Eis und Wasser, Wasser und Eis - Majgull Axelsson - E-Book

Eis und Wasser, Wasser und Eis E-Book

Majgull Axelsson

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Beschreibung

Vielschichtiger Psychokrimi und bewegende Familiensaga mit großem Finale im ewigen Eis

Die erfolgreiche Krimiautorin Susanne befindet sich an Bord eines Eisbrechers mitten im Polarmeer und versucht herauszufinden, wer ihre Kajüte verwüstet und mit Lippenstift hasserfüllte Botschaften hinterlässt. Was Susanne nicht weiß: Ihre Vergangenheit holt sie ein. Lange verheilt geglaubte Wunden brechen auf, als ihr klar wird, dass ihr Stiefbruder, der schwedische Teenie-Star, der in den 1960ern für immer verschwand, der Schlüssel zu allem ist.

Raffiniert verknüpft Majgull Axelsson die Vergangenheit mit der Gegenwart, das Leben in einer schwedischen Kleinstadt mit der klaustrophobischen Enge auf einem Eisbrecher – und hält uns dabei die ganze Zeit in Atem.

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Seitenzahl: 728

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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Roman

Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt

C. Bertelsmann

Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Is och vatten, vatten och is« bei Norstedts, Stockholm.

1. AuflageCopyright © 2008 by Norstedts, Stockholm

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 beim C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion: Astrid Arz

Satz: Uhl +Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-04913-3

www.cbertelsmann.de

Mother, you had meBut I never had youOh, I wanted youbut you didn’t want me

John LennonPlastic Ono Band 1970

Oden

Jemand ist in ihrer Kabine gewesen.

Das weiß sie in dem Moment, als sie den Schlüssel ins Schloss steckt, weiß es, ohne es wirklich zu wissen, bereits als sie den Schlüssel herumdreht. Der Zylinder dreht sich ohne Widerstand. Aber sie hat doch abgeschlossen, als sie hinausging? Doch, ja. Sie schließt immer ab, wenn sie kommt und wenn sie geht, sie schließt sich sogar nachts ein, obwohl alle sagen, das sei gefährlich. Aber jetzt ist die Tür nicht abgeschlossen. Jemand ist in ihrer Kabine gewesen. Wieder.

Sie zögert einen Moment, schaut sich zunächst im Gang nach links und rechts um, bevor sie die Hand auf die Klinke legt. Niemand ist zu sehen, aber sie hört Musik und Stimmen aus der Nachbarkabine. Dort wohnen Magnus und Ola, einer von ihnen lacht laut, und das beruhigt sie. Magnus ist ein schweigsamer Riese mit blauen Augen, Ola ein lächelnder Matrose, der mindestens eine Stunde täglich im Fitnessraum zubringt. Die kommen, wenn sie ruft. Dessen ist sie sich sicher. So gut wie sicher.

Dennoch zögert sie noch einige Sekunden, bevor sie die Tür öffnet, bleibt dann mit gerecktem Kinn in der Türöffnung stehen und wittert wie ein Hund. Derjenige, der in ihre Kabine geht, wenn sie nicht dort ist, hinterlässt immer einen Geruch, einen leichten Hauch von Benzin oder Öl, Tabak oder Aftershave, stark genug, dass sie ihn bemerken muss, und dennoch so schwach, dass sie mit niemandem darüber reden kann.

Sie tritt über die Schwelle und bleibt erneut stehen. Schaut sich um, schnuppert noch einmal und zieht die Mundwinkel hinunter. Heute riecht es weder nach Öl oder Benzin noch nach Tabak oder Aftershave. Sondern nach Urin. Obwohl das wahrscheinlich ein viel zu vornehmer Ausdruck dafür wäre. Denn Tatsache ist: Es stinkt nach Pisse. Das ist das hässlichste Wort, das sie kennt, aber nun mal das einzige, das den Gestank angemessen beschreibt. Jemand hat tatsächlich in ihre Kabine gepisst.

Die Scham überrascht sie. Sie durchzuckt ihren Körper und treibt sie dazu, sofort die Tür hinter sich zuzuwerfen. Niemand soll erfahren, wie es in ihrer Kabine riecht, niemand soll einen Grund haben zu glauben, sie würde so riechen, niemand soll … Sie holt tief Luft und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Tür. Zeit, sich zu besinnen. Zeit, sachlich und vernünftig zu denken. Zeit, sich umzuschauen und zu registrieren, was er dieses Mal gemacht hat.

Die Spuren seiner Anwesenheit, die er hinterlässt – denn es ist doch wohl ein Er? Es muss doch wohl ein Er sein? –, sind normalerweise deutlich genug, dass sie sehen kann, dass er da war, und dennoch so subtil, dass sie niemand anderem auffallen würden. Es hätte ja sie selbst sein können, die ihre Kulturtasche auf dem rauen Stoff des Sofas ausgekippt hat, die Decke und Laken aus der frisch bezogenen Koje herausgerissen und in einem unordentlichen Haufen wieder hineingeworfen oder den Schrank geöffnet und die saubere Unterwäsche herausgerissen hat. Doch so war es nicht. Das war jemand anderes. Jemand, der mindestens viermal in ihre Kajüte eingedrungen ist und Spuren und Gerüche hinterlassen hat.

Das Schiff krängt, und sie spreizt die Finger, drückt die Handflächen gegen die Tür hinter sich, um die Balance zu halten. Die Berührung ist eine Ermahnung. Sachlich und vernünftig, so sollte man sein. Also richtet sie sich auf und macht ein paar Schritte in die Kabine hinein, um sich einen Überblick zu verschaffen, stellt sich breitbeinig hin, um weitere Krängungen zu parieren. Sie ist erst seit acht Tagen an Bord, aber der Körper hat sich den neuen Lebensbedingungen bereits angepasst. Deshalb sitzt sie breitbeinig wie ein Mann unten in der Bar, deshalb haucht sie draußen an Deck auf die Knöchel, bevor sie die Hände in die Achselhöhlen steckt, deshalb nimmt sie zwei Stufen auf einmal, wenn sie auf weichen Gummisohlen die Treppe zur Brücke hinaufeilt, zur täglichen Besprechung mit den Forschern und dem Kapitän. Sie sagt bei diesen Besprechungen selten etwas, schüttelt nur leicht den Kopf, sodass der Pferdeschwanz im Nacken kitzelt. Nein, als Vertreterin der Künstler hat sie nichts hinzuzufügen. Das Wort selbst berührt sie peinlich. Ist sie wirklich eine Künstlerin? Dessen ist sie sich nicht so sicher. Sie weiß nur, dass sie dort sitzt, weil Marcus – und er ist wirklich ein Künstler – nicht zu diesen Treffen gehen will. Er hat keine Zeit für so etwas, ist vollauf damit beschäftigt, auf dem Schiff eine Runde nach der anderen zu drehen und vor sich hin zu murmeln. Anfangs dachte sie, er wäre manisch, aber jetzt hat sie sich ein paarmal mit ihm unterhalten und weiß, dass er ziemlich zögerlich und nachdenklich sein kann. Er ist einfach zu sehr damit beschäftigt zu schauen, sodass es den Anschein hat, als hätte er die Fähigkeit zu hören verloren. Bereits am dritten Tag hat sie aufgehört, ihm zu berichten, was am Tisch des Kapitäns gesagt wurde, denn er schaute so verwirrt drein, wenn sie es versuchte, dass ihr klar wurde, dass er die Morgenbesprechungen bereits vergessen hatte. Inzwischen nickt sie ihm nur vage lächelnd zu, wenn sie sich draußen auf Deck begegnen oder zufällig in der Messe am selben Tisch sitzen.

Vielleicht sollte sie auch aufhören, zu diesen Morgenbesprechungen zu gehen. Hat sie doch nie etwas zu sagen, und es kommt immer häufiger vor, dass sie die Konzentration verliert und nicht mehr hört, was die anderen sagen. Stattdessen lässt sie den Blick über die Runde schweifen und verweilt bei jedem Gesicht. Ist es einer von ihnen? Dieser blasse Chemiker, der jedes Mal errötet, wenn er angesprochen wird? Oder Sture, der Meteorologe, der immer mit verschränkten Armen dasitzt, als erwarte er, persönlich für Nebel und hohen Seegang angeklagt zu werden? Könnte es dieser Dozent sein, der sein langes Haar zu einem grauen Pferdeschwanz gebunden hat und dessen Namen sie sich einfach nicht merken kann? Oder ist es Fredrik mit seinen braunen Augen, der immer zwischen kontroversen Meinungen vermittelt und mit Kompromissvorschlägen kommt, ein geborener Diplomat, wie geschaffen zum Steuermann?

Nein. Das kann sie nicht glauben. Warum sollte einer dieser Männer, die jeden Morgen um den Konferenztisch des Kapitäns sitzen, in ihre Kabine gehen und seine Spuren hinterlassen wollen? Sie kennt keinen von ihnen und weiß nichts über sie, sie kennen sie nicht und wissen nur das von ihr, was in den Zeitungen stand, wenn überhaupt. Und die Frauen an dem Tisch? Kann man sich überhaupt vorstellen, dass eine fröhliche, muntere Professorin wie Ulrika auf die Idee kommen könnte, in der Unterwäsche eines anderen Menschen herumzuwühlen? Oder dass so eine ruhige Nette wie Katrin, die fünf Sprachen spricht und in Physik wie auch in Chemie promoviert hat, mit einem heimlichen Hass hinter der freundlichen Fassade herumläuft? Ganz zu schweigen von Jenny, der Vertreterin der jungen Doktoranden, die mit großem Ernst jedes einzelne Wort aufschreibt, das gesagt wird, aber schon aus geringstem Anlass wie ein Schulmädchen kichert?

Nein, das ist nicht möglich. Es kann niemand von ihnen sein. Aber dennoch steht fest, dass jemand im Laufe des Abends in ihrer Kabine gewesen ist. Das Fenster ist geschlossen. Die Tür zur Toilette steht sperrangelweit offen. Als sie die Kabine verlassen hat, um in die Bar zu gehen, war es umgekehrt. Aber mitten in all ihrer Furcht keimt ein Fünkchen Schadenfreude. Die offene Tür besagt, dass er im Badezimmer war. Also hat er ihre Nachricht erhalten. Endlich.

Vorsichtig schaut sie durch die Türöffnung. Der Klodeckel ist hochgeklappt. Ebenso die Brille. Also ein Mann. Der Duschvorhang ist vorgezogen, die weiße Folie mit den blassgelben Blumen leuchtet im Dämmerlicht der Nacht, der Seegang lässt ihn wie ein Rapsfeld im Sommerwind schwanken. Aber das ist eine Bewegung, die auch gut etwas anderes verbergen könnte. Jemand könnte hinter dem Vorhang stehen und auf sie warten, bereit …

Blödsinn. Wer immer es auch ist, er ist ein Feigling und ein Waschlappen, und sie denkt gar nicht daran, sich von seinen idiotischen Einfällen ins Bockshorn jagen zu lassen. Deshalb macht sie einen Schritt in den Raum, noch bevor sie zu Ende gedacht hat, zieht den Vorhang zur Seite und stellt fest, dass die Dusche leer ist. Erleichterung überfällt sie, sie spürt, wie ihr die Knie weich werden, und muss sich gegen die Wand lehnen, während sie ausatmet. Es dauert ein paar Sekunden, bevor sie sieht, dass die Wand an ihrer Schulter streifig ist, dass ein gelbbrauner Strich über die beigefarbene Oberfläche verläuft, ein klebriger Streifen, der vorher nicht dort gewesen ist. Dieses Ekelschwein! Ohne nachzudenken zieht sie sich den Pullover aus und wirft ihn durch die Türöffnung in den Raum. Sie will ihn später in der Nacht über Bord werfen, es reicht nicht, ihn zu waschen, sie will niemals wieder etwas an ihrer Haut spüren, das überhaupt nur in Berührung gekommen ist mit diesem widerlichen …

Sie umschlingt sich mit den Armen und dreht sich zum Spiegel um. Ja. Er hat ihre Mitteilung erhalten, das ist offensichtlich. Kurz bevor sie die Kajüte verließ, ist sie ins Bad gegangen und hat mit dem Lippenstift das Gleiche geschrieben, das sie in den letzten Tagen jedesmal schrieb, wenn sie die Kabine verließ: GOTT SIEHT DICH, DU SCHWEIN! Das ist eine Nachricht, die nicht gut angekommen ist. Er hat den Lippenstift über den ganzen Spiegel verschmiert, den Text mit einem Handtuch weggewischt, sodass er nicht mehr zu lesen ist, und es dann zu Boden geworfen, bevor er seine eigene Mitteilung mit demselben Lippenstift in viel größeren Buchstaben geschrieben hat: FOTZE!

Sie muss ein paarmal schlucken, um sich zu beruhigen. Eine brillante Antwort. Äußerst begabt. Und außerdem hat dieser Vollidiot ihren Lippenstift abgebrochen, das sieht sie jetzt, den einzigen Lippenstift, den sie mit auf die Expedition genommen hat, ihr absolut einziges Exemplar des Lancôme Long Lasting Juicy Rouge der Farbe Nummer 132. Sie wird ihn umbringen. Sobald sie ihn zu fassen bekommt, wird sie ihm die Ohren abschneiden und ihn dann erschlagen.

Natürlich nur unter der Bedingung, dass er sie nicht zuerst erschlägt. Und dass es kein böses Omen war, dass das Gesicht, das sie im Spiegel erblickte, so blass war, dass es aussah, als gehörte es einem ihrer eigenen Mordopfer.

Kurz hinter dem Cape Farewell ändern sie den Kurs. Der nächtliche Steuermann koppelt den Autopiloten aus und legt seine Hand auf den Steuerknüppel, einen kleinen Joystick, viel kleiner als der Schalthebel eines Autos, der die ganze gelbe Wucht des Eisbrechers Oden lenkt. Mit leichter Hand, aber dennoch ganz vorsichtig richtet er den Bug langsam Richtung Norden aus, maßvoll und beherrscht in jeder Bewegung, beim Griff um den runden Knopf des Lenkstabs, in der leichten Beuge des Ellbogengelenks, in der sanften Anspannung des Bizeps. Trotzdem will es nicht. Er lenkt zwar sein Schiff, ist jedoch nicht Herr über die Wellen des Atlantiks, die es jetzt fangen, als es sich querlegt, und mit ihm spielen, wie man mit einem sehr kleinen Kind spielt; mit vorgetäuschter Heftigkeit und großer Vorsicht heben sie seinen massigen Körper hoch in den hellgrauen Nachthimmel, um ihn gleich wieder tief in das dunklere Grau der Wellentäler eintauchen zu lassen, sie ziehen ihn hoch und lassen ihn sinken, ziehen ihn hoch und lassen ihn sinken …

Ohne es selbst zu merken, schiebt der Steuermann die Zungenspitze vor und lässt sie beim Steuern helfen, während sich die Rückenmuskeln anspannen und der Griff um den Steuerknüppel fester wird. Er ist vollkommen konzentriert, dennoch versteckt sich ein Lächeln in den Fältchen um die Augen. Genau hier will er sein. Niemals irgendwo anders. Wenn er sich ein Paradies nach dem Tod aussuchen könnte, dann müsste es genau so sein: eine ewige Nachtwache auf der Brücke der Oden, genau in dem Moment, als das Schiff dem Atlantik den Rücken zuwendet und in die Davis Strait hineinfährt, Baffin Island irgendwo an der Backbordseite und Grönlands Westküste wie ein Schatten steuerbord. Er könnte die gesamte Ewigkeit in dieser Einsamkeit verbringen, da sie die trostreiche Gewissheit birgt, dass er von Menschen umgeben ist, von vielen, aber dennoch nicht mehr, als er zählen kann, und dass die meisten ruhig in ihren Kajüten schlafen. Nur er und zwei Männer in blauen Overalls tief unten im Maschinenraum sind im Augenblick wach. Vorausgesetzt, dass nicht alle von dem Seegang aufgewacht sind natürlich, daliegen und sich an den Kojenrändern festhalten, voller Angst, herauszufallen. Was sie ruhig tun können. Hauptsache, dass niemand auf die Brücke kommt und Steuermann Leif Eriksson in seiner besten Stunde stört.

So. Das Gieren ist abgeschlossen. Der stumpfe Bug zeigt geradewegs Richtung Norden, und das Schaukeln hat aufgehört. Die Oden, dieses Femininum mit dem schwedischen Namen des männlichen Gottes Odin, rollt ruhig weiter. In offenem Fahrwasser bewegt sie sich wie eine Frau im neunten Monat oder wie ein Ringer außerhalb des Rings. Doch bald, nach nur ein paar Stunden oder Tagen, wird sie diesen unnatürlichen Zustand hinter sich lassen und ins Eis hineingleiten. Das ist ihr wahres Element, in dem sie tanzt.

Leif Erikssson schaltet den Autopiloten ein, streckt den Rücken und spürt, wie die Anspannung von ihm abfällt. Das Paradies? Verdammt, auf was für verrückte Ideen man doch spätnachts kommen kann. Es ist wohl eher anzunehmen, dass er in der Hölle landet. Aber auch dort weiß er genau, wie es aussehen wird. Es wird ein ewiger Nachmittag in diesem alten Schuppen sein, den seine Frau »Ferienhaus« nennt und von ihren Eltern geerbt hat, an einem glühend heißen Tag, an dem die Sickergrube geleert und die Fenster gestrichen werden müssen, an dem die Alte schlecht gelaunt ist und der Whisky zur Neige geht, an dem sein Teenagersohn zurück in die Stadt will, zu seinem lebenswichtigen Computer …

Ach was. All das kann er vergessen. Er wird erst in anderthalb Monaten nach Hause kommen, und dann sind die Ferien vorbei, und die Sommerhütte ist für diese Saison geschlossen. Er ist noch einmal davongekommen, auch in diesem Sommer. Und den Preis dafür hat er bereits bezahlt, seine Frau war zwei Wochen lang beleidigt, als er ihr eröffnet hatte, dass er sich zur Expedition gemeldet hatte, taute dann jedoch auf, als er andeutete, dass das Geld, all diese albernen Extraeinnahmen, zum Kauf von irgendeinem unnützen Kram verwendet werden könnte. Sie beruhigt sich jedes Mal, wenn er ihr unnütze Dinge verspricht. Er kann sich kaum noch daran erinnern, was es dieses Mal war … Neue Kacheln in der Küche? Nein, das war letztes Jahr. Ein Heimkino, das war es. Verdammter Mist. Das bedeutete, dass er sich früher oder später durch eine Gebrauchsanweisung von mindestens 400 Seiten quälen musste. Vielleicht sollte er am nächsten Tag zu Hause anrufen und ihr vorschlagen, diesen blöden Apparat schon jetzt zu kaufen, mit Installation und allem …

Lieber nicht. Er hat keine Lust, mit ihr zu reden. Er möchte überhaupt mit niemandem reden. Das Einzige, wozu er Lust hat: vollkommen allein sechs Treppen hoch auf der Brücke derOden zu sitzen und den Horizont zu betrachten. Vielleicht würde ja bereits heute Nacht ein Eisberg auftauchen. Er hofft das. Eisberge werden, genau wie alles andere, größer und schöner, wenn man sie in Einsamkeit erlebt. Er blinzelt in die graue Unendlichkeit. Nein. Noch ist nichts zu sehen, und eigentlich weiß er ja auch, dass es noch zu früh ist. Morgen vielleicht …

Das Schiff erzittert. Leif Eriksson runzelt die Stirn und beugt sich vor, sitzt ein paar Sekunden lang reglos da, mit erhobener Hand, bereit, den Steuerknüppel zu greifen, wenn das nötig ist, aber nichts passiert. Er lässt die Hand sinken und steht auf. Zeit für einen Kaffee. Und für ein paar Eintragungen ins Logbuch.

Den Becher in beiden Händen, geht er eine Runde über die Brücke, während er die weiße Nacht draußen betrachtet. Die Mittsommernachtssonne ist eine Silbermünze hinter den Wolken. Einen Moment lang wird er von einer leicht surrealen Stimmung gepackt und meint zu fliegen, dann blinzelt er schnell und sammelt sich. Er fliegt nicht, er befindet sich nur hoch über dem Meer, oben auf dem sechsten Deck, breitbeinig und sicher steht er auf dem Teppichboden. Vielleicht ist es das Licht, das ihm einen Streich spielt. Er kann voraus und nach achtern gucken, nach steuerbord und nach backbord, wenn er sich nur dreht, und dennoch sieht er nicht alles, denn vor den großen Fenstern steigt der Nebel der späten Nacht langsam zum Himmel und löst alle Konturen auf. Seine Finger sind kalt, und automatisch wirft er einen Blick auf das Thermometer, obwohl er weiß, dass die Außentemperatur nichts mit der Wärme hier oben auf der Brücke zu tun hat. Er hat hier schon in Hemdsärmeln gesessen, wenn draußen vierzig Grad minus herrschten. Die Brücke der Oden ist sicher in ihrer Unveränderlichkeit. Auch wenn der Sturm draußen heult, sind alle Geräusche hier drinnen gedämpft, und auch im schlimmsten Seegang steht die Ausrüstung sicher festgeschraubt an ihrem Platz. Normalerweise fällt nicht einmal ein Blatt Papier zu Boden, und sollte das doch passieren, dann wird es sofort von dem Nächststehenden aufgehoben. Er verzieht das Gesicht. An Land bräuchte man wohl eine Konferenz und Verhandlungen darüber, wer sich dafür krumm macht. Das ist ein Grund, warum er es vorzieht, zur See zu fahren. Man kommt um eine ganze Menge Blödsinn herum.

Die Nacht ist dunkler geworden, doch das liegt eher an mehr Wolken und Nebel als am Stand der Mittsommernachtssonne. Dennoch muss es kälter geworden sein, das kann er sehen, wenn er nach achtern schaut. Das Kielwasser, das vor ein paar Stunden noch grau und weiß schäumte, hat sich buchstäblich in Silber verwandelt. Die Wellen verlaufen nur ein paar Meter seitwärts, bevor sie auslaufen und ganz verschwinden, das ist eine zögerliche kleine Bewegung, die aufzuhören scheint, bevor sie vollständig ausgeführt wurde. Leif Eriksson nimmt einen Schluck Kaffee und folgt ihnen mit dem Blick. Eine Eishaut? Jetzt schon? Er dreht sich um und späht in Fahrtrichtung. Ja. Hier ist es ebenso. Die Wasseroberfläche glänzt wie Wasser, bewegt sich aber so gut wie gar nicht, sie befindet sich in dieser sonderbaren Zwischenphase, in der sie weder Eis noch Wasser ist.

Aha. Sieh einer an. Dann wird es bald richtiges Eis zu brechen geben. Er nickt vor sich hin und lässt sich wieder auf seinen Stuhl sinken, lehnt den Kopf gegen die Nackenstütze und richtet den Blick auf den Horizont. So bleibt er eine ganze Weile sitzen, reglos bis auf das langsame Heben und Senken der Augenlider, und endlich verstummen auch seine Gedanken.

Eine Bewegung am Rande seines Gesichtsfelds versetzt auch ihn wieder in Bewegung, er richtet sich so hastig auf, dass der kalte Kaffee fast über den Becherrand schwappt, und blinzelt aufs Deck hinunter, um besser sehen zu können. Wer ist das? Und was macht diese Frau da unten auf Deck um halb zwei Uhr nachts? Er stellt seinen Becher ab und beugt sich vor, bis er fast ans Fensterglas stößt, reibt sich mit Daumen und Zeigefinger die Augenwinkel, um besser sehen zu können. Ist das eine der Forscherinnen? Nein. Die ersten Proben werden doch nicht vor vier Uhr morgens entnommen, bis dahin schlafen sie, so tief sie nur können. Und außerdem würde keiner all dieser Chemiker oder Ozeanografen, oder wie sie sich nun alle nennen mögen, im bloßen Nachthemd an Deck herumlaufen … Denn dass dem so ist, kann er deutlich sehen. Die Frau, die über die vorderen Decks läuft, trägt zwar die blaue Windjacke des Polarforschungssekretariats, aber es besteht kein Zweifel, dass sie die nur über ein weißes Nachthemd gezogen und dann ihre nackten Füße in ein paar braune Stiefel gesteckt hat. Sie sieht aus wie eine verirrte Lucia, mit ausgestrecktem rechten Arm und etwas Weißem, nein, etwas Schwarzem, nein, es ist sowohl weiß als auch schwarz, was da von ihrer Hand baumelt. Sie geht ganz bis zum Vorderdeck und klettert die kleine Treppe an der Reling hoch, beugt sich über den Rand und wirft ohne das geringste Zögern das Schwarzweiße ins Meer. Dann dreht sie sich um und hüpft mit einem kindlichen Schlusssprung wieder aufs Deck, steckt ihre Hände in die Taschen und macht sich auf den Rückweg. Erst als der Wind ihr gewelltes Haar zu packen bekommt, kann Leif Eriksson sie erkennen. Das ist ja dieses blasse Wesen, diese Frau, die so durchsichtig ist wie eine rohe Krabbe und ebenso farblos. Zurückhaltend. Definitiv keine von denen, um die sich die männliche Besatzung prügelt. Es sieht aus, als spürte sie, dass sie beobachtet wird, denn plötzlich bleibt sie stehen und schaut zur Brücke hoch, hebt dann zögerlich die Hand zum Gruß. Sie kann ihn nicht sehen, das weiß er, niemand, der auf den vorderen Decks steht, kann in die Brücke hineinsehen, nicht einmal bei vollem Tageslicht, dennoch fühlt er sich veranlasst, ebenso zögerlich die Hand zur Antwort zu heben. Sekunden später ist sie verschwunden.

Leif Eriksson lässt sich wieder auf seinen Stuhl fallen und verzieht das Gesicht. Was um Himmels willen ist da eben passiert? Er wirft einen Blick auf die Uhr. 01.34 Uhr. Er müsste eine Notiz im Logbuch machen, und dafür ist der Zeitpunkt wichtig. Dann wird der Kapitän morgen die Sache übernehmen und ihr eine Lektion erteilen. Nichts darf hier ins Meer geworfen werden, das wissen doch alle. Der gesamte Eisbrecher ist ein geschlossenes System, ein System, das zwar Meerwasser fürs Labor aufsaugt, aber keinerlei menschlichen Abfall von sich gibt. Das fehlte noch. Was hätte denn ein Forschungsschiff für einen Sinn, wenn es selbst das Wasser verschmutzt, das es untersuchen will?

»Die hat sie ja wohl nicht mehr alle!«

Seine eigene Stimme überrascht ihn. Sie zittert etwas, was ihm peinlich ist, und dass ihm das peinlich ist, macht ihn noch wütender.

»Scheiße, die hat sie doch echt nicht mehr alle!«

Er nimmt seinen Becher und bringt ihn in die Pantry, kippt den kalten Kaffee aus und schenkt sich neuen nach, bevor er zurück zum Steuerknüppel geht, sich hinsetzt und zu entspannen versucht. Was ihm nicht gelingt. Plötzlich ist das Wasser draußen nur Wasser, die Küste nur eine Küste und der Himmel nur ein Himmel.

Leif Eriksson nimmt einen Schluck Kaffee. Tja. So viel zum Thema ungestörte Nachtwache. Vielen Dank auch. Vielen, vielen Dank.

Die Sonne blendet Anders, als er aufsteht, er muss blinzeln, während er aus dem Fenster guckt. Er weiß natürlich, warum. An einem Morgen vor nicht einmal einem halben Jahr hat er Eva eine kleine Privatvorlesung über dieses Thema gehalten. Mit jedem Tag, der vergeht, werden die Proteinfibern hinter der Linse im Auge immer gröber, hatte er erklärt, und je gröber sie werden, desto mehr Elastizität verliert die Linse. Eines Tages würde sie sich dann gar nicht mehr an Licht und Dunkelheit anpassen können, aber bis dahin war es noch sehr lange hin. Das hoffte er zumindest. Hoffte es, glaubte es, meinte es zu wissen.

»Willst du damit sagen, dass du blind werden wirst?«, fragte Eva damals. Sie saß auf der Bettkante und zog sich die Strumpfhose an. Er selbst stand am Fenster und knöpfte sich sein Hemd zu. Als er sie ansah, wich sie seinem Blick aus. War es das erste Mal? Nein. Ihr Blick war seinem schon seit langer Zeit verschlossen.

»Nein. Aber wenn ich lange genug lebe, werde ich den Star kriegen. Wie alle. Du auch.«

Darauf hatte sie nichts erwidert, war nur aufgestanden und hatte die Strumpfhose mit einer plumpen, stampfenden Bewegung zurechtgerückt, bevor sie ihm den Rücken zuwandte und sich zur Schranktür drehte. Er war noch eine Weile dort stehen geblieben und hatte sich dumm gefühlt. Warum musste er immer so dozieren? Sie hatte schon seit vielen Jahren aufgehört, ihm mit ihrer Bewunderung zu schmeicheln. Dann hatte er sich wieder zum Fenster umgedreht und die Jalousien hochgezogen, seine Augen dem Licht geöffnet, vor dem er vor wenigen Minuten noch zurückgewichen war. Ihm traten damals die Tränen in die Augen.

Auch jetzt treten ihm die Tränen in die Augen, aber er blinzelt sie schnell fort. Die langsame Anpassung des Auges ist abgeschlossen, er kann durch das Fenster gucken und lässt sich von dem einfangen, was er dort sieht. Ein glitzerndes Meer. Blauer Himmel. Und in weiter Ferne eine Küste, die in tiefstes Violett getaucht ist. Grönland. Er seufzt und streicht sich über den Bauch. Endlich. Acht Tage lang ist die Oden über ein bleigraues Meer getuckert, eingeklemmt unter einem ebenso bleigrauen Himmel, acht Tage lang hat er mit dem Gefühl gekämpft, dass er selbst sich in ein graues Nichts auflösen und verschwinden könnte. Noch gestern lag er den ganzen Nachmittag schwermütig und reglos in seiner Koje, nicht in der Lage, aufzustehen und irgendetwas anzupacken, was auch nur Arbeit ähnelte, nicht in der Lage, sich selbst einzureden, dass es nur vorübergehend so war, dass all das Grau weichen würde und … Aber jetzt ist es vorüber. Jetzt ist der neunte Morgen, und das Meer ist blau. Sie sind in der Nordwestpassage. Nun fängt die richtige Reise an.

Jetzt hat er es eilig, will nicht länger warten. Deshalb schnaubt er laut unter eiskaltem Wasser in der Dusche, zieht sich den Pullover über, noch bevor er sich ordentlich den Rücken abgetrocknet hat, und fährt sich mit der Hand durch das feuchte Haar, während er die Tür öffnet und auf den Gang hinaustritt. Dort ist alles wie üblich in bester Ordnung, vor jeder Kajütentür stehen grobe Schuhe und Stiefel ordentlich auf ihren Regalen, und zerfledderte Comics liegen in symmetrischen Stapeln da. Ansonsten ist es leer. Nicht ein Mensch zu sehen. Niemand sieht ihn. Deshalb geht er mit einer ausgestreckten Hand und lässt die Fingerspitzen über die Wand laufen. Sicherheitshalber.

»Es gibt eigentlich nur eine Sache zu bedenken«, hatte Folke an jenem Nachmittag im Krankenhaus gesagt. »Man muss immer eine Hand frei haben auf dem Schiff. Immer. Ganz gleich, was man macht. Du musst das bereits bei den ersten Sicherheitsinstruktionen zur Sprache bringen. Ich habe genügend gebrochene Arme und Beine gesehen, nur weil sie sich nicht richtig haben abstützen können, wenn sich das Schiff auf die Seite gelegt hat.«

Anders hatte lachen müssen. Folke bemerkte das und grinste unter seinem Schnurrbart.

»Was zum Teufel … Nun ja, das hier ist an Land passiert.«

Folke war auf einer seiner eigenen Stationen aufgenommen worden, und hier lag er nun mit dem Bein in Streckgips, etwas benommen durch eine ungewöhnlich großzügige Dosis Schmerzmittel. Das Pflegepersonal und andere Ärzte gaben sich an seiner Tür die Klinke in die Hand, gleichzeitig schmunzelnd und voller Mitleid. Der Orthopäde war auf der Orthopädie gelandet! Armer Folke! Diesen Sommer würde er nicht ins Eis kommen.

Er hatte Anders, nur wenige Stunden nachdem er auf der Station aufgenommen worden war, angerufen. Und Anders hatte gleich beim ersten Klingeln geantwortet. Das war ihm zur Gewohnheit geworden. In den letzten Wochen war er jedes Mal zusammengezuckt, sobald es nur klingelte. Doch sie war es nicht. Sie war es nie.

»Was treibst du?«, wollte Folke wissen.

Dosensuppen aufwärmen. Aus dem Fenster starren. Überlegen, ob man den Toaster mit in die Badewanne nimmt. Das trieb er so.

»Warum?«

»Willst du ins Nördliche Eismeer fahren?«

»Nein.«

»Warum denn nicht?«

»Warum sollte ich?«

»Weil ich dir erzählt habe, wie fantastisch es ist, ins Nördliche Eismeer zu fahren.«

»Ach so. Und warum fährst du nicht selbst?«

»Mir ist ein kleines Missgeschick dazwischengekommen. Wie man so sagt.«

»Bist du verletzt?«

»Kann man wohl sagen. Rechter Schenkelknochen und Ellbogen. Dazu noch gewisse Kniekomplikationen.«

»Was ist denn passiert?«

»Eine Angeltour draußen auf dem Land. Ein glittschiger Felsen, als ich an Land gehen wollte. Aber was soll’s, das Schlimmste ist, dass die Oden am Montag in See sticht …«

Erst als er sich ins Auto setzte, um ins Krankenhaus von Helsingborg zu fahren, wurde ihm klar, dass Folke es gewusst haben musste. Warum sonst hätte er ausgerechnet Anders angerufen? Es musste doch genügend Leute geben, die sehr viel erpichter darauf waren, als Schiffsarzt auf einer wissenschaftlichen Expedition mitzufahren. Orthopäden und Chirurgen aus Folkes eigenem Krankenhaus beispielsweise. Warum sollte er sich also ausgerechnet einen blöden niedergelassenen Allgemeinarzt aussuchen, wenn er nicht gewusst hätte, dass dieser Hausarzt den ganzen Sommer in seinen vier Wänden herumlief und die Bitterkeit in sich hineinfraß? Natürlich würde kein erfolgreicher Arzt mit intakter Familie sich mit nur drei Tagen Vorbereitungszeit auf eine Polarexpedition aufmachen. Also musste er es gewusst haben. Und wenn Folke es wusste, dann wussten es auch viele andere. Es gab Anzeichen, die darauf hindeuteten, Zeichen, die er hätte sehen und verstehen müssen, die er jedoch nicht wahrgenommen hatte. Hatte nicht die älteste Sprechstundenhilfe in der Praxis letzte Woche eines Morgens den Kopf schräg gelegt und mit honigsüßer Stimme gefragt, wie es ihm eigentlich gehe? Er hatte sie mit einer Mischung aus Verachtung und Verwirrung angestarrt, ohne jedoch wirklich zu verstehen. Und hatte nicht der alte Zementfabrikant, der vom Krebs aufgefressen wurde, Anders nur ein paar Tage später auf den Rücken geklopft und ihm angestrengt fröhlich erklärt, man dürfe niemals aufgeben? Seh’n Sie mich an! Fünfundachtzig Jahre alt und halb tot, aber aufgegeben habe ich immer noch nicht. Und das sollten Sie auch nicht tun, Anders!

Sie wussten es. Vielleicht hatten sie es die ganze Zeit über gewusst. Vielleicht war er der Einzige in der ganzen Stadt, der keine Ahnung von Evas Verhältnis mit diesem Kerl gehabt hatte. Vielleicht hatten Patienten wie Kollegen ihn schon seit vielen Monaten voller Mitleid und Verachtung angesehen, vielleicht hatten sie schon seit über einem Jahr hinter seinem Rücken geredet und geflüstert. Hat Eva Jansson was mit diesem Bengtsson? Meine Güte!

Der Gedanke hatte ihn von der Straße abbiegen und auf einen kleinen Kiesweg fahren lassen. Er hatte ein Stück weiter angehalten, genau dort, wo der Weg eine Biegung machte und das Gestrüpp am dichtesten stand, dann war er ausgestiegen, um sich in den Straßengraben zu übergeben. Was ihm nicht gelang, es blieb bei trockenem Würgen. Hinterher hatte er sich eine Weile auf die Motorhaube gelehnt, sich mit seinem ganzen Gewicht auf die gestreckten Arme gestützt, die Augen geschlossen und gespürt, wie die Sonne seinen Rücken wärmte. Er konnte nicht sagen, wie lange er dort gestanden hatte. Vielleicht nur ein paar Minuten. Vielleicht eine halbe Stunde oder mehr. Das war auch unwichtig. Alles, was er wusste: Er hatte lange genug dort gestanden, um einzusehen, dass er endlich aufzuhören musste, sich selbst zu belügen. Er musste sich gezwungenermaßen selbst eingestehen, dass er jeden Tag einige Male seine Selbstbeherrschung verlor, vor Erleichterung tief aufatmete und spürte, wie es vor Erwartung in der Magengrube kribbelte – Ich bin frei! −, bevor die Finsternis ihn wieder überwältigte. Er trauerte, das stimmte schon, aber trauerte er wirklich um Eva? Nicht eher um all die verlorenen Tage? Oder die undurchdringliche Fassade, die er den Bewohnern von Landskrona dreißig lange Jahre gezeigt hatte?

Also war es an der Zeit, einen Entschluss zu fassen.

Doch. Er wollte weg. Er würde sich auf den Weg ins Eis machen. Solange es das noch gab.

Er hatte Glück: Die zuständige Frau in der Personalabteilung in Malmö war noch nicht nach Hause in ihr wohlverdientes Wochenende gegangen, obwohl es bereits nach drei Uhr am Nachmittag war. Sie murrte ein wenig, protestierte aber nicht wirklich. Ihm standen noch über acht Wochen Urlaub zu, und außerdem drei Wochen an Überstunden, und auch wenn das nun wirklich reichlich plötzlich kam und der Personalmangel groß war, so gab es ja bereits Vertretung an Ort und Stelle und …

Drei Tage später war er an Bord gegangen. Seine Hand hatte gezittert, als er die Jakobsleiter packte und von dem Taxiboot an Deck der Oden kletterte.

Die ersten Tage waren eintönig, aber erträglich gewesen. Er war durch das Fahrzeug gelaufen, hatte in Maschinenraum und Werkstatt geschaut, das Labor und die Laborcontainer besucht, wo die Forscher dabei waren, ihre Ausrüstung auszupacken, und sich vorsichtig miteinander bekannt machten. Dann hatte er eine Weile neben den Vogelkundlern auf dem dritten Deck gesessen und aufs Meer hinausgestarrt und war anschließend mit leichtem Schaudern dem Koch gefolgt und hatte den Biervorrat hinter der Messe begutachtet. Am nächsten Tag hatte er sich im Krankenrevier aufgehalten und den ganzen Vormittag damit verbracht, den Medikamentenvorrat durchzugehen, während er gleichzeitig den lieben Gott anflehte, ihn doch vor Schlaganfall, Blinddarmentzündung und ernsthaften Zahnschmerzen mit Vereiterungen zu verschonen. Am Nachmittag verließen sie die Wellen der Nordsee und trafen auf die Brandung des Atlantiks, und vor seiner Tür hatte sich eine kleine Schlange grünbleicher Gestalten gebildet. Er hatte ihnen allen Pflaster gegen die Seekrankheit hinters Ohr geklebt, während er gleichzeitig versuchte, sich ihre Namen zu merken. Am dritten Tag hatte er seiner Schwester in Stockholm eine E-Mail geschickt, in der er ihr kurz und knapp berichtete, dass er diesen Sommer nicht bei ihr vorbeischauen würde, weil er – Ist das nicht fantastisch! – auf dem Weg ins Nördliche Eismeer war. Er hatte auf ihre Antwort nicht wieder geantwortet, eine Antwort, die viele Fragen enthielt, doch als der Kiosk nach dem Mittagessen wieder öffnete, hatte er eine Karte für das Satellitentelefon gekauft und Evas Handy angerufen. Vier Freizeichen waren erklungen, bevor ihre Stimme ihn auf dem Anrufbeantworter ermahnte, doch eine Nachricht zu hinterlassen. Er hatte aufgelegt, bevor das Piepsen kam, dann war er an Deck gegangen und hatte lange Zeit dort gestanden, die Hände in den Hosentaschen, und auf den Horizont gestarrt.

»Ist das nicht schön!«, sagte eine Frau, die vorbeihastete. Er musste sich anstrengen, um sich daran zu erinnern, dass sie Ulrika hieß. Frischgebackene Professorin in Ozeanografie.

»Ja«, sagte er. »Wirklich.«

Doch er log. Er fand das überhaupt nicht schön. Es war doch nur jede Menge Wasser.

Die Stimmung in der Messe ist heute anders, die Stimmen klingen heller, es wird mehr gelacht. Alle sind erleichtert, weil sie den grauen Atlantik hinter sich gelassen haben. Er nimmt sich sein Ei und seinen Saft und wählt sorgfältig zwischen den frisch gebackenen Brötchen aus, bevor er sich entscheidet. Vor ein paar Tagen ist ihm aufgegangen, dass die Besatzung ihren eigenen Tisch hat und dass sie es nicht schätzt, wenn sich andere ihnen aufdrängen, deshalb stellt er sein Tablett auf einen Tisch, an dem nur Forscher und Gäste sitzen, zieht den Stuhl heraus und gibt sich alle Mühe, zufrieden und entspannt zu wirken.

»Bist du auch davon aufgewacht?«, fragt eine Frau auf der anderen Tischseite, und eilig sucht er in seinem Gedächtnis nach ihrem Namen. Katrin.

»Wovon?«

»Von dem Seegang heute Nacht. Als wir den Kurs geändert haben. Ich selbst bin aus der Koje gerollt.«

Ein junger Mann neben ihr lacht. Ein Umweltforscher. Name unbekannt.

»Sag bloß Leif nichts. Sonst wird er stinksauer.«

Katrin lächelt:

»Noch saurer als üblich?«

»Ich habe versucht zu fragen, was passiert ist, aber er hat nur gefaucht …«

»Dann bist du auch aufgewacht?«

»Habe lange dagelegen und mich am Kojenrand festgehalten.«

Anders schlägt sein Ei auf. Er weiß nicht, wovon sie reden. Vielleicht hat er die ganze Nacht tief geschlafen, vielleicht hat er nur geträumt, dass er wach gelegen hat. Das ist schon früher vorgekommen.

Ulrika lächelt in ihrer Ecke:

»Heute kommen die Eisberge.«

Die Frau ihm gegenüber blinzelt:

»Bist du dir sicher?«

Susanne. So heißt sie. Bald hat er fast alle der siebenundsechzig Namen der Menschen an Bord gelernt. Also kann er noch nicht ganz senil sein.

»Fast sicher. Es ist Zeit für Eisberge. Oder was meinst du, Roland?«

Roland, Kapitän und Alleinherrscher der Oden, bleibt an ihrem Tisch stehen. Er sieht verbissen aus.

»Das ist sehr gut möglich«, sagt er und nickt Ulrika zu, bevor er Susanne fixiert. »Und mit dir möchte ich sprechen, sobald du fertiggegessen hast. Oben auf der Brücke.«

Sie sieht verwirrt aus.

»Mit mir? Wieso das?«

Rolands Augen verengen sich.

»Das erzähle ich dir, wenn wir auf der Brücke sind.«

Mit kerzengeradem Rücken verlässt er die Messe.

»Oje«, sagt Ulrika und wedelt mit der rechten Hand, als hätte sie sich verbrannt. »Oje. Das gibt Senge … Was hast du denn gemacht?«

»Ich habe gar nichts gemacht«, erwidert Susanne.

Doch ihre Stimme ist schrill, und ihre Wangen sind gerötet. Also hat sie doch etwas gemacht. Das sieht man ja.

Und dann kommt der Eisberg.

Zuerst sind es nur ein paar kleine Klumpen, die vorbeigleiten, sanft gerundete Eisinseln, die von den Wellen abgeschliffen wurden und bald ganz schmelzen werden; aber hinten am Horizont sind bereits die großen Meisterwerke zu erahnen: kleine weiße Brocken, die im Spalt zwischen dem Licht des Himmels und dem dunklen Blau des Meeres glitzern. Und an allen Decks, die acht Tage lang so gut wie menschenleer dalagen, wimmelt es jetzt von Menschen. Sie strömen aus den großen Laboratorien und den kleinen Laborcontainern herbei, von der Brücke und aus dem Maschinenraum, aus Küche und Werkstatt, aus den Kajüten und dem Raucherzimmer. Einige haben sich schon gegen die Kälte gewappnet, sich die blauen Jacken übergezogen, die Uniform der Expedition, und die Mützen tief in die Stirn gezogen, andere stehen in Pullover und dünner Hose da und ziehen die Schultern zum Schutz gegen den Wind hoch. Ihre Kameras sind bereit. Alle haben ihre Kameras gezückt. Die Luft ist schwer vor Erwartung, Gespräche werden nur vereinzelt geführt, mit gedämpfter Stimme.

Der erste richtig große Berg ist ein Amphitheater, ein funkelndes Amphitheater mit einem Fußboden aus blauem Glas. Er gleitet in einem Abstand von nur fünfzig Metern vorbei und dreht sich langsam, während die Oden passiert, gibt seine weiße Vollkommenheit preis, als wollte er zeigen, dass sein Äußeres ohne den geringsten Fleck oder Riss ist, dass nur noch das Publikum und die Schauspieler fehlen.

Die Stimmen auf der Oden verstummen. Die Kameras klicken.

Der zweite große Berg ist ein Capri en miniature, weiße Bergspitzen recken sich gen Himmel, am Außenrand schimmert eine Grotte im klarsten Blau. Unter dem Wasser ist der gewaltige Klumpen von türkisem Eis zu sehen, der die ganze Insel schwimmen lässt. Jemand erinnert sich plötzlich an das Bild aus dem Psychologiebuch über das Unterbewusstsein und muss lachen, besinnt sich aber gleich darauf und zückt wieder den Fotoapparat.

Der dritte Berg ist ein richtiger Berg, spitz und imposant, ohne jede Spur von Koketterie. Dunkle Risse klaffen wie Wunden in der weißen Hülle, und Schneelagen zeichnen blasse Blutspritzer drum herum. Er kommt ganz nah, einen Moment lang scheint der Koloss so dicht an die Oden heranzukommen, dass alle den Atem anhalten. Kurz flackern Fantasien auf. Kann die Oden umkippen? Kann ein Eisberg von dieser Größe ein Loch in den Schiffsbauch reißen, der aus drei Zentimeter massivem Metall besteht? Nein. Natürlich nicht. Sie sind auf der sicheren Seite. Der Steuermann, der ihn so nah hat herankommen lassen, weiß, was er tut. Und außerdem scheint die Nähe eine Illusion zu sein, das sieht man, als ein junger Matrose seine Hand ausstreckt, um den Berg zu berühren. Das geht nicht, der Abstand ist unendlich viel weiter als eine Männerarmlänge.

Dann haben sich alle an den Anblick gewöhnt. Die Jungs aus dem Maschinenraum ziehen die Hände aus der Tasche und stampfen stattdessen, sie wissen selbst nicht so recht, ob aus Ungeduld oder Pflichtgefühl, sie wissen nur, dass es an der Zeit ist, wieder hinunter in das Dröhnen zu gehen, das ihren Alltag bestimmt. Die Bewegung setzt sich fort: Eine der Frauen aus der Messe guckt auf die Uhr – Mein Gott, sie muss ja die Kartoffeln aufsetzen! –, und zwei der Forscher sehen ebenso plötzlich ein, dass es Zeit für eine Probemessung ist. Einer nach dem anderen eilt davon, die Besatzung zuerst, dann die Forscher. Ein paar von denen, die unter dem vagen Begriff »Gäste« laufen, schlendern hinterher: ein Fernsehjournalist und sein Kameramann, die beschlossen haben, auf dem vierten Deck bessere Blickwinkel zu suchen, ein Künstler mit Skizzenblock, der nach achtern geht, um dem dritten Eisberg noch eine Weile mit Blicken zu folgen.

Zum Schluss sind nur noch zwei Personen auf dem Vorderdeck. Eine Frau mit krausem Haar und ein Arzt. Leute, die momentan keine Verpflichtungen haben. Sie stehen jeder auf ihrer Fußbank, ein Stück voneinander entfernt, und beugen sich über die hohe Reling. Ein kühler Wind streift sie, kitzelt ihn in der nackten Halsgrube und hebt kurz ihr offenes Haar an.

»Wie ist es beim Kapitän gelaufen?«, will Anders wissen.

Susanne schaut auf den Horizont. Weitere Eisberge sind auf dem Weg, sie liegen glänzend wie Bergkristalle am Horizont.

»Ich habe einen Rüffel gekriegt. Offenbar habe ich das Nördliche Eismeer kontaminiert.«

Anders zieht die Augenbrauen hoch.

»Du hast das Nördliche Eismeer kontaminiert? Wie hast du das denn geschafft?«

Es dauert einen Moment, bis sie antwortet, dann wirft sie ihm einen schnellen Blick zu.

»Es hat sich so ergeben, dass ich einen Pullover ins Wasser geworfen habe. Und ein Handtuch. Aus Versehen.«

»Es ist hat sich so ergeben, dass du einen Pullover und ein Handtuch ins Wasser geworfen hast?«

»Aus Versehen.«

Sie klingt verärgert. Eine Weile bleibt es still. Anders blinzelt zum Horizont.

»Hast du das gesehen?«

Sie dreht den Kopf und sieht ihn an.

»Was?«

»Die Wasserfontäne. Ich glaube, da vorn ist ein Wal …«

Er sucht in seinen Taschen nach dem Fernglas, das er von Folke geliehen hat. Es ist ein Swarovski bester Qualität, über zehntausend Kronen wert, und deshalb hält er es fest umklammert. Aber er kann keinen Wal entdecken, wie angestrengt er das Fernglas auch hin und her bewegt. Vielleicht hat er sich selbst etwas vorgemacht. Darin ist er gut.

»Nein«, sagt Susanne nach einer Weile. »Ich sehe keinen Wal.«

Anders antwortet nicht, richtet stattdessen das Fernglas auf eine Insel in weiter Ferne. Bis vor Kurzem war sie dunkellila, aber im Fernglas wird sie braun. Nackte Erde. Vielleicht auch Lava. Arktische Wüste.

Er hält immer noch das Fernglas an die Augen gedrückt, als sie wieder das Wort ergreift.

»Habe ich am ersten Tag richtig gehört, stimmt es, dass du aus Landskrona kommst?«

Jetzt klingt sie nicht mehr sauer. Er lässt das Fernglas sinken.

»Du hast richtig gehört.«

»Ich bin in Landskrona geboren. Aber ich habe höchstens zehn Jahre dort gelebt.«

»Da hast du nicht viel versäumt.«

Sie lacht auf.

»Das glaube ich dir gerne.«

Ein weiterer Eisberg nähert sich, eine modernistische Skulptur mit scharfen Spitzen und klarblauen Hohlräumen. Während er vorbeitreibt, betrachten sie ihn schweigend.

»Was bist du eigentlich für ein Arzt?«, fragt Susanne schließlich.

»Allgemeinmediziner.«

Er tritt aufs Deck hinunter und steckt das Fernglas in die Tasche, macht sich bereit zu gehen. Sie steht immer noch auf ihrem Tritt, hat dem Meer jetzt aber den Rücken zugewandt.

»Das bedeutet wohl, dass du ein bisschen von allem kannst?«

Er lächelt. Das ist ja eine schmeichelhafte Art, es auszudrücken.

»Nun ja, das könnte man wohl so sagen.«

»Psychiatrie auch?«

Er beginnt zu ahnen, worauf sie hinauswill. Eine Psychotante. Auf die kann er gut verzichten.

»Doch, ja«, sagt er. »Psychiatrie auch.«

»Früher wollte ich Psychologin werden. Aber ich bin noch vor der Zulassung abgesprungen.«

Anders lächelt wieder, um zu verbergen, was er denkt – Aber sicher doch –, sagt aber nichts.

»Wie schön, dass wir gleich zwei Fachrichtungen auf einmal hier an Bord haben.«

Sie hüpft mit einem kindlichen Schlusssprung aufs Deck und schiebt die Hände in die Jackenärmel. Anders legt den Kopf leicht schräg und wartet auf eine Fortsetzung.

»Warum ist das schön?«, fragt er schließlich.

Sie schenkt ihm ein kurzes Lächeln.

»Einfach so.«

Und damit geht sie.

Ein paar Stunden später ist alles anders.

In der Bar herrscht Gedränge, obwohl es erst vier Uhr nachmittags ist. Magnus leert einen Krug Bier in einem Zug, es ist ein großer Krug, und das dauert seine Zeit, und um ihn drängen sich Forscher und Besatzung. Sie klatschen in die Hände, rhythmisch und laut, alle schauen Magnus und seinen Bierkrug an, sie lächeln, aber die Blicke sind leer, alle sind tief versunken in die Bewegung und den Rhythmus. Doch als der Krug leer ist und Magnus ihn triumphierend in die Luft streckt, da bricht der Jubel los. Ja! Er hat es geschafft!

Anders lehnt sich gegen den Bartresen und packt seinen eigenen Krug, versucht die Melodie wegzuschieben, die aus der Stereoanlage dröhnt. I’m a man of constant sorrow … Nein. Er ist ein leicht beschwipster praktischer Arzt, dem soeben der Schädel rasiert wurde. Vorsichtig streicht er sich über die Kopfhaut, die glatt und kühl ist unter seiner rechten Hand. Nicht, dass es so einen großen Unterschied macht, es gab ja nicht besonders viel zu rasieren, und wenn sein nackter Schädel zur Unterhaltung beiträgt, warum nicht. In seinem gesamten erwachsenen Leben – und ganz besonders seit dem Tag, als er mit leichtem Schuldgefühl eine Patientin heiratete – hat er beharrlich die professionelle Distanz gewahrt. Jetzt ist er nicht mehr verheiratet, zumindest nur noch auf dem Papier, und jetzt scheißt er auf die professionelle Distanz. Er scheißt sogar darauf, nüchtern zu bleiben. Wenn sich jemand an diesem Abend das Bein bricht, dann ist er selbst schuld. Der Doktor denkt gar nicht daran, es zu schienen oder zu gipsen. Der Doktor hat sich besoffen.

Um halb drei Uhr am Nachmittag hat die Oden den Polarkreis passiert, und eine Viertelstunde später sind König Neptun und seine Gemahlin an Bord gekommen, das heißt ein verkleideter Maschinist mit Königskrone und Dreizack und eine Frau aus der Messe in Silberbikini und mit schwarzen künstlichen Wimpern. Forscher und Gäste wurden ins Raucherzimmer gescheucht und dort mit ein paar Paletten Bier eingeschlossen, dann kamen Männer von der Besatzung, als Piraten verkleidet, herein und holten sie, einen nach dem anderen. Die Hände hinter den Rücken gefesselt, wurden sie lachend an Deck geführt, wo sie mit dem Kopf in einen Trog mit eiskaltem Meerwasser getaucht wurden; dann wurden sie in den Sportraum geführt, wo sie der verkleidete Steuermann mit einer Heckenschere erwartete. Hier sollte geschnitten werden! Der weibliche Teil der Forscher saß jammervoll mit geschlossenen Augen auf dem Boden, während ein Matrose sie an den Haaren zog und mit der Heckenschere hinter ihnen in der Luft klapperte. Vielleicht machten sie es bei den anderen Männern auch so, vielleicht war es nur Anders, der tatsächlich rasiert wurde. Und deshalb wurde er wohl mit Jubel empfangen, als er schließlich, immer noch gefesselt, in die Bar geführt wurde, um ein Glas Meerwasser zu trinken. Guckt mal! Dem Doktor haben sie den Kopf rasiert!

Und jetzt sind alle getauft, das Fest ist in vollem Gange, die Musik dröhnt, die Forschung ist für heute beendet, und in der Bar ist es voll. Ein paar der erfahrensten Polarfüchse haben bereits angefangen zu tanzen. Ulrika wiegt sich vor einem jungen Chemiker in den Hüften, eines der Messemädchen wirft den Kopf in den Nacken und lacht einen jungen Steuermann an, Sture versucht mit einer Sachbearbeiterin aus dem Polarsekretariat eng zu tanzen, obwohl es nicht die Musik dafür ist.

»Volle Kanne. Prost!«

»Prost.«

Ola hebt seinen Bierkrug Anders entgegen.

»Dich haben sie also rasiert?«

»Ja.«

»Ihn da hinten auch.«

Ola macht eine Kopfbewegung hin zu einem Mann mittleren Alters mit grauem Pferdeschwanz. Anders schließt die Augen und versucht sich an dessen Namen zu erinnern. Robert. Dozent in analytischer Chemie an der Universität Uppsala.

»Ach ja?«, sagt Anders. »Aber ich finde, es sieht so aus, als hätte er noch ziemlich viel Haar übrig behalten.«

In dem Augenblick zieht Robert seinen Pullover hoch und entblößt vor Jenny, der kichernden Doktorandin, seine Brust. Sie juchzt vor Überraschung. Robert lächelt zufrieden und dreht sich herum, damit alle es sehen können. Jemand hat in seine graue Brustbehaarung einen Kreis rasiert. Ein O. Wie in »Oden«.

»Der reinste Frauenmagnet, der Typ«, sagt Ola. »Trotz seines Alters.«

Ist er ironisch? Oder vom Bier benebelt? Anders nimmt einen Schluck und beschließt, das Thema zu wechseln.

»Ist das deine erste Expedition?«

Ola schüttelt den Kopf.

»Nein. Meine dritte.«

»Geht es immer so wüst zu?«

»Ich habe schon Schlimmeres erlebt. Viel Schlimmeres. Aber mal sehen, wie es zur Nacht hin wird. Das kann noch ausarten.«

Anders lässt seinen Blick schweifen. Hinten auf dem Ecksofa ist es eng. Junge Forscher und Forscherinnen und ebenso junge Besatzungsmitglieder sitzen so dicht aneinandergedrängt, dass sich jede Bewegung durch die ganze Gruppe fortpflanzt. Niemand scheint etwas dagegen zu haben. Ein amerikanischer Professor lächelt sanft, er sitzt gegenüber in einem Ledersessel, und auf seiner Armlehne versucht die einzige weibliche Matrosin das Gleichgewicht zu halten, ohne zu nahe zu kommen. In dem anderen Ledersessel sitzt Martin, mit Sofia auf den Knien. Der Maschinist und das Messemädchen. Sie sind wohl ein festes Paar, Anders hat gesehen, dass sie eine Kajüte teilen, vielleicht sind sie sogar verheiratet. Frisch verheiratet in dem Fall, denn keiner von ihnen sieht älter als fünfundzwanzig aus. In den dritten Sessel lässt sich soeben Magnus sinken, das Leder knirscht unter seinem massigen Körper, er stellt einen weiteren Krug Bier auf den Tisch und entblößt seine Zähne in einem höhnischen Grinsen über Marcus, der versucht, sich auf die Armlehne zu setzen. Es ist ganz deutlich, dass er keinen weiteren Mann so dicht neben sich haben will, und schon gar keinen Künstler mit schmalen Schultern und lockigem Haar. Marcus’ Blick flackert, er steht auf, dreht ihm den Rücken zu und steuert den Bartresen an. Hinten an der Tür steht Susanne, an die Wand gelehnt. Sie hat die Hände um ein Glas Rotwein geschlossen und lässt ihren Blick über den Raum schweifen, hin und zurück, hin und zurück, als suchte sie nach etwas. Eine leichte Irritation steigt in Anders auf. Typische Problemsucherin.

»Nun komm schon, Herr Doktor! Jetzt tanzen wir!«

Ulrika zieht ihn lächelnd am Handgelenk. Eine Sekunde lang ist er versucht, den Kopf zu schütteln und Nein zu sagen, dann stellt er den Krug auf den Tresen und erwidert das Lächeln. Ulrika hat funkelnde Augen und ein breites Lächeln. Zum Teufel mit der professionellen Distanz.

»Ich bin kein Meister …«

»Aber ich«, erklärt Ulrika. »Dann gleicht sich das ja aus.«

Es ist eng auf der Tanzfläche, so eng, dass ihre höchst zweifelhafte Meisterschaft nicht auffällt. Die Leute drängen und knuffen, jemand – ist das dieser Robert? – stößt ihr so hart den Ellbogen in den Rücken, dass sie das Gleichgewicht verliert. Anders muss beide Hände ausstrecken und sie packen, damit sie nicht hinfällt. Das ist gut. Wenn sie einander an den Händen halten, während sie so dastehen und sich schütteln, ist nicht zu sehen, wie steif er eigentlich ist. Eva hat sich in den letzten Jahren geweigert, mit ihm zu tanzen. Das sei, wie mit einem Roboter zu tanzen, hat sie gesagt. Also ist er auf dem Sofa sitzen geblieben, wenn es bei diesen Festen, zu denen sie immer eingeladen wurden, zum Tanz kam, hat sich einen Cognac genommen und unterhalten, während sie sich an einen nach dem anderen drückte. Wenn sie nach Hause kamen, wollte sie immer mit ihm schlafen. Tanzen erregte sie.

Ulrika scheint nicht erregt zu werden, sie schiebt sich nur den Pony aus der Stirn, als die Musik verstummt, wirft Robert einen wütenden Blick zu und bekommt einen ebenso wütenden zurück und ruft dann mit lauter Stimme:

»Jetzt reicht es ja wohl mit diesem Krach! Spielt mal ein paar gute alte Oldies für uns Alte!«

Anders hebt die Augenbrauen. Alte? Sie ist ja wohl kaum älter als fünfzig. Obwohl, das ist in dieser Gesellschaft vielleicht schon alt, zumindest alt genug, dass man auf sie hört. Einen Moment lang bleibt es still, während jemand zwischen den CDs sucht, dann erschallt ein vertrauter Eröffnungsakkord durch die Bar. Er lächelt und greift nach Ulrika, drückt sie fest an sich. She belongs to me. Ein alter Ohrwurm, der während seines letzten Jahres am Karolinska Institut acht Wochen auf der Hitliste stand.

»Ich habe diesen Song gehasst«, sagt er und legt seine Wange an Ulrikas Haar. »Wirklich gehasst.«

Sie lacht und schüttelt leicht den Kopf, die Bewegung lässt das Haar zur Seite rutschen, und als sie sich ihm wieder nähert, streift ihre Wange seine. Ein Schauer läuft ihm über den Rücken.

»Ich habe ihn geliebt.«

»Ich weiß, das haben ja wohl alle Teeniemädchen.«

»Björn Hallgren war die Antwort auf all unsere Gebete … Zumindest für eine kurze Zeit.«

Er erstarrt, erwidert nichts. Ulrika zieht sich kurz zurück und sieht ihn an.

»Was ist denn?«

»War das Björn Hallgren?«

»Ja. Er war doch der Sänger der Typhoons. Bevor das passiert ist.«

Er hat aufgehört zu tanzen, hält sie aber immer noch fest, wiegt sich nur ein wenig hin und her, um den Schein zu wahren. Dann war es also Björn Hallgren, der diesen Song gesungen hat … Adam in Evas verlorenem Paradies. Dass er das vergessen konnte. Andererseits wollte Eva nie diese Platten hören, wenn Anders zu Hause war, im Gegenteil, sie wurde wütend, wenn er sie nur anfasste. Vielleicht spielte sie sie, wenn er arbeitete. Irgendetwas musste sie ja tun, wenn Anders bei der Arbeit war.

»Aber vielleicht ist das nicht gerade der passendste Song hier«, sagt sie gedämpft.

Er versucht seine Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen.

»Warum nicht?«

»Weil seine Schwester hier ist. Und sie sieht etwas bedrückt aus.«

Ulrika dreht sich um, gibt ihm den Blick zur Tür frei. Susanne steht immer noch dort, an die Wand gelehnt, und hält ihr Glas in beiden Händen, aber jetzt hat sie die Augen geschlossen.

»Ist das seine Schwester?«

»Ja. Oder Halbschwester oder so etwas.«

»Woher weißt du das?«

»Habe ich irgendwo gelesen. Wollen wir zu ihr gehen?«

»Nein«, sagt Anders und drückt Ulrika fester an sich. »Es wird das Beste sein, wenn wir sie in Ruhe lassen.«

»Ja. Man kann ja eigentlich davon ausgehen, dass sie darüber hinweg ist«, sagt Ulrika. »Schließlich ist es schon so lange her …«

Er will gerade etwas darauf erwidern, als ein Schrei alles übertönt.

»Er blutet! O mein Gott, er blutet!«

Das ist Katrin. Sie steht an der Bar und greift sich mit der Hand an die Kehle. Neben ihr steht Robert. Seine rechte Hand ist rot von Blut. Trotzdem lässt er den Henkel des zerbrochenen Bierkrugs nicht los, steht nur reglos da und starrt auf den Bartresen. Der mit Glasscherben übersät ist.

Anders zeigt Ulrika eine Miene des Bedauerns, und sie lässt sofort seine rechte Hand los. Es hilft alles nichts. Der Doktor muss arbeiten.

Niemand ist in ihrer Kajüte gewesen.

Das Fenster ist zum Meer hin geöffnet. Die Laken der Koje sind so glatt und weiß wie vorhin, bevor sie zu dem Fest gegangen ist. Der Spiegel im Bad ist sauber und glänzt. Ein leichter Duft nach Reinigungsmittel kitzelt die Schleimhäute der Nase. Ein Schauer läuft ihr über den Rücken, und sie schließt das Fenster, steht einen Moment lang nur da und betrachtet einen Eisberg, der vorbeisegelt, überlegt, wie sonderbar es doch ist, dass die Euphorie der ersten Stunden vorbei ist, dass die Augen, die ein ganzes Leben lang auf diesen unerhörten Anblick gewartet haben, sich bereits an ihn gewöhnt haben. Dann zuckt sie mit den Schultern, schlingt die Arme um sich und blinzelt ein paarmal. Versucht sich zu sammeln. Warum ist sie hierhergekommen? Was wollte sie hier tun?

Sich verstecken. Weil Blut auf dem Bartresen war.

Sich verstecken. Weil sie dieses Lied gespielt haben.

Sich vor ihren Erinnerungen verstecken, die von der Musik geweckt wurden. Sie kann spüren, wie sie sich genau in diesem Moment in ihrem Kopf drehen, sich drehen und winden, wie sie ihr ewiges Lächeln zeigen und züngeln.

Sie lässt sich auf die Koje sinken, schleudert die Schuhe von den Füßen und legt sich hin. Schließt die Augen. Sucht nach der Dunkelheit. Aber hinter ihren Augenlidern ist es gar nicht dunkel, es ist rot, eine merkwürdige rotgraue Tönung, die jedesmal, wenn ihr Herz schlägt, in einem gelben Kreis explodiert. Sie kann eine Weile das Farbspiel betrachten. Und versuchen, sich nicht zu erinnern.

»Es ist noch nichts passiert«, sagt sie laut zu sich selbst. »Bis jetzt ist noch nichts passiert.«

Das ist ein tröstlicher Gedanke. Und er ist wahr. Denn wenn das Vergangene tatsächlich in uns lebt, wenn es unauslöschlich ist, dann betrifft das ja alles die Vergangenheit. Auch die Momente, in denen es noch nicht passiert war.

Wie die Fensternische im Treppenhaus, die allein Susanne gehörte. Niemandem sonst.

Das ist eine Selbstverständlichkeit, die der Rest der Familie akzeptiert. Niemand sonst kann schließlich aufrecht unter dem Dachbogen sitzen und die Füße auf der schmalen Fensterbank abstellen. Die anderen sind zu groß. Deshalb lächeln sie ihr nur zu, wenn sie an ihr vorbei die Treppe hinunterlaufen.

»Hallo, Ausguck«, sagt Björn, wenn er auf dünnen Ledersohlen ins Erdgeschoss hastet. »Gibt es etwas zu berichten?«

»Hallo, mein kleiner Hausspion«, sagt Inez, wenn sie an ihr vorbei zum Badezimmer eilt, die Arme voll mit frisch gewaschenen Handtüchern. »Siehst du etwas Interessantes?«

»Wie schön, dass jedenfalls einer auf diesem Fahrzeug unterwegs in die Ewigkeit Wache hält«, sagt Birger, wenn er die Treppe hinunterhinkt, in der einen Hand die Aktentasche, in der anderen die Landskrona-Posten. Susanne antwortet nicht, folgt ihm nur mit Blicken, um zu sehen, ob er wohl stolpert. Und tatsächlich, auch an diesem Tag stolpert er.

Sie lächelt ihm nach, dreht langsam den Kopf und schaut aus dem Fenster. Draußen in der Svanegatan hat bereits die Dämmerung eingesetzt. Graue Herbstdämmerung. Die Straßenlaternen haben einen Heiligenschein bekommen, und noch ist es vor dem Haus ganz leer. Es ist noch viele Jahre hin bis zu dem Tag, an dem die Mädchen kommen werden. Und noch ist nichts passiert.

Herbstabend

Die Mädchen kamen in der Dämmerung.

Anfangs, lange Zeit bevor das, was gar nicht passieren konnte, passiert war, waren es nur einige wenige, ein verlorenes Häuflein von drei oder fünf oder sieben, die aus den Schatten hervortraten und versuchten so auszusehen, als kämen sie rein zufällig vorbei und blieben aus purem Zufall auf dem Bürgersteig vor dem roten Klinkerhaus stehen. Sie wandten ihre bleichen Gesichter dem Fenster zu, während sie gleichzeitig in den Taschen nach Zigaretten und Streichhölzern suchten, blieben dann dicht beieinander stehen und ließen den Rauch im gelben Lichtkegel der Straßenlaterne aufsteigen.

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