Einführung in das Gesamtgebiet des Okkultismus - Manfred Kyber - E-Book

Einführung in das Gesamtgebiet des Okkultismus E-Book

Manfred Kyber

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Beschreibung

Dieses eBook: "Manfred Kyber: Einführung in das Gesamtgebiet des Okkultismus (Komplettausgabe)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Diese umfassende Einführung in das gesamte Gebiet der übernatürlichen Phänomene stellt Manfred Kybers esoterisches Hauptwerk dar, das, 1925 zum ersten Mal verlegt, bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Inhalt: Vorwort Erster Vortrag: Einleitung Zweiter Vortrag: Initiation und Logenwesen Dritter Vortrag: Magie des Mittelalters und der niederen Völkerschaften Vierter Vortrag: Spiritismus - Hypnose - Mediales und künstlerisches Schaffen - Gespenster und Geister Fünfter Vortrag: Träume und Trauerlebnis - Hellsehen und Prophetie Sechster Vortrag: Schicksal und freier Wille - Gottesbegriff - Kulturwende der Gegenwart

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Manfred Kyber

Einführung in das Gesamtgebiet des Okkultismus

e-artnow, 2013
ISBN 978-80-7484-176-7

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Erster Vortrag: Einleitung
Zweiter Vortrag: Initiation und Logenwesen
Dritter Vortrag: Magie des Mittelalters und der niederen Völkerschaften
Vierter Vortrag: Spiritismus – Hypnose – Mediales und künstlerisches Schaffen – Gespenster und Geister
Fünfter Vortrag: Träume und Trauerlebnis – Hellsehen und Prophetie
Sechster Vortrag: Schicksal und freier Wille – Gottesbegriff – Kulturwende der Gegenwart

Einführung in das Gesamtgebiet des Okkultismus

Vom Altertum bis zur Gegenwart

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Die nachfolgenden Vorträge sind entstanden aus jahrelangen Studien auf dem Gebiet des Okkultismus, wie sie sich für ein vertieftes geistiges Schaffen von selbst ergeben. Ich habe diese Vorlesungen mehrfach im internen Kreise gehalten, als das Interesse an diesem Fragen dringender wurde – zuletzt, in vereinfachter Form, an der Volkshochschule in Stuttgart. Wenn ich sie nun, vielfachen Wünschen folgend, im Druck herausgebe, so tue ich das, weil mein künstlerisches Schaffen mir keine Zeit zu einer Wiederholung der Vorlesungen lassen wird, und weil die Kreise immer größer werden, die ein inneres Bedürfnis nach derartigen Informationen im sonstigen geistigen und moralischen Bankerott der Gegenwart empfinden. Ich wünsche mir solche Leser, wie es beispielweise meine Hörer an der Volkshochschule waren, das heißt Menschen, die keinen hier noch mehr als wo anders überflüssigen Bildungsdünkel mitbringen, sondern die versuchen, wirklich menschliche Werte aus diesen Kenntnissen und Erkenntnissen zu ziehen. Mehr als Einführung und Anregung sollen diese Zeilen nicht sein und gerade darum habe ich ihnen den Vortragscharakter gelassen, um ihre Anspruchslosigkeit zu wahren und ihre Grenzen festzulegen. Aus dem Grunde habe ich auch auf ein eigentliches Quellenregister verzichtet und nur die Werke namhaft gemacht, die mir zum weiteren Studium geeignet erschienen. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß ich diese Werke über alle anderen stelle oder daß ich mit ihnen oder ihren Verfassern in allem übereinstimme. Es ist nicht meine Aufgabe, ein umfassendes Werk über diese Dinge zu schreiben, und ich habe weder Zeit zu Kontroversen, noch das geringste Interesse, den wissenschaftlichen oder esoterischen Spezialwerken dieses Gebietes etwas an die Seite zu stellen. Eine kurze Übersicht, eine Einführung und Anregung aber fehlten hier, und diese Lücke sollen meine Vorträge ausfüllen. Vielleicht können sie auch denen, die genaue Kenntnisse auf dem einen Gebiet des Okkultismus besitzen, eine willkommene Ergänzung des Wissens auf seinen anderen Feldern sein. Mehr aber können diese Vorträge nicht geben, schon weil sie aus überlegten Gründen nicht mehr geben wollen.

Stuttgart, im Juni 1923 Manfred Kyber

Erster Vortrag: Einleitung

Inhaltsverzeichnis

Wenn ich, wie nun schon mehrfach seit Hereinbrechen der Weltkatastrophe, in der wir leben, meine Reihe von Vorträgen über Okkultismus eröffne, bin ich mir von vornherein darüber klar, daß es ein sehr schwieriges und zum Teil auch recht undankbares Unterfangen ist. Schwierig ist es nicht, weil es vielleicht manchmal nicht ganz leicht ist, sich verständlich zu machen und Worte und Begriffe zu formen für Dinge, die nicht dem alltäglichen Leben angehören und daher keine allgemeingültige Terminologie haben; schwierig ist es auch nicht deshalb, weil es mühsam sein könnte, eine übersinnliche Welt mit Beweisen zu erhärten – die Schwierigkeit solcher Darstellungen beruht vielmehr darauf, daß das Gebiet des Okkultismus ein so ungeheuer großes ist, daß man es beim besten Willen und größter Konzentration nicht in wenigen Vorträgen erschöpfen kann. Aus diesem Grunde ist es auch undankbar, denn jeder Kenner wird mit Recht einwenden, daß ich interessante Dinge ungesagt ließ. Das läßt sich nicht vermeiden und mich hat bei diesen Vorträgen im wesentlichen ein anderer Gedanke geleitet. Es gibt kein Werk, das einigermaßen übersichtlich in das Gesamtgebiet des Okkultismus einführt, und diese Lücke auszufüllen, sind meine Vorträge bestrebt. Es ist mir bisher gelungen, meine Hörer mit allen wichtigsten Erscheinungsformen des Okkultismus aller Zeiten so weit bekannt zu machen, daß sie imstande waren, selbständig zu unterscheiden und dann nach eigener Wahl dem näher nachzugehen, was ihrem persönlichen Interesse am meisten entsprach. Mehr kann man in wenigen Vorträgen kaum bieten, und mehr will ich auch nicht bieten, denn jedes wissenschaftlich erschöpfende Werk, zu dem ich mich übrigens auch gar nicht berufen fühle, kann es nicht vermeiden, eine bestimmte Richtung zu betonen, sich sozusagen auf einen Standpunkt besonders festzulegen. Mir aber liegt keineswegs daran, Sie für eine besondere Richtung zu gewinnen oder ihnen meine Meinung irgendwie als die beste nahezulegen. Ich biete Ihnen im Auszug eine jahrelange Bibliotheksarbeit, deren Mühe Sie sich damit ersparen können. Ich zeige Ihnen einen Gipfel, überlasse es aber jedem nach Eigenart und Veranlagung, welchen Weg zu diesem Berge hinauf er gehen will. Ich weiß auch, daß die Mystiker deswegen sagen werden, ich sei zu wenig esoterisch, und die Materialisten, ich wäre zu verstiegen. Mir liegt aber gerade daran, ganz unfanatisch vorzugehen, wie es sich eigentlich für jeden, der etwas von der geistigen Welt erfaßt hat, von selbst versteht. Zu einer solchen geistigen Welt bekenne ich mich, erkenne in der physischen Welt lediglich die eine Hemisphäre, während ich die andere in der übersinnlichen, in ihrer Weise genau so realen Welt sehe. Damit stehe ich dem reinen Materialismus ablehnend gegenüber. Ebenso ablehnend aber verhalte ich mich jener heute so häufig einseitigen Esoterik gegenüber, die den jeweilig erwählten Weg für den einzig wahren für alle Menschen hält und von anderen Forschungsmethoden auf diesen Gebieten nichts wissen will.

Ich denke, daß es für einen jeden, der sich eine eigene Meinung bilden oder einen selbständigen Weg suchen will, vor allem darauf ankommt, daß er das Material selbst kennen lernt, in großen übersichtlichen Zügen, die dann zu vertiefen seiner eigenen Wahl überlassen bleibt. Nähme er gleich eine fertige Meinung in sich auf, sei es meine oder eine andere, so würde das kaum über einen dogmatischen Erfolg hinausgehen, nicht aber zum eigenen Erleben führen, auf dem allein höheres Denken aufgebaut sein soll. Auf dem einseitig voreingenommenen Wege würde er allzubald stecken bleiben, und wenn wir ehrlich sind, müssen wir ja wohl zugeben, daß heute die meisten Mystiker und Materialisten stecken geblieben sind. Unter diese Gesichtspunkte bitte ich es auch zu stellen, wenn ich im Laufe der Vorträge Titel von Büchern angebe, Namen von Forschern nenne oder sonstwie auf das Quellenmaterial hinweise, das jedem für das ihn besonders fesselnde Gebiet als weiterer Ausbau dienen kann. Nenne ich einen Namen, so bekenne ich mich damit nicht zu seinem Programm, erwähne ich ein Buch, so meine ich nur dieses eine Werk, nicht eventuelle andere Bücher des gleichen Verfassers. Vor allem aber soll damit niemals etwas für die zahlreichen Gesellschaften und Vereinigungen, Richtungen und Lehren gesagt sein, die sich an diesen oder jenen Namen knüpfen. Ich führe diese Daten nur an, um jedem die Handhabe zu geben, weiter auszubauen, weiter zu suchen und zu ergänzen nach der Seite, die ihm die nächste zum Eintritt in das Verständnis übersinnlicher Welten erscheint. Ich greife daher aus allen Gebieten nur das jeweils Charakteristische heraus als Beispiel – Vorträge wie diese können und dürfen keine Vollständigkeit anstreben, sondern lediglich Übersichtlichkeit aller Gebiete und Anregung auf allen Gebieten geben. Meine persönliche Ansicht ist – um keinesfalls mißverstanden zu werden, füge ich das hinzu – meine persönliche Ansicht ist, daß wohl mit einzelnen Namen und einzelnen Werken geistige Werte von größtem Ausmaß gegeben worden sind, daß diese Werte aber in ihren mehr oder minder breiten Auswirkungen der Anhänger bisher mehr einseitig-fanatischem Sektenwesen ähneln, als selbständigem Erleben geistiger Tatsachen, daß also bisher mehr Ideen verflacht als erfaßt worden sind. Im übrigen will ich auch in dieser Beziehung so wenig als möglich Namen nennen, weder von einzelnen Logen, noch sonstigen Gesellschaften gleichen Charakters. Diese Vorträge haben nur dann einen Wert, wenn sie unpolemisch sind, sie sollen keinen anderen Zweck haben, als in Auszügen und Beispielen meinen Hörern so übersichtlich als möglich ein Material nahebringen zu eigener weiterer Verarbeitung. Zudem wird man einsehen, daß gerade auf diesem Gebiet eine gewisse Diskretion unvermeidlich ist. Man kann unmöglich alles sagen, was man weiß oder denkt, und es wäre mehr als überflüssig, es zu tun.

Ich fasse also meine Aufgabe so auf: ich führe Sie an das Ufer eines fremden Landes. Dieses Land habe ich nicht entdeckt, es ist auch Ihnen nur scheinbar fremd, denn es ist die geistige Heimat eines jeden Menschen. Ich bringe Ihnen nicht Neues als Tatsachen, die nicht mein Verdienst sind. Von diesen Tatsachen werden Sie überzeugt oder auch nicht überzeugt, nicht durch mich, sondern dadurch, daß Sie sich ihrer erinnern oder nicht erinnern können. Ich erwecke also nur bestenfalls etwas in Ihnen, was Sie einmal gewußt und wieder vergessen haben, etwas, was latent in Ihnen ist. Näheres hierüber werde ich bei Besprechung der alten Mysterien und der Frage über Schicksal und freien Willen ausführen. Deutlich aber will ich betonen, daß alles, was Sie in diesen Vorträgen aufnehmen können, genau so von Ihnen selbst abhängt, wie etwa bei Behandlung künstlerischer Fragen, die Sie auch nur dem erklären können, der selbst zu einem höheren intuitiven Empfinden fähig ist, der selbst das Künstlerische in sich hat, das man nur erwecken, nicht geben kann. Darum halte ich diese Vorträge auch nicht nur ohne jeden Fanatismus, sondern auch ohne jeden Ehrgeiz – denn wenn Sie viel davon haben, so ist es nicht mein, sondern Ihr Verdienst, und wenn Sie nichts davon haben, ist es nicht meine, sondern Ihre Schuld.

Alle diese Ausführungen habe ich vorerst gemacht, um Sie um eine bestimmte Gesinnung zu bitten: nämlich um die, mir nichts zu glauben, was ich Ihnen als nicht wirklich erwiesen erzähle. Aber ebenso bitte ich Sie, mir das zu glauben, was nun einmal mit den Mitteln der heutigen Wissenschaft als Tatsache angesehen werden muß, auch wenn es nicht ohne weiteres erklärbar erscheint. Es gibt nämlich ebensogut einen materialistischen Aberglauben, als es einen mystischen gibt. Wollen Sie in ein neues Gebiet eindringen, so kann das nur geschehen, wenn Sie sich von jedem Vorurteil freihalten und erst einmal die Sachen unbefangen auf sich wirken lassen. Diese Gesinnung ist sehr wichtig, wenn man sich einer neuen Sache nähert, und es ist nicht umsonst, daß ich Sie darauf hinweise. Ich muß Ihnen nämlich in diesen kurzen Vorträgen sehr viel auf einmal zumuten, und ich bin überzeugt, daß Ihnen manches einen gewissen Choc verursachen wird, weil es allzu sonderbar erscheint und wegen der Überfülle des Materials das Einzelne oft abrupt geäußert werden muß. Es ist mir selbst oft unendlich schwer geworden, mich mit manchen Tatsachen abzufinden, die die Aufgabe eines gewohnten und bequemen Vorurteils von mir verlangen. Ich selbst bin zu einer gradweisen Einschätzung des Okkultismus auch nicht durch eine plötzliche Erleuchtung gekommen, sondern durch jahrelange mühsame Arbeit. Die Früchte dieser Arbeit sind es, die ich Ihnen vorlegen werde. Nicht etwa meine persönlichen Meinungen oder Ansichten, die widerlegt werden können, werde ich Ihnen unterbreiten, sondern ein essentielles Tatsachenmaterial, mit dem Sie sich als gegebenem Faktor abfinden müssen und aus dem Sie Ihre eigenen Schlüsse ziehen können. Ich werde Ihnen meine persönliche Meinung nicht gerade vorenthalten, aber sie stets getrennt behandeln von dem Tatsachenmaterial, das Sie nun einmal anerkennen müssen, weil es vorhanden ist. Ich werde Sie auch durch Quellenangabe in Stand setzen, diese Tatsachen nachzuprüfen, wenn Sie ihnen mißtrauen. Bedenken Sie aber bitte, daß ich nicht das geringste Interesse daran haben kann, Sie zu überzeugen, weil ich, wie ich schon ausführte, der Ansicht bin, daß nur eigene Erfahrung hier etwas bedeuten kann und soll, und daß das von mir Gebotene nur eine Anregung sein darf, um in Ihnen selbst das zu wecken, was jedem Einzelnen zum geistigen Ausbau das Geeignete ist.

Bevor ich nun mit meinem Thema beginne, ist es nicht überflüssig, daß wir uns über den Begriff des Okkultismus einigen, daß wir umgrenzen, was wir hier darunter verstehen wollen. Ich fasse darin zusammen alles dasjenige, was übersinnlich ist. Es ist ein wesentlicher Definitionsfehler, der gerade von materialistisch-gegnerischer Seite gerne gemacht wird, daß es sich beim sogenannten Okkultismus um übernatürliche Dinge handele. Es gibt nichts Übernatürliches, wie die Materialisten gewiß richtig behaupten, wohl aber sehr viel Übersinnliches, das heißt solches, was sich mit der rein sinnlichen Wahrnehmung nicht unbedingt erfassen und mit den heute bekannten Naturgesetzen nicht erklären läßt. Da wir nun keineswegs alle Naturgesetze kennen, so ist es gewiß klar, daß es außer dem Erforschten, das niemand leugnen wird, auch ein Neuland gibt und immer geben wird, solange wir auf die Wahrnehmungen des gewöhnlichen Verstandes und der Sinne angewiesen bleiben. Es ist für unsere Zeit charakteristisch oder war es doch bis vor kurzem, daß man alles physisch Greifbare überschätzt und es als das einzig Vorhandene hinstellt. Wundt hat zum Beispiel in seiner physiologischen Psychologie die verschiedenartigste Tätigkeit der Sinnesnerven erforscht und bewiesen, daß sich diese in den meisten Fällen ihrer Wahrnehmung mehr oder weniger täuschen. Trotzdem aber glaubt man mit diesem Verstande und diesen Sinnen eine Weltauffassung aufbauen zu können, und sie ist auch danach. Und hierin liegt der Kardinalfehler der materialistischen Wissenschaft. Was sie wirklich als Tatsache erforscht hat, ist richtig, aber es ist nicht allein richtig, sondern auch richtig, bedarf der Ergänzung nach der anderen Hemisphäre hin und reicht also keinesfalls aus für Folgerungen, die, so materialistisch sie sich gebärden, an kühner Spekulation oft die ausschweifendste Mystik der Phantasten in den Schatten stellen.

Der gesamte Okkultismus widerspricht nicht einer einzigen effektiven Tatsache der materiellen Wissenschaft, wohl aber vielen ihrer Folgerungen. Nun ist es gewiß oft sehr interessant, zu erfahren, was ein Professor weiß, aber sicher sehr uninteressant und gleichgültig, was er glaubt. Auch hierin muß man sich eine etwas klarere Wertung der Dinge angewöhnen. In der heutigen Zeit, wenigstens in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege, war es wirklich so weit gekommen, daß den Aussprüchen der Professoren dogmatische Wertung eingeräumt wurde. Man dachte selbst sehr wenig und glaubte alles, was die Akademien sagten, ohne freilich zu überlegen, daß unter den Professoren meist so viele entgegengesetzte Meinungen herrschten, als es Professoren gab. Ich setze die großen Errungenschaften der materialistischen Wissenschaft gewiß nicht herab, ich weiß sehr gut, daß sie nötig waren, nötig auch als Gegengewicht in ihrer Einseitigkeit, aber ich weiß auch ebensogut, daß wir diese Kenntnis des Äußeren bezahlt haben mit einer Aufgabe von Fähigkeiten, die die Menschheit früher besaß und nun nicht mehr hat, die sie aber, wenn auch in veränderter Form, wieder gewinne muß, wenn die heutige Weltkatastrophe als notwendige Folgeerscheinung des Materialismus nicht aus einer vorübergehenden Kulturwende zum dauernden Untergang führen soll.

Verstandesreichtum ist sehr wohl vereinbar mit Geistlosigkeit, und es ist schon wahr, daß unsere Hochschulen in vielem, so hoch sie den Verstand gebracht haben, so arm an Geist geworden sind. Das klingt vielleicht etwas hart, aber man braucht nur an die verheerende Wirkung, vieler Vorlesungen über Literatur und Kunst, an die berüchtigten Faustkommentare zu denken, um sich zu sagen, daß rein verstandesgemäß-analytisches Denken jeder höheren Geistestätigkeit gegenüber in eine groteske Hilflosigkeit gerät. Auch dem, der das Übersinnliche vorerst ablehnt, muß es klar sein, daß es höhere Wahrnehmungen gibt als den Verstand, der gewisse Dinge überhaupt nicht erfassen kann. Denken Sie an die Instinkte der Tiere, der wilden Völkerschaften, denken Sie an das feinere intuitive Gefühl der Frauen, an die Inspiration der Künstler. Der Verstand ist tatsächlich die niedrigste Wahrnehmungsform, die es gibt, wenn man den rein logischen Verstand im Auge hat, auf den die Männer der heutigen Zeit so besonders stolz zu sein pflegen. Diesem Stolz auf den Verstand verdanken wir die heitere, aber in ihren Folgen leider sehr tragische Illusion der heutigen sogenannten Kultur, die Meinung, man stünde so sehr weit über den alten Hochkulturen Indiens, Ägyptens, Chaldäas usw. Griechenland läßt man noch gelten, freilich mehr aus Liebe zu griechischen Vokabeln und mehr unter der Betonung des späten, staatlichen Hellas, als jener frühgriechischen Epoche, die die orphischen Mysterien umfaßt. Daß man über das Mittelalter lächelt, ist selbstverständlich – wir werden noch später sehen, mit wie wenig Recht. In Wirklichkeit waren uns diese alten Kulturen in vielem sehr weit überlegen, und jene alten Impulse, die einst als Gruppenbewußtsein in vielen lebten, im einzelnen Wiederaufleben zu lassen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der heutigen Zeit. Es ist recht interessant, Kulturgeschichte zu lesen – man lernt daraus, bescheiden zu sein und gewisse Dinge bei richtige Namen zu nennen. Wenn ich auf das höhere Denken, das ich erwähnte, eingehe, will ich Ihnen einen Überblick darüber geben, was man unter höherer Esoterik versteht, und Ihnen eine Kette der Entwicklung und Überlieferung zeigen, die von den Mysterien des frühesten Indien, Ägyptens, Chaldäas, Griechenlands über Templer und Gralserkenntnis hinüberleitet zu den Freimaurern und Rosenkreuzern bis in die verwandten Geheimschulen und Bestrebungen der Gegenwart.

Ich möchte aber mit Rücksicht auf diejenigen, die mir noch mit einem ausgeprägten materialistischen Mißtrauen gegenübersitzen, noch etwas beim gewöhnlichen Verstande bleiben und Ihnen auf diesem Gebiet einige Daten nennen, die die Einschätzung des gewöhnlichen Verstandes, mag er auch noch so groß sein, auf ein bescheidenes Maß zurechtstellen. Verzeihen Sie, wenn ich dabei, ohne persönlich zu werden, sage, daß man eine gewisse Bescheidenheit erst lernen muß, wenn man sich auf das Gebiet des höheren Denkens und damit der Erforschung des Okkultismus begeben will. Glauben Sie nicht, daß wir so sehr hoch über dem Mittelalter stehen. Der letzte Scheiterhaufen brannte in Deutschland 1786, 1806 ließ Napoleon das Hochgericht der Stadt Frankfurt abbrechen, die völlige Aufhebung der Tortur erfolgte in Hannover erst 1840, gar nicht zu reden von dem Grauen und der Roheit, die sich in der Gegenwart wieder gezeigt haben. Interessant dürfte auch der Hinweis sein, daß auf der internationalen kriminalistischen Vereinigung des Jahres 1909 festgestellt wurde, daß in Deutschland jährlich zehn Millionen Polizeistrafen verhängt werden – aber das ist ein Kapitel für sich! Auch neue Ideen sind stets und immer bekämpft worden, und es ist lehrreich, sich da an einige jüngere Daten zu erinnern. Galvanis Entdeckung 1791 wurde mit ungeheuerem Gelächter aufgenommen, 1873 wurde die Aufnahme Darwins in die Académie des Sciences abgeschlagen, ein Professor am Polytechnikum in Hannover (geb. 1832) warnte seine Hörer davor, sich mit den vergeblichen Versuchen zur Erfindung eines Automobils abzuplagen. Als die Gasbeleuchtung der Straßen eingeführt werden sollte, eiferte eine der angesehensten Zeitungen Deutschlands 1828 dagegen mit der Begründung, daß die Nacht von Gott dunkel gemacht sei. Die erste Eisenbahn Nürnberg-Fürth wurde heftig bekämpft, weil ein Medizinalkollegium nachwies, daß sie für die Insassen wie für die Zuschauer gesundheitsschädlich sein würde und man sie wenigstens mit Bretterzäunen umgeben müsse. Ebenso reichhaltig ist dieser Gegendruck gegen alles Eigenstarke in der Kunst, und ich will hier aus der überreichen Fülle geistiger Armut nur die Kritik nennen, die Beethoven in der angesehensten deutschen Musikzeitung zuteil wurde: »Beethoven geht seinen eigenen Gang, aber was ist das für ein bizarrer, mühseliger Gang! Keine Natur, kein Gesang!« Diese Beispiele, die ich dem vorzüglichen Werk von Dr. Max Kemmerich, »Kulturkuriosa«, I und II, entnehme, sind keineswegs ausgesuchte Einzelfälle, sie lassen sich ins Ungezählte vermehren, und man kann wohl sagen, daß die meisten Errungenschaften geistiger Art oder die vielen Entdeckungen der Technik und der Wissenschaft, oft von Außenseitern gemacht, von Fachleuten und einer Gegenwartsmenge wütend bekämpft und albern verlacht worden sind.

Sie sehen, daß also, vom produktiven geistigen Schaffen gar nicht zu reden, auch auf dem Gebiet des Verstandes der bescheidenste Denkerfolg umstritten ist und sich meist nur sehr langsam durchsetzt. Viel deutlicher wird diese Hemmung natürlich, wenn es sich darum handelt, zu begreifen, daß wir bei Erforschung der einen Hemisphäre auch die andere annehmen müssen, daß wir es also außer der sinnlich wahrnehmbaren Welt auch mit einer nur übersinnlich wahrnehmbaren zu tun haben, das heißt mit einer solchen, deren Wahrnehmung mit den heutigen Forschungsmethoden der Wissenschaft gar nicht oder nur äußerst begrenzt feststellbar ist.

Es gibt Dinge, die nun einmal auf dem heute üblichen wissenschaftlichen Wege nicht zu erreichen sind. Sie werden das Wesen der Elektrizität nicht finden, wenn Sie eine Dynamomaschine zerlegen oder zerhacken, genau so wenig wie Sie durch verbrecherische, ethisch und intellektuell gleich minderwertige vivisektorische Versuche oder nur durch chemische Analysen das Seelische und Geistige der Natur erfassen können. Fragen Sie einen landläufigen Vertreter der Wissenschaft nach einer Erklärung für indische Fakire, tanzende Derwische oder für eine beliebige Magie im niederen Sinne, wie sie auch dem diesen Gebieten ganz Fernen im Orient entgegentritt, so erhalten Sie die stereotype Antwort, es sei Hypnose, Massensuggestion oder Autosuggestion. Die Herren denken nicht daran, daß diese selbe Wissenschaft noch vor kurzer Zeit, mit Virchow an der Spitze, jede Hypnose für Schwindel erklärt hat. Heute benutzen sie sie nun als bequeme Erklärung für alles ihnen Unerklärliche und können dabei den Hypnotismus selbst nicht einmal erklären. Man muß schon fähig sein, sich auf beide Halbkreise des Lebens zu stellen, um wirklich einigermaßen denken zu können. Sehen Sie, ein Professor erklärt zum Beispiel einem Botokuden in Afrika das Telephon. Er sagt ihm: »Siehst du, du kannst nun hören auf große Entfernungen, auf ganze Tagereisen, du kannst erfahren, daß dein Onkel krank ist, der ganz weit von dir lebt – alles bloß durch den europäischen Wunderdraht.« Der Botokude lacht natürlich. Schließlich aber sagt er: »Ja, dazu brauche ich aber gar keinen Wunderdraht, denn ich fühle es auch so, wenn mein Onkel krank ist«. Jetzt lacht der Professor. Beide haben recht, und ihr Lachen ist auf beiden Seiten ganz gleichwertig.

Ich will Ihnen nun einige Tatsachen nennen, mit denen Sie sich abfinden müssen und die von der Wissenschaft beglaubigt, wenn auch nicht erklärt sind. Natürlich darf man sich, wenn man überhaupt denken will, nicht auf den Standpunkt des absoluten Ignoranten stellen, der eine Tatsache, die er oder seine wissenschaftliche Autorität nicht erklären kann, für keine Tatsache mehr ansieht. Ich werde Ihnen diese Dinge, wie überhaupt das ganze Gebiet der sogenannten niederen Magie später ausführlicher erläutern, ich will aber erst eine gewisse Gesinnung erzielen, da Sie sonst bei den späteren Erörterungen kaum mitgehen würden.

Vergessen Sie bitte nicht, daß es nicht nur darauf ankommt, daß Sie eine Reihe von Tatsachen erfahren, sondern daß bei Betrachtung gewisser Erscheinungen allmählich etwas organisch in Ihnen entwickelt wird, was in Ihnen liegt als eine Art übersinnlicher Organe, eines anderen Auffassungsvermögens, das in jedem Menschen vorhanden ist und das am meisten Ähnlichkeit haben dürfte mit dem Denken künstlerischer Intuition. Es gibt auch im menschlichen Körper Teile, die physisch nicht erklärbar sind, zum Beispiel das sogenannte Sonnengeflecht im Nervensystem in der Gegend der Magengrube, für das eine andere Bestimmung bisher nicht gefunden werden konnte, als die eines Grenzorganes zwischen den Organen des Sinnlichen und Übersinnlichen. In dem Sinne bedeutet auch richtige Beschäftigung mit dem Okkultismus die Erhöhung der Lebenspotenz bis zur Harmonie von Denken, Fühlen und Wollen, die Sie wohl schon oft im Symbol des Dreiecks dargestellt sahen. Es werden neben Kenntnissen, die verstandesgemäß faßbar sind, Kräfte in Ihnen wachgerufen, die in Ihnen allen latent sind und die Sie nun entwickeln nicht mehr mit der Weltabgewandtheit des Inders, sondern mit dem vollen Ichbewußtsein des Europäers. Tun Sie das, werden Sie gewiß der einmal geübten Mystik alter Kulturen in ihrer Gruppenhaftigkeit und ihrer Weltflucht überlegen, – tun Sie das nicht, sind Sie heute noch mit dem gewöhnlichen Verstandesdenken dem Orient gegenüber der unterlegene Teil.

Ich sprach eben von einem Symbol, und ich will Ihnen gleich auf diesem Gebiet eine Reihe verbindender Beispiele geben, die Ihnen auch das Wesen des Symbols charakterisieren mögen, das alles andere ist, als ein beliebig ausgedachtes Zeichen. Allgemein gilt das Kreuz lediglich als christliches Symbol. Sie finden es aber durchgehend in der Geschichte aller Völker, und wenn Sie tiefer in das Wesen der Symbole eindringen, werden Sie bemerken, daß man damit früher nicht, wie heute vielfach, spielte, sondern sehr reale Vorstellungen mit diesen Zeichen verband. Sie finden in Indien das Hakenkreuz oder sogenannte Svastika, auch der arischen Kultur Europas geläufig, in Ägypten das Thau , den Lebens-oder Nilschlüssel. In den christlichen Gemeinschaften das Kreuz in verschiedenen Formen, zum Beispiel das Templerkreuz T, das Andreas-oder Malkreuz X und die der griechischen und der römischen Kirche † eigenen Formen. Auch die Freimaurer stellten die Weltkugel gerne dar überspannt mit dem Zeichen des Kreuzes, das gleichsam darauf geflochten ist. Es bedeutet die Stellung, in der die Weltseele über die Erde gespannt ist. Ferner nenne ich Ihnen noch das Fünfeck oder Pentagramm als Zeichen des Ichs. Abgesehen von anderen Bedeutungen dieser Figur entspricht die Stellung des Menschen mit ausgestreckten Armen und Beinen in der Form des Pentagramms am meisten dem Kreislauf der rein pflanzlichen Kräfte seines Körpers. Versuchen Sie einmal, sich nach einer völligen Erschöpfung in dieser Lage zu erholen, und Sie werden sehen, daß die Erholung unendlich viel schneller vor sich geht, als in anderer Lage. Es steckt eben in diesen Dingen ein ganzes Stück unbekannter oder heute vergessener Naturwissenschaft.