Eine Liebe am Meer - Katie Fforde - E-Book

Eine Liebe am Meer E-Book

Katie Fforde

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Beschreibung

Die dreißigjährige Emily ist glücklich als Hebamme und Single. Aber eine frische Brise ist ja nie verkehrt, und so nimmt sie ohne zu zögern die Einladung ihrer besten Freundin Rebecca an, mit ihr und Freunden den Sommer über auf einem alten Kutter die schottischen Kanäle entlang zu schippern. An Bord ist auch der attraktive Alistair, der seiner bezaubernden kleinen Tochter ein liebevoller Vater ist und zufrieden mit seinem Leben wirkt. Könnte also alles nicht schöner sein. Oder doch?

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Seitenzahl: 466

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Inhalt

Cover

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Anmerkung der Autorin

Danksagung

Über die Autorin

Katie Fforde lebt mit ihrer Familie in Gloucestershire und hat bislang 23 Romane veröffentlicht, die in Großbritannien allesamt Bestseller waren. Darüber hinaus ist sie als Drehbuchautorin erfolgreich, und ihre romantischen Beziehungsgeschichten begeistern auch in der ZDF-Serie Herzkino ein Millionenpublikum. Wenn sie nicht mit Schreiben beschäftigt ist, hält Katie Fforde sich mit Gesang, Flamencotanz und Huskyrennen fit.

Katie Fforde

Eine Liebeam Meer

Roman

Aus dem Englischen vonGabi Reichart-Schmitz

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Dieser Roman ist 2017 vorab als genehmigte Lizenzausgabe bei der Weltbild GmbH & Co. KG unter dem Titel »Das Leuchten der Highlands« erschienen.

Für die Originalausgabe:Copyright © Katie Fforde Ltd 2016Titel der englischen Originalausgabe: »A Summer at Sea« Originalverlag: Century/The Random House Group Limited, London

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, KölnTitelillustration: © shutterstock / Kozhadub Sergei; © travellight/shutterstock; © imagIN.gr photography/Shutterstock; © roy henderson/ShutterstockCovergestaltung: Kirstin Osenau

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5656-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für einen ganz besonderen Schiffstyp,die Vic 32, einen Clyde Puffer, Baujahr 1942,und die Hebamme Mandy.Ohne euch beide hätte ich dieses Buch

Prolog

Die Hebamme Emily und die werdende Mutter Susanna hatten sich behaglich in dem von Kerzenlicht erhellten Raum eingerichtet. Alles lief nach Plan; bisher war es eine Geburt wie aus dem Lehrbuch. Emily war überzeugt, dass nichts schiefgehen würde, und war wie immer, positiv gespannt. Es würde sie niemals langweilen, neuem Leben auf die Welt zu verhelfen.

Obwohl sie völlig entspannt wirkte, während sie die Wehen begleitete, war jeder ihrer Sinne hellwach. Sie hörte, wie ein Schlüssel im Schloss der Haustür umgedreht wurde, und trat gleichzeitig mit einem Mann in den Flur. Das musste Susannas Ehemann Ed sein, Offizier in der Armee, der mit seinem Regiment bei einer Übung im Ausland gewesen war. Emily war verblüfft: Weder sie noch Susanna hatten so bald mit ihm gerechnet.

»Sie sind sicher Ed«, sagte sie. »Wie wunderbar, dass Sie es rechtzeitig geschafft haben! Susanna meinte, dass es nicht klappen kann.« Er sah erschöpft aus – bestimmt war er viele Stunden lang gefahren. Außerdem war er sichtlich aufgebracht. Wahrscheinlich hatte er sich während der gesamten Fahrt darüber aufgeregt, dass seine Frau sich für eine ganz andere Art der Geburt entschieden hatte, als er sich das vorstellte.

»Wo ist Susanna?«, fragte er kurz angebunden. »Ich muss sie sehen!«

Emily war klar, dass sie ihn von seiner Frau fernhalten musste, solange er so offensichtlich angespannt war, denn seine Stimmung konnte sich leicht auf die werdende Mutter übertragen. Emily stand vor der Tür des Wohnzimmers, in dem Susanna in den Wehen lag. Normalerweise war es nicht ihre Art, einem werdenden Vater zu verwehren, seine Frau zu sehen, aber das hier war etwas anderes. Er musste sich erst beruhigen, denn sein Zorn konnte alles durcheinanderbringen.

»Natürlich«, antwortete Emily lächelnd und in ihrer sanftesten Tonlage, während sie krampfhaft überlegte, wie sie Susanna abschirmen könnte. Dann ging sie zum Angriff über. »Doch ich muss Sie bitten, sich zuerst die Hände zu waschen. Und wie wär’s mit einer Tasse Tee nach der langen Reise? Sie müssen völlig erschöpft sein.« Er würde bei der Geburt nicht selbst mit anpacken. Allerdings konnte Händewaschen beruhigend wirken.

Aber er ließ sich nicht besänftigen. »Hören Sie, ich will, dass Susanna unser Baby im Krankenhaus bekommt – das wusste sie ganz genau. Dass Sie und meine Frau sich jetzt hinter meinem Rücken gegen mich verschwören … Ich kann mir nur zu gut vorstellen, was mein Vater davon halten würde!«

Emily wusste über den Schwiegervater ihrer Patientin Bescheid. Er war Gynäkologe im Ruhestand – ein Arzt der alten Schule, der alles auch nur entfernt »Natürliche« bei einer Geburt vehement ablehnte. Jede Art der Geburt, bei der die Frau nicht auf dem Rücken in einem Krankenhaus lag und bei der nicht jede medizinische Behandlungsmöglichkeit ausgeschöpft wurde, war für ihn inakzeptabel.

Seine Schwiegertochter Susanna hatte ganz andere Vorstellungen und war beinahe erleichtert gewesen, als klar wurde, dass ihr Mann es wahrscheinlich nicht rechtzeitig zur Geburt schaffen würde. Ed hingegen hatte sich die Ansichten seines Vaters völlig zu eigen gemacht.

»Ich versichere Ihnen, dass es keine Verschwörung gibt. Und es wird auch eine ganze Weile noch nichts passieren. Sie haben jede Menge Zeit, sich frisch zu machen und einen Tee zu trinken.« Emily lächelte wieder. »Ich sehe mal nach, wie Susanna vorankommt.«

Aber Ed hatte offensichtlich nicht vor, sich die Hände zu waschen oder sich zu beruhigen. »Sie können mich nicht aufhalten!«, sagte er. »Es ist meine Pflicht, meine Frau zu beschützen.«

Es war zwar nicht klar, wovor er seine Frau beschützen wollte, doch er blieb hartnäckig. Er wollte Emily zur Seite schieben, konnte sich aber gerade noch zusammenreißen.

»Nein«, wiederholte sie. »Sie können da nicht rein, bevor …« Sie hielt inne und überlegte, was sie sagen konnte, um ihn davon abzuhalten, wie ein Elefant ins Zimmer zu stürmen. »Essen und trinken Sie etwas und dann kommen Sie zu Ihrer Frau.«

Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und hoffte, dass sie sich nicht zu sehr wie ein Kindermädchen angehört hatte. Aber ein Blick auf Susanna sagte ihr, dass die Situation sich grundlegend geändert hatte. Die werdende Mutter sah elend aus.

»Es wird nicht dazu kommen, stimmt’s? Er wird mich ins Krankenhaus bringen?«

Emily wollte gerade widersprechen, doch Ed war ihr in den Raum gefolgt.

»Susanna!«, rief er. »Was zum Teufel ist bloß in dich gefahren?« Er warf einen Blick auf das Wasserbecken, das nur bis zur Hälfte gefüllt war, und trat dagegen. »Um Gottes willen! Was soll das alles? Auf was für verrückte Ideen bist du jetzt schon wieder gekommen? Ich dachte, wir hätten uns auf eine traditionelle Geburt geeinigt!«

Darüber wusste Emily auch Bescheid – Susanna hatte ihr bei ihrem ersten Besuch davon erzählt.

»Wir haben uns nicht geeinigt, du hast das beschlossen. Aber das hier ist das, was ich wollte«, konterte Susanna mutig. »Flora wollte eigentlich auch hier sein, doch sie hat sich einen Virus eingefangen. Du hast gewusst, wie ich darüber denke. Ich wollte mein Baby hier bekommen, zu Hause, unterstützt von Emily und Flora.«

»Nun, ohne Flora ist die Sache eh geplatzt«, erwiderte Ed erleichtert. »Wir fahren dich jetzt sofort ins Krankenhaus, und alles wird gut.«

»Aber Susanna wünscht sich eine Hausgeburt«, warf Emily ein. Sie wusste, dass sie diese Auseinandersetzung nicht gewinnen konnte – jetzt nicht mehr –, doch sie musste kämpfen.

»Ich bin nicht bereit, irgendein Risiko für Susanna oder unser Baby einzugehen. Sie braucht ärztliche Aufsicht, und die wird sie bekommen.« Er wandte sich an seine Frau. »Komm, ich bringe dich zum Auto.«

Bevor Emily erneut protestieren konnte, klopfte es an der Tür.

»Das wird der Arzt sein«, meinte Ed. »Ich lasse ihn ins Haus.«

»Der Arzt?«, fragte Emily. »Warum ist er gekommen?«

»Als ich bemerkt habe, was hier vor sich geht, habe ich unseren Hausarzt angerufen. Nur für den Fall, dass ich es nicht mehr rechtzeitig nach Hause schaffe.«

Emily begriff, dass Susanna ihrem Mann vernünftigerweise eine Nachricht geschickt hatte, dass das Baby auf die Welt drängte. Aber das hatte jetzt ernste Konsequenzen, denn Emily wusste, wer Susannas Hausarzt war: Derek Gardner, der zwar relativ neu in der Gegend war, sich jedoch bereits einen Ruf als Arzt der alten Schule erworben hatte, wenn es um das Thema »Geburt« ging. Außerdem gehörte er seit Kurzem dem Krankenhausvorstand an, der unter anderem auch über die Belange der Geburtshilfeeinrichtung bestimmte, für die Emily arbeitete.

Und tatsächlich betrat kurz darauf Derek Gardner, dicht gefolgt von Ed, den Raum. Gardner sah Emily mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich hätte gleich wissen müssen, dass Sie es sind!« Sein Blick fiel auf die Strickarbeit, mit der Emily sich beschäftigt hatte, bevor diese so wunderbar geplante Geburt gestört worden war. »Ach! Die Gerüchte sind also wahr! Wie können Sie sich auf eine Frau in den Wehen konzentrieren, wenn Sie stricken?!«

Da es sich offenbar um eine rhetorische Frage handelte, machte Emily sich nicht die Mühe, sie zu beantworten. Allerdings hätte sie ihm leicht erklären können, dass das Stricken ihr half, all ihre Sinne auf die werdenden Mütter zu richten. Wenn ihre Hände beschäftigt waren (und sie strickte unter diesen Umständen nur sehr einfache Sachen), war ihr Gehör schärfer, und sie merkte sofort, wenn sich etwas veränderte und sie nach der Mutter schauen sollte. Aber diese Feinheiten würde Derek Gardner wohl nie verstehen, selbst wenn sie sie ihm stundenlang erklärte.

»Komm, Schatz«, sagte Ed deutlich sanfter zu seiner Frau. »Wir bringen dich ins Krankenhaus, da bekommst du die Schmerzmittel, die du brauchst.«

Da Susannas Wehen aufgehört hatten, fragte Emily sich, warum Ed glaubte, seine Frau bräuchte Schmerzmittel. Aber sie erkannte, dass die Schlacht verloren war.

Susanna sah Emily an. »Es tut mir so leid. Ich dachte, wir kriegen das hin.«

Ed hatte seine Frau inzwischen am Arm gefasst und half ihr auf die Beine. »Ich hole deine Jacke.«

»Sie braucht auch ihre Reisetasche«, erklärte Emily. »Soll ich sie Ihnen rasch bringen?«

Ganz kurz trafen sich Emilys und Eds Blicke, und die Luft knisterte förmlich vor Feindseligkeit. Dann sah er weg. »Wenn Sie das tun würden?«

Als Ed und Susanna wenige Minuten später losfuhren, blieb der Arzt noch. Es dauerte nicht lange, bis Emily den Grund herausfand.

»Sie müssen damit aufhören«, sagte er. »Sie wissen doch, dass die Risiken bei einer Hausgeburt für Erstgebärende höher sind.«

»Wirklich? Ich hätte gedacht, gerade Sie kennen die Statistiken, die belegen, dass Hausgeburten außerordentlich sicher sind.«

»Was würden Sie tun, wenn es ein Problem gibt? Ein paar Zaubersprüche murmeln und das Beste hoffen?«

Emily schluckte ihren Ärger hinunter. Der gemütliche Raum, in dem Susanna ihr Kind auf die Welt hatte bringen wollen, mochte zwar nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer Entbindungsstation haben, aber in Emilys Kisten und Taschen, die hinter den Stühlen und Sofas versteckt waren, befanden sich sämtliche Ausrüstungsgegenstände, die für einen sicheren und glücklichen Ausgang einer Geburt erforderlich waren.

»Habe ich schon mal ein Baby verloren?«, fragte Emily. Sie war ganz starr vor lauter Anstrengung, die Ruhe zu bewahren.

»Es gab eine Untersuchung …«

»Ja – und wenn Sie das Ergebnis gründlich gelesen hätten, wüssten Sie auch, dass niemand diese Steißgeburt vorhersehen konnte. Das Baby hat sich im allerletzten Moment gedreht, und es geht ihm nach wie vor gut.«

Derek Gardner seufzte. »Hören Sie, Emily …«

Emily, die normalerweise keinerlei Wert auf Formalitäten legte, versteifte sich, als er ihren Vornamen benutzte. »Miss Bailey«, korrigierte sie ihn.

Der Arzt hatte wenigstens den Anstand, verlegen zu wirken. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis etwas schrecklich schiefläuft.« Er zögerte kurz. »Ehrlich gesagt, mache ich mir Sorgen um Sie – und um die ganze Geburtshilfeeinrichtung. Sie haben hier eine sehr einflussreiche Persönlichkeit gegen sich aufgebracht. William Redbridge ist zwar im Ruhestand, doch er sitzt in jedem Vorstand und Komitee, das man sich nur vorstellen kann. Er könnte Ihnen das Leben so richtig schwer machen.«

Emily musste beinahe grinsen. »Mein Leben ist schon ziemlich schwer, danke.«

Sie würde diesem Mann nicht erzählen, dass sie bis in die frühen Morgenstunden bei einer anderen werdenden Mutter gewesen war, die sie mehr als zwölf Stunden lang unterstützt hatte. Danach hatte sie kaum Zeit gehabt, zu duschen und ein Sandwich zu essen, als schon Susanna angerufen hatte. Wenn deren Freundin Flora, die eigentlich bei der Geburt hatte dabei sein wollen, nicht verhindert gewesen wäre, hätte Emily noch ein paar Stunden schlafen können. Aber sie hatte Susanna versprochen, dass sie die Wehen nicht allein durchstehen musste – also war sie gleich hierhergefahren.

Derek zuckte mit den Schultern, und auf einmal erkannte Emily, dass auch er müde war und unter Druck stand. »Ich bitte Sie nur darum, darüber nachzudenken, wie Sie praktizieren. Oder sogar in Erwägung zu ziehen, ins Krankenhaus zurückzukommen und die Sache richtig zu machen. Dort herrscht ein ziemlicher Mangel an Hebammen, wissen Sie?«

Emilys Mitgefühl verflüchtigte sich wieder, und ihre Wut fühlte sich in ihrem Magen wie erstarrte Lava an. Aber sie wusste, dass sie etwas Unwiderrufliches sagen oder tun würde, wenn sie nicht sehr aufpasste. »Zufällig glaube ich, dass wir unsere Arbeit richtig machen! Meine Kolleginnen und ich praktizieren auf äußerst professionelle Weise. Das denke ich jeden Tag, wenn ich zur Arbeit gehe, und jedes Mal, wenn ich ein Kind sicher auf die Welt hole.«

»Ich möchte doch nur helfen«, erwiderte Derek. »Sie wissen besser als ich, dass die Geburtshilfeeinrichtung ins Kreuzfeuer der Kritik geraten und deshalb bedroht ist – es würde die Lage nur noch schlimmer machen, wenn Sie sich den Ruf erwerben, unkooperativ und unflexibel zu sein. Ich sage Ihnen das zu Ihrem eigenen Besten – und zum Besten der Geburtshilfeeinrichtung, für die Sie arbeiten.«

Die Tatsache, dass Derek recht hatte, machte die Sache auch nicht besser. Jetzt platzte Emily vor Wut der Kragen. »Was fällt Ihnen ein! Mit welchem Recht …« Sie trat so heftig gegen das Kunststoffbecken, dass ziemlich viel Wasser über den Rand schwappte und Dereks Hosenbeine durchnässte. Fluchend sprang er zurück, während Emily sich erschrocken die Hand vor den Mund schlug. Nach einem Moment angespannter Stille sagte sie zähneknirschend: »Ich werde ein paar Tage Urlaub machen, und danach könnte es gut sein, dass ich eine Auszeit nehme. Gehen Sie jetzt bitte. Ich habe noch jede Menge aufzuräumen.«

»Emily … Miss Bailey, ich versuche doch nur, Ihnen zu helfen.«

Sie holte tief Luft. »Ich würde Ihre Hilfe nicht mal annehmen, wenn ich blind wäre und eine sechsspurige Schnellstraße überqueren müsste. Jetzt gehen Sie bitte!«

Emily machte zur Beruhigung einige der Atemübungen, die sie sonst werdenden Müttern beibrachte, dann wischte sie das verschüttete Wasser auf, löschte die Kerzen und sammelte ihre Ausrüstung ein, einschließlich ihres Strickzeugs. Dabei dachte sie über ihre Optionen nach. Sie war zu weit gegangen, das war ihr bewusst. Sie lief Gefahr, alles kaputt zu machen, sowohl für sich selbst als auch für die Geburtshilfeeinrichtung. Niemals wäre sie dermaßen explodiert, wäre sie nicht so müde gewesen. Nein, nicht bloß müde: Sie war erschöpft. Es lag nicht nur daran, dass sie in der Nacht zuvor keinen Schlaf bekommen hatte; sie hatte viel zu lange keine Pause mehr gehabt. Ihr standen noch jede Menge Urlaubstage zur Verfügung, und wie sie Derek Gardner gegenüber erwähnt hatte, konnte sie zusätzlich eine unbezahlte Auszeit nehmen. In den kommenden Wochen standen keine Entbindungen auf dem Plan, die Emily unbedingt selbst leiten musste – die schwangeren Frauen hätten also genug Zeit, eine der anderen Hebammen kennenzulernen. Emily musste nicht das Gefühl haben, jemanden im Stich zu lassen.

Wo genau sie hinfahren oder was sie tun wollte, war ein eher nebensächliches Detail, um das sie sich später kümmern würde.

Ein paar Tage später saß sie zu Hause vor ihrem Computer, durchstöberte die Webseiten einiger Reiseveranstalter und fragte sich, warum keiner der herrlichen, sonnigen Strände sie reizte. Da klingelte auf einmal ihr Telefon. Ihre beste Freundin aus Studententagen, die Emily schon seit viel zu vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, rief an.

»Rebecca! Wie schön, dich zu hören!« Als kein begeistertes Kreischen folgte, hielt sie inne. »Bist du in Ordnung?«

»Um ehrlich zu sein, Em, gibt es da ein kleines Problem. Aber bevor ich dich um den allergrößten Gefallen überhaupt bitte, erzähl mir erst mal, wie es dir geht!«

Emily beschränkte sich auf die wesentlichen Punkte, weil sie darauf brannte zu erfahren, was Rebecca von ihr wollte. »… im Grunde genommen habe ich die Nase ein bisschen voll und suche gerade online nach einem Reiseziel, weil ich eine Pause brauche«, schloss sie. »Also, um welchen Gefallen geht es?«

»Ach, Em! Der Himmel scheint ein Einsehen mit mir zu haben! Ich brauche jemanden, der auf unserem Puffer kocht – du weißt schon, auf dem Dampfer, den James und ich als schwimmendes Hotel betreiben. Und du bist der einzige Mensch, der mir einfällt, dem ich vertraue und der mich nicht in den Wahnsinn treibt.« Sie hielt kurz inne. »Vielleicht sollte ich das erklären. Ich bin schwanger.«

Das musste Emily erst verarbeiten. »Wie weit bist du?«

»Etwa im sechsten Monat. Ich dachte, ich könnte bis zum Ende der Saison weitermachen. Aber in letzter Zeit bin ich ziemlich reizbar, und James hat ein Machtwort gesprochen.«

Emily biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. »Ach, Liebes!«

»Ich habe einfach nicht mehr die Energie, einem Fremden meine Witze zu erklären oder ihm meine Küchenregeln zu erläutern«, fuhr Rebecca fort. »Erinnerst du dich an diesen wunderbaren Sommer in dem Vollwertkost-Café? Wir haben so gut zusammengearbeitet, und du wärst einfach perfekt …«

»Aber Becca!« Emily gab sich Mühe, nicht vorwurfsvoll zu klingen. »Du hast doch gewusst, dass du schwanger bist – warum hast du nicht schon früher jemanden eingestellt?«

»Wie gesagt, ich dachte, ich brauche niemanden. Ich habe Leute an der Hand, die schon mal für eine Woche einspringen können, doch nicht fast drei Monate lang. Die ersten beiden Schwangerschaften habe ich ganz locker weggesteckt, aber diesmal bin ich so müde.«

»Das ist ganz normal, du bist ja schließlich schon im sechsten Monat! Wann genau ist der errechnete Geburtstermin?«

»Ende September. Und ich bin gut organisiert, wirklich. Ich habe bloß nicht damit gerechnet, mich so müde und krank zu fühlen.«

Emily seufzte. »Beim dritten Kind ist es oft anders.«

»Also, kommst du? Du hast gesagt, du hast so richtig die Nase voll und suchst ein Urlaubsziel? Nicht dass es sich um Urlaub handeln würde …«

Als Rebecca und sie eine Stunde später auflegten, hatte Emily eine Entscheidung getroffen. Sie musste jetzt nur noch mit Sally sprechen.

Sie waren seit zwei Jahren Kolleginnen und hatten nicht oft Gelegenheit, sich in Ruhe zu unterhalten. Meistens reichte die Zeit nur für eine schnelle Übergabe und eine kurze Absprache wegen der werdenden Mütter, deren Niederkunft unmittelbar bevorstand, oder wegen der Kurse für Schwangere, die sie leiteten. Aber Sally hatte glücklicherweise zugesagt, sofort vorbeizukommen, als Emily angerufen hatte.

»Die Sache ist die«, sagte sie nach einer Weile, »ich brauche Urlaub, Sally. Rebecca ist meine beste Freundin, und sie ist schwanger. Ich habe den Eindruck, dass das Kind vielleicht nicht geplant war. Na ja, jedenfalls kann sie nicht auf ihrem Puffer kochen …«

»Was ist das? Irgendein Zug?«

Emily lachte. »Das ist ein Dampfer, ein altes Frachtschiff. Früher mal wurden damit Ladungen zwischen den Highlands und den Inseln transportiert. Jetzt ist es eine Art schwimmendes Hotel. Man kann seinen Urlaub darauf verbringen.«

»Und du sollst die Köchin sein?«

Emily nickte.

»Kannst du denn überhaupt kochen?«

Emily warf mit einer Pistazienschale nach ihrer Freundin. »Du weißt, dass ich es kann. Und der Zeitpunkt ist perfekt für mich. Ich bin es so satt, von diesen verknöcherten Schulmedizinern schikaniert zu werden und mir ständig sagen zu lassen, dass Hausgeburten gefährlich seien. Ich brauche eine Pause.«

»Also lässt du uns mit all den Schwierigkeiten allein, mit den Kritikern und Nörglern, die unseren Job noch anstrengender machen, als er ohnehin schon ist?«

Emily sah betroffen aus. »Es tut mir leid – so leid! Ich bin nur so müde …«

»Ach, reg dich nicht auf. Und mach dir keine Gedanken …«, Sally nahm die Flasche Wein und teilte die letzten Tropfen auf die beiden Gläser auf, »wir werden es überleben. Hoffe ich jedenfalls.«

»Ganz bestimmt. Ich weiß, dass die Geburtshilfeeinrichtung nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, doch wir leisten so gute Arbeit.«

»Und du willst lieber auf einem alten Schiff kochen, statt mit mir zusammen diese gute Arbeit zu verrichten?«

»Ja! Aber ich komme zurück. Ich brauche bloß mal einen Tapetenwechsel.« Emily stand auf und umarmte ihre Freundin. »Ich habe so ein gutes Gefühl bei der Sache. Ich bin sicher, dass ich energiegeladen und voller Kraft zurückkomme, und dann werde ich mit doppeltem Elan für uns und die Einrichtung kämpfen, versprochen!«

1. Kapitel

Emily betrachtete ihren Rucksack, der bereits auf einem Schiff stand, das aussah wie ein übergroßes Badespielzeug. Es hatte einen großen Schornstein, ein hohes Ruderhaus und einen hochgezogenen Bug, der zum Wasser hin in gerader Linie abfiel. In der Nähe des Bugs erhob sich ein gelber Mast, von dem aus die Takelage in alle Richtungen verlief. Der Rest des Schiffes war chic in Rot und Schwarz gestrichen und hätte bestimmt ein Lächeln auf Emilys Gesicht gezaubert, hätte sie nicht gerade erst eine sechsstündige Anreise hinter sich gebracht. Sie hatte ganz vergessen, wie weit Schottland vom Südwesten Englands entfernt war.

»Ich hätte nicht kommen sollen«, murmelte sie vor sich hin. »Ich sollte keinen Ferienjob übernehmen – das wäre etwas für meine Studentenzeit gewesen. Ich bin fünfunddreißig und habe eine solide Berufsausbildung. Es ist lächerlich!«

Aber dann schaute sie sich um und sah den Julisonnenschein auf dem Meer funkeln. Die Inseln hoben sich von dem blauen Himmel ab, in der Ferne entdeckte sie die Berge, und direkt vor ihr lag der ausgesprochen hübsche Hafen von Crinan. Er wurde gesäumt von leuchtend bunten Häusern und einem Hotel, das von außen sehr ansprechend aussah. Sie erinnerte sich an die Landschaft, die sie zuerst aus dem Bus und dann aus dem Auto bewundert hatte, und dachte sich, dass das hier durchaus das schönste Fleckchen auf der Erde sein könnte. Es regnete nicht, und anscheinend gab es auch gerade keine Mücken. Alles triftige Gründe, um sich zu ihrem Rucksack zu gesellen. Ein etwas finster dreinblickender, recht schweigsamer Mann, der sie vom Busbahnhof in Lochgilphead abgeholt hatte, hatte ihr Gepäck auf das Schiff geworfen. Sie hatte diese verrückte Entscheidung getroffen, jetzt musste sie die Sache auch durchziehen.

Emily kletterte an Bord des Clyde Puffer, der ihr von Rebecca so liebevoll beschrieben worden war, als wäre er ein Familienmitglied. Genau genommen handelte es sich um ein altes Frachtschiff. Von diesem Schiffstyp war während des Zweiten Weltkriegs eine ganze Flotte gebaut worden. Die Dampfer waren eingesetzt worden, um alles zu transportieren, was man in den Highlands und auf den Inseln brauchte – von landwirtschaftlichen Geräten bis hin zu Lebensmitteln, von Vieh bis zu Whisky. Vor vielen Jahren war der Frachter zu einem Passagierschiff umgebaut worden. Es wurde mit Dampf betrieben und hatte laut Rebecca jede Menge Charme und Charakter. Emilys Job würde darin bestehen, für die Passagiere zu kochen, da Rebecca wegen ihrer Schwangerschaft nicht mehr dazu in der Lage war. Rebecca und ihr Mann James waren die Eigentümer des Schiffes, und das Geschäft florierte.

Emily hatte ihr Haus vermietet und ihren kompletten bezahlten Jahresurlaub und danach unbezahlten Urlaub genommen. Als das alles erledigt war, war sie mit Flugzeug und zwei Bussen angereist, und jetzt war sie hier.

»Hallo!«, rief sie. »Jemand zu Hause?« Als Hebamme war sie daran gewöhnt, sich Zutritt zu Häusern zu verschaffen, wenn niemand sie begrüßen konnte, aber das hier war anders.

Sie blieb stehen, nahm die Aussicht in sich auf und ließ den Reisestress von sich abfallen. Erst dann beschloss sie, unter Deck zu gehen. Es musste jemand an Bord sein. Rebecca hatte ihr gesagt, dass sie einkaufen musste, und James organisierte eine neue Kohlelieferung. Doch es sollte auf jeden Fall ein Besatzungsmitglied da sein, um Emily zu begrüßen.

Sie fand eine Holztreppe, die nach unten in einen Bereich führte, der früher wohl mal der Laderaum gewesen war. Aber jetzt gab es hier Wohnraum. Emily stieg die Stufen hinunter. »Ist da jemand?«

Als immer noch keine Antwort kam, beschloss sie, sich auf eigene Faust umzusehen, wenn niemand sie herumführen konnte.

Emily erblickte einen langen, polierten Mahagonitisch, an dem gemäß der Broschüre, die Rebecca ihr zugeschickt hatte, Passagiere und Mannschaft gemeinsam die Mahlzeiten einnahmen. Jetzt stand eine große Obstschale darauf, neben der ein Stapel ungelesener Zeitungen lag. Auf einer Seite befand sich eine Einbaubank mit gemütlich aussehenden Kissen, auf der anderen Seite eine normale Bank. Die Länge der Bänke legte nahe, dass Emily für viele Leute würde kochen müssen. Es war lange her, seit sie in dem Café gearbeitet und vegetarische Lasagne für zwanzig Personen zubereitet hatte – hoffentlich hatte sie diese Fähigkeit nicht verloren!

Der Rest des »Salons« (wie der Raum in der Broschüre bezeichnet wurde) bestand aus fest installierten Sofas, die um einen großen Holzofen arrangiert waren. Obwohl es ein warmer Sommertag war, brannte darin ein Feuer und strahlte wohlige Wärme aus. Der würzige Geruch nach Rauch war sehr angenehm. An den Wänden (Schotten – korrigierte Emily sich selbst) hingen Gemälde, und überall gab es Wolldecken und Kissenbezüge, die für eine freundliche Atmosphäre und Gemütlichkeit sorgten. Emily sah Stufen, die offensichtlich hinunter zu den Gästekabinen führten. Alles wirkte gemütlich und anheimelnd.

Obwohl sie versucht war, es sich mit der Bildbeilage einer Tageszeitung neben dem Ofen bequem zu machen, hatte Emily das Bedürfnis, die Kombüse zu erkunden, die ihr Arbeitsplatz sein würde. Schließlich könnte das sogar im nächsten Jahr ihr Job werden, wenn das Schlimmste eintrat und die Geburtshilfeeinrichtung zu Hause geschlossen wurde – oder wenn sie, Emily, zu vielen wichtigen Leuten auf die Füße getreten war. Wer konnte wissen, was sie im Winter tun würde, wenn der Puffer nicht im Einsatz war!

Auf dem Weg zur Kombüse ließ sie sich von einem Gemälde ablenken. Wie die meisten anderen Bilder hier stellte es den Puffer dar, jedoch in einer ganz anderen Umgebung – nicht vor den sanft geschwungenen Inseln und den Bergen in der Ferne, wo das Schiff im Augenblick vor Anker lag. Auf dem Bild waren die Berge viel näher, majestätisch, fast überwältigend. Der Puffer war unterwegs, Dampf stieg aus dem Schornstein auf, und offensichtlich herrschte eine steife Brise. Der Titel des Gemäldes stand in winzigen Buchstaben am unteren Rand der Leinwand. Emily versuchte gerade, die kleine Schrift zu entziffern, weil sie hoffte, einen Hinweis auf den Ort zu bekommen, als plötzlich ein lautes Rascheln zu hören war. Sie zuckte zusammen. »Hallo?«

Keine Antwort, nur Rascheln.

Oh mein Gott, dachte Emily, Ratten! Ich bin allein auf einem alten Schiff, und hier gibt es Ratten! Andere Leute bezeichneten Emilys Furcht vor diesen Nagetieren als unbegründet und übertrieben. Sie dagegen fand sie nur allzu berechtigt: Ratten waren ekelhafte Kreaturen, die Krankheiten übertrugen und urinierten, während sie liefen! Rebecca hatte diese Viecher nicht erwähnt. Emily musste auf einem von Ratten befallenen Schiff übernachten. Nun, sie konnte das nicht, sie würde in ein Hotel umziehen müssen.

Eine Bewegung in der Kombüse erregte ihre Aufmerksamkeit und löste die nächste Panikattacke aus. Obwohl Emily die Ratte eigentlich nicht sehen wollte, wurde ihr Blick wie magisch angezogen. In der Spüle stand eine Plastiktragetasche, in der sich etwas regte.

Emily schrie auf. Nicht laut, aber laut genug, um jemanden zum Lachen zu bringen. Ein Mädchen tauchte aus der Kombüse auf. Sie war jünger als Emily und sehr hübsch. Eine Wolke dunkler Locken umrahmte ihr Gesicht, und sie hatte eine kurvenreiche Figur, die in der Jeans und dem engen Pulli gut zur Geltung kam. Offensichtlich hatte sie sich in einem Bereich der Kombüse aufgehalten, wo Emily sie nicht hatte sehen können, und darauf gewartet, dass Emily vom Inhalt der Tüte in Schrecken versetzt wurde.

»Das sind doch nur Garnelen«, erklärte das Mädchen spöttisch. »Langusten. Wir haben sie heute Morgen gekauft. Jetzt sagen Sie bloß nicht, dass die neue Köchin, die Rebecca organisiert hat, Angst vor Schalentieren hat!«

Emily, die über gute Menschenkenntnis verfügte, erkannte sofort, dass dieses Mädchen sich nicht freute, sie zu sehen. Warum nicht? Hatte sie geglaubt, sie bekäme den Job, und war sie jetzt verärgert, weil Rebecca eine Fremde engagiert hatte? Sie fürchtete, dass die Zusammenarbeit kein Selbstläufer werden würde. Na ja, es würde schon irgendwie gehen.

»Hi, ich bin Emily. Nein, ich habe kein Problem mit Schalentieren, doch normalerweise leben sie nicht mehr, wenn ich mit ihnen zu tun habe.«

»Für uns ist nur die frischeste Ware gut genug.« Das Mädchen war offensichtlich stolz auf den hohen Produktstandard auf dem Puffer.

»Und wie heißt du?«

»Billie.«

Emily nickte. »Ich bin gekommen, um Rebecca zu helfen, weil sie nicht mehr weit vom dritten Trimenon entfernt ist.«

Billie runzelte leicht die Stirn, und Emily bemerkte, dass sie einen medizinischen Fachbegriff verwendet hatte. Emily verzichtete auf eine Erklärung, um Billie nicht in Verlegenheit zu bringen. Sie würde es auch so verstehen.

»Rebecca hätte niemanden engagieren müssen. Ich hätte es auch so hinbekommen. Ich habe jede Menge Energie – ich bin schließlich nicht schwanger! Oder sie hätte jemanden zum Küchensklaven ernennen können.«

Emily zuckte innerlich zusammen, als sie den Ausdruck hörte, aber vermutlich nannten sie den Gehilfen des Kochs auf dem Puffer so. Sie musste sich keine Gedanken darüber machen, ob der Begriff politisch korrekt war oder nicht. »Na, vielleicht können wir zusammenarbeiten? Uns den Job teilen? Dann würde jeder von uns beide Aufgaben erledigen.«

Billies verbitterte Miene entspannte sich etwas. »Das könnte funktionieren. Allerdings kannst du natürlich auf Deck nicht so aushelfen wie ich.«

»Gehört das zu den Aufgaben des Küchensklaven?«

»Wir haben einen Matrosen, Drew. Doch wenn wir ein kompliziertes Manöver durchführen oder irgendwo anlegen, ist es sinnvoll, wenn sich ein paar Leute um die Fender kümmern.«

Emily grinste innerlich. Billie benutzte Fachbegriffe, die sie, Emily, nicht ganz verstand, aber wie das Mädchen würde sie es auch ohne Erläuterung herausbekommen. »Muss ich noch lernen, wie man das macht?«

»Oh ja.« Billies Gesichtsausdruck verriet Zweifel an Emilys Fähigkeiten.

»Würde es dir was ausmachen, mich herumzuführen? Rebecca und James sind ja nicht da.«

»Okay.« Sie war zwar nicht begeistert, doch sie würde es tun. »Also, das hier ist die Kombüse.« Sie wedelte mit der Hand. »Sie ist klein, aber dahinten um die Ecke gibt es noch ein bisschen mehr Platz. Ziemlich nützlich. Zwei Personen können gleichzeitig arbeiten. Man muss stets dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz aufgeräumt ist.«

Emily arbeitete in der Küche immer sehr ordentlich. Rebecca wusste das von ihrer gemeinsamen Zeit damals in dem Café. Das war auch einer der Gründe, warum Rebecca Emily hatte haben wollen und keinen Koch, den sie nicht kannte. Sie waren ein gutes Team gewesen.

»Jetzt zeige ich dir, wo wir schlafen«, sagte Billie. »Bring deinen Rucksack mit. Hast du noch mehr Gepäck?«

»Nein.«

»Cool. Wir haben nur Stauraum für die wesentlichen Sachen.«

Emily folgte Billie hinauf aufs Deck zu einer Metallklappe, die Billie hochzog, als öffnete sie eine Sardinenbüchse.

Darunter war etwas, was wie ein dunkler Tunnel aussah, doch dann bemerkte Emily Sprossen. Es gab eine senkrechte Leiter.

»Man geht rückwärts runter, und zwar immer«, erklärte Billie. »Ich nehme deinen Rucksack.«

Geübt griff das Mädchen nach Emilys Gepäck, schwang sich auf die Leiter und verschwand in der Tiefe. Emily holte tief Luft, rief sich Billies Technik ins Gedächtnis, bugsierte sich irgendwie auf die Leiter und kletterte hinunter.

»Oh Gott«, sagte sie, bevor sie sich bremsen konnte. »Rebecca hat doch nicht etwa hier geschlafen, oder doch?«

Es gab zwei eingebaute Schlafkojen, unter denen sich Stauraum befand. Über der Koje, die offensichtlich Billie gehörte, hing ein Netz, in dem sich Toilettenartikel, eine Flasche Wasser, Zeitschriften und ein Buch befanden. Am Ende jeder Schlafgelegenheit war Platz für einen Rucksack, solange er nicht groß oder vollgepackt war.

»Natürlich nicht. Sie schläft in der Kabine des Eigners. Obwohl das jetzt auch ganz schön eng sein dürfte, weil sie so dick wie ein Wal ist.«

Rebecca war inzwischen im siebten Monat schwanger, sodass das vielleicht gar nicht mal übertrieben war. Aber da Emily sie noch nicht gesehen hatte, äußerte sie sich nicht. »Dann bin ich also jetzt in deiner Kabine?«, sagte sie stattdessen. »Tut mir leid. Jetzt kann ich verstehen, warum du nicht begeistert warst, mich zu sehen.« Die Kabine war schon für eine Person allein klein, für zwei waren die Verhältnisse sehr beengt.

Billie zuckte mit den Schultern und gab damit zu verstehen, dass Emily richtiglag. »Ich hoffe nur, dass du nachts nicht zur Toilette musst.«

»Äh – wo sind die Bäder?«

»Im Laderaum. Es gibt drei. Oh, und eine Toilette unter dem Ruderhaus, doch die benutzen normalerweise nur die Jungs. Stinkt ein bisschen.«

»Ich sehe schon, dass ich den Job lieben werde«, meinte Emily ernst. Jetzt verstand sie, warum Rebecca bei der Besprechung der Einzelheiten gefragt hatte, ob sie immer noch gern campen ging. Doch Emily ließ sich nicht von Nebensächlichkeiten wie beengten Verhältnissen und weit entfernten Toiletten abschrecken. Wenn sie Billie dazu bringen konnte, ihre etwas feindselige Haltung aufzugeben, war alles gut.

»Emily!«, hörte sie eine vertraute Stimme. »Bist du gut gelandet? Alasdair hat versprochen, dich abzuholen.«

Emily kletterte die Leiter hinauf und wäre vor Freude, ihre alte Freundin wiederzusehen, fast geplatzt. »Becca!«

Die beiden Frauen taumelten ungeschickt aufeinander zu – Emily, weil sie über etwas stolperte, und Rebecca, weil sie schwanger war. Sie umarmten sich innig.

»Ach, es ist so schön, dich zu sehen!«, sagten beide gleichzeitig.

»Du hast dich kein bisschen verändert!«, rief Rebecca und trat einen Schritt zurück, um Emily zu mustern. »Obwohl du jetzt Strähnchen hast. Deine Haare waren doch immer so dunkel.«

»Ich werde allmählich grau. Doch ich habe beschlossen, nicht dagegen anzukämpfen, sondern mir nur ein paar Strähnen machen zu lassen.«

»Ansonsten hast du dich nicht verändert. Du hast auch nicht zugenommen oder so.«

Emily lachte. »Was man von dir nicht behaupten kann, aber abgesehen davon, dass du die Dimensionen eines Hauses hast, bist du immer noch dieselbe Becca, mit der ich studiert habe.«

»Ich bin sehr dick, stimmt’s?«

Emily nickte. »Bist du sicher, dass das Baby noch ein paar Wochen da drinbleibt?« Emily nahm ihre Freundin noch einmal in den Arm. Alle Zweifel, die ihr gekommen waren, lösten sich in Luft auf.

»Ziemlich sicher!« Sie lachten beide, weil sie glücklich waren, sich nach so vielen Jahren wiederzusehen.

»Hast du sie schon herumgeführt, Billie?«, fragte Rebecca, als das Mädchen auftauchte.

»Ein bisschen.«

»Dann lasst uns eine Tasse Tee trinken, und später zeige ich dir den Rest, Em.«

»Ich wäre dankbar, wenn wir mit der Führung beginnen könnten – am besten bei den Toiletten«, sagte Emily.

Kurz darauf saßen Emily und Rebecca mit großen Teebechern und einem Teller mit selbst gebackenen Keksen im Salon. Emily hatte einen Block und einen Stift bereitgelegt. Billie war irgendwohin verschwunden, worüber Rebecca ganz offensichtlich erleichtert war. Emily vermutete, dass die Freundin ihr etwas über das Mädchen erzählen wollte, was es nicht hören sollte.

»Bist du sicher, dass du nichts zu Mittag essen willst?«, fragte Rebecca, nahm sich einen Keks und biss hinein.

»Ich habe im Bus belegte Brote gegessen.«

»In Ordnung. Dann lass uns besprechen, was du zu tun hast. Die Passagiere treffen so gegen fünf Uhr ein, dann wird Tee und Kuchen serviert. Abendessen gibt es ungefähr um acht, ist das okay? Wir haben eine Selbstbedienungsbar, aber James wird die Gäste am Anfang mit einer kurzen Ansprache willkommen heißen und den ersten Drink servieren, damit sie in Stimmung kommen. Ich habe zwei große Auflaufformen mit Lasagne vorbereitet – ausreichend für zwanzig Personen …«

»Oh!« Nostalgische Gefühle erfassten Emily, während sie sich Notizen machte und die Nervosität vor ihrem ersten Einsatz stärker wurde. »Erinnerst du dich noch an die Lasagne, die wir damals im Café zubereitet haben? Die ging immer weg wie warme Semmeln!«

»Die vegetarische Variante bereite ich nach demselben Rezept zu. Wir bitten die Gäste vorab, es uns mitzuteilen, falls sie Vegetarier sind, doch manchmal vergessen sie es auch. Deshalb biete ich am ersten Abend immer ein Alternativgericht an. Wir haben heute jede Menge Baguette für Knoblauchbrot … James wird die Langusten für die Vorspeise vorbereiten – das ist seine Spezialität, obwohl er sonst nicht kocht. Also gewöhn dich besser nicht daran …«

Rebecca redete weiter und erklärte, wie alles funktionierte, bis Emily schließlich drei Seiten mit Notizen gefüllt hatte.

»So, dann erzähl mir mal was über Billie«, bat Emily und ließ den Stift sinken. »Warum hat sie den Job nicht bekommen? Es wäre doch einfacher gewesen, eine Küchenhilfe zu finden, oder? Billie hätte den Job der Köchin übernehmen können.«

Rebecca atmete aus. »Na ja, abgesehen davon, dass ich unbedingt dich wollte …«

»Ich hätte auch der Küchensklave sein können.«

»Billie ist in mancherlei Hinsicht super. An Deck arbeitet sie wirklich hervorragend. Sie kann steuern und schleppt sogar Kohlensäcke, wenn sich die Gelegenheit bietet. Aber in der Küche ist sie nicht ganz so gut. Sie ist ein bisschen schluderig, und obwohl sie tolle Kuchen und Kekse backt, gelingt ihr kein Brot. Kannst du Brot backen?«

Emily zuckte mit den Schultern. »Nach Rezept bestimmt.«

Rebecca runzelte ein bisschen die Stirn. »Oh. Na ja, ich denke, du wirst es lernen. Oder ich backe das Brot zu Hause und bringe es vorbei.«

Emily schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich lerne, wie es geht. Ich habe mir die Reiseroute angesehen. Es wäre eine schwache Leistung von mir, wenn du in deinem Zustand quer durch die Highlands zu den Inseln fahren müsstest, um uns Brot zu bringen.«

»Und wirst du mit Billie fertigwerden? Sie ist echt schwierig! Und es tut mir so leid, dass ihr euch diese kleine Kabine teilen müsst. Ich habe es am Telefon nicht erwähnt, weil ich dachte, dass du dann vielleicht nicht kommst. Und ich wollte dich unbedingt hier haben!«

Emily gab sich alle Mühe, ihre Freundin zu umarmen, doch der Bauch war im Weg. »Es ist in Ordnung. Ich komme zurecht, und, was am wichtigsten ist: Ich schlafe durch und muss in der Regel nachts nicht zur Toilette.«

»Das kann ich von mir nicht behaupten«, erwiderte Rebecca niedergeschlagen. »Kaum hört das Baby endlich auf zu treten und mich wach zu halten, sodass ich einschlafen kann, weckt meine verdammte Blase mich wieder auf.«

»Wenigstens kannst du jetzt tagsüber Schlaf nachholen und dich richtig ausruhen. Archie und Henry sind alt genug, um Verständnis zu haben, wenn du auf dem Sofa einschläfst, während sie sich einen Kinderfilm im Fernsehen anschauen.«

»Der Gedanke, es mir mit den Jungs auf der Couch gemütlich zu machen, ist traumhaft. Sich nicht mehr den Kopf um die Kinderbetreuung zerbrechen zu müssen ist ebenfalls super.«

»Und du musst dich auch nicht um Billie und mich sorgen, denn wir teilen uns die Aufgaben. Ich werde ihr also keine Anweisungen erteilen, sondern nur taktvolle Vorschläge machen.«

Wieder runzelte Rebecca die Stirn. »Na ja, dann mal viel Glück!«

Nachdem Rebecca Emily alle Aufgaben erläutert hatte, gab sie ihr eine gründliche Einweisung in der Kombüse. Die Langusten in der Spüle bewegten sich immer noch und raschelten laut, doch inzwischen hatte Emily sich daran gewöhnt.

»Wenn ein Fischerboot euch etwas verkaufen will, dann ist das ganz prima – vergiss den Essensplan und kauf den Fisch. In der Portokasse sollte genug Geld sein, aber falls nicht, sag einfach James Bescheid. Er kümmert sich dann darum.« Rebecca lehnte sich an die Arbeitsfläche und versperrte mit ihrem Bauch den ganzen Gang. »Ich liebe diese Spontaneität. Manche Köche kämen damit nicht klar. Ich persönlich habe gern einen Plan, und ich brauche das Bewusstsein, dass ich fünf Gerichte zubereiten kann, ohne einkaufen gehen zu müssen. Trotzdem finde ich es besser, wenn etwas ganz Besonderes unerwartet in meiner Küche landet, auch wenn es eine Herausforderung darstellt.«

»Ich habe einmal mit einem Freund zusammen einen Fisch-Kochkurs besucht, ich finde das auch spannend.« Emily begriff, dass Rebecca nicht nur das Kochen in sicheren Händen wissen wollte, sie legte auch Wert darauf, dass das Berufsethos hochgehalten wurde. »Das hier wird großartig, perfekt für mich. Ich werde so beschäftigt sein, dass ich keine Zeit habe, mir Gedanken wegen der Geburtshilfeeinrichtung zu machen. Ich muss die ganze Zeit an Mahlzeiten und ihre Zubereitung denken. Das finde ich super!«

»Ja, super«, pflichtete Rebecca ihr bei, allerdings mit deutlich weniger Enthusiasmus. »Jetzt bring mich mal auf den neuesten Stand, was dein Liebesleben angeht. Hast du einen Liebhaber mit gebrochenem Herzen zurückgelassen?«

Emily kicherte. »Nein! Vielleicht gibt es jemanden, der sich gern in dieser Rolle gesehen hätte, aber er war nicht der Richtige.«

»Also hast du derzeit kein Liebesleben.«

»Nein.«

»Das ist gut. Ich würde die Vorstellung hassen, dass du dich nach jemandem verzehrst, während du hier bei uns arbeitest.« Sie zögerte kurz. »Was hältst du von Alasdair?«

»Von wem?«

»Von dem Mann, der dich am Busbahnhof abgeholt hat.«

»Ach, der! Na ja, er hat auf der ganzen Fahrt kaum den Mund aufgemacht. Ich nahm an, dass er für ein Taxiunternehmen arbeitet, doch dann wollte er kein Geld von mir annehmen …«

»Hat er dir gefallen?«, fiel Rebecca ihr ins Wort.

Emily schob es auf die Hormone. Normalerweise würde ihre Freundin niemals eine solche Frage stellen, wenn sie wusste, dass Emily einen Mann überhaupt nicht kannte. »Nein! Ich möchte bloß wissen, warum er mich mitgenommen hat, wenn er unter einer Kommunikationsstörung leidet. Die Fahrt muss für ihn eine Qual gewesen sein. Ich bin sogar sicher, dass es so war.«

»Nimm es nicht persönlich.« Rebecca zögerte und überlegte offensichtlich, wie sie das, was sie loswerden wollte, am besten formulieren sollte. »Er ist James’ Bruder. Ich habe ihm gesagt, du wärst müde und wahrscheinlich nicht in Plauderstimmung.«

»Wirklich?« Emily war verblüfft. »Wann hast du es schon mal erlebt, dass ich nicht plaudern wollte?«

»Na ja, du hast eine lange Reise hinter dir, und du weißt doch, wie lästig es ist, wenn man Leuten erzählen muss, was man beruflich macht und so.«

»Warum um Himmels willen sollte es mir etwas ausmachen, Leuten zu erzählen, welchen Beruf ich ausübe? Ich bin stolz darauf.«

»Ich dachte, es wäre dir unter diesen Umständen vielleicht ein bisschen unangenehm.«

Emily war nicht ganz überzeugt von diesem Argument, doch da sie es nicht so wichtig fand, sagte sie bloß: »Nein, ich bin ganz entspannt. Schließlich habe ich nichts Falsches getan.«

»Nein, stimmt. Dann lass uns wieder zur Tagesordnung übergehen – ich habe für heute zum Tee einen Kuchen gebacken.« Rebecca war anscheinend daran gelegen, das Thema fallen zu lassen und nicht weiter zu vertiefen, warum Emily ihre berufliche Laufbahn fürs Erste auf Eis gelegt hatte und nach Schottland gekommen war. »Die Passagiere treffen also gegen fünf ein. Wir servieren ihnen vor James’ Willkommensdrink um sieben zuerst Tee. Dann gibt es, wie bereits erwähnt, um acht Uhr Abendessen. Normalerweise essen wir ungefähr um sieben, doch am Ankunftstag stellen wir uns darauf ein, dass jemand es vielleicht nicht rechtzeitig schafft.«

»Das ist in Ordnung. Und da du das Essen ja schon vorbereitet hast, bin ich nur für Knoblauchbrot und Salat zuständig?«

Rebecca nickte. »Da ist ein Gast, über den ich dir noch was erzählen muss. Sie kommt jedes Jahr zusammen mit ihrem Sohn zu uns. Er verschwindet für die ganze Reise im Maschinenraum, denn er ist vernarrt in Dampfschiffe. Sie sitzt im Salon, strickt und hilft beim Abwasch.«

»Dann helfen die Passagiere also beim Geschirrspülen? Kommen sie nicht an Bord, um mal keine Haushaltspflichten erfüllen zu müssen?«

Rebecca schüttelte den Kopf. »Nein, das hier ist eine andere Art von Urlaub. Die Gäste kommen, weil sie mit anpacken wollen. Sie sind natürlich nicht dazu verpflichtet, doch den meisten macht es Spaß. Es ist etwas anderes als der Haushalt zu Hause. Und Maisie, die ich eben erwähnt habe, liebt die Reisen. Ich sorge mich immer ein bisschen um sie, weil sie nicht mehr die Jüngste ist. Aber sie findet jedes Mal jemanden, mit dem sie sich unterhalten kann, und sie genießt die gemeinsame Zeit mit ihrem Sohn.« Rebecca grinste. »Jedenfalls zu den Mahlzeiten.«

»Ich freue mich, sie kennenzulernen. Ich liebe alte Menschen. Hinter den Falten und den seltsamen Frisuren gibt es immer viel zu entdecken.«

»Ich bin so froh, dass du das sagst! Billie wird schnell ungeduldig. Sie meint, wir sollten eine Altersgrenze einführen. In gewisser Weise hat sie recht, denn es ist manchmal mühsam, die Gäste an Bord und wieder herunter zu bekommen, und ich sorge mich tatsächlich wegen der steilen Treppe, die zu den Unterkünften führt. Allerdings ist es ansonsten der perfekte Urlaub für ältere Menschen. Und Maisie liebt es hier. Deshalb freue ich mich, wenn sie kommt, solange sie noch kann.«

Endlich gelang es Rebecca, sich loszureißen. Sie hatte sich fast mit dem Gedanken ausgesöhnt, ihre geliebte Schiffskombüse in andere Hände zu übergeben. Emily machte sich selbst mit weiteren Einzelheiten vertraut und suchte die Küchenutensilien, die sie persönlich für wichtig erachtete. Sie war froh, dass Billie nicht zurückgekommen war, wo auch immer sie stecken mochte.

Als sie schließlich wieder auftauchte, reichte Emily ihr eine große Teetasse mit der Aufschrift Chefkoch. »Also, wie sollen wir die Aufgaben verteilen? Ich könnte mich um den Tee kümmern, dann lerne ich die Gäste gleich kennen …«

»Passies. Wir nennen sie auch ›Passies‹ – eine Abkürzung für Passagiere.«

Emily nickte. »Cool. Und das Abendessen servieren wir gemeinsam? Ich glaube, ich sollte gleich ins kalte Wasser springen.« Sie lächelte. »Natürlich nicht wörtlich genommen. Ich bin nicht gerade eine tolle Schwimmerin.«

Emilys Versuch, die Stimmung durch einen kleinen Witz aufzulockern, schlug fehl. Billie verzog keine Miene. Emily biss sich auf die Lippe. Wenn ihre Arbeitskollegin weiterhin so schweigsam blieb, dann würde das hier alles andere als eine lustige Zeit werden.

Bevor sie diesen Gedanken noch länger nachhängen konnte, hörte sie draußen Schritte. Als sie aufblickte, sah sie James, den sie ohne Bart beinahe nicht wiedererkannt hätte, mit einem jüngeren Mann die Treppe herunterkommen.

In dem Moment, in dem sie aus der Kombüse trat, tauchte Rebecca aus den Schlafquartieren auf, um sie alle einander vorzustellen.

»James! Du erinnerst dich noch an Emily, oder?«

»Natürlich! Wie könnte ich sie vergessen? Unsere hübscheste Brautjungfer.« Er schloss Emily herzlich in die Arme.

»Ich war die einzige Brautjungfer, James«, antwortete sie und erwiderte die Umarmung. Seit der Hochzeit hatte er ein bisschen zugenommen, doch seiner charmanten Ausstrahlung tat das keinen Abbruch. Es war leicht zu erkennen, warum sein Geschäft so gut lief: Er konnte wunderbar mit Menschen umgehen.

»Hübsch bist du immer noch«, kommentierte er. »Ich erinnere mich an dein reizendes Lächeln. Darf ich dir Drew vorstellen, unseren Ersten Offizier?«

Ein junger Mann in Jeans und einem Sweatshirt mit der Aufschrift Puffer-Crew trat vor. »Hi, freut mich, dich kennenzulernen. Normalerweise bin ich hier der Matrose, aber gegen die Beförderung habe ich nichts einzuwenden.«

Ein weiterer, etwas älterer Mann in einem Arbeitsoverall trat hinzu, lächelte freundlich und streckte die Hand aus. »Und ich bin Bob, der Erste Maschinist.«

»Hi, Drew. Hier ist dein Kaffee – schwarz mit zwei Stückchen Zucker«, sagte Billie. »So mag er ihn«, fügte sie, an Emily gewandt, belehrend hinzu, als könnte nur sie seinen Kaffee richtig zubereiten.

»Es ist Pulverkaffee, und ich habe kein Problem damit, ihn mir selbst zu machen«, sagte Drew mit einem Grinsen, das ihn sehr attraktiv wirken ließ.

Emily fiel der Blick auf, mit dem Billie ihn ansah. Kein Zweifel, das Mädchen war in den jungen Mann verliebt. »Gut zu wissen.«

»Herzlich willkommen, Emily! Es ist wunderbar, dass du dich entschieden hast, den Highland-Sommer mit uns zu verbringen«, sagte James. »Wie sieht’s aus, haben wir noch Zeit für eine Tasse Tee, bevor unsere Gäste eintreffen?«

Während sie den Tee vorbereiteten und den Kuchen für die Mannschaft auf Teller verteilten, fiel Emily plötzlich ein, dass Alasdair, ihr schweigsamer Taxifahrer, James’ Bruder war. Sie waren sehr verschieden. James’ Akzent klang englisch und ein bisschen vornehm, und er wirkte entspannt und sehr charmant. Alasdair war eher ruhig, doch sie hatte ein leichtes schottisches Rollen in den wenigen Worten bemerkt, die sie von ihm gehört hatte. Sie fand, dass Alasdair durchaus gut aussah; er schien eher ein nachdenklicher Mensch zu sein. Allerdings wäre es ihr nicht im Traum eingefallen, das Rebecca gegenüber zuzugeben – sie hätte ihre Freundin damit nur auf dumme Gedanken gebracht. Doch es gab wichtigere Dinge, um die Emily sich jetzt kümmern musste, als die Unterschiede zwischen den beiden Brüdern.

2. Kapitel

Es dauerte nicht lange, bis Emily sich in der Kombüse zu Hause fühlte. Da Rebecca einen großen Teil der Vorbereitungen für das Abendessen schon erledigt hatte, fand sie Zeit, ein Blech Käsestangen und einen Teekuchen für den nächsten Tag zu backen. Rebecca hatte sie aufgefordert, jede Gelegenheit zu nutzen, um etwas zu backen. Das Plaudern mit den Gästen bei einem Stück Kuchen gehörte genauso zum Job wie das Kochen.

Billie war nicht da, aber das war Emily nur recht. Es war ihr lieber, sich selbst auf die Suche nach bestimmten Küchenutensilien zu begeben, statt sie sich von Billie mit spöttischer Miene zeigen zu lassen. An dem Verhältnis zu ihrer neuen Kollegin musste Emily noch arbeiten; Billie sollte lernen, sie nicht als Bedrohung zu sehen.

Sie fand auch ein bisschen Zeit, um sich die Kabinen unten anzusehen. Als sie einige »Hallos!« an Deck hörte, wusste sie, dass die Gäste soeben eintrafen. Sie freute sich darauf, sie kennenzulernen.

Emily stellte sich an den Fuß der Treppe zum Salon, um die »Passies« mit einem Lächeln willkommen zu heißen.

»Tut mir leid, wir sind immer die Ersten.« Eine leicht schottisch eingefärbte Stimme, die einer älteren Dame gehörte, ließ vermuten, dass Rebeccas Lieblingspassagier eingetroffen war. Rebecca hatte Emily genaue Anweisungen erteilt, wie sie mit Maisie umgehen sollte. Man könnte das Ganze in folgendem Satz zusammenfassen: »Kümmer dich um sie, als wäre sie deine eigene geliebte Omi.«

Emily empfing sie auf halber Höhe der Treppe, falls Maisie Schwierigkeiten haben sollte herunterzukommen. Doch obwohl sie schon älter war, wirkte sie rüstig und kannte diese Stufen offensichtlich sehr gut.

Emily war erleichtert und stellte sich gleich vor.

»Ich bin Maisie«, erwiderte die Frau, als sie unten angekommen war. »Rebecca hat mir schon von Ihnen erzählt. Sie hat mich angerufen, als ihr klar wurde, dass sie nicht selbst hier sein kann. Dummes Mädchen! Sie hätte sich nicht sorgen müssen. Ich habe ihr gesagt, dass wir uns bestimmt blendend verstehen werden.«

»Das werden wir!«, antwortete Emily. »Rebecca hat mir auch von Ihnen erzählt. Ich weiß bereits, dass Sie gern stricken. Ich stricke auch ein bisschen.«

»Das ist schön, meine Liebe.« Sie ließ sich zu der Bank am Holzofen bringen. »Robert hat mein Gepäck. Er kommt auch gleich runter – er lässt sich gerade von James auf den aktuellen Stand darüber bringen, was seit unserem letzten Urlaub auf dem Puffer geschehen ist. Wenn das in Ordnung ist, mache ich es mir einfach neben dem Ofen bequem. Ich liebe es, wenn darin ein Feuer brennt, sogar im Sommer.«

»Ich auch. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee bringen? Und eine Kleinigkeit zu essen?« Sie war sich nicht sicher, ob Maisie lieber Früchtebrot wollte – dick mit Butter bestrichen – oder ob sie einfache Kekse vorzog. Auf einmal musste Emily gähnen.

»Sind Sie müde? Rebecca hat erwähnt, dass Ihre Anreise sehr lange gedauert hat.«

»Man muss heutzutage fast immer vor Tagesanbruch aufstehen, wenn man ein Flugzeug nimmt«, sagte Emily. »Aber ich bringen Ihnen gern eine Tasse Tee.«

»Lassen Sie sich durch mich nicht stören; ich bin zufrieden. Ich warte, bis alle ihren Tee bekommen. Ich habe mein Strickzeug, und Robert wird mir später zu meiner Kabine hinunterhelfen.«

Da sie sich anscheinend wohlfühlte, ging Emily wieder in die Kombüse, um die riesige Teekanne vorzuwärmen und Tassen auf ein Tablett zu stellen.

Nach und nach trudelten auch die anderen Passagiere im Basishafen des Puffer in Crinan ein und freuten sich nach ihrer Anreise auf eine schöne Tasse Tee. Als schließlich alle eingetroffen waren und sich im Salon versammelten, um James’ einführenden Worten zu lauschen, dachte niemand mehr an Tee. Eine Flasche Whisky wartete darauf, geköpft zu werden.

Nachdem James alle Anwesenden vorgestellt und eine kurze Begrüßungsansprache gehalten hatte, fügte er hinzu: »Und unser besonderes Unterhaltungsprogramm morgen nach dem Mittagessen ist das Kohlebunkern. In diesem Augenblick wird eine Ladung Kohle an den Ladeplatz geliefert, zu dem wir fahren werden. Jeder, der gern helfen möchte, bekommt einen Arbeitsoverall, eine Schaufel und ein Bier zum Mittagessen. Alle anderen sollten sich fernhalten, denn der Kohlenstaub gelangt überallhin. Und jetzt – klingeling! – erkläre ich die Bar für eröffnet.«

Dann fuhr er fort: »Der erste Drink geht aufs Haus, doch danach müssen Sie für die Getränke zahlen. Es gibt bei uns keinen Barkeeper; der Barbetrieb basiert auf Vertrauen. Jede Kabine hat eine eigene Spalte auf der Liste, und da tragt ihr einfach eure Getränke ein. Billie macht jetzt gleich die Runde mit Sherry oder bringt euch, was ihr sonst trinken möchtet. Es gibt auch alkoholfreie Getränke.«

Während Billie mit ihrem Tablett herumging, bot Emily Käsestangen an.

»Oh, diese Dinger liebe ich!«, sagte Drew, nahm sich gleich mehrere und aß sie voller Begeisterung.

»Möchtest du ein Bier?«, fragte Billie ihn. »Ich hole dir eins und schreibe es in deine Spalte. Wir dürfen auch etwas trinken«, erklärte sie Emily, »solange wir alles aufschreiben und am Ende der Woche dafür bezahlen.«

»Wir bekommen die Getränke zum Einkaufspreis«, sagte Drew. »Das ist cool.«

Er sah Emily direkt an, und sie erkannte, dass er Interesse an ihr zeigte. Sie war ein bisschen älter als er. Ob er einer dieser Männer ist, die etwas ältere Frauen besonders attraktiv finden?, überlegte sie. Doch ihr war klar, dass Billie ihren Groll ihr gegenüber nie ablegen würde, wenn Drew ihr auch nur einen interessierten Blick gönnte. Die Zusammenarbeit zwischen ihnen würde in dem Fall nicht leicht werden. Also schenkte Emily Drew die Art von Lächeln, die deutlich machte, dass sie sich nicht für ihn interessierte. Zumindest hoffte sie, dass es so rüberkam.

Während sie mit ihrem Teller zwischen den Passagieren herumlief, inspizierte sie die Gruppe, für die sie in der nächsten Zeit kochen würde. Rebecca hatte ihr erzählt, wie lieb man die Gäste gewann und wie traurig es war, wenn sie wieder abreisten. Doch wenn die nächste Gruppe eintraf, schloss man sie genauso ins Herz.

»Ich glaube, es liegt daran, dass man sich um sie kümmert und sie umsorgt«, hatte Rebecca erklärt. »Irgendwie entsteht dadurch Zuneigung. Wie bei Haustieren. Du weißt schon, wenn man sich in den Ferien um die Meerschweinchen der Nachbarn kümmert. Nur weil man die Tiere füttert, gewinnt man sie lieb.«

Emily war nicht sicher, ob Menschen wirklich so viel mit Meerschweinchen gemeinsam hatten, aber Rebecca war schwanger. Daher ließ sie ihr solche Gedankenkapriolen durchgehen. Die Gäste wirkten allesamt nicht kompliziert, und Rebecca hatte gesagt, dass nur sehr selten schwierige Passagiere darunter waren.

»Ein Aufenthalt auf einem Puffer ist eine ganz andere Art von Urlaub. Die meisten Gäste wissen das und erwarten daher keine Fünf-Sterne-Kreuzfahrt.« Dann hatte sie die Stirn gerunzelt. »Sie bekommen bei uns tatsächlich einen Fünf-Sterne-Service – eigentlich sogar einen Zehn-Sterne-Service –, aber nicht wie auf einem Kreuzfahrtschiff.«

Nach ein paar Drinks war es Zeit für das Abendessen. Billie läutete die Schiffsglocke, und nach einigem Hin und Her nahmen alle Platz. Emily war in der Kombüse verschwunden und sorgte dafür, dass alles reibungslos über die Bühne ging. Eigentlich hatte sie sich zu den anderen an den Tisch setzen sollen, doch sie hatte Rebecca überzeugt, dass sie lieber aufräumen und später das schmutzige Geschirr spülen wollte. Rebecca war noch einmal auf einen Sprung vorbeigekommen, um zu sehen, wie Emily zurechtkam, und um sicherzugehen, dass der Puffer nach ihrem Abgang nicht sofort gesunken war.

James bereitete die Langusten zu, und Emily reichte dazu zwei Schalen frische Aioli. Schüsseln für die Abfälle wurden zwischen den Tellern und Servietten platziert. Das Essen der Krustentiere war nicht einfach, und es ließ sich nicht vermeiden, sich die Hände schmutzig zu machen, aber alle liebten es. Emily verteilte Schalen mit warmem Wasser, in dem Zitronenscheiben schwammen, damit die Gäste sich die Hände säubern konnten. Billie grinste spöttisch, weil sie dies offensichtlich übertrieben fand.

Obwohl alles wie am Schnürchen lief, die Gerichte rechtzeitig gar wurden und auch niemand allergisch auf Knoblauch oder ein anderes Lebensmittel reagierte, stellte Emily fest, dass sie am Ende der Mahlzeit erschöpft war. Rebecca war nach Hause gefahren. Die Männer befanden sich an Deck, tranken noch eine Tasse Kaffee oder einen Malt-Whisky oder rauchten eine Zigarette. Manche Passagiere unternahmen an diesem hellen Sommerabend einen Abendspaziergang. Wenn Emily sich nicht so fühlen würde, als wäre sie von einem Lastwagen überrollt worden, hätte sie sich auch gern noch ein wenig die Füße vertreten. Es war so schön hier. Aber sie war zu müde, um einen Fuß vor den anderen zu setzen.

»Ich bin völlig erledigt!«, sagte sie zu Billie, während sie den Spüllappen auswrang.

»Ich weiß gar nicht, warum«, erwiderte das Mädchen und ließ Kaffeesatz in die säuberlich polierte Spüle fallen. »Du hast doch noch nicht mal gekocht.«