wie ein Würgelaut.

Sieben Stunden später stand Klaus mit einer Flasche Weißwein vor ihrer Tür. »Hmmm, der gute Adonis. Woher weißt du, dass das mein Lieblingswein ist?« Ute war überrascht.

»Purer Zufall«, gab Klaus zu, freute sich aber, seine Ex-Frau etwas milder gestimmt anzutreffen.

»Ich habe bisher noch keinen guten Pizza-Lieferdienst ausfindig machen können, deshalb habe ich meine Spezialität gemacht: panierten Halloumi mit Bauernsalat.

»Ach toll, was Selbstgemachtes hatte ich ja ewig nicht mehr«, freute sich Klaus.

»Kann Engel etwa nicht kochen?«

Klaus zog nur die Augenbrauen hoch.

»Ok, ok, ich höre auf. Setz dich und sag mir endlich, was so wichtig ist, dass wir es nicht am Telefon besprechen können.« Wie sie ihn da so sitzen sah, fiel ihr auf, dass er ganz schön blass und dünn war. Hatte er abgenommen? Er sah regelrecht abgekämpft aus. Das war ihr am Vormittag gar nicht aufgefallen. Sie füllte die Teller auf und goss Wein ein. Wie immer hatte sie schon Stunden vorher den Tisch liebevoll dekoriert. Klaus räusperte sich: »Ähm ja, mmh das sieht ja gut aus.« Ute wartete geduldig und gespannt. »Ja, ähm, also du weißt ja, dass Pamela Immobilienmaklerin ist und ein wirklich ausgezeichnetes Auge für Grundstücke und Immobilien hat.« Er wartete auf eine Bestätigung von Ute. Als die ausblieb, fuhr er fort: »Genau und jetzt ist es so, dass sie unbedingt das Ferienhaus an der Cote d’Azur haben will, um daraus ein Luxus-Apartment zu gestalten und es an Feriengäste zu vermieten. Sie sagt, dass …«

Jetzt unterbrach ihn Ute forsch: »Unser Ferienhaus? Also ich meine, mein Ferienhaus will die Schlampe haben?«

»Ute bitte, beruhige dich und lass’ mich ausreden«, versuchte Klaus sie zu beschwichtigen.

»Nur über meine Leiche! Damit das klar ist. Ich habe sonst auf alles bei der Scheidung verzichtet, aber das Ferienhaus bedeutet mir viel und außerdem ist es meine einzige Sicherheit für die Zukunft.«

»Aber Ute, du sollst ja auch nicht leer ausgehen. Wir würden dir einen angemessenen Preis dafür bezahlen. «

»Angemessen? Angemessen?«, wiederholte Ute und stand auf.

»Darf ich dir unser Angebot vielleicht erstmal unterbreiten?«

»In den Schritt klatschen kannst du dir euer Angebot!« Ute war jetzt außer sich und schrie ihn an: »Diese blöde Plutsche hat mir schon meinen Mann genommen und mein Leben. Das Ferienhaus kriegt sie auf keinen Fall. Das kannst du deinem Engel gerne genau so ausrichten!« Jetzt war Engel ein reiner Würgelaut.

»Ute, bitte, ich versteh dich ja. Aber …« Klaus’ Handy klingelte »Sorry, ich bin gleich wieder da.

»Nichts da! Nimm dein Scheiß-Telefon und geh, hau ab!«

»Ute, jetzt mach’ bitte nicht so ein Theater.«

»Sofort!« Am liebsten hätte sie dabei kleine Blitze aus ihren Augen geschossen. Das war deutlich – selbst für Klaus.

Zwölf traurige Songs später schwankte Ute zum Kühlschrank und öffnete eine zweite Flasche Wein, als ihr Handy klingelte. Es war Heike, die vor Neugierde platzte. »Und? Will er dich zurück?«

Statt einer Antwort fing Ute an zu schluchzen: »Er hat nicht mal meinen panierten Halloumi angerührt.«

»Oh je, Schätzle. Ich komm mal rüber zu dir.

2. Januar – Dienstag

Endlich hatte es mal wieder geregnet. Die ganze Nacht plätscherten die Regentropfen gegen Panas Schlafzimmerfensterscheibe und ließen ihn tief und fest schlafen. Er streckte genüsslich alle viere von sich und fühlte sich wieder ein bisschen weniger einsam in seinem Kingsize-Bett. Seit seiner Scheidung hatte keine Frau bei ihm übernachtet. Das hieß nicht, dass es keine Gelegenheiten gegeben hätte, oder dass er seit acht Jahren abstinent war. Er hatte sich nur auf keine Frau mehr näher eingelassen und Übernachten gehörte für ihn auf jeden Fall zu den ersten weiterführenden Annäherungsschritten. Manchmal sehnte er sich nach einer Frau, mit der er wieder Nähe teilen konnte, aber die Angst vor weiteren Herzschäden war größer.

Er stand auf und schlüpfte in seine bereitgestellten Latschen. Um diese Jahreszeit war der Steinfußboden so kalt, dass nicht mal er barfuß ging. Er öffnete die Terrassentür seines Schlafzimmers und sog die kühle Morgenluft ein. Obwohl das Meer 800 Meter entfernt war, konnte er es riechen. Und noch ein Duft lag in der Luft: Zigarettenrauch. Aha, Theo, der Vater von Pana war auch schon wach und nahm seine erste Frühstückszigarette zu sich. Pana schaute versonnen die Straße entlang und fragte sich, was Ute heute wohl Schönes vorhatte und ob sie auch noch an die Silvesternacht dachte. Der nächtliche Regen hatte sogar ein paar kleine Pfützen hinterlassen. Die bekam man in Zypern höchst selten zu Gesicht und wenn, dann nicht lange. Er liebte den zyprischen Winter. Alles begann zu grünen und blühen, tagsüber war es draußen angenehm warm, man konnte spazierengehen, ohne schwitzen zu müssen und man musste keine Begegnung mit einer Vogelspinne befürchten. Pana hatte furchtbare Angst vor ihnen. Er wusste zwar, dass sie ihm nichts tun würden, das spielte aber keine Rolle. Wenn er eine sah, lähmte ihn der Schreck und er bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut. Während der Monate, in denen man diese Viecher am häufigsten antraf, ließ er nachts sogar seine Nachttischlampe brennen. Der Gedanke, so eine riesige Spinne würde in der Dunkelheit über ihn krabbeln, bescherte ihm eine regelrechte Panikattacke.

Heute aber war nur Entspannung angesagt. Sein Café hatte immer in der ersten Woche des neuen Jahres geschlossen, um den Esel und die Katze kümmerte sich seine Nichte Sula, deshalb konnte er den Tag alleine für sich gestalten. Beschwingt startete er seine Lieblings-Playlist auf Spotify und hüpfte unter die Dusche. Normalerweise holte er sich nach dem Aufstehen erst mal eine Tasse Tee, aber heute hatte er das Bedürfnis, eine neue Morgenroutine einzuführen, passend zum Start des neuen Jahres quasi.

Beim Abtrocknen mit einem frisch gewaschenen Handtuch, das so bretthart war, wie es nur die zyprische Sonne hinbrachte, fasste er noch einen Beschluss. Er wollte versuchen, alles positiv zu sehen. Es liegt immer daran, wie wir die Dinge bewerten, hatte er kürzlich auf Instagram gelesen. So beschloss er, dass das Handtuch beim Abtrocknen nicht unangenehm hart und spröde war, sondern gleichzeitig als wunderbares Ganzkörperpeeling fungierte. Das gefiel ihm. Nachdem er sich anschließend seitlich im Spiegel betrachtete und der Bauchfett-Check bestätigte, dass einmal pro Woche Fußballspielen mit seinen 49 Jahren wohl nicht mehr ausreichen würde, beschloss er: »Also, Pana, wenn wir schon bei positiven Veränderungen sind: Ab jetzt einen Monat lang keine Weingummis!« Dabei war er sich der Härte dieser Challenge durchaus bewusst.

»Pana?« Er hörte, wie sein Vater ihn rief.

»Bin gleich bei dir.« Er wickelte sich das Handtuch um die Hüften, was bei diesem Härtegrad gar nicht einfach war, flitzte die Treppen runter und öffnete die Tür. »Kali mera Papa, was gibt’s?«

»Kali mera. Gut, dass du schon wach bist, ich brauche deine Hilfe.«

»Ja klar, ich ziehe mir schnell was an.«

Als er bei seinem Vater am Nebenhaus ankam, kraxelte dieser eine wackelige Leiter zum Dach hoch. Bewaffnet mit einem Gartenschlauch, den er wie eine Handtasche geschultert hatte und einer Zigarette im linken Mundwinkel, gab er seinem Sohn die nächsten Instruktionen: »Jetzt werfe ich dir das Ende vom Gartenschlauch runter und du schließt ihn an den Wasserhahn an.«

»Papa, komm’ da runter! Was machst du denn da?« Papa Theo reagierte nicht auf die Frage und stieg weiter die Leiter hoch.

»Was willst du denn mit dem Gartenschlauch auf dem Dach?«

»Der Regen hat den Saharastaub nicht von den Solar-Kollektoren abgespült, sondern eine noch schlimmere klebrige Schicht hinterlassen. Ich muss die Solarpanels reinigen, sonst haben wir kein warmes Wasser. Ich wollte eigentlich bei unseren Mietern mit der Reinigung beginnen, aber die scheinen alle schon ausgeflogen zu sein oder noch zu schlafen, deshalb fange ich mal hier an.«

»Panagiamou! Muss denn das heute sein? Ich hatte eben warmes Wasser.«

»Wer weiß, wie lange noch und irgendwann muss man die Kollektoren ja von der Staubschicht befreien, warum also warten?«

»Oh echt, Papa, kannst du nicht einen Tag mal einfach ausruhen und nichts tun? Du kippst eines Tages noch von der Leiter oder fällst vom Dach oder so.«

Theo warf das eine Ende des Schlauches nach unten: »Jetzt rede nicht, schließ lieber den Schlauch an!« Er wollte von den Ermahnungen seines Sohnes nichts hören. Pana wusste, dass er keine Chance hatte, also tat er, was sein Vater sagte.

Sein Vater hatte immer schon viel gearbeitet. Theo war mit seiner Frau, Pana und Panas Bruder nach Deutschland gezogen, als Pana vier Jahre alt war, und hatte dort in einer Fabrik gearbeitet. Als Panas Großvater vor 20 Jahren starb, war Theo mit seiner Frau wieder in die Heimat gezogen, um sich um sein Erbe zu kümmern. Pana und sein Bruder blieben damals der Liebe wegen in Deutschland. Theo hatte mit den sechs Häusern samt Gärten, die ihm sein Vater hinterlassen hatte, alle Hände voll zu tun. Es gab immer etwas zu streichen, reparieren, schrauben, flicken, ölen, mähen oder schneiden. Als Panas Mutter noch lebte, saß Theo mit ihr jeden Abend von März bis Dezember am Tisch im Garten unter dem großen Karobbaum. Sie redeten über Gott und die Welt, machten Reisepläne oder träumten zumindest von Reisen in ferne Länder. Seit seine Mutter tot war, saß sein Vater nicht mehr am Tisch unter dem Karobbaum. Keiner saß da mehr. Wenn Theo jetzt noch irgendwo saß, dann zum Rauchen auf dem alten Plastikstuhl vor seiner Haustür. 13 Jahre war das her und der Plastiktisch verschmolz langsam mit der Wachstischdecke, die an den Seiten mit Klammern an ihm fixiert war. Weder Theo noch Pana schafften es, ihn zu entsorgen. Es ging nicht mit, aber auch nicht ohne diesen Tisch, mit dem sie unzählig viele Erinnerungen an Panas Mutter verbanden.

Pana wollte nicht daran denken, dass sein Papa auch eines Tages nicht mehr da sein würde. Seinen älteren Bruder hatte er ja schon verloren und seine Frau war auch nicht mehr die Seine. Er schüttelte den Kopf, als könnte er die traurigen Gedanken dadurch loswerden.