Einsamkeit überwinden - Freunde gewinnen - Silke Weinig - E-Book

Einsamkeit überwinden - Freunde gewinnen E-Book

Silke Weinig

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Fast jeder fühlt sich irgendwann einmal einsam. Obwohl in letzter Zeit häufig von einer „Einsamkeitsepidemie“ die Rede ist, immer mehr Personen in Single-Haushalten leben und sich während der Corona-Lockdowns wohl fast jeder mehr Gemeinschaft wünschte, ist Einsamkeit ein sehr individuelles Phänomen. Man kann sich einsam unter Menschen fühlen und hochzufrieden alleine sein. In ihrem Ratgeber geht Silke Weinig dem Gefühl auf den Grund: Woher kommt meine innere Leere? Was kann ich tun, um mich von meinem Einsamkeitsgefühl zu befreien? Sie gibt ihren Leserinnen und Lesern verschiedene Fähigkeiten an die Hand, mit denen sie sich in ihrem eigenen Tempo hinaus in die Welt wagen und sich auf die Vielfalt der menschlichen Beziehungen einlassen können.

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Seitenzahl: 232

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Für meinen Mann Lawrence,

INHALT

Herzlich willkommen!

Teil 1: Was ist Einsamkeit?

Die Facetten der Einsamkeit

Allein heißt nicht unbedingt einsam

Einsamkeit ist nicht per se schlecht

Einsame Phasen kommen und gehen

Symptome chronischer Einsamkeit

Wie entsteht Einsamkeit?

Wer ist am stärksten von Einsamkeit bedroht?

Sozialleben zwischen Arbeit und Alltag

Social Media: Segen oder Fluch?

Seelische und körperliche Auswirkungen von Einsamkeit

Innerer und äußerer Verschleiß

Warum gute Freundschaften so wichtig sind

Teil 2: Selbstreflexion – Was weiß ich über mich und meine Einsamkeit?

Starten wir mit uns!

Wie einsam bin ich eigentlich?

Wie viele Freunde braucht der Mensch?

Das Leben unter die Lupe nehmen

Negative Gefühle sind okay

Raus aus dem Stimmungstief

Ich und die anderen

Anpassungsfähigkeit und Selbstbehauptung

Was wünsche ich mir von anderen?

Was für ein Freund bin ich?

Mehr Selbstfürsorge im Alltag

Selbstliebe durch Achtsamkeit und Ruhe

Die Rolle der Ernährung

In acht Schritten zu mehr Optimismus

So formen Sie negative Erinnerungen um

Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken

So werden Sie jeden Tag ein bisschen mutiger

Schluss mit dem Vergleichen

Adieu, Selbstsabotage!

Ich will etwas verändern

Wie entsteht Sympathie?

Die eigene Persönlichkeit

Das Zürcher Ressourcen Modell

Teil 3: EASE – Kontrolle über das eigene Leben zurückgewinnen

Extend yourself:Erweitern Sie Ihren Aktionsradius

Die Kraft des Gebens

Eine Partnerschaft schützt nicht vor Einsamkeit

Alte Freundschaften wiederbeleben

Freundschaft trotz großer Distanz

Action plan:Planen Sie Ihre nächsten Schritte

So gelingt der erste Schritt

Die Bedeutung des Small Talk

So überwinden Sie die Angst vor dem Scheitern

Selection – Wählen Sie Qualität vor Quantität!

So hält man Freundschaften lebendig

Kommunikation ist der Schlüssel in schwierigen Zeiten

Woran man merkt, dass es nicht (mehr) passt

Expect the best– Erwarten Sie das Beste!

So üben Sie sich in Geduld

So bleiben Sie mental stark

So gehen Sie mit Ablehnung und Kritik um

Kleine Übungen für den Notfall

Nur Mut

Herzlichen Dank

Literatur

HERZLICH WILLKOMMEN!

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich fühle mich immer mal wieder einsam, dabei bin ich sehr gerne allein und kann mich gut mit mir selbst beschäftigen. In der Vergangenheit habe ich mich daher oft gefragt, was Einsamkeit ist. Woher kommen diese Gefühle, obwohl ich weiß, dass es Menschen gibt, die mich schätzen und mögen?

In der Bibel steht: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ – Und, es stimmt: Einsamkeit ist wirklich kein schöner Zustand. Gemäß einer Langzeitstudie in 78 Ländern nimmt die Einsamkeit weltweit zu und betrifft immer mehr Menschengruppen. In Deutschland ist die Einsamkeitsquote bei den 45- bis 84-Jährigen zwischen 2011 und 2017 um rund 15 Prozent gestiegen, innerhalb einzelner Altersgruppen sogar um 59 Prozent. Großbritannien hat im Januar 2018 als erstes Land ein Ministry of Loneliness (dt. Ministerium für Einsamkeit) eingerichtet, und auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung erscheint Einsamkeit als eine politisch anzugehende Aufgabe.

Mit den Lockdowns während der Corona-Pandemie rückt das Thema Einsamkeit immer wieder in den Fokus. Herrscht, wie Manfred Spitzer in seinem Bestseller „Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit“ schreibt, tatsächlich eine Einsamkeitsepidemie? Anzeichen dafür gibt es auf den ersten Blick viele: Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Individualismus zunimmt, immer mehr Personen in Singlehaushalten leben, die sozialen Kernnetzwerke kleiner werden, die Menschen weniger Kinder haben und gleichzeitig immer älter werden.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Zum einen gibt es aktuelle Studien, die besagen, dass wir nicht einsamer sind als vorherige Generationen. Zum anderen ist Einsamkeit ein sehr individuelles Phänomen. So ist sie nicht an die An- oder Abwesenheit von Menschen gebunden. Man kann sich unter Menschen einsam fühlen und hochzufrieden allein sein.

Es gibt allerdings auch gute Nachrichten: Einsamkeit ist kein unüberwindbares Schicksal! Studien belegen, dass man sich von Einsamkeit erholen und befreien kann. Manchmal muss man nur an einer kleinen Stellschraube drehen, und das ungute Gefühl verflüchtigt sich.

Hierzu braucht es eine detaillierte Auseinandersetzung mit der eigenen Einsamkeit: Was ist der Grund für die innere Leere? Warum fühlen wir uns einsam? Liegt es tatsächlich an den (fehlenden) Menschen, die uns umgeben? Wieso reichen die Sozialkontakte scheinbar nicht mehr aus – weder in ihrer Anzahl noch in ihrer Tiefe? Wissen wir überhaupt, was wir uns von unseren Beziehungen wünschen? Worum geht es uns wirklich, wenn wir davon sprechen, dass wir uns einsam fühlen? Und wenn wir das einmal herausgefunden haben – wie gehen wir dann vor, um etwas zu verändern? Um all diese Fragen zu klären, möchte ich mit Ihnen folgenden Weg beschreiten:

Teil 1: Lassen Sie uns zunächst ganz sachlich an die Einsamkeit herangehen. Was jetzt vielleicht nach trockener Theorie klingt, beinhaltet bereits erste Schritte hin zur Selbstreflexion. Je mehr Sie über Einsamkeit wissen – wie sie entsteht, was sie verstärkt und begünstigt –, desto besser können Sie mit und an ihr arbeiten. Das ermöglicht bereits die Entwicklung erster Lösungsideen.

Teil 2: Lassen Sie uns gemeinsam weiter in die Tiefe gehen, um uns selbst, unser Einsamkeitsgefühl und unsere Sehnsucht nach Gemeinschaft und Verbundenheit zu verstehen. Was will ich wirklich? Was wünsche ich mir von den anderen? Was kann und will ich selbst geben? Die Antworten hierzu bilden die Basis, um innere Einsamkeit zu verstehen und schließlich überwinden zu können.

Einen besonderen Fokus lege ich dabei auf Selbststärkung. Denn wenn wir unser Ich von innen heraus stärken, dann unterstützt uns das auf mehreren Ebenen: Wir fühlen uns sicher und sind zudem in der Lage, aus den vielen kleinen Lichtblicken des Alltags Kraft, Zuversicht und Optimismus zu schöpfen. Das macht uns wiederum sympathischer und lebensfroher und erleichtert zwischenmenschliche Beziehungen.

Dieser Schritt ist umso wichtiger, wenn Sie sich im Laufe der Zeit zu sehr an den Zustand der Einsamkeit gewöhnt haben und glauben, einem unausweichlichen Schicksal ausgesetzt zu sein. Oder wenn Sie durch einen Schicksalsschlag eine immense Veränderung erleben und plötzlich Halt, Schutz und Geborgenheit verlieren.

Teil 3: Lassen Sie uns aktiv die Kontrolle über das eigene Leben zurückgewinnen und zurück ins Sozialleben finden. Meine Empfehlungen basieren hierbei auf dem EASE-Ansatz des US-amerikanischen Psychologen und Einsamkeitsforschers John Cacioppo. Das englische Verb ease bedeutet so viel wie „Erleichterung“ oder „Linderung“. Es geht bei diesem Ansatz also darum, das Gefühl der Einsamkeit in den Griff zu bekommen und die negativen Auswirkungen des Alleinseins zu lindern. Die einzelnen Buchstaben des Akronyms EASE wiederum stehen für extend yourself (den Radius erweitern), action plan (aktiv werden), selection (selektieren) und expect the best (das Beste erwarten).

Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch über die Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, die es braucht, um dauerhaft zufrieden zu sein, Ziele zu erreichen, Herausforderungen zu meistern und das Leben zu genießen!

Oftmals reicht es schon aus, einige wenige Stellschrauben neu zu justieren. Suchen Sie sich aus dem bunten Werkzeugkasten in diesem Buch die für Sie passenden Instrumente aus und wagen Sie sich in Ihrem Tempo Schritt für Schritt hinaus in die Welt. Ich weiß selbst, dass das nicht immer einfach ist und manchmal Überwindung kostet, aber ich weiß auch, dass es funktioniert und Ihre Bemühungen belohnt werden.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen, gewinnbringende Erkenntnisse und gutes Gelingen!

Ihre

TEIL 1: WAS IST EINSAMKEIT?

Einsamkeit – da ist man allein und fühlt sich schlecht. Grob zusammengefasst mag das stimmen, bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass Einsamkeit viele Facetten hat. Selbstverständlich können Sie direkt zu den hinteren Praxiskapiteln wechseln, dennoch möchte ich Sie einladen, sich zunächst rein sachlich mit der Thematik zu befassen – denn jede Information über Einsamkeit und darüber, wie sie entsteht und sich auf Körper und Geist auswirkt, wird Sie dem Kern Ihres persönlichen Anliegens näherbringen.

Die Facetten der Einsamkeit

In der Psychologie wird Einsamkeit als das wahrgenommene Missverhältnis zwischen den gewünschten Beziehungen und den tatsächlich vorhandenen Beziehungen bezeichnet. Es ist im Prinzip die Feststellung, dass man sich gerne jemandem anvertrauen möchte, aber niemanden zum Reden hat. Dabei handelt es ich um ein subjektives Gefühl, das häufig mit traurigen bis hin zu depressiven Gefühlen verbunden ist und sich darin nachhaltig vom Gefühl des Alleinseins unterscheidet.

Alleinsein beschreibt dagegen den objektiven Zustand, keine Menschen um sich herum zu haben. Dieser Zustand kann zum einen bewusst gesucht werden und zum anderen mit positiven Gefühlen verbunden sein. Viele Menschen genießen das Alleinsein, ohne sich einsam zu fühlen, und nicht wenigen reicht ein einziger guter Freund aus.

Einsamkeit hat verschiedene Facetten. Wenn Ihnen ein liebevoller Partner oder eine beste Freundin fehlt, spricht man beispielsweise von emotionaler Einsamkeit. Dieses Gefühl kann sich auch dann einstellen, wenn Sie ein großes Netzwerk an Freunden und Bekannten haben und dennoch eine emotionale Lücke spüren: Trotz der vielen Leute scheint da niemand zu sein, dem Sie sich anvertrauen können oder dem Sie sich wirklich nah fühlen.

Soziale Einsamkeit wiederum steht für das Fehlen eines tragfähigen Freundes- und Bekanntenkreises. Diese Form der Einsamkeit kann man auch dann erleben, wenn man in einer festen Partnerschaft lebt.

Allein heißt nicht unbedingt einsam

Für Abraham Maslow, Mitbegründer der humanistischen Psychologie, steht das Streben nach „Alleinzeiten“ als Teil der Selbstverwirklichung an der Spitze der Pyramide menschlicher Bedürfnisse. Sind alle anderen, grundsätzlicheren Bedürfnisse – z. B. Nahrung, Einkommen und Freundschaft – zuvor gestillt worden, ist man weniger abhängig von äußeren Faktoren. Nach Maslow ist dann der Wunsch nach Zugehörigkeit erfüllt und das Bedürfnis, allein zu sein, entsprechend höher.

Man ist also nicht zwangsläufig einsam, wenn man allein ist – selbst dann nicht, wenn man diesen Zustand oft und gerne sucht. Ich selbst habe ab und an gerne Zeit für mich, um innezuhalten, mich zu erholen und konzentriert auf etwas einzulassen. So kann ich Aufgaben in meinem Rhythmus erledigen und mich dem sozialen Druck einer Gruppe entziehen. Studien zeigen, dass Alleinsein heilsam sein kann, insbesondere wenn wir uns in die Natur zurückziehen.

Alleinzeiten können sogar der Schlüssel für funktionierende Beziehungen sein, da sie es ermöglichen, negative Gedanken und Glaubenssätze in Ruhe zu überprüfen und so zu verändern, dass ein unbefangenes, positives Interagieren mit anderen Menschen möglich wird.

Der US-amerikanische Professor für Psychologie, Kenneth Rubin, hat untersucht, unter welchen Bedingungen die Zeit, die man allein verbringt, als nützlich und lohnend empfunden wird:

• Sie sind freiwillig allein.

• Wenn Sie möchten, können Sie sich jederzeit einer sozialen Gruppe anschließen.

• Sie können Gefühle wie beispielsweise Angst oder Ärger erfolgreich kontrollieren.

• Sie wissen, wie Sie positive und unterstützende Beziehungen mit Ihnen nahestehenden Personen initiieren und aufrechterhalten können.

Ist dies nicht der Fall, erhöht sich das Risiko der Einsamkeit, da Sie sich ohnmächtig und dem Alleinsein ausgeliefert fühlen. Sobald das Gefühl entsteht, die Kontrolle zu verlieren und keinen Einfluss auf die eigene Situation nehmen zu können, verstärkt sich der Eindruck von Ausgrenzung, Ablehnung und Trauer. Diese Gefühle sind weniger bedrohend, wenn Sie sich trotz des Alleinseins einer größeren Gruppe zugehörig fühlen.

EINSAM UNTER MENSCHEN

John Cacioppo, der kürzlich verstorbene, bekannte Einsamkeitsforscher, hat mit seinen Kollegen an den Universitäten von Ohio und Chicago viel über den Ursprung und die Auswirkungen von Einsamkeit herausgefunden. Die Ergebnisse seiner Arbeiten zeigen, dass Einsamkeit nicht automatisch aus dem Alleinsein entsteht. Jedoch kann das Alleinsein eine Spätfolge von Einsamkeit sein und diese verstärken.

Anhaltende Einsamkeit kann selbst kontaktfreudige Personen treffen. Teil einer Paarbeziehung oder Clique zu sein bedeutet nicht zwangsläufig, dass man sich zugehörig und gut aufgehoben fühlt. Zwar gelten Verheiratete statistisch gesehen als weniger einsam, aber auch ein Ehegelübde bietet keine Garantie gegen Einsamkeit (mehr dazu im Kapitel „Eine Partnerschaft schützt nicht vor Einsamkeit“ ab Seite 125). Fehlen Aufmerksamkeit und Wertschätzung, kann eine Beziehung das Gefühl der inneren Verlassenheit mehr schüren, als wenn man ohne Partner wäre.

Einsamkeit ist nicht per se schlecht

Zeit, die man nur mit sich verbringt, ist eine Voraussetzung für ein erfülltes Leben. Alleinzeiten lassen unsere Persönlichkeit reifen, weil sie es uns ermöglichen, über uns nachzudenken und Bilanz zu ziehen. Mit uns selbst konfrontiert, werden wir automatisch achtsamer. Im Alltagstrott befinden wir uns meist unter einem sehr hohen Reizniveau, was dazu führt, dass unsere Aufmerksamkeit ständig beansprucht wird. Wir verpassen dadurch viele Eindrücke – Eindrücke, die uns guttäten, uns ausruhen ließen, uns ins Gleichgewicht brächten.

Bewusstes Alleinsein senkt die permanente Reizüberflutung; wir können uns dadurch auf das Wesentliche konzentrieren. Dabei mögen zwar auch negative Erinnerungen und Gedanken hochkommen, aber die haben meist einen kathartischen Effekt. Nicht wenige haben in Momenten der Einsamkeit bedeutende Einsichten. Lebenszusammenhänge werden klar, und die neu gewonnenen Erkenntnisse schaffen Abstand, die uns zu Lösungen und neuen Ideen führen. Alleinzeiten haben viel Potenzial und können uns mehr Zufriedenheit und inneren Frieden schenken.

Einsame Phasen kommen und gehen

Sich hin und wieder einsam und von aller Welt verlassen zu fühlen, ist normal. Jeder erlebt regelmäßig vorübergehende Phasen von Einsamkeit – meistens gehen diese Hand in Hand mit schwierigen Übergangsphasen. Ich habe das zum ersten Mal erlebt, als ich nach dem Abitur als Au-pair nach Frankreich ging. Statt Savoir-vivre war in den ersten Monaten allerdings eher Katzenjammer angesagt. Ähnliches habe ich bei Berufswechseln, Umzügen oder Trennungen erlebt.

Doch irgendwann ebbt der Schmerz automatisch ab, und nach einer Phase des Rückzugs wagt man sich vorsichtig wieder hinaus in die Welt. Das gilt sogar für schwerwiegende Umbrüche wie den Tod eines nahestehenden, geliebten Menschen. Machen Sie sich also in einem ersten Schritt bewusst, dass Einsamkeit kein unwiderruflicher Dauerzustand sein muss. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, Ihr Leben in die Hand zu nehmen und etwas zu verändern.

Symptome chronischer Einsamkeit

Kurzfristige Phasen von Einsamkeit sind vollkommen normal und kein Grund zur Sorge. Wenn jedoch das Gefühl der Einsamkeit und Isolation zunimmt und langfristig anhält, sollten Sie auf bestimmte Symptome achten und ggf. Maßnahmen ergreifen, um mit chronischer Einsamkeit umzugehen.

Chronische Einsamkeit bedeutet, sich über einen längeren Zeitraum von anderen isoliert zu fühlen. Man empfindet sich als nicht zugehörig und hat das Gefühl, niemanden wirklich zu kennen. Man kann sich niemandem anvertrauen und hat niemanden, dem man besonders nahesteht. Beziehungen zu anderen erlebt man als eher oberflächlich; gleichzeitig ist man jedoch nicht fähig, eine enge Bindung zu anderen herzustellen. Hinzu kommen oftmals tief verwurzelte Gefühle von Unzulänglichkeit sowie ein niedriges Selbstwertgefühl bis hin zu Selbsthass.

Die Anzeichen für chronische Einsamkeit unterscheiden sich je nach Person und Situation. Sollten einige oder alle der folgenden Symptome über einen längeren Zeitraum hinweg auf Sie zutreffen, haben Sie es möglicherweise mit chronischer Einsamkeit zu tun:

• Sie haben keine engen oder besten Freunde. Sie haben niemanden, dem Sie sich anvertrauen können. Zwar kennen Sie einige Leute, aber das sind eher Bekannte.

• Sie fühlen sich unfähig, sich auf einer tieferen, intimeren Ebene mit anderen zu verbinden. Die Beziehung zu Freunden und Familie ist oberflächlich. Sie fühlen sich weder mit den anderen verbunden, noch ist das Zusammensein erfüllend und wohltuend. Es scheint, als könnte diese Hürde nicht überwunden und das Gefühl von Zugehörigkeit nicht entwickelt werden.

• Wenn Sie versuchen, Kontakt zu anderen aufzunehmen und eine Verbindung herzustellen, wird dies nicht erwidert oder Sie werden nicht wahrgenommen.

• Unabhängig davon, wo Sie sich befinden und wer in der Nähe ist, empfinden Sie ein überwältigendes Gefühl von Isolation. Ob auf der Arbeit, im Zug oder bei einem Familienfest: Sie fühlen sich entfremdet und allein. Es ist fast so, als würden Sie sich von außen betrachten, so wie ein Zuschauer beim Theaterstück.

• Sie leiden an großen Selbstzweifeln und empfinden sich als wertlos.

• Es erschöpft Sie sowohl körperlich als auch geistig, mit anderen in Kontakt zu treten oder zu interagieren.

Wie entsteht Einsamkeit?

Einsamkeit kann viele Ursachen haben. Geburtenrückgang, erhöhte Scheidungsrate, der demografische Wandel sowie geografische Mobilität sind nur einige Beispiele. Es gibt immer mehr Singlehaushalte, und soziale Interaktionen finden zunehmend online statt. Bei vielen Hotlines antwortet mittlerweile eine Computerstimme, direkter Kontakt zu echten Menschen wird immer seltener. Das führt dazu, dass immer mehr Menschen zu „Eigenbrödlern“ werden und verlernen, Kontakte zu knüpfen und funktionierende Beziehungen zu führen.

Auch einschneidende Lebensereignisse wie der Tod eines nahestehenden Menschen, eine Trennung oder die Diagnose einer schweren Erkrankung können das soziale Netzwerk destabilisieren. Neben körperlichen Problemen und eingeschränkter Mobilität können zudem psychische Störungen wie Depression, Angststörungen oder Schizophrenie zu Einsamkeit führen.

Weitere Risikofaktoren sind Armut und geringe Bildung. Das zeigte unter anderem eine 2017 veröffentlichte Studie der Universität Hamburg. Es wurde untersucht, inwiefern Einkommen, Bildung und Erwerbstätigkeit einen Einfluss auf soziale Beziehungen haben. Das Ergebnis: Armut führt häufig zu sozialer Isolation, denn sie verhindert und limitiert die soziale Teilhabe.

Im Rahmen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), einer bevölkerungsrepräsenativen Langzeitbefragung in Deutschland, wurde 2017 zudem festgestellt, dass fehlende Erwerbstätigkeit und direkter Migrationshintergrund Prädiktoren für erhöhte Einsamkeit sein können.

Die Vielfältigkeit der Ursachen macht es umso schwieriger, eine chronische Einsamkeit zu diagnostizieren, weshalb Sie besonders gut auf die im vorigen Kapitel beschriebenen Symptome achten sollten.

Wer ist am stärksten von Einsamkeit bedroht?

Es besteht nach wie vor das Gerücht, dass Einsamkeit vor allem älteren, introvertierten oder zurückgezogenen Menschen droht. In Wirklichkeit kann es allerdings jeden treffen – denn unvorhergesehene Umbrüche wie Tod, Trennung oder Jobverlust sind jederzeit möglich.

Es kommt vielmehr darauf an, wie hoch das jeweilige Bedürfnis nach Anschluss und Zugehörigkeit ist. Ist es niedrig, werden Ihnen andere Menschen weniger fehlen. Haben Sie jedoch ständig das Bedürfnis nach Nähe oder machen sich extrem abhängig vom Urteil anderer, dann ist das Risiko einer chronischen Einsamkeit erhöht.

MIT DEM ALTER NIMMT DER FREUNDESKREIS AB

Wissenschaftler der Aalto Universität in Helsinki und der Universität Oxford haben das Anrufverhalten von über drei Millionen Menschen analysiert und kamen dabei zu dem Ergebnis, dass wir mit zunehmendem Alter anfangen, Freundschaften zu vernachlässigen. Gemäß der Studie tauschen wir uns im Alter von 25 Jahren im Schnitt mit 20 Freunden im Monat aus, ab dem 30. Lebensjahr sinkt die Zahl unserer sozialen Kontakte auf 15. Das liegt unter anderem daran, dass die meisten in ihren Dreißigern heiraten und eine Familie gründen, weswegen sie weniger Zeit haben, auszugehen, neue Leute kennenzulernen und Freundschaften zu pflegen.

Oft werden Alter und Einsamkeit als zusammengehörig betrachtet, denn in vielen Fällen nehmen mit den Jahren die Verluste zu und die Freundschaften ab. Studien zeigen, dass sich ältere Menschen heutzutage nicht erheblich einsamer fühlen als ältere Menschen früherer Generationen. Jedoch werden wir im Schnitt immer älter, und damit verlängert sich eine der Phasen im Leben, in denen wir besonders anfällig für Einsamkeitsgefühle sind.

Je älter wir werden, desto stärker beschäftigen uns Themen wie Krankheit, körperliche Einschränkungen oder der Tod, der immer näher rückt und nicht mehr so leicht verleugnet werden kann. Der Verlust des Ehepartners oder anderer lieb gewonnener Menschen dezimiert unseren sozialen Radius schrittweise und konfrontiert uns unweigerlich mit Verlassenwerden und Alleinsein.

Gemäß den Forschungsergebnissen von Susanne Bücker, einer Psychologin, die an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema Einsamkeit forscht, fühlen sich in Deutschland je nach Altersgruppe etwa zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung manchmal einsam. Bei den über 80-Jährigen liegt der Wert sogar bei etwa 20 Prozent. Demnach laufen wir mit zunehmendem Alter Gefahr, zu vereinsamen. Jedoch betont Brücker, dass es neben der Risikogruppe der über 80-Jährigen noch eine weitere gebe, nämlich junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren. Einsamkeit ist also nicht nur ein Phänomen älterer Menschen.

Eine aktuelle Studie des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Ein Drittel der Schweizer fühlt sich allein, wobei der Anteil der 15- bis 24-Jährigen vergleichsweise hoch ist. Fast die Hälfte von ihnen fühlt sich manchmal bis dauernd einsam.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich zudem, dass ältere Personen insbesondere unter der sich verringernden Anzahl der sozialen Kontakte leiden. Es sind an dieser Stelle also eher äußere Faktoren, die Einsamkeitsgefühle entstehen lassen. In der jungen Generation ist es die unzureichende Qualität der Beziehungen, die die Einsamkeit hervorruft. Insbesondere in der Adoleszenz braucht es Feedback aus dem Freundeskreis, um die eigene Identität zu definieren und sich in der Gesellschaft einordnen zu können.

Auch die idealisierten Darstellungen in den sozialen Medien haben einen Einfluss auf unseren Selbstwert und unser Zugehörigkeitsgefühl. Weil sie im Vergleich mit dem fröhlichen Instagram-Partyvolk scheinbar schlechter abschneiden, ziehen sich viele Jugendliche zurück. Darum ist es oft schwierig, Jugendliche und junge Erwachsene aus der Isolation zu holen, denn das Thema ist mit Tabus und Scham belegt. Häufig wird der empfundene Schmerz mit besonderem Einsatz in Schule und Ausbildung überspielt oder die Jugendlichen ziehen sich zurück.

Bei jungen Erwachsenen im Alter von 25 bis 35 Jahren kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Oftmals haben sie schlichtweg keine Zeit, um ihr soziales Netz zu pflegen. In diesem Alter gilt es, zwei wichtige Weichen zu stellen, die zeitintensiv und anspruchsvoll sind: die berufliche Etablierung und die Familiengründung.

Neben dem Alter hat auch unser Charakter einen Einfluss darauf, wie anfällig wir für Einsamkeit sind. Generell unterscheiden sich Menschen darin, wie viele Sozialkontakte sie benötigen, um sich zugehörig zu fühlen. Auch die Reaktion auf Veränderungen innerhalb der Sozialkontakte unterscheidet sich in ihrer Intensität.

Extrovertierte sind tendenziell weniger einsam als Personen, die von Natur aus eher zurückhaltend und introvertiert sind. Menschen, die zu intensivem Grübeln neigen, berichten im Durchschnitt zudem häufiger von Einsamkeit als jene, die emotional ausgeglichen sind.

Sie sehen also, dass es keine eindeutigen Ursachen für Einsamkeit gibt. Die Entstehung des Gefühls von Isolation hat viele Facetten – es kann jeden treffen. Schauen Sie deshalb genau hin und analysieren Sie Ihre individuelle Situation, um herauszufinden, wo genau Sie stehen. Wie das geht, erfahren Sie im Kapitel „Das Leben unter die Lupe nehmen“ ab Seite 39.

Das Problem der Selbstverstärkung

Einsamkeit wirkt wie ein Magnet, der weitere negative Gefühle und Gedanken anzieht. Nicht wenige verfangen sich so in dem Alleinsein und verstärken es damit unbewusst. Das beeinträchtigt unser Denken und Fühlen und verzerrt unsere Wahrnehmung. Die Einsamkeit lässt uns glauben, dass andere uns gegenüber gleichgültig sind und sich nicht für uns interessieren. Ebenso sehen wir bestehende Beziehungen negativer, als sie sind, was uns einen weiteren Grund liefert, uns zu distanzieren.

Das ist der Beginn eines Teufelskreises: Auf der einen Seite schränkt die Einsamkeit unsere kognitiven und emotionalen Fähigkeiten ein, auf der anderen Seite sinkt die Anzahl der Interaktionen mit anderen, sodass wir mit der Zeit verlernen, wie man sich mit anderen Menschen verbindet. Diese verzerrten Wahrnehmungen erzeugen sich selbst erfüllende Prophezeiungen, die uns noch ängstlicher, misstrauischer und auch aggressiver machen. Wir sind davon überzeugt, unerwünscht zu sein, und suchen in unserer Umgebung nach entsprechenden Signalen, die wir mit Sicherheit finden. Gleichzeitig zögern wir, Kontakt aufzunehmen, weil wir mit Ablehnung und Desinteresse rechnen, die wir durch unser verschlossenes Verhalten dann auch tatsächlich erfahren. Infolgedessen ziehen sich viele einsame Menschen noch mehr zurück und isolieren sich, um eine weitere Enttäuschung zu vermeiden.

Das spiegeln auch Experimente wider, bei denen die Teilnehmer dazu gebracht wurden, sich sozial ausgeschlossen zu fühlen. Sie waren danach im Durchschnitt defensiver, selbstzerstörerischer, weniger kooperativ sowie feindseliger und misstrauischer gegenüber ihrem sozialen Umfeld. Hinzu kam, dass sie Heißhungerattacken und anderen Impulsen weniger gut widerstehen konnten sowie beim Intelligenztest schlechter abschnitten. Insgesamt ergibt das eine tückische Mischung, die langfristig dazu führt, dass der soziale Radius immer kleiner wird.

Ja, wir sind soziale Wesen und brauchen Kontakt. Doch die Gegenwart anderer Menschen kann auch zur Belastung werden: Andauernd müssen wir reagieren, uns anpassen und durchsetzen. Ist unser Gegenüber besonders frustriert oder gestresst, kann der negative Funke zudem schnell auf uns überspringen: Stress ist ansteckend. Manchmal reicht es bereits aus, dem hektischen Treiben im Bahnhof oder in der Fußgängerzone zuzuschauen, und der innere Druck steigt. Bei vielen Menschen ist Rückzug die Reaktion auf diese Art der Überforderung. Aus kleinen „Fluchten“ können allerdings im Laufe der Zeit große werden, die uns immer mehr von der Außenwelt abschneiden.

Sozialleben zwischen Arbeit und Alltag

Unsere auf Effizienz getrimmte Arbeitswelt wirkt sich nachhaltig auf die sozialen Strukturen aus. Früher kamen Handwerker oder Techniker in der Regel zu zweit, heute kommt häufig nur noch einer, und der steht dann – wie der Großteil der arbeitenden Bevölkerung – unter Zeitdruck.

Die inzwischen weitverbreitete Orientierung hin zu Leistungssteigerung und Erfolg führt unweigerlich zu Einzelkämpfertum und Entfremdung, was wiederum Frust sowie Konflikte am Arbeitspatz nach sich ziehen kann. Menschen, die Führungspositionen erreicht haben, fühlen sich häufig von ihren Kollegen getrennt. Dies ist nicht überraschend, da Eigenschaften wie Unabhängigkeit und Konkurrenzdenken erforderlich sind, um dieses Erfolgsniveau zu erreichen, was wiederum die Möglichkeiten einschränkt, enge und sinnvolle Verbindungen zu Kollegen aufzubauen.

Wenn zwischenmenschliche Bindungen in einem stressigen Berufsleben lediglich als weiterer Punkt auf der bereits überfüllten To-do-Liste empfunden werden, treten viele ebenfalls den Rückzug an. Vereinsamung kann die langfristige Folge sein, denn Beziehungen zu meiden, gibt uns nur eine Scheinsicherheit.

Fehlen zudem soziale Unterstützung, Lob und Wertschätzung innerhalb eines Unternehmens, führt das zu geistiger Trägheit, die die Produktivität beeinträchtigt sowie die Kreativität und Entscheidungsfindung behindert. Bei Menschen, die bereits einsam sind, verstärkt sich dadurch das Gefühl der Isolation. Das wirkt sich auf die Leistung der Mitarbeiter und somit direkt auf die Einnahmen, Ausgaben sowie die organisatorische Leistung eines Unternehmens aus (z. B. durch einen erhöhten Krankenstand). Auf der anderen Seite stärken positive soziale Beziehungen die Mitarbeiterbindung und -produktivität – was sich positiv auf das Endergebnis auswirkt.

Unternehmen täten deshalb gut daran, die Förderung sozialer Verbindungen zu einer strategischen Priorität zu machen, denn Isolation am Arbeitsplatz ist kostspielig. Es zahlt sich buchstäblich aus, in soziale Unterstützung zu investieren, die es sowohl Vorgesetzten als auch Mitarbeitern ermöglicht, sich zu begegnen und auszutauschen. Das gilt umso mehr, wenn verstärkt im Homeoffice gearbeitet wird. Dieses bietet zwar mehr Flexibilität, verringert allerdings das Zugehörigkeitsgefühl, das entscheidend ist für die allgemeine Motivation.

STADTFLUCHT BEI EINSAMKEIT?

Studien aus Deutschland zeigen, dass Städter nicht zwangsläufig einsamer sind als Menschen, die auf dem Land leben. Es ist vielmehr so, dass es regionale Unterschiede gibt. In Berlin fühlen sich beispielsweise überdurchschnittlich viele Menschen einsam, aber das gilt auch für den Süden Bayerns, eine sehr ländliche Region.

Mobilität wird heutzutage großgeschrieben; selten befindet sich das Zuhause am selben Ort wie der Arbeitsplatz. Eine Befragung von Stepstone aus dem Jahr 2018 kam zu dem Ergebnis, dass jeder zweite Pendler in Deutschland pro Weg bis zu 30 Minuten unterwegs ist. 21 Prozent nehmen eine Fahrtzeit zwischen 30 und 45 Minuten in Kauf, und 27 Prozent brauchen sogar mehr als eine Dreiviertelstunde.

Gute Freundschaften brauchen Zeit. Sie müssen sich entwickeln können und gepflegt werden. In Zeiten steigender Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen verlieren sich Menschen in der Rushhour des Lebens schneller aus den Augen, und die Zeit, die man täglich im Auto oder in der Bahn verbringt, fehlt am Ende für nährende soziale Kontakte.

Erhöhte Scheidungsrate

Die Zahl der Menschen, die allein lebt, steigt stetig an. Seit den späten 1980er-Jahren nimmt die Zahl der Singlehaushalte kontinuierlich zu. Der Soziologe Jan Eckhard von der Universität Heidelberg, der dieses Phänomen erforscht, sieht einen möglichen Grund für die zunehmende Partnerlosigkeit – ob gewollt oder ungewollt – in der Erwerbstätigkeit der Frau.

In den 1950er- und 1960er-Jahren waren Frauen von Männern als Ernährer abhängig. Eine Ehe war ein wichtiges wirtschaftliches Ziel, um sich selbst und die Kinder abzusichern. Seit Frauen sich selbst finanziell versorgen können, ist dieser Aspekt nicht mehr maßgebend. Stattdessen spielen Liebe und Zuneigung eine größere Rolle – beides sind vergängliche Faktoren, was dazu führt, dass Beziehungen heutzutage wesentlich schneller und häufiger beendet werden.

Sich nach einer Trennung oder Scheidung einsam zu fühlen, ist normal. Immerhin hat man mit dem anderen Menschen lange Zeit sowohl Freude und Sorgen geteilt als auch Träume verwirklicht und Pläne geschmiedet. Steht man nun vor dem Scherbenhaufen seiner Beziehung, kommen neben Trauer, Ärger und Wut auch Gefühle von Angst und Einsamkeit auf.

Bei Scheidungen und Trennungen ist es zudem nicht ungewöhnlich, dass man einen Teil seines bisherigen sozialen Umfeldes verliert. Manche Freunde und Bekannte akzeptieren die Trennung nicht, andere wiederum stehen dem Ex-Partner näher. Das gilt in ähnlicher Weise für die Ex-Familie.

Diese Menschen, die bisher ein wichtiger Teil des (gemeinsamen) Lebens waren, können unter Umständen vollständig aus Ihrem neuen Leben verschwinden, was das soziale Netzwerk schlagartig verkleinert.

Zunehmende Individualisierung und Unverbindlichkeit

Einer US-amerikanischen Studie zufolge hat die durchschnittliche Anzahl der sozialen Verbindungen seit 1985 um ein Drittel abgenommen. Sie sind heutzutage zudem weniger vielfältig und erstrecken sich weniger über die Kernfamilie hinaus – im Extremfall ist es lediglich der Partner, mit dem wir unser Leben teilen.