Eingemachtes - Christine Richter - E-Book

Eingemachtes E-Book

Christine Richter

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Beschreibung

Er ist der personifizierte Satan. Nachts lauert er auf seine Opfer, die alle weiblich sind. Ein unheimlicher Wald ist der Tatort. Die übel zugerichteten Leichen verfrachtet der narzisstische Serienkiller in sein perfekt eingerichtetes Labor. Jedes dieser grauenhaft verstümmelten Wesen wird nach einem "Eingriff" genau dort wieder abgelegt, wo es zuvor bestialisch und gnadenlos ermordet wurde. Was ist der Grund für diese grausamen Taten? Der psychisch angeschlagene und ungehobelte Kommissar Joe Malek meint, das nächste Opfer zu kennen. Die Jagd beginnt…

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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Impressum:

© Verlag Kern GmbH, Ilmenau

© Inhaltliche Rechte beim Autor

1. Auflage, Februar 2018

Autorin: Christine Richter

Cover/Layout/Satz: Brigitte Winkler

Covermotive: www.fotolia.com, Dripping blood © bupu,

criminal with blood © Syda Productions

Lektorat: Dorothea von der Höh, Kevelaer

Sprache: deutsch, broschiert

ISBN: 978-3-95716-2601-1

ISBN E-Book: 978-3-95716-278-6

www.verlag-kern.de

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Übersetzung, Entnahme von Abbildungen, Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, Speicherung in DV-Systemen oder auf elektronischen Datenträgern sowie die Bereitstellung der Inhalte im Internet oder anderen Kommunikationsträgern ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags auch bei nur auszugsweiser Verwendung strafbar.

Christine Richter

Eingemachtes

Thriller

Widmung:

Dieses Buch widme ich all meinen Lesern. Viel Spaß und gute Unterhaltung.

Folgende Geschichte beruht nicht auf wahren Begebenheiten. Sämtliche Personen, Namen und Handlungen sind frei erfunden.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Textbeginn

Danksagung

Weitere Informationen

Die Kirchturmuhr schlug zwölf Mal. Es war Mitternacht. Lola befand sich gerade auf dem Heimweg von ihrem Nebenjob, dem sie zweimal pro Woche für circa drei Stunden nachging. Etwas angesäuert und todmüde hing sie ihren Gedanken nach.

„Die paar Kröten, die ich in dieser Spelunke, wo sich überwiegend die endfertige Dorfjugend trifft, verdiene, sind diese Strapazen wirklich nicht wert. Das war mein letztes Gastspiel, ich habe die Schnauze gestrichen voll.“

Mali, die fest angestellte Kellnerin, war wieder einmal nicht in dem Lokal, das sich in einem Dorf außerhalb Münchens befand, zur Arbeit erschienen. Also blieb alles an Lola hängen. Erneut musste sie die plumpen Anmachversuche der pubertierenden Trottel ertragen. Das schlechte Trinkgeld machte den Job auch nicht attraktiver.

„Jetzt kommt auch noch dieser blöde Wald“, schimpfte Lola vor sich hin. Irgendwie hatte sie immer ein beklommenes Gefühl, hier durchzufahren. Da zu dieser Zeit kaum jemand unterwegs war, gab Lola immer etwas mehr Speed, als zugelassen war. Die drei Kilometer, die hier zu bewältigen waren, jagten ihr immer etwas Furcht ein.

„Ich weiß nicht, was das ist, aber diese kurze Waldstrecke hat was Unheimliches an sich“, ging es Lola durch den Kopf.

Nach jener Odyssee waren es noch etwa zehn Minuten Fahrt, bis sie bei sich zu Hause ankam.

In einem Zweifamilienhaus hattte sie nach langem verzweifelten Suchen eine kleine schnuckelige Zweizimmer-Mansardenwohnung gefunden, in der sie sich nach der Trennung von ihrem Freund sehr wohlfühlte.

Tagsüber arbeitete sie in einem nahe gelegenen Supermarkt als Kassiererin. Um sich ein angenehmes Leben leisten zu können, half sie, meist am Wochenende, abends in der kleinen, mit einigen Spielautomaten versehenen Kneipe aus.

In der Mitte des Waldes musste sie abrupt abbremsen, da urplötzlich dichte Nebelschwaden die Bäume und leider auch die Fahrbahn umschlangen.

„Was ist das jetzt wieder für eine Scheiße“, schimpfte sie lautstark. „Diese Suppe wird ja immer dichter, ich seh kaum noch was. Mein Gott, ich will endlich nach Hause, muss denn das auch noch sein“, wetterte sie etwas zornig in ihrem kleinen gelben Hustenbonbon, so nannte sie ihr Auto.

Eine kleine Portion Panik fuhr in ihre müden Glieder und sie hatte ein ungutes Gefühl. Irgendetwas war in dieser Nacht anders.

„Mannomann, ich mache hundert Kreuzzeichen, wenn ich heute heil nach Hause komme. Der Nebel verdichtet sich ja immer mehr, und wenn ich weiter so dahinzuckele, bin ich in einer Stunde noch nicht daheim“, murrte sie.

Zu allem Unglück fing ihr Wagen auch noch zu stottern an.

„Was ist denn jetzt los, elendige Karre, du warst doch erst zur Inspektion. Bleib jetzt bloß nicht stehen, tu mir das bitte nicht an“, schimpfte sie ein wenig kläglich.

Kein Flehen und Betteln half, das Auto stand. So oft sie auch versuchte, neu zu starten, es rührte sich nichts mehr. „Um Gottes willen, was mache ich jetzt? Aussteigen kommt nicht in die Tüte, wozu gibt es Pannendienste“, brabbelte sie vor sich hin. Nach langem konfusen Handtaschengewühle musste Lola aber feststellen, dass ihr Handy leider noch auf dem Tresen im Lokal lag.

Bibbernd vor Kälte, da es ja schon Mitte November war, befiel sie auch noch eine seltsame Angst.

„Jetzt hocke ich schon eine halbe Stunde in diesem eiskalten Wagen und bin völlig untätig. Kein Wunder, mein Gehirn ist anscheinend auch schon eingefroren“, motzte sie. Wirre Gedanken fuhren durch ihren Kopf. Trotz aller Ängste würde sie ihren Mut zusammennehmen müssen, aussteigen und den restlichen Weg zu Fuß bewältigen. Noch einmal tief durchgeatmet, dann stieg Lola aus, schlüpfte in ihren Anorak, nahm die Handtasche und ging zum Kofferraum, um das Gefahrendreieck rauszuholen. Nachdem sie das Dreieck richtig platziert hatte, schob sie ihr kleines Gefährt an den Straßenrand, verriegelte alles, schaute sich noch einmal furchtsam um und machte sich auf die Socken.

Der Nebel war kalt und feucht, sodass ihr langes dunkles Haar bereits nach einigen Minuten durchnässt war. Ohne sich umzudrehen, verschwand Lola in der Milchsuppe, die immer dichter wurde.

„Ich zünde mir jetzt eine Zigarette an, um mich etwas zu beruhigen“, dachte sie. Gedacht, getan. Sie hatte das Gefühl, dass dieser Suchtstängel noch nie so gut geschmeckt hatte. Sehr gierig zog sie daran.

Mittlerweile konnte sie die Straße, auf der sie ging, kaum noch sehen, so dicht war die Nebelwand. In ihrer Verzweiflung versuchte sie, den Weg mit ihrem Feuerzeug etwas auszuleuchten, was leider nur kurz gelang, da die niederfallende Feuchtigkeit die kleine, spärliche Flamme schnell löschte. Aufgrund der fatalen Wettersituation kam die auffallend hübsche, attraktive dreißigjährige Frau nur sehr langsam voran.

„Wenn ich doch endlich aus diesem verflixten Wald heraus wäre, dann hätte ich schon einiges gewonnen“, dachte sie.

Wie ein gesteuerter Roboter ging sie Schritt für Schritt. Mittlerweile fror sie so sehr, dass sie nichts mehr wahrnahm. Alles, was sie noch wollte, war, heil nach Hause zu kommen, ein heißes Bad zu nehmen und eine Tasse Kaffee zu genießen. Sie spürte und merkte nichts mehr. Alles, was ihr Körper noch machte, war gehen, gehen, gehen.

„Lieber Gott, falls es dich gibt, lass mich das hier bitte heil überstehen“, bettelte sie fast weinerlich. In dieser Apathie nahm sie nichts mehr um sich herum wahr.

Was Lola leider nicht wusste geschweige denn überhaupt erahnen konnte, war, dass sich außer ihr noch jemand auf diesem Weg befand. Das Unheil nahte unaufhörlich und schleichenden Schrittes. „Der Mann“ hörte bereits ihr monotones Gehen, obwohl der Nebel viele Geräusche schluckte.

„Meine Herren, bin ich froh, die Bäume werden weniger und endlich lichtet sich diese Dunstbrühe, bald habe ich es geschafft“, dachte Lola und zündete sich mit ihren klammen Händen eine weitere Zigarette an. Zitternd und wie eine Ertrinkende zog sie an ihrem Glimmstängel. In ihre Gedanken versunken, merkte Lola nicht, dass sich von vorn Schritte näherten. Als sie ihren Kopf anhob, der den ganzen Weg nach unten geneigt war, um die Spur einzuhalten, war es bereits zu spät.

Wie aus dem Nichts stand vor ihr ein großer, dunkel gekleideter Mann mit tief ins Gesicht gezogener Mütze. Lolas Blick starrte in zwei schwarze, leere Augen, die nichts Irdisches hatten. Eine gezählte Ewigkeit war sie starr vor Schreck. Ihr Gehirn setzte völlig aus.

Mit einem „Verschwinde, sonst klatsch ich dir eine, du perverses Arschloch“ stachelte sie diesen irren Typen erst so richtig an.

Ein schauriges Lachen drang durch die Stille des Waldes. Jeglicher Fluchtversuch, den Lola startete, war sinnlos. Er holte sie sofort wieder ein und platzierte seine große, hagere Gestalt vor ihrem panisch-ängstlichen Gesicht. Mit letzter verzweifelter Kraft schlug sie auf den Kerl ein. „Der Mann“ sagte nach wie vor keinen einzigen Ton. Nur dieses irre, laute Gelächter gab er von sich.

Lola schrie aus Leibeskräften: „Du Schwein, du elendiges Schwein, lass mich in Ruhe, sonst …“

Ein langes Messer blitzte vor ihrem Gesicht auf. Spätestens jetzt wusste sie, dass ihr kurzes Leben hier und heute Nacht zu Ende gehen würde. Nur ein leises, gurgelndes „Bitte nicht, bitte, bitte nicht“ konnte sie noch von sich geben.

Sie spürte mehrere harte Hiebe gegen ihren durchgefrorenen, geschundenen Körper. Wehrlos ergab sie sich ihrem grausamen Schicksal. Warme Flüssigkeit überflutete langsam ihren Leib. Das war das Letzte, was sie noch wahrnahm. Gnädigerweise hatten die ersten Stichattacken sie bereits aus dieser Welt entrissen.

* * *

In der Nacht fiel bereits der erste Schnee. Es war gerade fünf Uhr, als ein schriller Ton David aus seinem Schlaf riss.

„Nein, ich will nicht, ich bin noch so müde“, faselte er etwas unverständlich, machte den Wecker aus und mit einem langgezogenen Gähnen huschte er aus dem warmen, kuscheligen Bett.

„Oh Mann, und jetzt wieder raus in die Kälte.“ Mit müdem Blick sah er aus dem Fenster, wo eine weiße Schneedecke ihn anblitzte. „So ein Mist, jetzt kann ich mich aufs Scheibenkratzen freuen.“

Er verschwand eilig im Bad, aus dem er circa fünfzehn Minuten später geschniegelt wieder rauskam. David war wirklich ein hübsches Kerlchen. Mit seinen grünbraunen Augen, den halblangen, dichten braunen Haaren, einem modischen Bärtchen am Kinn war er wirklich ein Blickfang für die Frauenwelt. Auch sein Körperbau ließ nichts zu wünschen übrig. Er wirkte mit seinen sechsundzwanzig Jahren richtig männlich und auch etwas verwegen.

„Eine Tasse Kaffee und eine Zigarette müssen noch sein“, murmelte er, „und dann geht’s auf zur Arbeit. Wieder einmal. Diese Woche werde ich auch noch schaffen, ja und dann sind zwei Wochen Urlaub angesagt. Endlich ausschlafen können, faulenzen und abends ohne Stress ausgehen“, dachte er. Bei diesen positiven Gedanken stieg seine Laune gleich etwas an. Warm angezogen stapfte er zu seinem Auto, das natürlich von Eis und Schnee zu befreien war.„Juhu, auf zum Frühsport, ich hab’s mir doch gedacht“, meinte er etwas laut und frustriert.

Als er nach zehn Minuten im Auto saß, suchte er wie jeden Tag seinen Rocksender im Radio.

„Yeah, das kann doch nur ein guter Tag werden“, freute sich David, da gerade AC/DC ihr „Highway to Hell“ schmetterten. Headbangend zum Takt fuhr er mitgrölend los.

„Jetzt muss ich aber etwas langsamer werden, da die Strecke durch den Wald sicher wieder glatt sein wird“, dachte er. „Einen Gang runterschalten und sehen, dass es keine Rutschpartie wird.“ Vorsichtig fuhr er weiter. „Oh, da haben wir es schon“, dachte er, als er ein verschneites Dreieck am Straßenrand wahrnahm, und schon einige Meter weiter stand ein kleines Auto, auch eingeschneit. „Ich hoffe, dass der Wagen ohne Insassen ist, bei dieser Kälte wäre das fatal“, sprach er leise. Er fuhr langsam weiter. Irgendwie plagten ihn Gewissensbisse, da er nicht anhielt und nachsah, was da los war.

„Was ist das denn?“, sagte er plötzlich laut. Er riss blitzschnell das Steuer herum, was ihm eine satte Drehung einbrachte, da es doch empfindlich glatt war. Mit einer panischen Stotterbremsung, weil er nicht an einem Baum landen wollte, kam sein Auto sehr mittig auf der Straße zum Stehen. Sein cooles Rockerherz klopfte heftig. Schnell startete er seinen schwarzen BMW neu und stellte ihn mit Warnblinkanlage am Straßenrand ab. Im Radio war gerade „Knocking on Heaven’s Door“ von Guns’n’Roses zu hören. Mit einem sehr mulmigen Gefühl in der Magengrube stieg David aus.

„Ich hoffe doch sehr, dass das, was da in die Straße ragt, ein Holzstück oder ein anderes Teil aus diesem Wald ist“, sagte David sehr beunruhigt zu sich selbst. Auf diesen Schrecken so früh am Morgen musste er sich sofort eine Zigarette anzünden, an der er heftig mehrmals hintereinander zog. Langsam und auf alles gefasst, machte er sich fröstelnd auf den Weg zu der Stelle, an der der Gegenstand in die Fahrbahn ragte. Als er immer näher kam, flüsterte David: „Das ist, das sind, bitte lass das nicht sein, wonach es aussieht.“ Er blieb stehen, denn die fürchterliche Vermutung, dass hier ein Mensch lag, wurde immer größer. Wie in Trance setzte er seine bleiernen Beine in Bewegung. Was er jetzt sah, ließ seinen Atem stocken. Vor ihm lag tatsächlich ein menschliches Wesen. Die Füße ragten auf die Straße, der restliche Körper kauerte seltsam verkrümmt nach unten, wo eine kleine Senke verlief. Der Schnee auf und unter dem Körper war dunkelrosa gefärbt.

„Um Gottes willen, wo bin ich da hineingeraten“, flüsterte David entsetzt. Er kniete sich nieder und versuchte, etwas den Schnee von der Person zu entfernen, um den Puls fühlen zu können. Ein starres Gesicht mit weit aufgerissenen Augen, die wohl in die Hölle geblickt hatten, stierte ihn an. Er konnte nur noch schnell seinen Kopf zur Seite drehen und es schien, als wolle sein Magen alles, was er je zu sich genommen hatte, auf einmal wieder hergeben. Eine Fontäne nach der anderen wurde herausgeschleudert. David war weiß wie eine Wand. Zusammengekrümmt wie ein Häufchen Elend saß er da, immer noch würgend und zitternd. Seine Tränen kannten keinen Halt mehr. Bäche strömten über sein Gesicht. Er hatte noch nie so starken seelischen Schmerz verspürt. Er schrie, bettelte und jammerte wie ein geschundenes Tier. „Nein, nein, das kann doch nicht sein, bitte, bitte nicht Lola.“ In seinem Schock rüttelte er die Tote, schrie sie an, sie möge doch was sagen. Als er endlich kapierte, dass hier alles zu spät war, nahm er den Oberkörper der Frau in seine Arme, aber alles, was er spürte, war Eiseskälte und Starrheit. Wie hypnotisiert ließ er seinen unsagbar geschockten Blick den Körper dieser armen Person entlanggleiten. Er schrie aus Leibeskräften: „Welches Schwein hat dir das angetan, oh Gott, oh Gott!“

Das arme Wesen war fürchterlich zugerichtet. Unzählige schon angetrocknete Wunden konnte man erkennen und das Schlimmste, was David ertragen musste, war der Anblick des wahrscheinlich geöffneten und sehr stümperhaft wieder verschlossenen Bauches.

„Hilfe, Hilfe, bitte, bitte kann mir denn niemand helfen“, schrie David immer noch ziemlich hysterisch.

Er hatte überhaupt nicht gemerkt, dass mittlerweile ein Wagen gehalten hatte und jemand pausenlos auf ihn einredete. Erst als der Mann ihm ins tränenüberströmte Gesicht schlug, kam David zu sich.

„Ich bin Luka, beruhige dich, die Polizei kommt gleich, auch den Notarzt habe ich verständigt.“

Worauf David erneut wie von Sinnen schrie: „Die braucht keinen Notarzt mehr, sie ist tot, sie ist tot!“

Eine Ohnmacht erlöste ihn aus seinem großen Schock.

Als David die Augen aufschlug, lag er auf einer Trage im Notarztwagen, wo ihm gerade eine Injektion zur Beruhigung verabreicht wurde. Einige Minuten später, als David wieder ansprechbar war, stand ein Mann vor ihm, der sich als Kommissar Malek vorstellte.

„Ich hätte gern Ihre Personalien und wenn Sie sich in der Lage fühlen, den genauen Hergang des Geschehens von heute in den frühen Morgenstunden“, sagte Herr Malek eigentlich sehr freundlich.

David erzählte punktgenau die Vorgänge. Er unterbrach nur einmal, als er diese eklige Blechwanne, in der sich seine Hoffnung auf die große Liebe, Lola, befand, sah. Er erzählte, dass Lola, ihr richtiger Name war Eleonore Probe, in demselben Supermarkt arbeitete, in dem er als Filialleiter tätig war. Unter anderem erwähnte er auch, dass bereits zarte Bande zwischen ihnen geknüpft wurden. Jetzt war auch klar, warum David so erschüttert reagiert hatte.

Inzwischen stand ein riesiges Aufgebot mitten im Wald, der hermetisch abgeriegelt wurde, um keine Spuren zu vernichten. Nachdem David sich geweigert hatte, wenigstens eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus zu bleiben, sagte der Notarzt vor Ort fürsorglich: „Ich würde Ihnen dringend empfehlen, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was Sie hier erlebt haben, können Sie auf keinen Fall allein bewältigen. Hier habe ich eine Adresse, melden Sie sich bitte dort, wenn es Ihnen einigermaßen besser geht.“

Er drückte David ein Kärtchen in die Hand und stieg in den Notarztwagen. Luka, der keine Sekunde von Davids Seite wich, half diesem aus dem Krankenwagen. In Davids Kopf rotierte alles fürchterlich. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen.

„Du setzt dich jetzt in mein Auto, ich werde dich nach Hause bringen“, sagte Luka fürsorglich. Er rief kurz in seiner Firma an, um Bescheid zu geben, dass er heute nicht mehr erscheinen werde, denn er wollte sich um David kümmern, der ihm in der Seele leid tat.

„Entschuldige bitte, ich habe deinen Namen nicht registriert, da ich ziemlich am Ende bin“, stammelte David total zerbrochen.

„Luka heiße ich, und dass du fertig bist, kann ich sehr gut verstehen. Auch mir ist diese schaurige Angelegenheit sehr an die Nieren gegangen, das kannst du mir glauben. Kann ich irgendwelche Angehörigen verständigen, damit du in nächster Zeit nicht allein bist?“, fragte Luka besorgt.

„Nein, den Kontakt zu meinen Eltern habe ich vor Jahren abgebrochen, und sonst gibt es niemanden mehr“, erwiderte David wie eine Marionette.

„Ich fahre dich jetzt nach Hause, und dann sehen wir weiter“, sagte Luka sehr traurig über diese Aussage. Langsam führte er diesen armen Mann zu seinem Gefährt. Nachdem Luka ihn angeschnallt hatte, fuhr er los.

„Was für ein Elend“, dachte er und warf einen herzzerreißenden Blick auf David.

* * *

Kommissar Malek fragte bei der Spusi, der Spurensicherung, nach, ob irgendetwas gefunden wurde, was bei diesem Fall die Ermittlungen erleichtern würde.

„Tut mir leid, der frisch gefallene Schnee, die Feuchtigkeit des Nebels und andere Witterungsumstände haben uns die ganze Arbeit versaut“, sagte Meier von der Spusi. „Wir können leider nur Blut und eine Zigarettenkippe verwerten. Warten wir erst mal die Autopsie ab, die Gerichtsmedizin wird sicher einiges finden.“

Es dauerte Stunden, bis die Strecke wieder freigegeben wurde. Nur noch etwas rosa gefärbter Schnee erinnerte an diesem Tag, der sich leise dem Ende zuneigte, an die schaurige Tat. Wieder hatte eine Frau in diesem Wald ihr Leben verloren.

* * *

Die Dunkelheit hatte mächtig zugeschlagen und es war klirrend kalt. Fast alle Bürger jenes kleinen Dorfes, das sich etwa vierzig Kilometer außerhalb Münchens befand, lagen friedlich in ihren warmen Betten. Nachdem immer mehr Münchner dem Trubel der Stadt entfliehen wollten, war diese Gemeinde mittlerweile auf achthundert Einwohner angestiegen. Vereinzelt gab es hier noch Bauernhöfe mit gutem Viehbestand, bestehend aus Kühen, Schweinen und was sonst noch zu einem Hof gehört. Umgeben von einigen Wäldern, saftig grünen Weiden und etlichen Getreidefeldern, war diese Gegend noch ein kleines Idyll. Nur die vier Morde der vergangenen zwei Jahre brachten diese schöne Natur aus dem Gleichgewicht. Opfer der Gräueltaten, die bis dato nicht aufgeklärt werden konnten, da man weder Beweise noch verwendbare DNA an den Tatorten, geschweige denn an den Opfern fand, waren ausschließlich Frauen aus dem Ort.

* * *

Joe Malek, der eigentlich Josef hieß, diesen Namen aber hasste, saß abends in seiner spärlich eingerichteten Zweizimmerwohnung und genoss wieder einmal seinen geliebten Whisky, was er leider ständig und zu viel des Guten tat. Weil er den ganzen Tag Berge von Kaugummi kaute, war bis dato den Kollegen und Vorgesetzten nicht aufgefallen, mit welchen Dämonen er zu kämpfen hatte. Da er seinem Beruf sehr akribisch und genau nachging, achtete niemand auf die Begleiterscheinungen seiner allabendlichen Betäubung. Früher verabscheute er Menschen, die sich dem Alkohol hingaben. Vor zwei Jahren aber verlor Joe bei einem Hausbrand seine Frau und sein einziges Kind, Sohn Benjamin, der erst dreizehn Jahre alt war. Von da an hieß sein Seelentröster Whisky. Dieses Getränk war sein bester Freund und auch sein einziger Halt in diesem beschissenen Leben.

„Mir ist schleierhaft, wie dieser Irre vorgeht. Dieser Psychopath muss ein Genie sein. Nie gibt es die kleinste Spur, um ihm auf die Schliche zu kommen“, lallte Joe, bereits ein wenig betäubt, auf seiner braunen, schon etwas verschlissenen Ledercouch. Erneut nahm er die Whiskyflasche vom kleinen Glastisch, der vor dem Sofa stand, und genehmigte sich ein weiteres Glas des edlen Gesöffs. Auf seinem Ledersessel, der rechts neben der Couch stand, lag ein Berg von getragener Kleidung, die leider nicht den Weg in die Wäschetruhe fand. Gegenüber vom Tisch befand sich der helle Wohnzimmerschrank, der wie ein Altar mit Fotos von Frau und Sohn dekoriert war.

Sein glasiger Blick schweifte, wie jeden Abend, zu seiner verlorenen Familie. „Warum, warum nur habt ihr zwei mich verlassen? Ich schaffe es nicht ohne euch“, faselte er weinerlich und schon gut benebelt. „Ich und mein bester Freund, Herr Whisky, sind sehr einsam, und jeder von uns beiden ist vom anderen abhängig. Prost und Good Luck.“

Aufgewühlt von seinen Emotionen schleuderte Joe ziemlich wütend und unkontrolliert das leere Whiskyglas auf den schwarzen Fliesenboden seines Wohnzimmers. Die Scherben und unzähligen Splitter juckten ihn überhaupt nicht. Erschöpft und müde von seinem Trösterlein, nahm er den Wecker vom schmutzigen Glastisch, schob den Riegel nach oben, damit er, wie jeden Tag, pünktlich zur Arbeit erscheinen konnte, fiel seitwärts auf sein Ledersofa, zog sich nur noch die graue Decke vom Fußende hoch und eins, zwei, drei hörte man sein lautes Schnarchen.

Joe war wieder einmal erlöst. Befreit von seinen marternden Gedanken. Leider nur für ein paar Stunden.

* * *

Es war ungefähr 23:45 Uhr, als eine dunkle Gestalt aus der Haustür eines schönen Einfamilienhauses trat, sich blitzschnell nach allen Seiten umsah, die Taschenlampe anknipste und schleichend, fast lautlos, hinter dem Haus verschwand, wo eine Treppe zu einer Stahltür führte, hinter der sich die Kellergemächer und andere Räume befanden.

Wie in Trance holte der Mann den Schlüssel aus seiner rechten Hosentasche, sperrte auf und verschwand. Sein Weg führte vorbei an Waschküche, Trockenraum, Fitnessraum und etlichen Kellerabteilen einen langen Gang entlang, der an einer dicken Stahltür endete, die durch zwei Sicherheitsschlösser vor dem Zugang Unbefugter gesichert war. Darauf ein großes weißes Schild mit schwarzer Umrandung, auf dem geschrieben stand: WERKSTATT DES HAUSHERREN, ZUTRITT VERBOTEN! Der Mann öffnete die zwei Schlösser, trat ein, verriegelte sofort wieder von innen die Tür und schaltete seine vielen Neonröhren ein. Dieser Raum wirkte sehr steril. In dem vierzig Quadratmeter großen Zimmer befand sich in der Mitte ein großer Edelstahltisch mit seitlich je einer Rinne zum Ablauf von Flüssigkeiten. Der weiße Fliesenboden wirkte sehr sauber. Auch die Wände waren mit weißen, penibel sauberen Fliesen versehen, bestückt mit Metallregalen, die den Raum umliefen. Neben dem merkwürdigen Tisch stand eine wuchtige, verschlossene Metallkiste. Am Kopf des Tisches war eine große Stehbrause angebracht, ein grobmaschiges Abflussgitter fand sich am anderen Ende des Tisches wieder. Zwei viertürige Stahlschränke standen etwa vier Meter von dem Tisch entfernt auf der rechten Seite. „Der Mann“ beschriftete eilig ein Stück Papier, das er aus einer Schublade seines weißen Marmorschreibtisches holte, der sich auf der linken Seite, knapp vor den vielen Regalen befand.

Mit einer etwas seltsamen, monotonen Stimme sagte der Mann, als er einen Klebestift aus seiner anderen Schublade nahm: „So, das ist jetzt Nummer fünf, ach wie schön, bald werden sich die Regale füllen. Ich bin der Herr der Gerechtigkeit. Hier ist mein Gerichtssaal und mein Mausoleum.“

Mit einem irren Lachen klebte der Mann seinen beschrifteten Zettel auf ein Glas, das einem Einweckglas ähnelte, hob es hoch und trug es ganz langsam und bedächtig zu einem Regal, auf dem sich bereits vier dieser Gefäße befanden. In jedem dieser Behälter war, in Formalin eingelegt, jeweils ein Uterus, im Volksmund auch Gebärmutter genannt. Er stellte das gefüllte Glas vorsichtig dazu, regelte den Abstand, den er ganz genau abgemessen hatte, stand noch eine Weile andächtig vor seinen Reliquien, kontrollierte das gesamte Inventar und sagte: „Bis zum nächsten Mal.“ Dann verschwand er mit wirrem Blick in den Augen in der Dunkelheit der ziemlich lautlosen Nacht. Der Hauch des Todes begleitete ihn.

* * *

Der Wecker surrte länger als sonst. Es dauerte einige Minuten, bis Joe ihn abstellte. Sein Schädel brummte, wie jeden Morgen, und das seit einigen Jahren. Langsam schälte er sich aus seiner Wolldecke und murmelte leise: „Schon wieder so ein Scheißtag, guten Morgen, ihr blöden Sorgen.“ Über diesen Spruch musste er selber lächeln. „Na, wenigstens ist mir noch ein kleines Fünkchen Humor geblieben“, sagte er leise und verschwand schlurfenden Schrittes und mit hängendem Kopf Richtung Badezimmer, das grau-schwarz gefliest war und aus einer Eckbadewanne, Dusche, Toilette, Waschbecken nebst einem grauen Stehschrank, wo Joe seine Hygienesachen deponiert hatte, bestand.

Er sah in den Spiegel und sagte: „Guten Morgen, wer bist du? Ich denke, du benötigst aber viel Wasser und eine gehörige Portion Deo, damit du wieder frisch und menschlich aussiehst.“

Er erledigte seine morgendlichen Geschäfte und verschwand sogleich in der Duschkabine. „Uahh, wenn das keine Rosskur ist. Bei dem kalten Wasser werden selbst Tote wieder lebendig“, sagte er mit zittriger Stimme. Sein täglicher Spruch lautete: „Wer saufen kann, der kann auch arbeiten.“

Nachdem er alles erledigt hatte, was ein Mann so tun muss, stand Joe vor dem Spiegel und meinte: „Eigentlich sehe ich mit meinen siebenundvierzig Jahren gar nicht so übel aus.“ Was auch stimmte. Sein dunkles, kurzes Haar hatte an der Seite bereits ein paar graue Strähnen, die ihn so richtig attraktiv wirken ließen. Die braunen Augen passten gut zu seinem immer bräunlichen Teint. Er hatte einen schönen Mund, aus dem perlweiße Zähne hervorblitzten, wenn er mal lächelte. Seine Körpergröße von einem Meter und neunundachtzig ließen seinen Body noch besser erscheinen. Auch die Falten um seine Augen passten in sein Gesicht.

„Noch ein paar Tropfen Nuttendiesel im Gesicht verteilt“, murmelte Joe. Er spurtete ins Wohnzimmer und zog sich aus seinem Wäscheberg, der sich auf dem Stuhl befand, eine Jeans und einen schwarzen Pulli heraus. Nachdem er sich in seiner kleinen Küche, die in schlichtem Weiß gehalten war, einen Kaffee zubereitet hatte, der schwärzer als die Nacht war, trank er diesen gierig und schlüpfte in seine antikbraune Lederjacke, die er das ganze Jahr über trug. Dazu passend natürlich seine braunen Cowboystiefel, die irgendwie an seinen Füßen festgewachsen zu sein schienen, da er diese ebenfalls das ganze Jahr über trug.

Es war sieben Uhr, als er die Wohnung, die sich in einem Sechsparteienhaus befand, verließ. Beim Öffnen der Haustür blies eine eiskalte Brise in sein von Wind und Wetter gegerbtes, aber sehr männliches Gesicht. „So ein Mistwetter“, schimpfte Joe frierend, denn es schneite auch ordentlich. „Frost, was ist das? Alkohol konserviert“, sagte er und schob sich seinen ersten Kaugummi in den Mund.

Nachdem der alte Opel Omega von Schnee befreit worden war, ging es eilig ab zum Revier. Heute sollte er ja seinen neuen Kollegen bekommen, worauf er gar nicht neugierig war. „Ich hoffe doch, der Sack ist kein Paragrafenreiter, denn dann wird er es mit mir schwer haben“, dachte Joe. „Dem werde ich die Waden schon nach vorne richten, und wenn er nicht spurt, bekommt er ein paar aufs Maul, damit er einen guten Lauf hat“, hing er seinen Gedanken weiter nach.

„Verflixt noch mal, fahrt doch weiter, ihr Idioten“, schimpfte er laut, da sich einige Autofahrer wieder sehr dumm anstellten, nur weil sich etwas Schnee auf der Fahrbahn befand.

Etwa dreißig Minuten später traf Joe Malek auf der Hauptwache ein. Der neue Kollege wartete bereits in seinem Büro auf ihn. Als Joe eintrat, kam ihm ein blonder, blauäugiger, circa ein Meter achtzig großer, schlaksiger Kerl mit ausgestreckter Hand entgegen.

„Hey, ich bin Fabian. Fabian Geher, sechsunddreißig Jahre alt und dein neuer Partner“, sagte der etwas unscheinbar wirkende Mann.

Joe übersah die ausgestreckte Hand und sprach etwas arrogant: „Joe Malek, wir wollen es nicht gleich übertreiben und beim Sie bleiben.“

„Wenn Sie meinen“, sagte Fabian und dachte bei sich: „So ein eingebildeter Fatzke, das kann ja heiter werden, mit so einem Typen den ganzen Tag und eventuell auch nachts zusammenzuarbeiten. Freundchen, da hast du aber den Richtigen erwischt, ich werde dir deine Großkotzigkeit schnell austreiben.“

„Okay, Herr von und zu Malek, was steht an?“, sagte Fabian höhnisch.

„Wir wollen doch nicht pampig werden“, entgegnete Joe süffisant. „Das scheint kein Langeweiler zu sein“, dachte Joe. „Ganz schön frech für sein Alter.“

„Die Gerichtsmedizin wartet“, sagte er unfreundlich.

Während der Fahrt zur Pathologie erklärte Joe seinem neuen Kollegen die bereits vier noch ungeklärten Fälle sowie auch das neue Ereignis. Natürlich extrem sachlich, den Dienstvorschriften entsprechend. Er konnte ihn einfach nicht ausstehen. Dort angekommen, gingen beide schweigend Richtung Sektionsraum, wo bereits Professor Linden ungeduldig wartete. Joe Malek riss energisch die Tür auf und mit einem „Hallo, Herr Fiebertee“ stürmte er auf den Professor zu.

„Malek, Sie Banause, zum wiederholten Male, ich heiße Professor Linden. So viel Etikette muss schon sein, Sie ungehobelter Klotz“, fauchte der Pathologe etwas außer sich.

„Ist ja schon gut, Herr Professor, nur immer gut auf den Blutdruck achten. Es wäre schade, wenn Sie selbst auf Ihrem Tisch lägen, nur weil Sie eine Spaßbremse eingebaut haben“, meinte Joe.

Der Professor kannte Malek schon lange, aber sein „Herr Fiebertee“, wie Joe ihn immer nannte, brachte ihn jedes Mal auf die Palme.

„Übrigens, das ist Herr Geher, mein neuer Kollege.“

„Kommissar Geher, wenn ich bitten darf, Herr Malek“, sagte Fabian.

Malek überhörte diesen Satz, da er sich auf keine Diskussion einlassen wollte. „Also, Professor, was gibt es zu berichten?“, fragte er stattdessen.

„Ja, mein Lieber, genau wie bei den anderen Fällen, keine einzige DNA und keinerlei Hinweise auf den Täter. Die Tote wies genau zwanzig Stichverletzungen auf, zehn im Brustbereich, wobei der dritte ins Herz ging und absolut tödlich war. Des Weiteren je fünf im Kopfbereich, weitere fünf im Unterbauch. Erhebliche Schnittverletzungen im Gesicht der jungen Frau und, jetzt kommt’s, auch hier wurde der Bauch fast schon fachmännisch geöffnet und der Uterus entfernt und anschließend die Öffnung sehr laienhaft mit groben Stichen verschlossen. Eine sehr blutige und schaurige Sache“, sagte der Professor. „Auch hier, genauso wie bei den anderen Opfern, ist der Liegeplatz auch die Tatortstelle. Allerdings wurde die Leiche bewegt, heißt also, nach der Tötung irgendwohin transportiert und später wieder zurückgebracht. Ich vermute, dass der Kerl einen Raum und auch das Werkzeug hat, wo er die Bauchöffnung sowie die Entnahme des Uterus vornimmt. Es wird langsam Zeit, dass ihr diesen Serienmörder dingfest macht“, meinte Professor Linden vorwurfsvoll. „Ach ja, die DNA auf der Zigarettenkippe sowie die Blutuntersuchungen ergaben keinen Hinweis auf den Täter. Alle Ergebnisse wurden den Opfern zugeordnet. Es tut mir leid, Herr Malek, mehr habe ich leider nicht“, sagte der Professor.

„Kein Fussel, keine Hautpartikel, kein Haar oder Sonstiges?“, hakte Joe verständnislos nach.

„Ich sagte Ihnen doch, dass nichts zu finden war“, meinte Linden fast schon beleidigt, da er sich in seiner Ehre etwas angegriffen fühlte.

Auch Fabian schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Dieser Mensch muss aber sehr intelligent sein. Ist ja schon fast genial, zu morden, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen“, murmelte er, seinen Kopf dem Professor zugewandt.

„Ja“, meinte Professor Linden, „dieser Täter ist eine Mischung aus Wahnsinn und Genialität. Den zu überführen wird wohl eine Lebensaufgabe werden. Viel Spaß, ihr zwei.“

„Danke“, erwiderte Malek und brummte grimmig in seinen Dreitagebart, dass da wohl noch sehr viel Arbeit auf alle zukommen würde. „Also, Fiebertee, bis zum nächsten Mal, aber dann bitte mit verwertbaren Ergebnissen“, frotzelte der unbelehrbare Joe Malek, worauf der Professor ihm ein paar unflätige Worte, die sich sonst nicht in seinem Wortschatz befanden, hinterherschickte. Malek hatte seine Ohren auf Durchzug gestellt und eilte schleunigst zu seinem Dienstfahrzeug. Fabian trottete wie ein Hündchen hinterher. Auch ihn beschäftigten diese perfiden Morde.

Still fuhren die beiden zurück zum Revier. Dort angekommen, hatten sie gleich eine Audienz beim Kriminaldirektor Musche, der den neuesten Stand zu den Ermittlungen wissen wollte. Da es ja wieder keinerlei Indizien, Fakten oder Beweise gab, wurde Malek natürlich ein paar Zentimeter kleiner gestutzt. Er bekam einen deftigen Einlauf verpasst. Malek wollte gleich am nächsten Tag intensiv das Leben des letzten Opfers durchleuchten. Joe und Fabian schrieben noch stundenlang Protokolle, bevor sie um zwanzig Uhr todmüde nach Hause konnten.

„Also, Herr Malek, bis morgen, und dann bitte mit besserer Laune und mehr Kollegialität, da ich mir diese scheiß Stelle nicht ausgesucht habe“, fauchte Fabian wütend und eilte zu seinem Auto, ohne auf eine Antwort zu warten.

Joe stand mit offenem Mund und etwas baff über diese Aussage vor seinem Auto. „Der Kleine lebt ganz schön gefährlich“, dachte er, musste aber gleichzeitig schmunzeln über so viel Dreistigkeit.

Malek stieg in seinen Wagen und ab ging’s nach Hause in den verdienten Feierabend.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt, mit einem kleinen Stau, war Joe endlich zu Hause angekommen. Seine Kleidung warf er wie gewohnt auf seinen Sesselberg, schlüpfte in seinen gemütlichen Jogginganzug, schaltete den Fernseher an und schenkte sich den ersten seiner Meinung nach wohlverdienten Whisky ein.

Joe würde, wie jeden Tag, wieder auf seiner Couch nächtigen, da er es seit dem Tod seiner Frau vermied, in seinem Schlafzimmer zu schlafen, aus Angst vor vergangenen Erinnerungen. Obwohl dieser Raum schön eingerichtet war, wollte er darin nicht schlafen. Jedes Mal, wenn er dieses Zimmer betrat, zerriss es sein Herz. Die Erinnerung an die schönen